Kategorie: Film

KW 42/2012: Divine, 19. Oktober 1945

Divine in Heaven T-Shirt

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Eigentlich hoffe ich, das niemandem erklären zu müssen, aber: Divine ist die Drag Queen, die regelmäßig in John Waters‘ Filmen mitspielte. Ich war überrascht zu erfahren, dass sie auch eine der ersten Dancefloor-Interpreten war – damals in den USA als HiNRG bezeichnet. (Ich würde mich sehr für eine Exkursion in die Entwicklung und Differenzierung dieser Musikstile interessieren, falls jemand sich damit auskennt.)

Dank Hairspray war Divine meine erste Begegnung mit einer Drag Queen.

Nachtrag 2018: Zum Zeitpunkt dieses Posts lief das kickstarter-Projekt, aus dem 2013 der Film über Divine, I am Divine, entstand.

Bild: By Source, Fair use

KW 41/2012: Liselotte Pulver, 11. Oktober 1929

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Ich weiß, ich habe den Kalender in letzter Zeit etwas stiefmütterlich betreut. Ich entschuldige mich dafür, aber meine Liebeserklärung an Bronson bei Hard Sensations hat viel Energie verlangt (zugegeben, ein bisschen ist auch meine Unfähigkeit zum konzentrierten Schreiben schuld).
Jedenfalls, diese Woche hat die liebe Lilo Geburtstag. Das feiern wir mit einem sexy table dance.

https://youtu.be/RYLZGIvcn_A

bronson

nicolas winding refn, GB 2008
die letzten beiden wochen waren geprägt von einer heißen verbal-affäre, die ich mit refns erstem nicht-skandinavischen film eingehen durfte. ich habe dafür keine entschuldigung als die, das er selbst seinen film als „feminin“ bezeichnet… hm. vielleicht, weil er nicht rational und geradeaus eine chronologie erzählt, sondern eher auf der gefühlsebene und verschachtelt eine emotionale reaktion generiert? das soll ja nach der feministischen literaturtheorie ein eher weibliches merkmal sein – wenn man an den alten geschlechter-eigenschaften hängen bleiben will.
auf jeden fall ist der ausgang dieser affäre bei Hard Sensations nachzulesen.

