Schlagwort: vor dem 19. jahrhundert

44/2020: Ethel Sargant, 28. Oktober 1863

Ethel Sargant kam als dritte Tochter eines Londoner Rechtsanwaltes und seiner Frau zur Welt. Sie besuchte zunächst die North London Collegiate School, dann studierte sie am Girton College, dem ersten Frauencollege Großbritanniens und Teil der University of Cambridge. Nach vier Jahren Studium schloss sie 1885 mit einem Examen ab.

Als Botanikerin forschte sie zum großen Teil zu Hause im eigenen Labor, weil sie sich gleichzeitig um ihre Mutter und ihre Schwester kümmern musste. Nur 1892/93 arbeitete sie für ein Jahr in den Royal Botanic Gardens in Kew, wo sie sich auf Pflanzenanatomie spezialisierte. Bei ihrer Arbeit gelang es ihr, eine Phase der Zellteilung bei Pflanzen nachzuweisen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch unbewiesen war (ich nehme an, dass es sich um das Zygotän der Meiose handelt, nach den Informationen des deutschen Wikipedia-Beitrages). Sie studierte außerdem die Entwicklung von Ei und Spermium der Lilien und veröffentlichte in den späten 1890ern mehrere Fachbeiträge dazu.

1897 bereiste sie Europa als Begleiterin von Margaret Jane Benson, zu der Zeit Leiterin der Botanischen Abteilung am Royal Holloway College. Die beiden Frauen sammelten auf dieser Reise Kenntnisse und Ausstattung für ein botanisches Labor, dass am College eingerichtet werden sollte.

In ihrem zu Hause bot sie im ‚Joderal Junior‘-Labor Kurse an, in denen das wissenschaftliche Arbeiten erlernt werden konnte. Für vier Jahr zwischen 1897 und 1901 war hier Ethel Thomas (Link Englisch) ihre Assistentin, im folgenden Jahr Agnes Arber. Von 1903 an spezialisierte sich Sargant auf die Anatomie von Sämlingen. Sie kam anhand ihrer Untersuchungen insbesondere der Leitbündel zu dem Schluss, dass einkeimblättrige und zweikeimblättrige Pflanzen evolutionär einen gemeinsamen Vorfahren gehabt haben müssen.

Ethel Sargant gehörte 1904 zu den 15 ersten Frauen, die als Mitglieder der Linnean Society gewählt wurden (dank Marian Farquharson), und sie sollte später die erste Frau im Vorstand der Vereinigung werden.

Nachdem ihre Mutter und Schwester bis 1912 beide verstorben waren, verließ sie schließlich ihr Elternhaus und bezog das Pfarrhaus auf dem Campus des Girton College. Im Folgejahr wurde sie dort zum Ehrenfakultätsmitglied gemacht. Während des Ersten Weltkriegs, jedenfalls bis 1918, war sie Präsidentin der Federation of University Women. In dieser Funktion schuf sie als Beitrag zur britischen Kriegsanstrengung ein Register über Akademikerinnen, die Arbeit ‚von nationaler Bedeutung‘ leisten konnten.

Ethel Sargant starb im Alter von 57 Jahren am 16. Januar 1918. Ihre Bibliothek hinterließ sie dem Girton College, einen Nachruf (Link Englisch) schrieb Agnes Arber.

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Ebenfalls diese Woche

28. Oktober 1860: Gulielma Lister (Link Englisch)
Die englische Botanikerin gilt international als Koryphäe für Schleimpilze.

31. Oktober 1711: Laura Bassi
Über diese Philosophin und Physikerin schrieb ich 2016, das Jahr der Frauen vor dem 19. Jahrhundert.

KW 52/2016: Jane Marcet, 1. Januar 1769

frauenfiguren jane marcet

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Die in London geborene Tochter eines wohlhabenden Schweizer Kaufmanns wurde im eigenen Haushalt gemeinsam mit ihren Brüdern in Latein, den Wissenschaften und anderen, für Mädchen üblicheren Fächern unterrichtet. Als die Mutter starb, Jane war 15, übernahm sie die Rolle des Haushaltsvorstands. Nebenbei allerdings pflegte sie auch noch ihr Talent in der Malerei.

Mit 30 Jahren heiratete sie einen Schweizer Exilanten, Alexander Marcet, der sich in London als Arzt niederließ. Die Ehe brachte vier Kinder hervor und war auch in anderer Hinsicht gelungen. Janes Vater pflegte eine enge Beziehung zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn und hinterließ, als er 1817 starb, ein ansehnliches Erbe, dass es dem Ehepaar Marcet ermöglichte, sich ganz auf die Leidenschaft und das Interesse an den Wissenschaften, vornehmlich der Naturphilosophie, der Chemie und der Wirtschaftswissenschaft, zu konzentrieren. Jane machte es ihrem Mann möglich, sich zur Ruhe zu setzen und zu forschen, er im Gegenzug beteiligte sie an seinen Forschungen und ließ ihr alle Freiheit, sich selbst zu profilieren.

Bereits in den Jahren zuvor waren die Marcets Mitglieder eines intellektuellen Kreises, Alexander selbst unterrichtete und Jane folgte selbst Vorlesungen ihres gemeinsamen Interessengebietes, der Chemie. Als sie sich ganz auf ihre Forschungen konzentrieren konnten und Jane die Druckvorlagen eines Buches aus der Feder ihres Mannes prüfte, kam sie selbst auf den Gedanken, Bücher zu verfassen, die die schwierigen wissenschaftlichten Gebiete einfachen Lesern zugänglich zu machen, vor allem den Frauen, die nicht in den Genuss ausführlicher Bildung gekommen waren.  Das erste ihrer später grundlegenden Bücher, Conversations on Natural Philosophy, schrieb sie bereits mit 36, doch veröffentlicht wurde es erst 14 Jahre später. Das folgende, Conversations on Chemistry, Intended More Especially For The Female Sex, wurde direkt 1805 veröffentlicht, allerdings anonym. Es behandelte das Thema der Chemie ausführlich in der Form eines Gespräches zwischen zwei Schülerinnen, Caroline, ein eher flapsiger Charakter, Emily, einem ernsthaften Mädchen, und ihrer Lehrerin, Mrs. Bryant, genannt „Mrs. B“.  Jane illustrierte das Buch selbst und legte Wert darauf, Theorie und Praxis in der Chemieforschung ausgewogen zu betonen. Das Buch wurde zur Basis der Ausbildung junger Mädchen im Fach Chemie und inspirierte auch Michael Faraday, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Ihren Namen als Autorin sah Jane Marcet darauf erst bei der 12. Ausgabe, 1832.

