Schlagwort: gender

KW 33/2015: Serena Nanda, 13. August 1938

Hijra

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Die Wikipedia-Beiträge zu Serena Nanda sind leider sehr kurz. Dabei hat sie zu einem der faszinierendsten Themen der Genderforschung – für mein persönliches Interesse zumindest – ein Fachbuch geschrieben, und zwar zu den Hijras in Indien und Umgebung.

Das erste Mal bin ich dem Konzept begegnet in John Irvings Zirkuskind. Ich hielt das zunächst für dichterische Freiheit und schlug es nach; meine Faszination mit einem „dritten Geschlecht“ hat seither nicht abgenommen.

In der Diskussion hierzulande über „Gender-Gaga“ (diese Formulierung muss ich selbst immer wieder mit sarkastischem Tonfall verwenden, damit ihre Existenz mich nicht rasend macht) werden die alten, kulturell akzeptierten Formen der Genderfluidität bzw. -transgression wohl deshalb nicht herangezogen, weil es sich dabei um nicht-abendländische Kulturen handelt. Da gibt es die Burnesha in Albanien und eben die Hijras im südostasiatischen Kulturkreis. Selbst eine Machokultur wie die mexikanische hat die Muxes (kommt vom altspanischen Wort für Frau – diese Menschen leben in einer Kultur, die noch unter stärkerem Einfluss der Zapotheken steht als der spanischen – katholischen – „Einwanderer“).

Aber wir hier müssen natürlich alle nach den gleichen Prinzipien des römischen-katholischen Menschenbildes leben und fühlen – nur am äußersten Rand der Skala von Männlich- und Weiblichkeit gibt es eine dünne Marge der „Normalität“, wenn es nach der Vorstellung mancher geht. Nunja. Wenn wir uns als Kultur langsam unter dem Schirm der abendländischen Religion herausbewegen können – in Richtung eines offenen, auch nicht religiösen Humanismus –, bleiben solche Normierungen vielleicht auch zurück.

Bild: By Mgarten at English Wikipedia, CC BY 3.0

waffen töten keine menschen, feministinnen töten menschen (vor allem die kinder)

ich will nicht zu einem artikel mit ausgemachtem unfug verlinken, den ich auch gar nicht gelesen habe, sondern zu dem wortgewaltigen und oh so wahren und berechtigten rant von Rochus Wolff im genderblog.
die argumentation des unfug-artikels ist daraus zu entnehmen, ein weiterklicken kann also ausblieben – keine klicks für dumme texte. aber das enthaltene video ist sehr interessant und birgt erhellendes.

it's about choice

man lernt jeden tag was neues. ich habe gelernt, dass die frau von neil gaiman eine musikerin und kabarettistin namens Amanda Palmer ist. erfreulich daran: ihre ansicht, was feminismus eigentlich ist, deckt sich mit dem, was sich so gerade an fragen, möglichkeiten und hoffnungen in meinem kopfherz bewegt.
ich für meinen teil weiß auch nicht, ob feminismus unbedingt männerhass und geschlechterkampf sein muss; wenn, dann kann ich auf die bezeichnung „feministin“ verzichten. bevorzugen würde ich, wenn feminismus bedeutet, dass ich als frau frei bin davon, dass mir aufgrund meines geschlechtes bezüglich äußerem, verhalten und vorlieben vorschriften gemacht werden. sowohl von seiten der konservativen rollenklischees wie auch der kämpferinnen für den „guten kampf“. diese freiheit würde ich dann selbstverständlich auch für männer ersehnen – eine kommentatorin des verlinkten artikels sagt sehr treffend, dass es beim feminismus ursprünglich um die gleichen rechte für frauen wie für männer geht; das heißt, dass er auch beinhaltet, die männer von ihren nachteiligen zwängen zu befreien. von daher ist das wort feminismus dann tatsächlich irreführend, aber bis jemand mit einem besseren wort kommt, dass sich durchsetzt, bleiben wir halt dabei. (vielleicht suche ich auch nur eine entschuldigung dafür, warum ich nicht widerstehen kann, meiner tochter auch die zehennägel zu lackieren, wenn sie „will auch!“ sagt. nach meinem gefühl jedenfalls geht es nicht darum, sich als frau so oder so verhalten zu müssen, sondern die freiheit der wahl zu haben, die freiheit, ein individuum zu sein. also: lackierte zehennägel zu haben, aber lieber turnschuhe als highheels zu tragen. als beispiel.)