the fast and the furious

rob cohen, USA 2001
bevor ich anfange: es muss klar sein, dass ich von dem film keine tiefenanalytischen erkenntnisse über die rolle der frau in der autobranche erwartet habe.
dennoch finde ich einige dinge an diesem filmgewordenen werkstatt-kalender bemerkenswert.
zum einen: trotz massenweise angehäufter klischees gelingt es dem film, sympathien für seine protagonisten zu wecken und in der autojagd zum höhepunkt echte spannung zu erzeugen. ich habe sogar zeitweise mein strickzeug ruhen lassen…
zum anderen fällt aus dem rahmen, dass michelle rodriguez, die sonst gerne in der rolle der verkappten oder auch offenen butch-lesbe besetzt wird, hier nicht nur wie immer die smurfette, sondern sogar den love interest von vin diesel spielen darf.
überhaupt ist das smurfette-prinzip in diesem (und auch den nachfolge-filmen) extrem ausgeprägt. es ist (fast… i’m looking at you, part 4!) immer eine frau dabei, die sich ebenso für autos interessiert, ebenso eine technikerin ist und ebenso gut autofahren kann wie die männlichen protagonisten. diese frauen unterscheiden sich sowohl im gehabe wie auch in ihrer kleidung auffällig vom stöckelwild, das die asphaltweiden des films sonst begrast. die frage, die mich dabei bewegt: gibt es diese frauenfiguren, um die weiblichen begleitpersonen der im publikum angesprochenen männer zu besänftigen? oder tatsächlich, um die randzielgruppe der schraubenden frauen anzusprechen? beides wäre in irgendeiner form wohl begrüßenswert…
(dass dem smurfette-prinzip auch eine gewisse realitätsnähe zuzusprechen ist, sage ich jetzt mal in klammern, weil ich mich damit nicht so lang auseinandersetzen will.)
worüber ich mir nicht im klaren bin: ob ich michelle rodriguez dafür applaudieren soll, die übliche tough broad auch in einem solchen male-gaze-vehikel* darzustellen (für die leidenschaftliche szene mit vin diesel applaudiere ich ihr, definitiv, ungefragt, unangefochten)? oder ob ich es nicht traurig und doof finde, dass sie sich diese rolle nicht für weniger sexistische, techno-erotische sci-fi- und ähnliche actioner aufhebt und sich diesem wirklich zum teil ekligen männer-frauen-bild zum werkzeug macht. andererseits: sie darf halt auch vin diesel küssen…
*male gaze: es fällt schon stark ins auge, dass die kamera ihre liebkosenden, intimen aufnahmen immer auf stromlinien-ebene der autos entlangfährt, wo sich zufälliger- und praktischerweise auch die brüste (oben) und hintern (unten) der frauen befinden, während ihre köpfe im limbo des bildschirmrandes verschwinden. die werden damit nicht nur zu gesichtsloser fleischmasse, sondern auch unverhohlen reduziert zu gebrauchsgegenständen und statussymbolen, wie autos eben. das ist mit sicherheit keine neue und bestechende erkenntnis, ich will es aber nicht unerwähnt lassen.
mein mann streift in seiner rezension auch immer wieder das unausweichliche, in diesem film wirklich aufdringliche thema der  geschlechterklischees, natürlich ohne sich darauf zu beschränken. er hat auch die weiteren teile 2 fast, 2 furious und the fast and the furious: tokyo drift besprochen. zu der anmerkung seinerseits, dass letzterer eine von den frauen über die ressource sex kontrollierte welt darstellt, möchte ich anmerken, dass diese welt aber auch die frauen nicht glücklicher machen kann – es handelt sich um eine absolute lose-lose-situation. denn ich sehe keine einzige frau, die weniger als kleidergröße 0 trägt oder im alter mehr als die zahl 2 vorne stehen hat – ganz abgesehen davon, dass die schwanzkontrolle auch nur funktioniert, wenn sich die frauen an die erwartungen der männer anpassen, wovon sie sich kontrollieren lassen. im overall, mit fettigen haaren und unrasierten beinen wird keine frau die kerle in dem film zu irgendwelchen tollkühnen rennen verführen können. wir können also als fazit festhalten: in der welt von tokyo drift ist eigentlich nur der/diejenige glücklich, der gerade im mondschein über japanische serpentinen driftet. und wer kann das schon die ganze zeit tun?

immortals

tarsem singh, USA 2011
anlässlich der sichtung dieses finster-raphaelitischen gemäldes von einem film möchte ich mal über eine frau sprechen, deren arbeit im film, wenn man es weiß, unverkennbar und unabdingbar für die tarsem-ästhetik ist.
eiko ishioka ist die kostümbildnerin von tarsem singh für the cell, the fall, immortals und mirror, mirror gewesen. davor hat sie als kostümbildnerin schon coppolas bram stoker’s dracula optisch geprägt. davor hat sie paul schraders mishima – a life in four chapters ausgestattet. und bevor sie kostümbildnerin beim film wurde, hatte sie sich bereits in japan mit werbung und modedesign einen namen gemacht. leider ist sie anfang diesen jahres verstorben, wie ich bei der recherche bei der new york times lesen musste. kurze artikel zu ihr gibt es auch bei Wiki deutsch und Wiki englisch.
über jemanden, dessen lebenswerk so im visuellen besteht, will ich aber nicht weiter schreiben, lieber bilder teilen. nur kurz sei gesagt: wegen der phantastischen kostüme, aber auch der gesamten inszenierung, fand ich immortals unglaublich stark und die wirkung seiner bilder über seine dauer hinweg anhaltend. die liberal gehandhabte griechische mythologie beiseite, ist die merkwürdig tableauartige bildgestaltung, die mich manches mal an luxuriös ausgestattete bühnenbilder erinnerte, im nachhinein der einzig denkbare weg, mythologie, archtypen und kulturelle memes im film darzustellen. alles ist gewichtig und gravitätisch, mit einer unglaublichen wucht, die einem jedes einzelne jahr des pergamon-altars und des ischtar-tores auf die seele legt. mein mann ist da relativ d’accord, wie ich meine.

werbung für parco, idee und design von eiko ishioka:

kostüme und production design für mishima- a life in four chapters:

bram stoker’s dracula:


the cell:


the fall:


immortals:

KW 33/2012: Laura Mulvey, 15. August 1941

Laura Mulvey

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Laura Mulvey hat den bahnbrechenden feministisch-filmtheoretischen Artikel Visual Pleasure and Narrative Cinema geschrieben. Ich hole die Lektüre derzeit nach, aber der Inhalt des Artikels ist für dieses Blog auch gar nicht so sehr interessant – wie die meisten wissenschaftlichen Arbeiten stehen die Thesen jederzeit zur Diskussion. Sie selbst hat die Aussage später wohl in einem weiteren Artikel gemildert und umformuliert, als Erstschlag einer feministischen Betrachtungsweise in der von der männlichen Betrachtungsweise dominierten Welt des Films, der Wissenschaft und der Filmwissenschaft hat der Artikel jedoch seine ursprünglichste Existenzberechtigung.