Nach dem Erscheinen der Conversations zum Thema Naturphilosophie befasste sich Jane Marcet auch mit dem Thema der Wirtschaftspolitik. Es wurde zwar später gerne als vereinfachte Populärwissenschaft abgetan, die Motivation war jedoch, grundsätzlich Frauen an die Auseinandersetzung mit dem Thema hinzuführen und als Teilnehmer einer Gesellschaft mündig werden zu lassen. Dieses Buch bekräftigte Marcets Freundin Harriet Martineau darin, sich ebenfalls mit Wirtschaftsthemen zu befassen.
Der unerwartete Tod Alexanders 1822 warf einen Schatten über Jane Marcets Leben, und sie verblieb in England, statt wie mit ihm geplant in die Schweiz umzusiedeln. Sie schrieb weitere Conversations und andere Bücher, die an Menschen ohne Vorbildung, insbesondere Frauen, und Kinder gerichtet waren. Sie lebte und starb 89jährig bei ihrer Tochter in London.

Bild: By Edgar Fahs Smith Collection (University of Pennsylvania), Public Domain

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Von 189 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 23 (inklusive Jane Marcet) Frauen:
27.12.1390 Anne de Mortimer
1.1.1442 Margarete von Bayern
31.12.1493 Eleonora Gonzaga della Rovere
31.12.1499 Diana von Poitiers
1.1.1507 Anna von Brandenburg
1.1.1516 Margareta Eriksdottir Leijonhufvud
28.12.1526 Anna Maria von Brandenburg-Ansbach
30.12.1609 Anna Maria von Brandenburg-Bayreuth
26.12.1618 Elisabeth von der Pfalz
1.1.1638 Antoinette Deshoulières
1.1.1685 Theresa Katharina Lubomirska
29.12.1709 Elisabeth (Russland)
29.12.1721 Jeanne-Antoinette Poisson, Madame de Pompadour
1.1.1732 Julie Bondeli
31.12.1741 Isabella von Bourbon-Parma
29.12.1753 Wilhelmine von Lichtenau
1.1.1767 Maria Edgeworth
28.12.1785 Dorothea von Lieven
31.12.1790 Toni Adamberger
1.1.1792 Therese Malfatti
27.12.1797 Manuela Sáenz
1.1.1800 Filipina Brzezińska

KW 51/2016: Anna von Sachsen, 23. Dezember 1544

Anna von Sachsen

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Diese Anna von Sachsen – die Dritte in einer chronologischen Liste von 12 Frauen, die Anna von Sachsen hießen, oder Anna hießen und einen Titel „von Sachsen“ hatten – liegt mir wegen zwei Dingen am Herzen: einmal, weil ihr übel mitgespielt wurde, und zweitens, weil sich große Teile ihres Lebens in und um meine eigene Heimat herum abspielten.

Anna war körperlich deformiert, aber von der Mutter besonders geliebt. Durch Erbschaft von ihrem Vater Moritz von Sachsen eine der reichsten europäischen Adeligen ihrer Zeit, stellte ihr Hinken und die schiefe Schulter kein Problem dar dabei, einen Ehemann zu finden. Allerdings war sie durch eine vom Verlust der Eltern belastete Kindheit und Jugend sowie durch ihre Intelligenz und Streitbarkeit auch eine Person, die es sich selbst und anderen nicht leicht machte.

Der Mann, den sie schließlich heiratete, tat dies allein aus finanziellen bzw. politischen Gründen – was natürlich üblich war –, doch war ihre Familie davon überzeugt, sie hätte es auch noch besser treffen können: Wilhelm von Oranien war nicht der ranghöchste Heiratskandidat und noch dazu stark verschuldet. Dass er aber auch ein Feind der Habsburger und Unterstützer der protestantischen Konfession war, gab letztendlich jedoch den Ausschlag für die Entscheidung für ihn.

Anna gebar ihm fünf Kinder, obwohl die Verbindung von Zwist und Dissonanz geprägt war. Er fand sie streitsüchtig und beschwerte sich schon früh nach der Hochzeit unter anderem bei ihrem Onkel über ihre zänkische Art. Sie verfiel nach der Totgeburt des ersten Sohnes (das dritte Kind nach einer ersten, tot geborenen, und einer zweiten Tochter) in Depressionen und fühlte sich durch die beständigen Anfeindungen und Ermahnungen, sich gefügiger zu zeigen, sicher nicht wohler in ihrer Lage. Sie flüchtete sich in den Alkohol. Die Geburt und das Überleben des ersten männlichen Nachkommens war überschattet von der Tatsache, dass Wilhelm im Kampf gegen die Spanier schwere territoriale Verluste erlitt und sich die wirtschaftliche Lage schlecht darstellte. Er ließ sie in Dillenburg, wohin sie sich aus den Niederlanden zurückgezogen hatten, bei ihrer nicht wohlgesonnenen Schwiegermutter zurück, um wieder in den Krieg zu ziehen.

Anna fühlte sich dort jedoch so unwohl, dass sie während der nächsten Schwangerschaft ihren Hofstaat aufraffte und nach Köln zog – allerdings konnte sie ihre beiden Kinder nicht mitnehmen, weil ihre Schwiegermutter diese nach Braunfels verbracht hatte, um sie vor einer umgehenden Seuche zu schützen. Es sollte ein Jahr dauern und einen offenen Konflikt mit ihrer Schweigermutter nötig machen, ihre Familie in Köln zusammenzubringen. Inzwischen war auch das fünfte Kind mit Wilhelm von Oranien auf die Welt gekommen. Doch waren seine territorialen Verluste inzwischen so groß, dass sich Anna dazu bemüßigt fühlte, ihr Wittum, also die ihr zustehenden Besitztümer durch die Ehe mit Wilhelm, einzufordern. Sie zog dafür den niederländischen Advokaten Jan Rubens hinzu, es blieben allerdings nur zwei Möglichkeiten, ihr Eigentum sicherzustellen: sich mit dem politische Gegner ihres Mannes zu einigen, der die Territotrien beschlagnahmt hatte, oder entsprechende Entschädigungen durch Wilhelms Familie, die diese nur mit großem Verlust hätten leisten können.

