Monat: Mai 2016

KW 22/2016: Christiane von Goethe, 1. Juni 1765

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Ich versuche zu vermeiden, Frauen nur über ihre Beziehungen zu berühmten Männern zu definieren. Bei einem Mann wie Goethe und einer Frau wie seiner mache ich eine Ausnahme.

Christiane Vulpius war eine Frau von niederem Stand und die noch uneheliche Beziehung zum Geheimrat Goethe wurde in Weimar mit Ächtung gestraft. Sie gebar ihm einen Sohn, noch bevor er sie offiziell zur Frau nahm – doch lebte sie mit ihrer Schwester und Tante bei ihm und führte den Haushalt. In dieser Funktion rettete sie seinen Hausstand, als die Truppen Napoleons in Weimar einmarschierten: Christiane Vulpius stellte sich ihnen im Haus entgegen und konnte die Zerstörung abwenden, bis Goethe selbst mit dem Kommandanten verhandeln konnte. Danach erst steckte er ihr endlich einen Ring an den Finger. Er begann auch, sich für sie in der Weimarer Gesellschaft einzusetzen, und Schopenhauers Mutter zeigte sich gnädig mit den Worten: „Wenn er ihr seinen Namen gibt, werden wir ihr wohl eine Tasse Tee geben können.“

Christiane war Motiv und Gegenstand einiger der schönsten Gedichte Goethes. Als sie nur 51jährig an Nierenversagen starb, war er gebrochen und wohnte nicht einmal selbst ihrer Beerdigung bei. Schillers Ehefrau blieb wohl dem Dünkel verhaftet, als sie sich anderweitig schriftlich darüber wunderte, wie er nur über „dieses Objekt“ weinen könne. Es war ihre Lebenslust, Pragmatik, auch ihr Sinn für Ästhetik, den Goethe an Christiane liebte. Ihren Grabstein zieren die Worte: „Du versuchst, o Sonne, vergebens, durch die düstren Wolken zu scheinen. Der ganze Gewinn meines Lebens ist, ihren Verlust zu beweinen.“

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Von 107 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 9 (inklusive Christiane von Goethe) Frauen:
5.6.1420 Anna von Sachsen
31.5.1527 Agnes von Hessen
4.6.1604 Claudia de‘ Medici
2.6.1699 Marie Thérèse Rodet Geoffrin
3.6.1765 Friederike Brun
5.6.1777 Catherine Josephine Duchesnois
3.6.1779 Marie von Clausewitz
5.6.1782 Luise von Haugwitz

nur das nötigste

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diese brust ohne kopf und beine steht neben dem whirlpool im hotel georgshöhe auf norderney.

KW 21/2016: Mary Wortley Montagu, 26. Mai 1689

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Neben einer regen schriftstellerischen Tätigkeit, unter anderem mit Berichten aus den Frauenräumen des Osmanischen Reiches als Ehefrau des englischen Botschafter in Istanbul, als Lyrikerin und Verfasserin politischer Texte, war Mary Wortley Montagu eine Pionierin des medizinischen Fortschritts. Nachdem sie ihren Bruder an die Pocken verloren  und selbst eine Erkrankung mit deutlichen kosmetischen Schäden überlebt hatte, brachte sie aus dem Osmanischen Reich die Variolation (Inoculation) mit: das gezielte Infizieren durch die Erreger eines milden Falles der Pocken. Sie ließ dies nicht nur bei ihren beiden eigenen Kindern durchführen, nachdem sie die Erfolge der Osmanen damit gesehen hatte, sondern brachte auch den englischen König George I. und dessen Tochter Caroline dazu, ihre Kinder bzw. dessen Enkel so gegen die Pocken zu immunisieren – selbstverständlich erst, nachdem die Variolation zunächst an zum Tode verurteilten Verbrechern getestet wurde. Diese waren danach nicht nur gegen die Pocken immun, sondern auch wieder auf freiem Fuß. Die Variolation blieb für etwas 50 Jahre die Methode der Wahl für die Immunisiserung, bis die Impfung, wie wir sie heute kennen, entwickelt wurde.