KW 33/2012: Laura Mulvey, 15. August 1941

Laura Mulvey

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Laura Mulvey hat den bahnbrechenden feministisch-filmtheoretischen Artikel Visual Pleasure and Narrative Cinema geschrieben. Ich hole die Lektüre derzeit nach, aber der Inhalt des Artikels ist für dieses Blog auch gar nicht so sehr interessant – wie die meisten wissenschaftlichen Arbeiten stehen die Thesen jederzeit zur Diskussion. Sie selbst hat die Aussage später wohl in einem weiteren Artikel gemildert und umformuliert, als Erstschlag einer feministischen Betrachtungsweise in der von der männlichen Betrachtungsweise dominierten Welt des Films, der Wissenschaft und der Filmwissenschaft hat der Artikel jedoch seine ursprünglichste Existenzberechtigung.

Der Artikel ist die Quelle eines Begriffsrahmens, der mir nicht nur bei der Benennung, sondern zum Teil überhaupt erst beim Erkennen eines Gefühls hilft, das ich des öfteren beim Filmekucken habe: Nämlich die irritierende Wahrnehmung des männlichen Blicks. Gerade in meinem Lieblingsgenre, dem Horrorfilm, werden Frauen ja sowohl als Sexualobjekt wie Mordopfer – eine psychoanalytische Identität beider Rollen dahingestellt – bevorzugt und ihre Darstellung ist oft genug eine exploitative. D.h.: Die Mädels sind im Film so, wie Mann sie gerne sieht. Für mich als weibliche Zuschauerin ergibt das ein merkwürdiges Emotionsgemisch, da ich mich tatsächlich (dies ist valide Kritik an Mulveys Artikel) auch als Frau mit dem jeweiligen Protagonisten bzw. dem angesprochenen männlichen Zuschauer identifizieren kann – der „männliche“ Spaß am Film mithin auch meiner ist. Gleichzeitig jedoch identifiziere ich mich per default auch mit dem weiblichen Objekt/Opfer, was mich nicht nur in meiner Identifikation mit dem gesehenen Filmbild ins Dilemma stürzt, sondern sich auch in einer merkwürdigen Paranoia niederschlägt, die urplötzlich alle im Kinosaal (oder Wohnzimmer) befindlichen Männer zu (potentiellen) Spannern und/oder Aggressoren macht.

Eine ausgesprochen grafische Versinnbildlichung der Situation weiblicher Zuschauerinnen bei der Beanspruchung des männlichen Blicks findet sich übrigens in Katheryn Bigelows Strange Days, in der ein Vergewaltiger seinem Opfer den Livestream der Vergewaltigung aus seiner Sicht ins Hirn spielt. Ein mise-en-abyme aus Ausgeliefertsein, Schuldgefühl und sexueller Lust, bei dem sich mir persönlich der Magen umdreht.

