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1/2020: Nicole-Reine Lepaute, 5. Januar 1723

Nicole-Reine Étable de la Brière Lepaute kam als sechstes von neun Kindern eines Kammerdieners der Louise Élisabeth d’Orléans auf die Welt (auch eine tragische Gestalt, die letztes Jahr einen runden Geburtstag gehabt hätte). Schon als Kind war sie intelligent und interessiert, angeblich blieb sie nächtelang wach und las jedes Buch in der Bibliothek des Palais de Luxembourg, in dem sie aufwuchs.

Mit 26 Jahren heiratete sie den königlichen Uhrmacher Jean-André Lepaute. Mit ihm zusammen konstruierte und baute sie eine astronomische Uhr, die 1753 der Académie des sciences vorgestellt wurde. Der Mathematiker und Astronom Jérôme Lalande prüfte diese Uhr und erteilte seine Anerkennung. Gemeinsam mit ihm und ihrem Mann schrieb Lepaute anschließend ein „Traktat über die Uhrmacherei“, allerdings allein unter dem Namen ihres Mannes. In Lalande hatte sie jedoch einen bedeutenden Fürsprecher, der ihren Beitrag zu den Berechnungen des Buches öffentlich hervorhob. Auf seine Empfehlung hin war sie daran beteiligt, das nächste Erscheinen des Halleyschen Kometen zu kalkulieren. Sechs Monate lang rechnete Lepaute zusammen mit Lalande und dem Mathematik-Kollegen Alexis-Claude Clairaut, bis sie im November 1758 mit der Vorhersage an die Öffentlichkeit traten, dass der Komet am 13. April 1759 erscheinen würde. Ihre Berechnungen waren um einen Monat falsch, weil die Existenz von Uranus und dessen Einfluss auf die Kometenlaufbahn noch unbekannt waren. Erst zwanzig Jahre später wurde dieser zufällig von Wilhelm Herschel (Bruder von Caroline Herschel) entdeckt.

Clairaut erwähnte Lepautes Beitrag zur Kometenberechnung nicht in seinen Schriften, worüber sich Lalande empörte. Lalande würdigte ihre Arbeit in einem Artikel und nannte sie „die hervorragendste weibliche Astronomin Frankreichs aller Zeiten“ (Quelle: Wiki).

Lepaute sollte weitere fünfzehn Jahre mit Lalande zusammenarbeiten, etwa an den Ephemeriden der Académie des sciences, wie der des Venustransits. Ebenso erstellte sie die Ephemeriden der Sonne, des Mondes und der Planeten des damals bekannten Sonnensystems für die Jahre 1774 bis 1784. Im Jahr 1762 sagte sie korrekt die Sonnenfinsternis des 1. April 1764 voraus und legte eine Karte an, in der die Zeiten und das Ausmaß der sichtbaren Verdunkelung für Europa eingezeichnet waren.

Lepaute selbst hatte keine Kinder, doch mit 45 Jahren adoptierte sie den Neffen ihres Mannes, Joseph Lepaute Dagelet. Sie unterrichtete ihn in Mathematik und Astronomie, so gut, dass er mit 26 Jahren Mathematikprofessor an einer Militärschule wurde und 1785, mit 34 Jahren, der gewählte Abgeordnete für Astronomie der Académie des sciences. Nicole-Reine Lepaute pflegte 21 Jahre lang ihren Mann, gegen Ende selbst erblindet, bis sie am 6. Dezember 1788, mit 65 Jahren, in Paris verstarb. Nach ihrem Tod schrieb Jérôme Lalande eine kurze Biografie über ihren Beitrag zum Stand der Astronomie.

Die Seite She is an Astronomer führt eine kurze Biografie zu Nicole-Reine Lepaute.

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Ebenfalls diese Woche

4. Januar 1963: May-Britt Moser
Sie erhielt 2014 mit anderen den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Forschungen zu den Funktionsweisen von Neuronen, insbesondere bei der räumlichen Orientierung und dem räumlichen Gedächtnis.

KW 50/2016: Émilie du Châtelet, 17. Dezember 1706

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Die Tochter eines Angestellten am Hof König Ludwigs XIV. erhielt eine klassische Bildung und bewegte sich schon in ihrer Jugend in adligen und intellektuellen Kreisen. Ihre Verheiratung mit einem 12 Jahre älteren Adligen in ihrem 18. Lebensjahr war gängige Praxis zu ihrer Zeit und bedeutete für Émilie nur, dass sie diesen Teil des Lebens, der von Frauen erwartet wurde, rasch abwickeln konnte, um sich ihren wahren Interessen zu widmen. Sie lebte fünf Jahre mit ihrem Mann in dessen Gouverneursbezirk und gebar ihm dort drei Kinder. Nachdem sie ihre ehelichen Pflichten erfüllt hatte, kehrte sie nach Paris zurück und lebte von da an als unabhängige Frau. Finanziell abgesichert vom Vater ihrer Kinder, moralisch im Rahmen der erwarteten Diskretion unbehelligt, pflegte sie ein paar kurzfristige Affären und ihr Interesse an der Philosophie und Physik, die zu diesem Zeitpunkt noch eng miteinander verwandt waren; manchmal war beides ein und dasselbe.