Der Artikel ist die Quelle eines Begriffsrahmens, der mir nicht nur bei der Benennung, sondern zum Teil überhaupt erst beim Erkennen eines Gefühls hilft, das ich des öfteren beim Filmekucken habe: Nämlich die irritierende Wahrnehmung des männlichen Blicks. Gerade in meinem Lieblingsgenre, dem Horrorfilm, werden Frauen ja sowohl als Sexualobjekt wie Mordopfer – eine psychoanalytische Identität beider Rollen dahingestellt – bevorzugt und ihre Darstellung ist oft genug eine exploitative. D.h.: Die Mädels sind im Film so, wie Mann sie gerne sieht. Für mich als weibliche Zuschauerin ergibt das ein merkwürdiges Emotionsgemisch, da ich mich tatsächlich (dies ist valide Kritik an Mulveys Artikel) auch als Frau mit dem jeweiligen Protagonisten bzw. dem angesprochenen männlichen Zuschauer identifizieren kann – der „männliche“ Spaß am Film mithin auch meiner ist. Gleichzeitig jedoch identifiziere ich mich per default auch mit dem weiblichen Objekt/Opfer, was mich nicht nur in meiner Identifikation mit dem gesehenen Filmbild ins Dilemma stürzt, sondern sich auch in einer merkwürdigen Paranoia niederschlägt, die urplötzlich alle im Kinosaal (oder Wohnzimmer) befindlichen Männer zu (potentiellen) Spannern und/oder Aggressoren macht.

Eine ausgesprochen grafische Versinnbildlichung der Situation weiblicher Zuschauerinnen bei der Beanspruchung des männlichen Blicks findet sich übrigens in Katheryn Bigelows Strange Days, in der ein Vergewaltiger seinem Opfer den Livestream der Vergewaltigung aus seiner Sicht ins Hirn spielt. Ein mise-en-abyme aus Ausgeliefertsein, Schuldgefühl und sexueller Lust, bei dem sich mir persönlich der Magen umdreht.

Ein anderer Film, der mir in diesem Assoziationsraum einfällt und zu differenzierter Betrachtung einlädt, ist Neil Marshalls The Descent. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ihn gesehen habe, daher will ich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber zu Überlegungen anregen, inwieweit dieser Film auch einen männlichen Blick einsetzt. Ist denn der Blick der Kamera per se männlich? Was würde das für diesen, in meiner Erinnerung ausgesprochen emanzipierten Film bedeuten? Mit seinen sechs weiblichen Hauptfiguren, die sich auch, aber nicht nur über ihre Beziehungen zu Männern unterhalten (womit der Film den Bechdel-Test mit Bravour besteht) und die als starke, aktive und kompetente Charaktere gezeichnet werden, habe ich ihn damals als eine ausgesprochene Wohltat im ansonsten sehr auf männliche Interessen und Vorlieben ausgelegten Horrorgenre erlebt. Nichtsdestotrotz lässt sich das Absteigen in eine dunkle Höhle, in der dann tödliche Gefahr lauert – nicht nur von der zu erwartenden Seite – als männliche Angst vor der Vagina dentata lesen. Ist dies also auch nur die intellektualisierte, verklausulierte Version eines „typisch männlichen“ Horrorszenarios? Oder – noch schlimmer – eine filmische Misogynie, die ihresgleichen sucht? Die ausschließlich weibliche Besetzung bedeutet ja für einen solchen Horrorfilm, dass alle Getöteten Frauen sind (zumindest auf der Protagonistenseite)!
Wenn also der Blick der Kamera per se männlicher Blick ist, dann ist dieser Film nicht emanzipiert, sondern auf höchster Ebene frauenverachtend. In meiner wohlwollenden Interpretation hingegen ist der Blick der Kamera zunächst neutral, doch durch das mise-en-scene und die gezeigten Objekte kann er explizit männlich werden. Im Falle von The Descent ist es eben die wenig klischeehafte und eben nicht objektifizierende Darstellung, die es nicht zulässt, diesen Film auf diese Art zu lesen.

