Schlagwort: bürgerrechtsbewegung

32/2023: Laura Hershey, 11. August 1962

Als Kleinkind wurde Laura Hershey, erstes von zwei Kindern einer Familie in Littleton, Colorado, mit Spinaler Muskelatrophie diagnostiziert, einem durch Gendefekte ausgelösten fortschreitenden Muskelschwund. Sie nutzte daher schon bald Rollstühle, ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter förderte jedoch ihre schulische Bildung, trotz des erschwerten Zugangs zu Schulen für Menschen mit Behinderung. An der Highschool zeigten sich bereits ihre Talete, so war sie Mitglied des Debattierclubs und Redakteurin der Schülerzeitung.(1)

Als Hershey 11 Jahre alt war, wurde sie als das ‚Posterkind‘ von Colorado für die Muscular Dystrophy Association (Link Englisch), ausgewählt und so von Jerry Lewis‚ für seine (von 1966 bis 2014) alljährlichen MDA Labor Day Telethon (Link Englisch) bekannt gemacht. Mit den Bildern der Kinder mit SMA sollte bei den Zuschauern Mitleid erweckt und die Spendenwilligkeit gesteigert werden; Jerry Lewis bezeichnete die Kinder als ‚Jerry’s Kids‘. Zu dieser Zeit empfand sie die Herangehensweise und den Umgang mit ihr als Betroffene wohl schon als verstörend, konnte dies als Kind jedoch nicht klar erkennen und formulieren.(siehe YouTube It’s Our Story)

Nach dem Studium der Geschichte am Colorado College, das sie 1983 mit einem Bachelor-Grad abschloss, erhielt sie ein Stipendium der Watson Foundation (Link Englisch). Dieses ermöglichte ihr, für einige Zeit in Großbritannien zu leben. Hier begegneten ihr erstmals andere Menschen mit Behinderung, die sich künstlerisch und politisch für die Wahrnehmung und die Rechte von behinderten Menschen einsetzten und Hershey in den Menschenrechtsaktvismus einführten. Zwar hatte sich schon 1978 in der Haupststadt ihres Heimatstaates, Denver, Colorado, die Organisation ADAPT (Link Englisch) gegründet, hershey schloss sich dort jedoch erst nach ihrer Rückkehr aus Großbritannien 1985 an.

Als 1990 die Kritik an Jerry Lewis, seinen Telethons und seinem Umgang mit Kindern und Erwachsenen mit SMA laut wurde, zählte Laura Hershey zu den Stimmen. Nicht nur, wie das Leben mit Kindern mit SMA als bemitleidenswert und schrecklich dargestellt wurde, sondern auch die dröhnende Missachtung von Erwachsenen mit SMA waren Kritikpunkte vor allem ehemaliger ‚Jerry’s Kids‚. Lewis hatte einen Artikel darüber geschrieben, wie er sich selbst in einen Rollstuhl gesetzt habe und feststellen musste, dass ’sein Leben so nur halb zu leben wäre‘; als Protestreaktion darauf gründeten sich ‚Jerry’s Orphans‚ Die inhärente Vorstellung, dass ein Leben mit SMA oder anderer Behinderung nicht lebenswert wäre, stieß bei Hershey und ihren Mitstreiterys auf Widerspruch; sie verlangten, nicht als Objekt für Mitleid oder als abschreckendes Beispiel dargestellt zu werden, sondern als Menschen mit erfülltem Leben und vor allem mit allen Bürgerrechten. Die Kinder seien nur für ihren Schauwert eingesetzt worden, die Spendensammlung richtete sich jedoch viel mehr darauf aus, eine ‚Heilung‘ für den Gendefekt zu finden und habe zu wenig in Hilfe für die bereits mit SMA lebenden Erwachsenen – damalige und inzwischen herangewachsene – resultiert. (Der Abschnitt über Criticism am MDA Telethon (Link Englisch) ist ausgesprochen lesenswert, wenn auch lange nicht erschöpfend. Jerry Lewis‘ Reaktion auf die berechtigte Kritik von Betroffenen war suboptimal. Clip unten nur empfohlen für Menschen mit großer Gelassenheit.) Bei ihren Protesten gegen die Veranstaltung wurde Hershey mehrfach verhaftet.