Nachdem sie Verbindungen mit zwei Mathematikern eingegangen und beendet hatte, lernte sie Voltaire kennen (einen Philosophen, der Frauen viel zu verdanken hatte und sie zu schätzen wusste). Kurz darauf musste er Paris aufgrund eines gegen ihn erlassenen Haftbefehls verlassen (die Autoritäten stießen sich an seiner Kritik der herrschenden Zustände) und Émilie bot ihm an, sich auf ein altes, kleines Schlösschen im Besitz ihres Mannes in Cirey zurückzuziehen. Als klar wurde, dass Voltaire nicht so bald würde zurückkehren können, verlegte auch Émilie ihren Lebensmittelpunkt in die Champagne und lebte, forschte und schrieb dort an der Seite ihres Freundes. Sie brachte die gesellschaftliche Sicherheit und die Immobilie, Voltaire das finanzielle Vermögen in die Verbindung ein und gemeinsam machten sie aus dem Schlösschen in Cirey ein Liebesnest mit Forschungsstation, Bibliothek und Theater, in dem Stücke aus seiner Feder gespeilt wurden.

Émilies Lebenswerk war es, Newtons Philosophiae Naturalis Principia Mathematica aus dem Latein ins Französische zu übersetzen. Anfänglich in Zusammenarbeit mit dem Mathematiker Alexis-Claude Clairaut, später im Alleingang legte sie nicht nur durch die sprachliche Zugänglichkeit den Grundstein dafür, dass Newtons Physikphilosophie in Europa bekannt wurde, sie übertrug auch seine mathematische Argumentation in die gängigere Form, wie sie Leibniz entwickelt hatte.

Auch in anderen Gebieten der Aufklärung war Émilie du Châtelet tätig. Sie schrieb eine Abhandlung über die Natur des Feuers, als Bewerbung um einen Preis, den die Akademie der Wissenschaften ausschrieb – sie gewann den Preis zwar ebensowenig wie Voltaire, der sich parallel bemühte, doch wurde ihre Abhandlung auf Kosten der Akademie gedruckt. Sie beschäftigte sich mit dem Thema der kinetischen Energie, mit der Physik, den weiterführenden Themen der Metaphysik (etwa mit der „denkenden Materie“ oder der Frage, wie das Böse in die Welt kam) und der Religionskritik im Sinne der Aufklärung. Auch mit der Frage nach dem Glück beschäftigte sie sich, ihre Auffassung kann am ehesten als epikuräische verstanden werden, dass das Glück vor allem durch das richtige Maß entsteht, der Dinge, die man genießt und derer, die fordern. Besonders für Frauen – denen der Zugang zu Bildung und einem unabhängigen Leben nicht so selbstverständlich war wie Männern – sah sie das Glück in der Gelehrsamkeit.

Den Begriff des Feminismus gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch auch, wenn sich Émilie du Châtelet an die Konventionen hielt: die Art, wie sie die größtmögliche Freiheit und Unabhängigkeit lebte, die Frauen geboten wurde, ihr Forscherdrang, ihre Intelligenz und ihr kritischer Geist, vor allem aber die Weigerung, sich wegen ihres Geschlechts daran hindern zu lassen, ihr persönliches Glück zu verfolgen, macht sie zu einer frühen Vorreiterin des Feminismus, in jedem Fall zu einem Vorbild.

Als Voltaire wieder in Gnade am französischen Hof kam, lebte sie einige Zeit mit ihm in Versailles. Dann lebte sie noch einige Zeit in Lothringen, wo sie nochmals eine andere Affäre einging – von dieser wurde sie schwanger, überzeugte jedoch unterstützt vom ehemaligen und aktuellen Geliebten ihren Ehemann, das Kind sei von ihm. Sie arbeitete ununterbrochen, um vor der Niederkunft ihre Übersetzung Newtons fertigzustellen. Noch in der Nacht der Niederkunft muss sie am Schreibtisch gesessen haben; diese Geburt jedoch bedeutete ihr Ende. Sie starb 43jährig am Kindbettfieber, ihre jüngste Tochter wurde ebenfalls keine zwei Jahre alt.

Bild: Von Maurice Quentin de La Tour – [1], Gemeinfrei

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Von 136 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 12 (inklusive Émilie du Châtelet) Frauen:
15.12.1485 Katharina von Aragòn
12.12.1574 Anna von Dänemark
17.12.1626 Christina von Schweden
17.12.1638 Anna Sophia von Hessen-Darmstadt
12.12.1716 Leopoldine Marie von Anhalt-Dessau
18.12.1718 Anna Leopoldowna
17.12.1734 Maria I. von Portugal
12.12.1761 Marie Tussaud
16.12.1775 Jane Austen
13.12.1779 Sophie Barat
12.12.1791 Marie-Louise von Österreich

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