Ihre Hartnäckigkeit besiegelte ihr Schicksal. Nach einem eintägigen Treffen 1570 in Butzbach kamen Anna und Wilhelm noch einmal für längere Zeit im selben Jahr an ihrem Hof in Siegen zusammen – nach diesem Treffen war Anna erneut schwanger. Ihr Mann jedoch plante bereits, sich ihrer zu entledigen, und beschuldigte kurzerhand ihren Anwalt, eine Affäre mit ihr zu haben. Nachdem er inhaftiert worden war, gestand er unter Folter selbstverständlich alles, was Wilhelm hören wollte, und Anna wurde mit der Androhung seiner Hinrichtung dazu erpresst, ihre Schuld einzugestehen. Das Kind, das sie kurz darauf gebar, wurde von Wilhelm nicht anerkannt und erhielt den Namen „von Diez“; Anna unterzeichnete ihre Scheidung und stand nun ohne jeglichen Unterhalt da.
Ihre eigene Verwandtschaft und die ihres Mannes wollten sie als Ehebrecherin inhaftieren. Dann allerdings wurde klar, dass Wilhelm bereits neue Heiratspläne schmiedete, und ihre Verwandtschaft fühlte sich nun betrogen. Sie forderten, dass Wilhelm ihr entweder eines der Besitztümer, das ihr Wittum hätte werden sollen, übergab – sie hätte schließlich nicht bewiesenermaßen oder wenn, dann nicht als erste von beiden Ehebruch begangen – oder sie solle zumindest nach Sachsen überführt werden. Wilhelm war letzteres nur recht, und ihre Umsiedelung nach Dresden wurde geplant. Als Anna, inzwischen auch von ihrem jüngsten Kind getrennt, dies erfuhr, beging sie einen Selbstmord versucht, der mißglückte; sie wurde mit Gewalt nach Sachsen verfrachtet und dort in einer Kammer mit Versorgungsschlitz eingemauert. Zwei Jahre später, mit 33, starb sie an einer Erkrankung und wurde namenlos neben ihren Verwandten im Meißener Dom beerdigt.

Bild: Von Abraham de Bruyn – worldroots.com : Home : Info, Gemeinfrei

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Von 172 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 14 (inklusive Anna von Sachsen) Frauen:
25.12.1281 Alice de Lacy
25.12.1424 Margarethe von Schottland
25.12.1461 Christina von Sachsen
25.12.1505 Christina von Sachsen
25.12.1584 Margarete von Österreich
22.12.1670 Anna Sophie von Sachsen-Gotha-Altenburg
19.12.1671 Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth
25.12.1719 Marie Elisabeth von Ahlefeldt
25.12.1720 Anna Maria Mozart
25.12.1742 Charlotte von Stein
25.12.1771 Dorothy Wordsworth
19.12.1778 Marie Thérèse Charlotte de Bourbon
24.12.1784 Helena Pawlowna Romanowa

KW 50/2016: Émilie du Châtelet, 17. Dezember 1706

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Die Tochter eines Angestellten am Hof König Ludwigs XIV. erhielt eine klassische Bildung und bewegte sich schon in ihrer Jugend in adligen und intellektuellen Kreisen. Ihre Verheiratung mit einem 12 Jahre älteren Adligen in ihrem 18. Lebensjahr war gängige Praxis zu ihrer Zeit und bedeutete für Émilie nur, dass sie diesen Teil des Lebens, der von Frauen erwartet wurde, rasch abwickeln konnte, um sich ihren wahren Interessen zu widmen. Sie lebte fünf Jahre mit ihrem Mann in dessen Gouverneursbezirk und gebar ihm dort drei Kinder. Nachdem sie ihre ehelichen Pflichten erfüllt hatte, kehrte sie nach Paris zurück und lebte von da an als unabhängige Frau. Finanziell abgesichert vom Vater ihrer Kinder, moralisch im Rahmen der erwarteten Diskretion unbehelligt, pflegte sie ein paar kurzfristige Affären und ihr Interesse an der Philosophie und Physik, die zu diesem Zeitpunkt noch eng miteinander verwandt waren; manchmal war beides ein und dasselbe.

Nachdem sie Verbindungen mit zwei Mathematikern eingegangen und beendet hatte, lernte sie Voltaire kennen (einen Philosophen, der Frauen viel zu verdanken hatte und sie zu schätzen wusste). Kurz darauf musste er Paris aufgrund eines gegen ihn erlassenen Haftbefehls verlassen (die Autoritäten stießen sich an seiner Kritik der herrschenden Zustände) und Émilie bot ihm an, sich auf ein altes, kleines Schlösschen im Besitz ihres Mannes in Cirey zurückzuziehen. Als klar wurde, dass Voltaire nicht so bald würde zurückkehren können, verlegte auch Émilie ihren Lebensmittelpunkt in die Champagne und lebte, forschte und schrieb dort an der Seite ihres Freundes. Sie brachte die gesellschaftliche Sicherheit und die Immobilie, Voltaire das finanzielle Vermögen in die Verbindung ein und gemeinsam machten sie aus dem Schlösschen in Cirey ein Liebesnest mit Forschungsstation, Bibliothek und Theater, in dem Stücke aus seiner Feder gespeilt wurden.

Émilies Lebenswerk war es, Newtons Philosophiae Naturalis Principia Mathematica aus dem Latein ins Französische zu übersetzen. Anfänglich in Zusammenarbeit mit dem Mathematiker Alexis-Claude Clairaut, später im Alleingang legte sie nicht nur durch die sprachliche Zugänglichkeit den Grundstein dafür, dass Newtons Physikphilosophie in Europa bekannt wurde, sie übertrug auch seine mathematische Argumentation in die gängigere Form, wie sie Leibniz entwickelt hatte.

Auch in anderen Gebieten der Aufklärung war Émilie du Châtelet tätig. Sie schrieb eine Abhandlung über die Natur des Feuers, als Bewerbung um einen Preis, den die Akademie der Wissenschaften ausschrieb – sie gewann den Preis zwar ebensowenig wie Voltaire, der sich parallel bemühte, doch wurde ihre Abhandlung auf Kosten der Akademie gedruckt. Sie beschäftigte sich mit dem Thema der kinetischen Energie, mit der Physik, den weiterführenden Themen der Metaphysik (etwa mit der „denkenden Materie“ oder der Frage, wie das Böse in die Welt kam) und der Religionskritik im Sinne der Aufklärung. Auch mit der Frage nach dem Glück beschäftigte sie sich, ihre Auffassung kann am ehesten als epikuräische verstanden werden, dass das Glück vor allem durch das richtige Maß entsteht, der Dinge, die man genießt und derer, die fordern. Besonders für Frauen – denen der Zugang zu Bildung und einem unabhängigen Leben nicht so selbstverständlich war wie Männern – sah sie das Glück in der Gelehrsamkeit.

Den Begriff des Feminismus gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch auch, wenn sich Émilie du Châtelet an die Konventionen hielt: die Art, wie sie die größtmögliche Freiheit und Unabhängigkeit lebte, die Frauen geboten wurde, ihr Forscherdrang, ihre Intelligenz und ihr kritischer Geist, vor allem aber die Weigerung, sich wegen ihres Geschlechts daran hindern zu lassen, ihr persönliches Glück zu verfolgen, macht sie zu einer frühen Vorreiterin des Feminismus, in jedem Fall zu einem Vorbild.