ABC Primetime Live – Jerry Lewis Telethon – CN Ableism, Narzissmus

Ihren politischen Aktivismus setzte Laura Hershey auch als Autorin und Lyrikerin um; sie verfolgte ein weiteres Studium in Kreativem Schreiben, schrieb Bücher und Gedichte sowie eine regelmäßige Kolumne für die Webseite der Christopher and Dana Reeves Foundation (Link Englisch); auch auf ihrer eigenen Seite Crip Commentary‚ (inaktiv) veröffentlichte sie ihre Texte. Zur Anthologie ‚Sisterhood Is Forever‚ trug sie das Kapitel ‚Rights, Realities, and Issues of Women with Disabilities‚ bei. Als lesbische Frau setzte sie sich auch insbesondere für die Rechte homosexueller Menschen mit Behinderung ein; mit ihrer Partnerin adoptierte sie ein Kind. Sie besuchte die UN Konferenzen für Frauenrechte in Nairobi 1985 und in Peking 1995. Noch 2008 machte sie ihren Master of Fine Arts an der Antioch University (Link Englisch) und leitete 2009 einen Workshop zu queer disabled bodies bei der Creating Change Conference.(2) Im November 2010 starb sie unerwartet nach einer kurzen Erkrankung.

Erster Teil der Reihe mit Laura Hershey bei It’s Our Story – alle 13 sind sehenswert

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) www.laurahershey.com/
(2) Denver Library

16/2023: Ernestine Eckstein, 23. April 1941

Bis sie 1963, mit 22 Jahren, nach New York zog, wusste Ernestine Eckstein selbst nicht, dass sie lesbisch ist. Sie hatte sich zwar zu Frauen hingezogen gefühlt, doch da ihr nicht klar war, dass es diese sexuelle Orientierung gab, betrachtete sie es als rein menschliche Zuneigung. (2, 3)

Vorher hatte sie an der Indiana University in Bloomington, Indiana, Magazin-Journalismus im Hauptfach sowie Psychologie und Russisch in den Nebenfächern studiert; dort war sie Mitglied der NAACP. In New York angekommen, suchte sie als erstes einen alten Freund auf, mit dem sie sich immer gut verstanden hatte, ohne dass es zu einer romantischen oder sexuellen Beziehung gekommen war. Auf seine Aussage ‚I’m gay‚ reagierte sie zunächst mit Unverständnis (‚gay‚ wurde damals noch vor allem als ‚lustig, vergnügt‘ verstanden). Als er ihr die Bedeutung des Wortes erklärte, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass es Homosexualität gab, und sie hinterfragte ihre eigene Orientierung. Aus einer emotionalen Beziehung zu ihrer Mitbewohnerin wurde so auch eine Liebesbeziehung.(2, 3) Sich einer Organisation für und von Homosexuellen anzuschließen, war für Eckstein als überzeugte Bürgerrechtlerin ein logischer Schritt; sie besuchte als erstes die Mattachine Society, die auf eine Liberalisierung der Gesellschaft hinsichtlich Homosexualität hinarbeitete und Beratung für Homosexuelle anbot. Von dort aus schloss sich Eckstein den Daughters of Bilitis an und wurde 1965 Vizepräsidentin der Vereinigung.

Die Homophilenbewegung (zu dieser Zeit so bezeichnet) war von verschiedenen Strömungen geprägt – insgesamt starkt beeinflusst von linkem, im Sinne von kommunistischem Denken, auf dem viele Strukturen und Methoden von Menschen- und Bürger*innenrechtsbewegungen beruhen. Ein Teil der Bewegung legte Wert auf eine wenig Aufsehen erregende Arbeit für die Toleranz, um etwa die Meinung der Medizin und Psychologie zu verändern, dass Homosexualität eine psychische Krankheit sei. Ein anderer Teil, hauptsächlich jüngerer Homosexueller, wollte eine öffentlichere, politischere Menschenrechtsbewegung, die stärker am Aktivismus der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegung orientiert war. Ernestine Eckstein als Vizepräsidentin der Daughters of Bilitis stand für einen solchen politischen Aktivismus.

Für die Publikation der Daughters, The Ladder, interviewten Barbara Gittings und Kay Lahusen Ernestine Eckstein 1965. Die Ausgabe 1966 von The Ladder ist hier vollständig zu sehen. Im dem Gespräch macht sie einige ausgesprochen interessante Aussagen, insbesondere im Rückblick auf die Entwicklung der LGBTQIA+-Bewegung ab den späten 1960er Jahre.