Eine (anscheinend) lesenswerte Erörterung von Mulveys Essay kann man hier lesen.

Bild: Von Mariusz Kubik – Eigenes Werk, CC BY 3.0

partners

james burrows, USA 1982
auf die – wenigen – frauenfiguren im film will ich gar nicht eingehen, die sind sowieso nur den helden charakterisierendes beiwerk oder plot point. da es in dem film auch vor allem um homosexualität, homophobie und hetero-vorurteile geht, ist das völlig in ordnung.
aber eine szene fand ich für dieses blog sehr interessant. der unwillentlich in eine vorgetäuschte homo-beziehung gesteckte vollblut-hetero und weiberheld benson lässt sich zwecks ermittlung in einem mordfall von einem getäuschten und interessierten homosexuellen begrapschen. nicht nur sieht man ihn unter der objektifizierung sichtlich versteinern, seine erschütterung und seine äußerung in der anschluss-szene haben mir den film für den rest seiner laufzeit sympathisch gemacht (abgesehen davon, dass ich den vorwurf der homophobie nicht nachvollziehen kann).
leider kann ich das wortgetreue zitat nirgendwo finden. im prinzip äußert benson (gespielt von ryan o’neal) seine plötzliche und überwältigende einsicht, wie es sich für frauen anfühlen muss, beständig als freiverfügbares objekt gesehen zu werden, vielleicht sogar noch mit der erwartung, sich geschmeichelt fühlen zu sollen, wenn ungewollte berührungen stattfinden.
diese äußerung brachte ein neues gewicht in ein gespräch, das ich mit meinem mann darüber geführt habe, wie wenig männer verstehen können, was das leben als frau ausmacht. mich selbst hat eine wahrheit erst mit der geburt meiner tochter getroffen: dass ich sie nicht davor werde bewahren können, dass sie aufgrund ihres geschlechtes die erfahrung sexueller übergriffe machen wird. statistisch überhaupt nicht untermauert, bin ich überzeugt, dass jede frau in ihrem leben in irgendeiner form ein erlebnis hatte, in dem sie wegen und an ihrem geschlecht körperlich angegangen wird – die eine traumatisch, die andere in verkraftbarem maß. gemein ist allen frauen, dass ihre primären und sekundären geschlechtsmerkmale für männer offenbar freiwild sind, also ohne mit der authorität rücksprache zu halten zu erlegen gestattet. eine authorität über den weiblichen körper gibt es mithin nicht – ihre eigene bestimmungsgewalt darüber wird komplett negiert.
ich will und wollte nie leugnen, dass die herrschenden rollenklischees und -erwartungen auch heranwachsenden männern unangenehme erfahrungen bescheren. doch ich meine immer noch, es ist ein entscheidender unterschied zwischen den geschlechtern, wie sexualität dabei instrumenatlisiert wird – ich bin noch nicht ganz in der lage, den finger darauf zu legen. nur eins ist sicher: sexualität ist für frauen (und, wie der film partners zeigt, wohl auch für homosexuelle) kein ausschließlich angenehmer aspekt des lebens. sie ist nicht nur quelle der freude und lust – wie es im idealfall sein sollte – sondern immer auch eine verletzliche stelle, die es zu schützen und abzuschirmen gilt, die mit scham und schuld besetzt ist.
was es bedeutet, als person auf einen körper reduziert zu sein, der zur freien verfügung angesehen wie auch als mittel zum zweck eingesetzt wird, bringt diese szene schön auf den punkt.
mein mann nimmt darauf auch bezug.

mann, konstruiert

am donnerstag, 19. juni, läuft die gender-experiment-dokumentation Man For A Day von Katarina Peters in den kinos an. Peters hat einen workshop von gender-aktivistin Diane Torr in berlin mit der kamera begleitet, in dem frauen sich, zunächst äußerlich, in männer verwandeln konnten. sicher eine interessante erfahrung, dabei gewesen zu sein. den film zu sehen, könnte daher auch interessant sein.

Diane Torr hat natürlich auch eine eigene webiste.

WEG MIT
§218!