Als Voltaire wieder in Gnade am französischen Hof kam, lebte sie einige Zeit mit ihm in Versailles. Dann lebte sie noch einige Zeit in Lothringen, wo sie nochmals eine andere Affäre einging – von dieser wurde sie schwanger, überzeugte jedoch unterstützt vom ehemaligen und aktuellen Geliebten ihren Ehemann, das Kind sei von ihm. Sie arbeitete ununterbrochen, um vor der Niederkunft ihre Übersetzung Newtons fertigzustellen. Noch in der Nacht der Niederkunft muss sie am Schreibtisch gesessen haben; diese Geburt jedoch bedeutete ihr Ende. Sie starb 43jährig am Kindbettfieber, ihre jüngste Tochter wurde ebenfalls keine zwei Jahre alt.

Bild: Von Maurice Quentin de La Tour – [1], Gemeinfrei

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Von 136 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 12 (inklusive Émilie du Châtelet) Frauen:
15.12.1485 Katharina von Aragòn
12.12.1574 Anna von Dänemark
17.12.1626 Christina von Schweden
17.12.1638 Anna Sophia von Hessen-Darmstadt
12.12.1716 Leopoldine Marie von Anhalt-Dessau
18.12.1718 Anna Leopoldowna
17.12.1734 Maria I. von Portugal
12.12.1761 Marie Tussaud
16.12.1775 Jane Austen
13.12.1779 Sophie Barat
12.12.1791 Marie-Louise von Österreich

KW 49/2016: Sophie von La Roche, 6. Dezember 1730

Sophie von La Roche

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Die Arzttochter Sophie Gutermann erhielt wie im Großbürgertum üblich eine „Mädchenbildung“, d.h. sprachlich, musisch und in häuslichen Pflichten. Bis sie 23 war, hatte sie sich zweimal verlobt – einmal mit dem späteren Dichter Christoph Martin Wieland – beide Verlobungen scheiterten, einmal an der Konfession, einmal, mit Wieland, an der Entfernung.

Mit 23 Jahren heiratete sie den Adoptivsohn eines Staatsministers von Kurmainz, der ihr ihren bleibenden Namen gab. Sie lebte mit ihrem Mann zunächst in Mainz, später in Biberach und gebar ihm acht Kinder, von denen fünf zu Erwachsenen heranwuchsen, darunter Maximiliane von La Roche, die spätere Mutter von Clemens Brentano und Bettina von Arnim. Sie wirkte bei Hof als Gesellschafterin und schrieb ihren ersten Roman. Als ihr Mann als Geheimrat nach Koblenz ging, richtete sie dort einen literarischen Salon ein. Doch ihr Mann fiel durch seine Gesellschaftskritik in Ungnade und die Familie siedelte um nach Speyer, wo sie erst bei Freunden Unterkunft fand, später kauften sie ein eigenes Haus in Offenbach. Sophie von La Roche pflegte ihren künstlerischen Umgang und war als Autorin aktiv, was ihr zugute kam, als ihr Mann kurz darauf verstarb. Durch die politischen Umstände der Zeit erhielt sie keine Witwenrente und war darauf angewiesen, sich selbst mit ihren Fähigkeiten zu unterhalten, und einige Jahre später auch einige ihrer Enkelkinder, nachdem Maximiliane früh verstorben war.

Sophie von La Roche schrieb Romane und brachte eine Frauenzeitschrift heraus, die sich konkret und ausgesprochen gegen die gängigen, von Männer herausgegebenen Magazine stellte, die sonst für Leserinnen zur Verfügung standen: Pomona für Teutschlands Töchter legte Wert auf Bildung und Information zu unterschiedlichen Themen wie Erziehung, Medizin, Philosophie und Literatur. Aus dem Vorwort der ersten Ausgabe: „Das ‚Magazin für Frauenzimmer‘ und das ‚Jahrbuch für Denkwürdigkeiten für das schöne Geschlecht‘ zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich und gefällig erachten, ‚Pomona‘ wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte.“

Mit ihren Romanen und der Zeitschrift, die sich für zwei Jahre halten konnte und es bis an den Hof der russischen Zarin schaffte, gilt Sophie von La Roche als erste Schriftstellerin, die von ihrem Schreiben leben konnte. Sie starb mit 77 Jahren und wurde in Offenbach beerdigt.

Bild: Von Georg Oswald May, Gemeinfrei

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Von 128 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 9 (inklusive Sophie von La Roche) Frauen:
10.12.1472 Anne Mowbray
6.12.1502 Anna von Braunschweig-Lüneburg
8.12.1542 Maria Stuart
7.12.1627 Luise Henriette von Oranien
11.12.1728 Christiana Büsching
6.12.1777 Charlotte von Ahlefeldt
7.12.1786 Maria Walewska
5.12.1799 Rosina Regina Ahles

KW 48/2016: Jane Franklin, 4. Dezember 1791

Jane Franklin

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Jane Griffin hatte ihre bereits umfassende Bildung mit Reisen auf dem europäischen Kontinent ausgebaut, als ihre Freundin, die Lyrikerin Eleanor Anne Porden, an Tuberkulose, durch die Geburt eines Kindes verschlechtert, verstarb. Deren Ehemann Sir John Franklin war von seiner Frau ermutigt worden, trotz ihres Gesundheitszustandes seine Polarexpedition durchzuführen; als er zwei Jahre später nach England zurückkehrte, heiratete er die Freundin seiner Frau.

Als Jane Lady Franklin begleitete sie ihren Mann nach Tasmanien, damals Van Diemen’s Land, und wurde dort zu einer geliebten Ikone des Pioniergeistes und der Nächstenliebe. Sie war 1839 die erste Europäerin, die den Landweg von Port Philipp nach Sydney auf sich nahm, und drei Jahre später die erste Europäerin, die Tasmanien von Hobart nach Macquarie Harbour überquerte. Sie unterstützte die Gründung mehrerer Schulen für Jungen und Mädchen, ebenso setzte sie sich für bessere Bedingungen für die weiblichen Sträflinge ein, die auf Tasmanien in Fabriken arbeiten mussten. Sie stand in engem Briefkontakt mit Elizabeth Fry, dem „Engel der Gefängnisse“, und gründete schließlich eine Gesellschaft mit dem Ziel, die Frauen zu unterstützen. Dieses Ansinnen war in den australischen Kolonien nicht sehr beliebt, die hinzukommende wirtschaftliche Krise der Kolonien setzte dem Gouvernement Franklins 1844 ein Ende.