Sie stellt fest, dass ihre Ideen ‚weiter links‘ seien als die anderer Homosexueller. Diese befürworteten zwar theoretisch die Protestmärsche für die Rechte Homosexueller, gingen aber selbst nicht hin; sie selbst nehme an Protestmärschen teil, wenn auch in anderen Städten. Der Grund für beides war natürlich, dass offen homosexuell lebende Menschen in Gefahr waren, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und andere soziale Konsequenzen fürchten mussten. Doch eigentlich gingen Eckstein schon diese Protestmärsche nicht weit genug, sie nennt sie eine konservative Art des Aktivismus. Statt der ruhigen, gestitteten Runden mit ‚pickets‚ seien etwa Sit-Ins die politische Aktion der Zeit. Eckstein räumt ein, dass die Homophilen-Bewegung nicht so radikal sein könne wie die der Schwarzen US-Amerikaner, weil deren Anliegen in Sachen Menschen- und Bürger*innenrechten allgemein akzeptiert sei, während die Homophilen-Bewegung erst an den Punkt kommen müsse, dass ihr Anliegen – ungehindert einem selbstgestalteten, ’normalen‘ Leben nachgehen zu können, ohne die sexuelle Orientierung verdrängen oder verstecken zu müssen – von allen akzeptiert würde. Ein Weg jedoch, die Vorurteile gegenüber Homosexuellen auszuräumen, sei es eben, das Leben offen homosexuell zu leben: Eckstein verwendet hier die Worte ‚to come out‚ und meint sie sicher noch wörtlich, dass Homosexuelle als solche sichtbar ‚auf die Straße‘ gehen sollten. Doch möglicherweise liegt hier ja der Ursprung des heute gängigen Ausdrucks dafür, seine Orientierung oder Identität bekannt zu machen.

Eckstein sagt weiter, dass gleichzeitig für ihr Dafürhalten die Homophilen-Bewegung zu wenig juristisch aktiv ist, im Sinne von Klagen gegen Diskriminierung, die als Präzedenzfälle für das US-amerikanische Rechtssystem dienen können. Außerdem sei die Bewegung derzeit zu sehr auf sexuelle Freiheit fokussiert, sicher, weil diese eben nicht so vorhanden sei, Liebes- und sexuelle Beziehungen für Homosexuelle nicht so leicht und offen auslebbar waren wie für Heterosexuelle. Doch für die Gemeinschaft und die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen als ganz ’normale‘ Bürger*innen sei es auch wichtig, sich für alle möglichen anderen sozialen Aktivitäten zusammenzutun. Auf die Anmerkung, dies könne von Heterosexuellen als reine Anbahnungsmaßnahme für sexuelle Kontakte betrachtet werden, kontert sie ausgesprochen modern: ‚I think we have to decide how far we can go for caring about what heterosexuals think. […] We want acceptance and we want our rights as citizens and as people, but this doesn’t mean that all of our activity and all of our goals are defined by other people’s filthy minds.‚ – „Ich glaube, wir müssen uns entscheiden, wie weit wir gehen können darin, uns um das zu kümmern, was Heterosexuelle denken. Wir wollen Akzeptanz und wir wollen unsere Rechte als Bürger und Bürgerinnen und als Menschen, aber das heißt nicht, dass alle unsere Aktivitäten und alle unseren Ziele von den schmutzigen Gedanken anderer Leute definiert sind.“ (Im gedruckten Interview – im PDF zu lesen – sagt sie allerdings auch, dass die Schwarzen weiße und die Homosexuellen heterosexuelle Unterstützer*innen brauchen, um die Bewegung in der Gesellschaft zu integrieren; wenn die Kooperation über diese Label hinweg gefördert würde, würden die Menschenrechtsbewegungen in die Allgemeinheit überführt und blieben nicht nur Bewegungen ‚da drüben‘.)