Zu Mary Wortley Montagus literarischer Arbeit ist noch zu sagen, dass sie, wohl zu Recht, über die bisherigen Reiseberichte aus dem Orient recht gehässig sprach – dass dort Männer ihre Fantasien auslebten, weil sie schlicht nicht wüssten, was in den ihnen unzugänglichen Orten wirklich vorging. Es zirkulierten über die Frauenbadehäuser selbstverständlich Gerüchte und Vorstellungen davon, dass in diesen reinen Frauen-Räumen sexuelle Ausschweifung und Freizügigkeit herrschte – weil Frauen allein gelassen untereinander natürlich nichts als Sex im Kopf haben können. Lady Montagu rückte das Bild mit ihren eigenen Erfahrungsberichten gerade: dass dort schlicht das soziale Leben stattfand, ohne die störenden Einflüsse der Männer. Trotzdem fanden vor allem ihre Beschreibungen der orientalischen weiblichen Körper Beachtung und wurden wiederum für die Auswertung in erotischen künstlerischen Darstellungen verwendet.

Bild: By Charles Jervas – The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Public Domain

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Von 102 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 4 (inklusive Mary Wortley Montagu) Frauen:
29.5.1627 Anne Marie Louise d’Orléans
27.5.1653 Liselotte von der Pfalz
25.5.1775 Charlotte Joachime von Spanien

KW 20/2016: Maria Gaetana Agnesi, 16. Mai 1718

Maria Gaetana Agnesi

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Maria Gaetana Agnesi ist ein Musterbeispiel dafür, dass Erfolg subjektiv ist und sich nicht unbedingt daran bemisst, alles zu tun, was man könnte.

Das Wunderkind Maria Gaetana, Tochter eines Textilkaufmanns/ Mathematikprofessors (möglicherweise), war das älteste von insgesamt 21 Geschwistern und Halbgeschwistern. Sie hielt mit neun Jahren eine einstündige Abhandlung in lateinischer Sprache über die Rechte der Frau auf Bildung, sprach mit elf Jahren bereits sieben Sprachen und studierte mit 14 Ballistik und Geometrie. Ihr ehrgeiziger Vater gründete einen Bildungszirkel, in dem sie 15jährig regelmäßig philosophische Fragen diskutierte – diskutieren musste, obwohl sie kränklich und sehr schüchtern war. Nachdem eine strenge „Reit- und Tanzkur“ keinen Erfolg in ihrer Genesung von einer unbekannten Krankheit brachten, wurde es ihr erlaubt, kürzer zu treten. Als die Mutter starb, zog sie sich gerne in den Haushalt und die Erziehung ihrer Geschwister zurück. Der Vater heiratete noch zwei weitere Male und zeugte immer weitere Geschwister; er gestatte Maria Gaetana nicht, in ein Kloster zu gehen, respektierte ihre Wünsche aber soweit, dass sie sich von den gesellschaftlichen Auftritten zurückziehen und der Forschung widmen durfte.

Mit 30 Jahren veröffentlichte sie ihre Grundlagen der Analysis, in denen sie unter anderem die Versiera der Agnesi diskutierte. Sie wurde daraufhin von Papst Benedikt XIV. zur Professorin an der Universität von Bologna berufen, unterrichtete dort jedoch nie, anders als ihre Zeitgenossin Laura Bassi. Stattdessen nutzte sie vier Jahre später die durch den Tod des Vaters gewonnene seelische Freiheit, sich von allen wissenschaftlichen Profilierungen abzuwenden und sich ganz ihrem geistlichen Streben zuzuwenden. Sie verfolgte nun ein Religionsstudium und wurde Wohltäterin für Arme und Kranke. Sie eröffnete eine Unterkunft für Obdachlose und mit 53 Jahren schließlich ein Seniorenheim für Frauen, in dem sie ein Leben ähnlich der dort arbeitenden Nonnen führte. Dieses Heim unterstand ihr bis zu ihrem Tod mit 81 Jahren.