Im Folgejahr 1845 wollte Sir John Franklin endlich die lang gesuchte Nordwestpassage finden. Nachdem sie zwei Jahre später nichts mehr von ihrem Ehemann gehört hatte, begann Lady Franklin mit ihrer Mission für die kommenden 14 Jahre: Ihren Ehemann und seine gesamte Mannschaft wiederzufinden, wenn möglich, lebend. Sie initiierte, subventionierte und finanzierte insgesamt sieben Suchexpeditionen in die Polarregion; auch, nachdem der schottische Polarforscher John Rae Berichte der Inuit wiedergab, nach denen Sir Franklins Expedition an Land gegangen und in der Notsituation in Kannibalsimus verfallen sei. Lady Franklin akzeptierte dieses Hörensagen nicht und ließ nicht nach, bis schließlich fünf Jahre später eine ihrer Suchexpeditionen an der vermuteten Stelle die Überreste und Nachlässe des Forschers und seiner Mannschaft fand – sie waren bereits zwei Jahre nach ihrer Abreise gescheitert und gestorben, also seit zwölf Jahren tot.

Mit ihrer hartnäckigen Hoffnung auf Wiedervereinigung mit ihrem Mann hatte sie mehr über die Polarregion herausgefunden und zur Ermittlung der Passage beigetragen als ihr Mann in seiner ursprünglichen Mission. Als sie ihr Ziel erreicht und über das Schicksal ihres Gatten Klarheit hatte, widmete sich Lady Franklin dem Reisen um die Welt, dem Nachlass ihres Mannes und weiterhin der Erforschung der Polarregion. Sie starb 84jährig in London.

Bild: By Thomas Bock, Public Domain

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Von 133 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 9 (inklusive Jane Franklin) Frauen:
2.12.1083 Anna Komnena
28.11.1489 Margaret Tudor
28.11.1634 Marie Luise von Degenfeld
3.12.1681 Elisabeth von Sachsen-Meiningen
28.11.1718 Hedvig Charlotta Nordenflycht
29.11.1758 Fanny von Arnstein
3.12.1764 Mary Ann Lamb
4.12.1777 Julie Récamier

KW 47/2016: Dorothea Jordan, 21. November 1761

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Interessant an Dorothea Jordan ist nicht nur, dass sie wie eine andere Dame ihrer Profession, der Schauspielerei, eine langjährige Affäre mit einem König (oder zumindest zum damaligen Zeitpunkt hochrangigen Adligen) hatte. Aus ihrer Verbindung mit William, Duke of Clarence, später König Wilhelm der IV., gingen zehn Kinder hervor, die unter dem Familiennamen Fitzclarence (Fitz = Sohn von) liefen; ein späterer Nachkomme dieser nicht legitimierten Vereinigung ist unter anderem der ehemalige Britische Premier David Cameron.

Was mich viel mehr an ihr interessiert ist die Möglichkeit einer Abschweifung, da sie nämlich als Schauspielerin vor allem bekannt war für ihre Hosenrollen. Die Geschichte der Hosenrolle ist ein wunderbares Beispiel für die Willkürlichkeit und glücklicherweise auch der Vergänglichkeit von starren Geschlechterrollen.

Da es z. B. lange Zeit nicht in jedem Theater geduldet war, dass überhaupt Frauen schauspielerten, waren Frauenrollen, unter anderem bei Shakespeare, völlig selbstverständlich auch mit Männern besetzt. Dass Männer in Frauenkleidung skurril, andersartig, sexuell fragwürdig gelten, ist also eine neuere Entwicklung.

Die weibliche Hosenrolle entwickelte sich im 17. Jahrhundert nach dem Ende des Commonwealth, nachdem zunächst Frauen überhaupt auf der Bühne auftraten, um Frauen zu verkörpern. Mit der Verfestigung der Geschlechterdichotomie verloren Sängerkastraten und Männer in Frauenrollen an Akzeptanz, mit der stärkeren Sexualisierung gewann dafür die Grenzüberschreitung der Frau an Reiz. Nicht nur ersetzten die „echten“ Frauenstimmen die Soprane der Kastraten, auch das pikante Spiel mit der sexuellen Verwirrung und die Zurschaustellung sonst unsichtbarer weiblicher Körperteile in Männerkleidung festigten den Platz der Hosenrolle im Theater.

Dass die Hosenrolle in ihrem Beitrag zur Emanzipation zwiespältig betrachtet wird, hat sie mit der sex-positiven Bewegung im Feminismus gemein; ich denke da vor allem als Scheitelpunkt an die Diskussionen im Miley Cyrus‘ Auftritt bei den MTV Video Music Awards 2013 oder Kim Kardashians Selbstinszenierung auf Instagram. Eine Seite sagt, die Hosenrolle gab der Frau die Möglichkeit, sich freier als innerhalb ihres Geschlechterkorsetts im wahrsten Sinne des Wortes zu bewegen, und diese Freiheit führte zur Wahrnehmung der Unfreiheit im Kontrast. Im klar reglementierten Ausbruch läge sozusagen der Anfang des späteren, echten Ausbruchs. Die andere Seite sagt, der Knackpunkt läge vor allem in der Wahrnehmung durch den Betrachter, und die sei stärker sexualisiert und objektifizierend als jemals zuvor, Hosenrollen dienten zu nichts anderem als zur Zugänglichmachung des weiblichen Körpers für den männlichen Blick. Die Geschichte der Frau als reines Sexobjekt hätte in den Hosenrollen ihren Ursprung.

Ich persönlich nehme an, die Wahrheit liegt dazwischen bzw. ist wesentlich komplexer und von den speziellen Individuen abhängig. Die Frage, die sich für mich stellt, ist vielmehr: Wie haben die Frauen in den Hosenrollen es empfunden (bzw. wie empfinden es die heutigen Frauen in der Öffentlichkeit)? Die entscheidenden Begriffe sind Mündigkeit und Wahlfreiheit. Fühlten/fühlen sich die „zur Schau gestellten“ Frauen frei und taten sie, was sie wollen – und nahmen dabei in Kauf, von bestimmten Betrachtern sexualisiert zu werden? Oder taten sie, was sie „mußten“, weil es von außen oder den Umständen diktiert wurde? Natürlich spielt auch in die „eigene Entscheidung“ eine Prägung und möglicherweise internalisierter Sexismus hinein. Doch wer kann sich wirklich freimachen von den eigenen Einflüssen, und wer kann wirklich für jemand anderen bestimmen, dass sie/er nur eine Marionette anderer ist, und was freier Wille ist? Auf welche Weise andere sie betrachten, konnten und können die Frauen nicht beeinflussen, das liegt außerhalb ihrer Kontrolle. Aber vielleicht war die Form des Auftritts, die den objektifizierenden Blick nicht verhindert, die wirklich eigene Wahl, bei der sich die Frauen frei und mündig und in control fühlten.