Die herausragendste Äußerung von Eckstein betreffen allerdings das, was wir heute als Intersektionalität verstehen. Sie spricht darüber, auch die ‚transvestites‚ – damals umfassender Begriff auch für transgender Personen – in die Homophilen-Bewegung und ihren Aktivismus einbezogen werden sollte. Gittings und Lahusen sind darüber überrascht (die Lesben-Bewegung stand transgender und transvestitischen männlich gelesenen Personen kritisch gegenüber) und Eckstein erläutert, dass sie die Homophilen-Bewegung als Teil einer größeren Bewegung versteht, die eigentlich zu einer Beseitigung aller Label führe. Die Veränderungen der Gesellschaft zugunsten von Homosexuellen müsse notwendig auch das Recht für alle mit sich bringen, sich anzuziehen, wie sie wollen. Sie bezeichnet die spezielle Diskriminierungsproblematik der ‚transvestites‚ nicht als ein ‚Homosexuellen-Problem‘, sondern als eines der ’sexuellen Identität‘ – welches jedoch von der Gesellschaft zu einem Komplex zusammengeworfen würde, weshalb sie der Meinung ist, dass die Homophilen-Bewegung sich dessen annehmen sollte, wenn sie erst ihre eigenen Ziele erreicht hätte. Sie glaubt nicht, dass diese intersektionale Zusammenarbeit noch in ihrer Lebenszeit stattfinden würde, doch es sei das Ziel, auf das sie hinarbeite. Ernestine Eckstein nennt sich selbst eine ‚Sozialprophetin‘ und sie hat nach heutigem Kenntnisstand Recht: Der Kampf für die Rechte von trans*gender Personen ist mithin ein feministischer Kampf, doch noch heute lehnen viele den Gedanken ab, dass es im Prinzip um die Auflösung von Labels – beginnend mit ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ – gehen sollte, um die Gesellschaft von überkommenen, schädlichen Vorstellungen von ‚Normalität‘ zu befreien.

Ernestine Eckstein ließ sich sogar für das Titelbild der Ausgabe fotografieren, wenn auch nur im Profil – sie ging schließlich das Risiko ein, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie erkannt würde. Sie verließ die Daughters of Bilitis bald darauf, wahrscheinlich war sie von persönlichen und politischen Grabenkämpfen erschöpft. So stand sie 1965 in Korrespondenz mit Frank Kameny, den sie für einen Vortrag nach New York zu den Daughters einladen wollte, um ihre Position hinsichtlich öffentlicher Proteste und politischem Aktivismus zu stärken. Im Februar 1966 musste sie ihre Einladung dann aufgrund des Widerstands bei den Daughters jedoch zurückziehen. In den frühen 1970er Jahren zog Eckstein von New York nach San Francisco, wo sie sie sich bei Black Women Organized for Action (BWOA) engagierte – eine Organisation, die mehr ihren politischen Vorstellungen entsprach. So rotierte die Führung der Organisation zwischen jeweils drei Personen, die nach drei Monaten wieder ausgewechselt wurden, was nicht nur den Aufbau einer Hierarchie unter den Mitgliedern verhinderte, sondern auch dafür sorgte, dass zahlreiche unterschiedliche Schwarze Frauen als Anführerinnen gefördert wurden.

Die Absichtserklärung der BWOA lautete(1, Übersetzung meine):

Black: Wir sind Schwarz und sind wir uns unserer Verpflichtung bewusst, uns im Kampf der Schwarzen einzusetzen für ihre Identität und für die Einbindung in Entscheidungen, die ihr Leben und das Leben der folgenden Generationen Schwarzer betreffen.
Women: Wir sind Frauen und uns deshalb bewusst, wie eklatant zum Teil die Talente und Energien Schwarzer Frauen verschwendet werden, weil uns die Gesellschaft einen bestimmten Platz zugewiesen hat.
Organized: Wir sind organisiert, weil wir erkennen, dass wir nur zusammen, mit unseren gemeinsamen Talenten und Ressourcen, eine entscheidende Veränderung erreichen können in den Institutionen, die unsere Möglichkeiten eingeschränkt und unser Wachstum als Menschen behindert haben.
Action: Wir sind für Aktivismus, weil wir glauben, dass die Zeit der Rhetorik vorüber ist; dass die Fähigkeiten Schwarzer Frauen am besten auf vielseitige Weise eingesetzt werden können, um die Gesellschaft zu verändern; dass, in der politischen Arbeit, die wir vorleben, das Engagement Schwarzer Frauen über die traditionelle Mittelbeschaffung hinausgehen und in die ganze Palette von Aktivitäten führen muss, die den politischen Prozess ausmachen, welcher unser Leben auf so viele Arten bestimmt.

Die BWOA hatte eine offene Auffassung, wer als ‚Schwarz‘ galt (möglicherweise näher an dem, was heute ‚of Color‚ heißt), und ging zurückhaltend mit dem Begriff ‚feministisch‘ um. Damit verhinderten sie Abgrenzungen und Dispute innerhalb der Organisation über die Vorstellungen, was diese Begriffe beinhalteten.

Nach ihrem Weggang aus New York nach San Francisco verliert sich Ernestine Ecksteins Spur. Es ist nur mehr bekannt, dass sie 1992, wahrscheinlich nach langer Krankheit, in San Pablo, Kalifornien, starb.