Ein anderer Film, der mir in diesem Assoziationsraum einfällt und zu differenzierter Betrachtung einlädt, ist Neil Marshalls The Descent. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ihn gesehen habe, daher will ich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber zu Überlegungen anregen, inwieweit dieser Film auch einen männlichen Blick einsetzt. Ist denn der Blick der Kamera per se männlich? Was würde das für diesen, in meiner Erinnerung ausgesprochen emanzipierten Film bedeuten? Mit seinen sechs weiblichen Hauptfiguren, die sich auch, aber nicht nur über ihre Beziehungen zu Männern unterhalten (womit der Film den Bechdel-Test mit Bravour besteht) und die als starke, aktive und kompetente Charaktere gezeichnet werden, habe ich ihn damals als eine ausgesprochene Wohltat im ansonsten sehr auf männliche Interessen und Vorlieben ausgelegten Horrorgenre erlebt. Nichtsdestotrotz lässt sich das Absteigen in eine dunkle Höhle, in der dann tödliche Gefahr lauert – nicht nur von der zu erwartenden Seite – als männliche Angst vor der Vagina dentata lesen. Ist dies also auch nur die intellektualisierte, verklausulierte Version eines „typisch männlichen“ Horrorszenarios? Oder – noch schlimmer – eine filmische Misogynie, die ihresgleichen sucht? Die ausschließlich weibliche Besetzung bedeutet ja für einen solchen Horrorfilm, dass alle Getöteten Frauen sind (zumindest auf der Protagonistenseite)!
Wenn also der Blick der Kamera per se männlicher Blick ist, dann ist dieser Film nicht emanzipiert, sondern auf höchster Ebene frauenverachtend. In meiner wohlwollenden Interpretation hingegen ist der Blick der Kamera zunächst neutral, doch durch das mise-en-scene und die gezeigten Objekte kann er explizit männlich werden. Im Falle von The Descent ist es eben die wenig klischeehafte und eben nicht objektifizierende Darstellung, die es nicht zulässt, diesen Film auf diese Art zu lesen.

Eine (anscheinend) lesenswerte Erörterung von Mulveys Essay kann man hier lesen.

Bild: Von Mariusz Kubik – Eigenes Werk, CC BY 3.0

mann, konstruiert

am donnerstag, 19. juni, läuft die gender-experiment-dokumentation Man For A Day von Katarina Peters in den kinos an. Peters hat einen workshop von gender-aktivistin Diane Torr in berlin mit der kamera begleitet, in dem frauen sich, zunächst äußerlich, in männer verwandeln konnten. sicher eine interessante erfahrung, dabei gewesen zu sein. den film zu sehen, könnte daher auch interessant sein.

Diane Torr hat natürlich auch eine eigene webiste.