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Von 128 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 6 (inklusive Dorothea Jordan) Frauen:
25.11.1368 Elisabeth Achler
22.11.1532 Anna von Dänemark
22.11.1602 Élisabeth de Bourbon
27.11.1602 Chiara Margarita Cozzolani
27.11.1716 Sophie Volland

KW 46/2016: Johanna I. von Kastilien, 6. November 1479

Johanna "Die Wahnsinnige" von Kastilien

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Johanna I. von Kastilien, genannt „die Wahnsinnige“, war die spanische Königin, mit deren Regentschaft Aragòn und Kastilien zu dem spanischen Reich vereint wurden, aus dem der heutige Staat entstand.

Sie war Tochter des Königs Ferdinand II. von Aragòn und Isabella I. von Kastilien, beide genannt „der resp. die Katholische“. Johanna war das dritte Kind, nach einem Sohn und einer Tochter der beiden, und hatte somit bei ihrer Geburt kaum Aussicht auf den Thron. Sie war eine stille Person, die eine umfassende Bildung genoss und sich bereits früh von der strengen Religiösität ihrer Eltern distanzierte. Dies machte sie vor allem ihrer Mutter suspekt, doch auch generell war sie in ihrer Ernsthaftigkeit und Sensibilität eine Außenseiterin.

Ihre mit 14 Jahren geschlossene Ehe mit dem Habsburger Philipp Erzherzog von Österreich, genannt „der Schöne“, diente urspünglich vor allem dem territorialen Einschluss Frankreichs mit habsburgischen Herrschaftsgebieten – mit der Eheschließung bildeten Spanien und Österreich eine Allianz gegen die erstarkende französische Macht. Nach zeitgenössischen Berichten verliebten sich die beiden jedoch bei ihrer ersten Begegnung gleich heftig ineinander. Johanna war bereits per Stellvertreterhochzeit mit Philipp in Valladolid vermählt worden; sie begegneten sich erstmals einige Monate später in Flandern, wo sie unverzüglich die offizielle Trauung vollzogen. Aus dieser Ehe sollten in neun Jahren sechs Kinder hervorgehen.

In den drei folgenden Jahren rückte Johanna durch Todesfälle in ihrer Familie unerwartet in der Thronfolge auf den vordersten Platz. Zuerst starb ihr Bruder, Johann von Aragòn und Kastilien, und kurz darauf wurde dessen Kind mit Margarete von Österreich, in der Thronfolge nächster Anwärter, tot geboren. Dann verstarb ihre ältere Schwester Isabella von Spanien bei der Geburt ihres Sohnes, Miguel da Paz, der schließlich auch keine zwei Jahre alt wurde. Plötzlich waren Johanna und ihr habsburgischer Mann die ersten Thronanwärter.

Isabella hatte Johanna trotz ihrer Differenzen über den Katholizismus testamentarisch als Nachfolgerin in der Regentschaft eingesetzt – jedoch mit der Klausel: So sie ihre Pflichten als Königin erfüllen will und kann. Als die spanische Königin 1504 starb, Johanna war 25, ernannte ihr Vater sie zwar zur Königin, hielt aber die Regentschaft inne und begann eine Kampagne bei den Cortes, dem spanischen Parlament, Johanna als ungeeignet für den Thron zu erklären. Als Begründung galt ihr „ungesundes“ Verhalten als Ehefrau: nicht nur zeigte sie starke Gefühle für den rein politisch gewählten Gatten, sie war auch für die Zeit ungewöhnlich eifersüchtig und akzeptierte es nicht, wie üblich, dass ihr Mann Mätressen und Nebenfrauen hatte. Sie versuchte sogar, ihn ganz von anderen Frauen fernzuhalten.

Ihr Mann Philipp derweil war ebensowenig bereit, von seinem ehelichen Anspruch auf die spanische Krone zurückzutreten. Bei der Übereinkunft von Salamanca einigten sich der Vater und der Ehemann auf einen Vertrag, nach dem Philipp als König anerkannt wurde, Ferdinand aber als Gouverneur weiterhin die spanischen Reiche regieren durfte, so lange sich Philipp und Johanna außer Landes befanden. Ferdinand heiratete Germaine de Foix, die Nichte des französischen Königs Ludwig XII., in dem Versuch, eine Einigung mit Frankreich zu erreichen, die ihn in als spanischen König stärken sollte. Er hegte auch die Hoffnung, die wesentlich jüngere Frau möge ihm einen Erben gebären, der Johanna in der Erbfolge zurücksetzen könnte. Seine Position in Spanien schwächte dies; zudem gelang es Johanna und vor allem Philipp, in dem sich andeutenden Krieg um den Thron den Großteil des kastilischen Adels hinter sich zu einen.

Anstelle eines offenen Konfliktes wurde 1506 der Vertrag von Villafáfila geschlossen, mit dem geregelt wurde, dass Ferdinand auf die kastilische Regentschaft verzichtete. Allerdings unterzeichnete er kurz nach dem Vertrag heimlich auch gleich ein Dokument, das besagte, er habe den Vertrag wider Willen geschlossen, somit sei er im Prinzip nichtig.

Johanna und Philipp waren nun anerkannte Königin und König von Kastilien. Für Johanna bedeutete das jedoch nur, dass nun ihr eigener Ehemann die Kampagne gegen sie fortsetzte und sie als nicht zurechnungsfähig darstellte, um alleiniger Regent zu werden, wohl auf der gleichen Basis wie ihr Vater zuvor. Er scheiterte zwar damit, da sich die höchsten Adeligen von Kastilien für die ihnen geborene Königin aussprachen. Doch starb Philipp bereits kurze Zeit nach dem Vertragsschluss, im September 1506.

Nun machte sich für ihren Vater sowohl seine eigene Intrige wie Johannas Ablehnung des Katholizismus bezahlt. Entgegen ihrer ausgesprochenen Willigkeit, die Regentschaft über Kastilien zu übernehmen, schmiedeten Ferdinand und ein Erzbischof, dem ihr Mangel an Religiösität ein Dorn im Auge war, eine Intrige, den König von Aragòn auch auf dem kastilischen Thron zu reinstallieren. Nur mit der Weigerung, die Cortes einzuberufen – die Ferdinand als König legitimieren sollte – konnte Johanna die Regentschaft innebehalten.