Faszinierendes Dokument aus der Zeit, in der Ernestine Eckstein als Schwarze, lesbische Frau ihren Aktivismus entwickelte, ist einmal diese CBS Dokumentation, „The Homosexuals“ (CN: voller 1950/60er Vorurteile, Pathologisierung, verinnerlichter Homophobie etc. – nur ansehen, wenn frohes Bewusstsein darüber besteht, dass diese Zeiten immerhin mehr als 50 Jahre zurückliegen), in der bei Minute 28:50 Ernestine Eckstein kurz zu sehen ist(2); außerdem lässt sich an den zwei kurzen Filmen von Lilli Vincenz hier großartig die Entwicklung der LGBTQIA+-Bewegung erkennen: Der erste zeigt die recht braven picket lines 1968, wie sie auch Ernestine Eckstein besuchte, der zweite zeigt die erste Christopher Street Liberation Day Parade 1970 – den ersten Jahrestag der Stonewall Riots. Das Coming Out der Homosexuellen auf die Straße, das Eckstein sehen wollte, ist hier wesentlich deutlicher und wird mit Stolz gefeiert. Der Einfluss, den die eben nicht friedlichen, sondern wehrhaften Unruhen in der Christopher Street auf die Gesellschaft hatten – ausgetragen von trans*gender und homosexuellen, Schwarzen und weißen Männern und Frauen –, ist hier nicht zu verleugnen.


Quellen: Wiki englisch
außerdem:
(2) Making Gay History
(3) LGBTQ Nation

10/2018

10. Oktober 1928: Leyla Gençer

Die Tochter eines türkischen Vaters und einer polnischen Mutter wuchs auf der kleinasiatischen Seite Istanbuls auf; sie begann eine Gesangsausbildung am Konservatorium von Ankara, brach diese jedoch ab und setzte den Gesangsunterricht privat fort. Sie war mit einem Banker verheiratet und sang zunächst als Chorsängerin am Türkischen Staatstheater.

1953 begann sie ihre Karriere in Neapel, nur vier Jahre später sang sie zum ersten Mal an der Mailänder Scala. Bis zum Jahr 1987 trat sie an der Scala in 19 Rollen auf und baute ihr Repertoire auf über 70 Partien aus. Die „türkische Diva“ sang Hauptrollen in den USA und Europa, unter den berühmtesten Dirigenten ihrer Zeit. Besondere Erfolge feierte sie mit ihren Interpretationen von Donizetti, einem zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenen Komponisten des Belcanto.

Nach dem Ende ihrer Bühnenkarriere war Gençer noch vielseitig in der Opern- und Musikbranche tätig. Ihr zu Ehren findet seit 1996 der Leyla Gençer Gesangswettbewerb statt. Die Sängerin starb 2008 80jährig an Herzversagen, ihre Asche wurde wunschgemäß in den Bosporus verstreut.

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12. Oktober 1873: Nadezda Petrović

Die serbische Malerin des Expressionismus und Fauvismus nahm anfangs privaten Zeichenunterricht in Belgrad. 25jährig kam sie nach München und wurde zunächst Schülerin des slowenischen Malers und Lehrers Anton Azbe; Petrović liebte alles Russische und besuchte auch den Salon von Marianne von Werefkin, wo sie russischen Künstlern begegnete. Ihre Vorliebe für die farbenfrohe russische Kunst brachte sie als Schülerin zum „Farbenfürst“ Julius Exter nach Übersee am Chiemsee.

Petrović vereinte ihre lebenslange Treue zum Azbe-Stil mit der Farbigkeit des Expressionismus. Sie reiste als Künstlerin durch ganz Europa und stellte in den 1910er-Jahren mehrfach in Paris aus. In ihrem Heimatland Serbien ist sie auch aufgrund ihres politischen Engagements beliebt: Sie unterstützte die Bevölkerung in Mazedonien in den türkischen Pogromen und gründete die erste serbische Künstlerkolonie. In den Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg malte sie in ihrer Heimat Landschaft, Soldaten und Bauern, verpflichtete sich jedoch auch als freiwillige Krankenpflegerin. Im Rahmen dieser Tätigkeit zog sie sich den Flecktyphus zu und verstarb 43jährig in einem Lazarett.

Google-Ergebnisse für Nadezda Petrovic

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14. Oktober 1938: Farah Pahlavi

Die spätere Ehefrau des iranischen Schahs wurde als Tochter eines aserbaidschanisch-stämmigen Offiziers in Teheran geboren, der starb, als sie zehn Jahre alt war. Farah Diba besuchte in Teheran zunächst eine italienische, später zwei französische Schulen; mit 19 Jahren schrieb sie sich in Paris an einer Hochschule für Architektur ein.