dicke, hässliche nutten außerhalb der küche

meine eigene erfahrung mit computerspielen begrenzt sich ja auf Civilization IV (oder so) auf dem eMac, ICO und Shadow of the Colossus auf der PS2 und einige harmlose Wii-Spiele. passiv noch ein paar PS2- und Wii-Spiele mehr. mit MPOG, MMOG oder MMPORG habe ich überhaupt keine erfahrung.
ich kann mir aber sowohl die faszination erklären als auch vorstellen, dass das einen heidenspaß macht, sowohl männern wie frauen. allerdings, nach dem, was ich in der letzten zeit gelesen habe, ist es für frauen doch ratsam, sich bei diesen gelegenheiten zumindest als ungeschlechtlich, wenn nicht gar als männlich auszugeben. denn in der gamer-community, unterstützt durch den online disinhibition effect, ist ein rüder, unangenehm diskriminierender umgangston normalzustand, der rassistische, homophobe und vor allem sexistische äußerung, belästigungen bis hin zum stalkertum und generelle scham-/charmelosigkleit begünstigt. das reicht von verhältnismäßig harmlosen fragen wie „zeigst du mir deine titten?“ oder „willst du meinen schwanz sehen?“ über die bezichtigung, als gamerin hässlich, fett oder besonders leicht zu haben sein zu müssen, weiter über einfallslose bitten, doch lieber in der küche ein sandwich zuzubereiten,  bis hin zu konkreten, wenn auch unrealistischen vergewaltigungs- und tötungsdrohungen oder -wünschen.
es wäre erschreckend, es wäre niederschmetternd, es wäre ein anlass, am guten im menschen – vor allem im menschen online – zu zweifeln. wenn es nicht die damen von fat, ugly or slutty und Not in the Kitchen Anymore gäbe. diese onlinegamerinnen haben es sich zur aufgabe gemacht, den sexismus in der gamer-community anhand täglich offensichtlich zahlreich eintrudelnder beispiele in ihren blogs zu dokumentieren und ihre weniger intellektuell priviligierten männlichen (und zum teil auch weiblichen) gamerkollegen allein durch die macht der eigenen dummheit zu diskreditieren. diese blogs sind das beste beispiel dafür, dass schamvolles schweigen die schlechteste reaktion auf diskirminierung ist und souveränes lachen über die beschränkten denkwelten anderer die beste. wie es eine bloggerin bei fat, ugly or slutty in einem beitrag schreibt: früher hat sie mit den schlimmsten befürchtungen ihr game-postfach geöffnet – nun freut sie sich geradezu, wenn sie mal wieder eine merkwürdige nachricht erhalten hat, weil sie sie auf dem blog teilen kann, um öffentlich mit anderen darüber zu lachen.*
bei manchen einträgen in beiden blogs stockt einem der atem über das ausmaß an dummbeutelei. aber einmal herzlich darüber gelacht, und schon fällt das atmen wieder leichter.
*es ist auch auf diesem blog, dass sich ein kleiner erfolg des anprangerns abzeichnet: in einem beitrag berichtet eine bloggerin darüber, dass ein ehemaliger onlinegamer sie kontaktiert hat mit der bitte, den beitrag, der auch seinen nickname verzeichnet, zu löschen – er sei jung und dumm gewesen und wolle nicht noch nach jahren der reifung als dieser idiot im internet zu finden sein. vielleicht werden noch mehr der übeltäter eines tages die pubertät hinter sich lassen und sich für ihre (jugendliche?) dummheit schämen. wenigstens ein paar.
PS: bei Cracked.com gibt es ganz frisch auch einen artikel über die rassistischen, sexistischen und homophoben züge von videospielen: 5 Prejudices That Video Games Can’t Seem to Get Over. lesenswert.

KW 25/2012: Octavia E. Butler, 22. Juni 1947

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Ocatvia E. Butlers Sternstunde – insofern, als diese den Beginn ihrer Karriere markierte – war es, als sie mit 12 Jahren nach Sichtung des Films Devil Girl from Mars zur Ansicht kam, dass sie Besseres schreiben könne. Und das, obwohl sie aus ärmlichen, nicht gerade bildungsnahen Verhältnissen stammte und bei ihr in der Schulzeit eine Leseschwäche diagnostiziert wurde. Mit ihren ersten Kurzgeschichten und späteren Romanzyklen begann sie auf Dauer eine ansehnliche Bibliographie zusammenzuschreiben, als die bekannteste afro-amerikanische Science-Fiction-Autorin (was an sich natürlich nicht schwer ist, wie viele davon gibt es wohl insgesamt?).

Wenn man den Inhalt von Devil Girl from Mars bei Wikipedia liest, kommt man mal wieder auf emanzipationsbedingte Kastrationsangst, was ich einen sehr guten Anlass für eine Schriftstellerkarriere finde. Dass Olivia E. Butler daraufhin Sci-Fi-Romane schrieb, die zumeist aus Perspektive ethnischer Minderheiten Gender, Geschlecht und Sexualität zum Thema hatten, lässt darauf schließen, dass der Film nur die literarische Beschäftigung mit den Themen getriggert hat, die in ihrem Leben eine Rolle spielten.

Ich habe noch nichts von ihr gelesen, aber angesichts ihrer Themen und des Lobes, das sie erhielt, bin ich jetzt durchaus interessiert – gute Fantasy und Science Fiction ist schließlich dünn genug gesät. Von Frauen für Frauen noch viel dünner.

Es gibt eine Olivia E. Butler Home Page, eine Kurzbiografie mit Beurteilung ihres Gesamtwerkes (auf Englisch) kann man bei bookrags lesen.

Bild: By Nikolas Coukouma – This is the first time this version of the photo has been released by Nikolas Coukouma., CC BY-SA 2.5

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