Obwohl ihr alle Türen zu einem berühmten, angesehenen und vielleicht sogar reichen Leben offen standen, fand Maria Gaetana Agnesi ihr Glück im Bescheidenen, darin, anderen zu helfen. Der wirklich Erfolg kam für sie erst, als sie sich von den Erwartungen des Vaters gänzlich lösen konnte und ihren eigenen Vorstellungen folgen konnte.

Bild: By Jean-Baptiste-François Bosio – This file was donated to Wikimedia Commons as part of a project by the Metropolitan Museum of Art. See the Image and Data Resources Open Access Policy, CC0

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Von 109 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 9 (inklusive Maria Gaetana Agnesi) Frauen:
16.5.1696 Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach
20.5.1754 Elisa von der Recke
20.5.1770 Anna Emilie von Anhalt-Köthen-Pleß
19.5.1771 Rahel Varnhagen von Ense
18.5.1777 Auguste Charlotte von Kielmannsegge
21.5.1780 Elizabeth Fry
21.5.1788 Katharina Pawlowna
21.5.1799 Mary Anning

KW 19/2016: Maria Amoretti, 12. Mai 1756

Maria Amoretti

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Kurz und knackig ist auch mal schön: Maria Amoretti wurde zunächst wegen ihres Geschlechtes an der Universität von Turin abgewiesen, studierte dann Jura an der Universität von Pavia  und schloss dort mit 21 Jahren als erste Frau Italiens mit Promotion ab. Sie verstarb bereits mit 31 Jahren, hinterließ aber eine Arbeit über die gesetzliche Regelung von Mitgiften, die von ihrem Verwandten Carlo Amoretti posthum veröffentlicht wurde.

Bild: Von http://www.storiadimilano.it/repertori/parinilaurea.jpg, Gemeinfrei

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Von 190 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 12 (inklusive Maria Amoretti) Frauen:
11.5.1366 Anne von Böhmen
9.5.1427 Françoise d’Amboise
15.5.1450 Cimburga von Baden
14.5.1553 Margarete von Valois
14.5.1606 Agnes von Hessen-Kassel
10.5.1714 Sophie Charlotte Ackermann
13.5.1717 Maria Theresia
13.5.1742 Maria Christina von Österreich
10.5.1752 Amalie von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld-Bischweiler
12.5.1774 Friederike von Reden
13.5.1791 Emilie von Reichenbach-Lessonitz

KW 18/2016: Katharina II. Die Große, 2. Mai 1729

Katharina die Große

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Katharinas Karriere als „Die Große“ begann, als die 16jährige Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst mit dem Neffen der russischen Zarin Elisabeth, Peter Fjodorowitsch, verheiratet wurde, der später Zar Peter III. wurde. Kaum in Moskau angekommen, konvertierte sie, die bereits eifrig Russisch gelernt hatte, zum orthodoxen Glauben und wurde Jekaterina Alexejewna – zum Ärger ihrer Mutter. Ob es zunächst nur Pflichtbewusstsein war, zu dem sie als Adelige erzogen wurde, den Anforderungen an die Frau eines Zaren gerecht zu werden – in jedem Fall zeigte Katharina II. bald Ehrgeiz, strategisches Talent und Ausdauer. Nach 17 Jahren Ehe mit zwei (wahrscheinlich und einem definitiv unehelichen) Kindern und dem Antreten Peters III. als Zar nach dem Tod seiner Tante führte sie mit Hilfe des Militärs und diverser Adliger einen Staatsstreich aus und stürzte ihren Mann vom Thron; bald darauf wurde dieser umgebracht, womit sie jedoch nicht in Verbindung gebracht wird.