Da viele iranische Studenten staatliche Unterstützung in ihren ausländischen Studien erhielten, wurden stets einige in die Botschaft geladen, wenn der Schah dort weilte. Im Rahmen eines solchen Treffens lernte Farah Mohammed Reza Pahlavi Shah kennen. Es erfolgten einige weitere Treffen, bis nach etwa einem halben Jahr die Verlobung des Schah mit dem 19 Jahre älteren Monarchen bekanntgegeben wurde. Farah wurde die dritte und letzte Ehefrau des iranischen Staatsoberhauptes und schenkte ihm in zehn Jahren vier Kinder.

Nach der Hochzeit war ihr Titel zuerst Malakeh, aus dem Arabischen für „Königin“. Zwei Jahre, nachdem sie durch die Ehe diesen Titel erhalten hatte, erhöhte der Schah per Dekret ihre Stellung: Er verlieh ihr den Titel Schahbanu, Persisch für „Gemahlin des Schah“. Damit betonte er nicht nur ihre persische Herkunft, sondern wertete ihre Position – und damit intediert die Stellung der Frau in der iranischen Gesellschaft – auf eine der Gleichberechtigung nähere.

Farah Pahlavi Schahbanu setzte sich in ihrer politischen Position vielseitig für die Menschen und die Kultur im Iran ein, mit einem Büro, das sich in vier Themenbereich engangierte: Medizin und Gesundheit, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur udn Soziale Angelegenheiten. So gründete sie z. B. als erste ein Dorf, in dem Leprakranke und ihre Familien nicht nur medizinisch versorgt, sondern auch gesellschaftlich rehabilitiert wurden – bis dahin führte die Erkrankung zur lebenslänglichen Verbannung nicht nur des Betroffenen, sondern auch derer Familien aus dem heimatlichen Verbund. Gesellschaften unter ihrer Schirmherrschaft verbesserten die Versorgung von Krebskranken, Brandopfern, Kindern und die Zusammenarbeit mit der WHO. Farah Pahlavi gründete mehrere Waisenhäuser, Fachschulen und Institutionen für die Teilhabe von körperlich Beeinträchtigten; die ehemalige Pfadfinderin förderte auch die Organisation der Pfadfinderinnen im Iran. Außerdem förderte sie mit Schrimherrschaften die Literatur, das Theater und Museumslandschaft im Iran, insbesondere mit Fokus auf Kinder und die persische Sprache. Farah unternahm Inspektionsreisen in abgelegene Gebiete ihres Landes und begleitete ihren Mann bei Staatsbesuchen rund um die Welt, unter anderem auch den 1967 in Deutschland.

Im gleichen Jahr, 1967, war Farah Pahlavi mit ihrer Schwägerin, der Zwillingsschwester ihres Mannes, an einer Veränderung des Familienrechts beteiligt. Sie selbst wurde von ihrem Mann ein weiteres Mal in ihrer Stellung gehoben: Sie wurde zur Vizekönigin und das Mindestalter, in dem der Sohn des Schah würde regieren dürfen, wurde auf 20 angehoben – Farah wurde damit in Abwesenheit oder im Todesfall des Schahs zur gleichberechtigten Übergangs-Regentin. Dies war ein umwälzender Schritt für die Gleichstellung der Frau in der iranischen Gesellschaft. Die gleichzeitige Gesetzesänderung, dass Frauen das Recht zur Scheidungseinreichung verliehen wurde und Männer sich nicht mehr ohne Angabe von Gründen von ihren Frauen scheiden lassen konnten, sowie die Einwilligung der ersten Ehefrau und einen Nachweis für die Versorgungsicherung benötigten, um eine Zweitfrau zu heiraten, sollte diese fortschrittliche Entwicklung zementieren. Der Ajatollah Chomeini, damaliger religiöser Führer des Islam im Iran, war alles andere als begeistert; dieser Schritt nach vorn verstärkte die gegenläufige Reaktion und trug zur Spaltung des Landes bei, die in der Islamischen Revolution und schließlich dem Sturz des Schahs 1979 ihren Höhepunkt fand.