Als ihr Vater im August 1507 nach Kastilien zurückkehrte, nachdem er in Neapel eine Verbindung Neapels mit Aragòn angestrebt hatte, kamen mehrere Dinge zusammen, die Johannas Schicksal besiegelten. Zum ersten war es ihr nicht gelungen, die finanziellen und politischen Mittel zu gewinnen, ihren Anspruch auf den Thron zu verteidigen. Hunger und die Pest geißelten das Land und schürten die Unruhe und Zweifel an ihrer Regierungsfähigkeit. Des weiteren wollte Johanna dem Wunsch ihres geliebten verstorbenen Ehemannes nachkommen und ihn in Granada beerdigen lassen – ihrem Vater gelang es, dies lange zu verhindern, weshalb Johanna mit dem Leichnam ihres Gatten durch Kastilien zog. Vor allem aufgrund dieser Episode wird ihr Wahnsinn historisch belegt angesehen. Angeblich soll sie den Sarg regelmäßig geöffnet haben, um sich zu versichern, Philipp schlafe nur. Tatsächlich war es ihre eheliche Pflicht, den Leichnam einmalig zu identifizieren. Es steht zur Debatte, dass diese Fakten in der Intrigenkampagne und der Geschichtsschreibung der Sieger zu den krankhaften Verwirrungen verdreht wurden, die Johanna ihren Beinamen gaben.

In jedem Fall überschrieb sie, mit einem letzten Aufbäumen, die Regierungsgeschäfte ihrem Vater, wenn auch ihre Signatur weiterhin als Königin unter all seinen Dokumenten gesetzt wurde. Nach einem letzten Ränkespiel um eine mögliche eheliche Verbindung des spanischen mit dem englischen Königshaus setzte Ferdinand seine Tochter 1509 im Palast in Tordesillas fest, wo sie den Rest ihres Lebens in faktischer Gefangenschaft verbrachte.

Ferdinand starb, ohne einen weiteren männlichen Erben, in dem Wissen, dass der „habsburgische“ Enkel den spanischen Thron übernehmen würde. Dieser Sohn Johannas, Karl V., setzte fort, was sein Großvater und Vater begonnen hatten: Nach Ferdinands Tod ließ er sich als Regent von Johanna einsetzen. Dies gelang ihm, da beide Reiche de facto in der Hand der Handlanger seines Großvaters waren – Aragòn fiel zunächst an Alfons, Erzbischof von Saragossa, ein außerehelicher Sohn Ferdinands, Kastilien verblieb unter dem faktischen Regime des Kardinals Cisneros, der mit diesem gegen Johannas Thronbesteigung intrigiert hatte. Da Johanna seit Jahren ohnmächtig und für wahnsinnig erklärt in Arrest lebte, konnte ihr Sohn mit der Unterstützung seiner Schwester sämtliche Regierungsgeschäfte nach Art seines Großvaters an sich nehmen. Er hielt Johanna weiterhin in Tordesillas fest. Hätte sie jemals offiziell den Verstand wiedererlangt, wäre sie von den Cortes als Regentin eingesetzt worden und Karl hätte erst nach ihrem Tod den Thron besteigen können; um dies zu verhindern, hielt er bis zu ihrem Lebensende an ihrer Geistesgestörtheit fest. Unter oft gewalttätiger Aufsicht verblieb sie bis zu ihrem Tod mit 75 Jahren allein im Namen, doch völlig machtlos, die „wahnsinnige“ spanische Königin.

Bild: Von Meister der Josephsfolge – own photo (by uploader, User:Viewer), 2007-02-17, Gemeinfrei

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Von 140 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 14 (inklusive Johanna I. von Kastilien) Frauen:
16.11.1457 Beatrix von Aragón
15.11.1498 Eleonore von Kastilien
14.11.1501 Anna von Oldenburg
18.11.1567 Anna von Sachsen
19.11.1597 Elisabeth Charlotte von der Pfalz
15.11.1609 Henrietta Maria von Frankreich
20.11.1627 Charlotte von Hessen-Kassel
20.11.1656 Eleonore Charlotte von Württemberg-Mömpelgard
20.11.1727 Maria Josefa von Harrach
19.11.1769 Elise Bürger
19.11.1779 Luise Charlotte zu Mecklenburg
20.11.1784 Marianne von Willemer
17.11.1788 Elisa von Ahlefeldt

Dieser Beitrag erschien ursprünglich mit dem Geburtsdatum 14.11. für Johanna von Kastilien – wahrscheinlich war dies bei Wikipedia falsch verlinkt. Korrektur zum 6.11. vorgenommen am 31.10.2018

KW 45/2016: Ninon de Lenclos, 10. November 1620

Ninon de Lenclos

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Anne „Ninon“ de Lenclos war ein Rundum-sorglos-Paket, glücklich und bewundernswert in allen Aspekten des Lebens.

Geboren als Tochter eines adligen Komponisten und Lautenspielers, lernte sie selbst das Lautenspiel und wurde ermuntert, sich in allen Bereichen zu bilden. Nachdem ihr Vater jedoch ins Exil gehen musste – Ninon war 12 – und ihre Mutter zehn Jahre später verstarb, ging die junge Frau zunächst in ein Kloster. Dort hielt sie es allerdings gerade ein Jahr aus, dann verließ sie es in Richtung Paris mit dem Vorsatz, sich nie wieder abhängig zu machen und niemals zu heiraten.

In der Hauptstadt anvancierte Ninon zur Salonière und Kurtisane unterschiedlicher einflussreicher Männer. Sie war nicht nur gebildet, witzig und klug, sondern auch schön und selbstbewusst. Sie wählte sich ihre Liebhaber frei, niemals nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten – sie blieb auch stets finanziell unabhängig von ihnen – und neu, so oft ihr der Sinn danach stand. Dabei muss sie mit großer Diplomatie und Liebenswürdigkeit gesegnet gewesen sein, denn ihre Verflossenen äußerten keine Eifersucht oder Rachgedanken. Sie verblieb stets freundschaftlich mit ihren ehemaligen Liebhabern.

Anekdoten aus ihrem Liebesleben: Sie lebte einmal drei Jahre mit einem Marquis außerhalb von von Paris und hatte auch einen Sohn mit ihm. Als sie nach Paris zurückkehrte, verfiel der Marquis in ein Fieber. Um seinen Liebeskummer zu lindern, schnitt sie sich die Haare und sandte ihm die Locken zu; ihre Frisur wurde bekannt als „à la Ninon“. Auch hatte sie wohl mehrere Kinder mit verschiedenen Männern, die sie nach Beendigung der Liebschaft stets bei den Vätern ließ. Einmal, als Ninon bereits 60 Jahre alt war, verliebte sich ein unwissender junger Mann in sie und, nachdem sie ihm offenbart hatte, dass sie seine Mutter war, erschoss sich vor ihren Augen.