In den 34 Jahren ihrer Regentschaft als Zarin konnte sie einige Erfolge verbuchen – die Ausweitung der Territorien im Süden und Westen Russlands, die Annektion der Krim (der Blick zurück in die Geschichte erklärt einiges in der Gegenwart), 20 Jahre Frieden mit Schweden nach 2 Jahren Krieg mit schweren Verlusten auf beiden Seiten, die Einführung von Papiergeld, das noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet wurde. Manche ihrer ehrgeizigen Pläne scheiterten aber wohl an ihrer Modernität, an der Zähigkeit, mit der sich große Umwälzungen nur betreiben lassen, und an Katharinas eigenem Gesinnungswechsel: viele Ideen der französischen Aufklärung übernahm sie, pflegte Brieffreundschaft mit Voltaire und nahm Diderot schützend bei sich auf, doch nach der französischen Revolution erkannte sie das für die herrschenden Verhältnisse gefährliche Potential dieser Ideen und verwarf ihre eigenen aufklärerischen Gedanken.

Sie nahm den Adel in den Regionen ihres riesigen Reiches in die Pflicht bei der Regierung, teilte das Land in Distrikte und führte eine dezentralisierte Bürokratie ein; sie wollte Russland modernisieren und das russische zu einem „neuen Volk“ machen, indem sie Bildung für alle (außer Leibeigenen und Juden) zugänglich machen wollte. Leider scheiterten viele dieser Pläne an eben der dezentralisierten Bürokratie, die sie zur Erneuerung des Landes installiert hatte.

Wie an ihrer passionslosen Konvertierung vom Christentum in die Orthodoxie sichtbar wird, nahm sie eine eher pragmatische Haltung zur Religion ein. Sie versuchte, die drei Religionen Christentum, Orthodoxe und Islam gleichberechtigt und liberal zu behandeln, vor allem, um den Frieden in den östlichen Gebieten zu wahren – diese Versuche scheiterten oft an der wesentlich emotionaleren Haltung des Volkes zur Religion. Juden hatten es auch hier grundsätzlich schwerer – auf finanzielle Dienstleistungen beschränkt, waren sie beim Volk unbeliebt und wurden schließlich von Katharina II. ganz zu Ausländern erklärt, was ihnen jegliche Gleichberechtigung im russischen Reich entzog.

Was immer ihre politischen Errungenschaften jedoch waren, was zunächst hauptsächlich von ihr im Gedächtnis blieb waren die vielen, oft jüngeren Liebhaber, die sie sich nahm. Bei einem männlichen Herrscher dieses Ranges wäre das natürlich nicht mehr als eine Randnotiz – bei einer Frau jedoch wird eine frei und ungehindert ausgelebte Libido zum Hauptmerkmal und Anzeichen ihrer generellen Devianz. Die Entschlusskraft, ihren Mann vom Thron zu stoßen und selbst die Regentschaft zu übernehmen, der politische Wille, die Intelligenz, die Voltaire in ihr bewunderte, die Freiheit, ihr Privatleben nach ihrer Lust zu gestalten – Abartigkeiten in einer Frau, die in der Ansicht ihrer männlichen Zeitgenossen ohne zu zögern mit Perversion und Maßlosigkeit gleichzusetzen waren. Denn es war und ist immer gängige Praxis, Frauen über die Beschämung ihrer Sexualität in ihre Schranken zu weisen.

Bild: Von Nachahmer von Johann Baptist von Lampi – Kunsthistorisches Museum, Gemeinfrei

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Von 184 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 11 (inklusive Katharina II.) Frauen:
3.5.1415 Cecily Neville
2.5.1458 Eleonore von Portugal
5.5.1487 Anna von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach
2.5.1700 Charlotte von Hanau-Lichtenberg
4.5.1744 Marianna von Martines
7.5.1748 Olympe de Gouges
3.5.1764 Élisabeth Philippine Marie Hélène de Bourbon
5.5.1764 Therese Huber
5.5.1775 Maria Clementine Martin
6.5.1800 Amalie Haizinger

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