Nachdem der Schah und seine Frau den Iran verlassen hatten, suchten sie an verschiedenen Stellen sowohl Exil wie auch medizinische Versiorgung für die Krebserkrankung des Monarchen. Einige Politiker, die sie vor kurzem noch als Staatsgäste empfangen hatten, wiesen sie nun ab. Nach Aufenthalten in Ägypten, Marokko, den Bahamas und Mexiko wurde der Schah einige Zeit in amerikanischen Krankenhäusern behandelt; es folgten weitere Aufenthalte in Panama und wiederum Ägypten, wo der Schah 1980 an den Folgen des Krebs verstarb.

Farah Pahlavi lebt derzeit abwechselnd in Frankreich und den USA, sie engagiert sich weiterhin bei der UNESCO für Kinderbildung. Zwei ihrer Kinder musste sie nach Selbstmorden beerdigen: Ihre jüngste Tochter nahm 2001 31jährig Schlaftabletten und Kokain, ihr jüngster Sohn erschoss sich 2011 mit 44 Jahren.

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21. Oktober 1925: Celia Cruz

Celia ‚Azúcar‘ Cruz gilt als Queen of Salsa, „la reina de salsa“. In einfachen Verhältnissen in Havana, Kuba, aufgewachsen, begann sie eine Ausbildung zur Lehrerin, um einen „anständigen“ Beruf zu haben, doch sang sie schon seit ihrer Kindheit und hoffte auf eine wirtschaftlich und sozial vielversprechendere Zukunft als Sängerin. Sie gewann in zahlreichen Gesangswettbewerben, doch ihren wirklichen Durchbruch schaffte sie mit 25, als die vorherige Sängerin der kubanischen Band Sonora Matancera in ihre Heimat Puerto Rico zurückkehrte. Die Band gab Celia Cruz eine Chance und stand bald im Schatten ihres Ruhms.

Celia befand sich mit der Band gerade in Mexiko, als Fidel Castro 1959 auf Kuba die Macht ergriff, und sie blieben alle im Exil. Castro verbot Cruz zwei Jahre später sogar die Einreise zur Beerdigung ihrer Mutter. Cruz wurde amerikanische Staatsbürgerin und feierte in den USA und Mexiko Erfolge, die ihr auch gelegentliche Ausflüge ins Filmfach gewährten. Sie gewann im Laufe ihres Lebens drei Grammys und vier Latin Grammys.

Sie starb 2003 mit 77 Jahren an den Folgen eines Hirntumors.

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27. Oktober 1922: Ruby Dee

Die afro-amerikanische Schauspielerin wuchs in Harlem auf, wo ihre Eltern nebenbei eine Pension für afro-amerikanische Reisende betrieben, die nicht in „weißen“ Hotels aufgenommen wurden. Sie spielte bereits in der Highschool Theater und während des College am American Negro Theater in Harlem, wo sie schon früh mit späteren Stars wie Sidney Poitier und Harry Belafonte auf der Bühne stand. Von dort erarbeitete sie sich ihre Karriere über Off-Broadway-Produktionen an den Broadway. Sie besuchte das Actors Studio unter Lee Strasberg und erreichte über erste Produktionen afro-amerikanscher Filme auch Hollywood. Sie spielte bis zum Ende ihres Lebens in Theater und Filmen, unter anderem in mehreren Werken von Spike Lee. Mit 83 Jahren erhielt sie ihre einzige Oscarnominierung für ihre Rolle als Denzel Washingtons Mutter in American Gangster; sie ist die einzige im 21. Jahrhundert für diese Auszeichnung nominierte Person, die auch bereits gestorben ist.

Gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Ossie Davis galt Ruby Dee als „Erstes Ehepaar der Bürgerrechtsbewegung“. Die beiden waren mit ihren Schauspielkollegen politisch aktiv und mit den Bürgerrechltern Martin Luther King Jr. und Malcolm X befreundet. Noch bis ins hohe Alter nahm sie an politischen Kundgebungen und Demonstrationen teil und betrachtete ihre prominente Stellung as Schauspielerin als Möglichkeit, für die Rechte der afro-amerikanischen Bevölkerung einzutreten.

Ruby Dee starb mit 91 Jahren; die Lichter am Broadway wurden am Freitagabend nach ihrem Todestag für eine Minute gedimmt, um ihrer zu gedenken.

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28. Oktober 1879: Luisa Capetillo

Luisa Capetillo wurde in Puerto Rico geboren, als Tochter eines Basken und einer Korsin, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf die karibische Inselgruppe ausgewandert waren. Liberal erzogen und von den Eltern im Lesen und Schreiben unterrichtet, fand sie ihre erste berufliche Beschäftigung als Vorleserin in einer amerikanischen Zigarrenfabrik – sie las dort den Arbeitern Zeitungen und Romane vor. Über diese Tätigkeit kam sie auch in Kontakt mit Gewerkschaften.