Ninons Lebensweise und ihre unverhohlene Kritik an der Kirche brachten ihr mit 36 eine Inhaftierung ein, veranlasst von der Königin Mutter Anna von Österreich, Mutter von Ludwig XIV. Im Gefängnis erhielt sie Besuch von Christina, Königin von Schweden, die sie mit ihrer Intelligenz und ihrem Charme so für sich einnahm, dass diese sich bei Kardinal Mazarin für ihre Freilassung einsetzte. Ninon nannte einige einflussreiche und bekannte Persönlichkeiten ihre Freunde: neben Christina von Schweden auch Madame de Maintenon, die zweite Frau von König Ludwig, Madame de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné, und Jean Racine. Sie selbst förderte und ermutigte in ihren 30ern den jungen Molière und hinterließ bei ihrem Tod dem Sohn ihres Buchhalters eine Summe Geld, damit er sich Bücher kaufen konnte: dem neunjährigen François Marie Arouet, später bekannt als Voltaire.

Nach dem Überschreiten des 40. Lebensjahres konzentrierte sich Ninon auf ihre literarischen Freunde und ließ das Leben einer Kurtisane hinter sich. Geachtet und verehrt verstarb sie im hohen Alter von 85.

Bild: By W. H. Overton, Public Domain

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Von 153 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 14 (inklusive Ninon de Lenclos) Frauen:
11.11.1441 Charlotte von Savoyen
13.11.1533 Agathe (Tübingen)
12.11.1651 Juana Inés de La Cruz
12.11.1657 Anna Dorothea von Sachsen-Weimar
10.11.1704 Auguste von Baden-Baden
8.11.1710 Sarah Fielding
8.11.1715 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern
13.11.1715 Dorothea Christiane Erxleben
9.11.1723 Amalie von Preußen
10.11.1740 Maria Kunigunde von Sachsen
11.11.1744 Abigail Adams
8.11.1755 Dorothea Viehmann
8.11.1777 Désirée Clary

KW 44/2016: Laura Bassi, 31. Oktober 1711

Laura Bassi

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Laura Bassi fand ihren ersten Förderer im Hausarzt der Familie Bassi – von ihrem Vater und einem Verwandten unterrichtet, fasste sie dessen Therapieanweisungen sowohl in Latein wie Französisch zusammen. Dr. Gaetano Tacconi wurde ihr Privatlehrer und stellte sie mit 21 Jahren bei Debatten mit Medizinerkollegen auf. Auch der zukünftige Papst Benedikt XIV., damals noch Prospero Lambertini, war auf sie aufmerksam geworden und förderte ihre Bildung.

Aufgrund ihrer erfolgreichen medizinischen Debatten wurde sie als Ehrenmitglied in der Bologneser Akademie aufgenommen, kurz bevor diese für Frauen ganz geschlossen wurde. Sie legte eine zweistündige öffentliche Doktorprüfung im Rathaus von Bologna ab und wurde daraufhin als Doktor der Philosophie anerkannt. Im folgenden Jahr wurde sie die erste weibliche Professorin Europas, im Fachbereich der Philosophie, der auch theoretische Physik beinhaltete. Sie durfte mit Erlaubnis des Magistrats von Bologna an der Universität unterrichten, erhielt ein Professoren-Jahresgehalt und hielt öffentliche Vorträge. Sie war finanziell und familiär unabhängig, spätestens seit dem Tod ihres Vaters.

Als sie einen weniger profilierten Mann, den Arzt Guiseppe Verati, heiratete, wurde dies mit Misstrauen und Unmut wahrgenommen: sie hätte eine bessere Partie finden oder, noch besser, ganz unverheiratet bleiben sollen. Ihr Bild als jungfäuliche „Minerva von Bologna“ wurde mit dieser Ehe in den Augen der Öffentlichkeit beschmutzt. Sie war jedoch auch geistig und moralisch unabhängig und heiratete, wen sie wollte; mehr, sie gebar ihm acht (laut der englischen Wiki, zwölf) Kinder, von denen fünf überlebten.

In Zusammenarbeit mit ihrem Mann wandte sie sich mehr der praktischen Physik zu. Sie entwickelte einen der ersten Blitzableiter und führte in ihrem privaten Landhaus Experimente mit Elektrizität durch. Sie war eine der beiden höchstbezahlten Angestellten der Universität, stand unter den Fittichen des Papstes, unterrichtete 28 Jahre lang Physik an der Universität und privat, schrieb jedes Jahr eine Dissertation und veröffentlichte zeit ihres Lebens vier von ihren insgesamt 28 Aufsätzen, zu praktisch-physikalischen Themen wie der Schwerkraft und der Hydraulik. Sie führte Briefwechsel mit internationalen Wissenschaftlern, unter anderem Voltaire; dieser bat sie, ihn an die Universität von Bologna zu holen, die er allein wegen ihr der Londoner Universität vorzog, obwohl diese Newton hervorgebracht hatte.

Dank Papst Benedikt XIV. wurde sie auch als einzige Frau Mitglied der Benedettini, einem Kreis von Wissenschaftler mit festem Einkommen und dem Ansporn, den wissenschaftlichen Ruhm der Universität zu mehren und unzensiert zu forschen. Trotz all ihrer Meriten durfte sie nicht an der Wahl neuer Mitglieder teilnehmen und durfte Vorträge erst nach ihren männlichen Kollegen halten.

Mit 65 Jahren erhielt sie eine Professur am Instituto delle Scienze erst, nachdem diese erst ihrem – noch stets weniger profilierten – Ehemann angeboten und durch dessen Verzicht quasi an sie weitergereicht wurde. Zwei Jahre später starb sie an einem Herzanfall, dem Endpunkt ihrer lebenslangen gesundheitlichen Probleme.

Bild: By Unknown – Hypatiamaze.org, Public Domain

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Von 137 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 14 (inklusive Laura Bassi) Frauen:
6.11.15 Agrippina die Jüngere
6.11.1537 Elisabeth Magdalene von Brandenburg
2.11.1549 Anna von Österreich
5.11.1563 Anna von Oranien-Nassau
5.11.1607 Anna Maria von Schürmann
3.11.1677 Euphrosyne Auen
4.11.1687 Catharina Christina von Ahlefeldt
2.11.1709 Anna von Großbritannien, Irland und Hannover
5.11.1711 Kitty Clive
31.10.1750 Alcipe
2.11.1755 Marie Antoinette
6.11.1784 Laure-Adelaide Abrantès
31.10.1796 Ottilie von Goethe

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