Geprägt von den philosophischen und literarischen Vorlieben ihrer Eltern, las sie Tolstoy, Zola und Hugo; in Kombination mit der harschen Realität ihrer kolonialen Umgebung entwickelte sie sich zur Anarchistin und weiblichen Stimme der Arbeiterbewegung. Sie beteiligte sich zwar nicht an Organisationen der Frauenrechtsbewegung, aber dies nur, weil sie der Meinung war, diese müsse eingebunden werden in den Klassenkampf. 1904 veröffentlichte sie ihr eigenes Essay, „Mi Opinión“, in dem sie die Frauen des Proletariats aufforderte, für ihre Rechte – als Frauen und als Arbeiterinnen – zu kämpfen. Mit der Veröffentlichung dieses Textes in Gewerkschaftszeitungen und der Teilnahme an Arbeiterstreiks gelangte Capetillo bald an die Spitze der FLT (Federación libre de trabajadores), der puerto-ricanischen Arbeiterbewegung, und setzte sich in dieser Position für die Bildung und Rechte der Arbeiterfrauen ein. Mit ihrer Überzeugungsarbeit für das Frauenwahlrecht gilt sie als die erste Suffragette Puerto Ricos.

Zwischen 1912 und 1919 wirkte sie mit an Streiks der Tabakarbeiter in New York und Tampa (FL), außerdem schrieb sie weiterhin Essays und brachte ihr erstes Werk ein weiteres Mal heraus. 1915 wurde sie auf Kuba verhaftet, weil sie Hosen trug – damals für Frauen eine tatsächliche Straftat. Sie hatte bereits vor ihrer politischen Tätigkeit mehrere Kinder bekommen, ohne verheiratet zu sein, und war auch Verfechterin der „freien Liebe“ in dem Sinne, dass Frauen sich ihre Partner frei wählen können sollten.

In den Jahren vor ihrem Tod durch Tuberkulose 1922 war sie 1916 und 1918 noch einmal an den größten Arbeiterstreiks der puertoricanischen Geschichte beteiligt.

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30. Oktober 1902: María Izquierdo

Der Anfang ihres Lebens schien der mexikanischen Künstlerin zunächst nichts Gutes zu versprechen. Als sie fünf Jahre alt war, starb ihr Vater und sie lebte in der Obhut ihrer Mutter und Großmutter in einem Dorf im Norden Mexikos. Gemäß der streng katholischen Traditionen auf dem Land wurde sie mit 14 Jahren in die Ehe mit einem viel älteren Offizier gezwungen und bekam innerhalb der nächsten drei Jahre drei Kinder. Als die mexikanische Revolution endete, zog sie mit ihrer Familie nach Mexiko-Stadt. Dort begann sie, ihre Malerei professioell zu entwickeln und ließ sich schließlich mit 26 Jahren wieder scheiden, um ihrer Leidenschaft nachzukommen. Sie schrieb sich an der Academia de San Carlos ein und begeisterte bei einer Schülerausstellung deren Direktor, Diego Rivera, frisch verheirateter Mann von Frida Kahlo. Aufgrund verschiedener Differenzen mit den anderen Schülern der Akademie beendete sie ihr Studium dort, blieb aber mit dem wenig älteren Kommilitonen und Mentor Rufino Tamayo in engem künstlerischen und persönlichen Kontakt. Ihr primitivistischer und surrealistischer Stil machte sie einzigartig unter den mexikanischen Künstlern ihrer Zeit und sie feierte nicht nur in ihrem Heimatland Erfolge: Sie war die erste mexikanische Künstlerin mit einer Ausstellung in den USA, die allein ihre Werke zeigte.

Sie zog einen weniger politischen Ausdruck in der Kunst vor als die meisten ihrer zeitgenössischen Kollegen und war im Inhalt stark von den vor-christlichen und katholischen Einflüssen ihrer frühen Prägung beeinflusst. In den 1940er Jahren erreichte ihre Karriere ihren Höhepunkt und 1944 wurde sie Kulturbotschafterin ihres Landes. Kurz darauf erlitt sie jedoch einen Schlaganfall, außerdem begannen sich ihre früheren Förderer, die männlichen Künstler Mexikos, gegen sie zu wenden und sie zu diskreditieren. Sie erlitt einen weiteren Schlaganfall und starb 1955.

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