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35/2019: Ida Kerkovius, 31. August 1879

In eine deutschbaltische Familie in Riga geboren, wuchs Ida Kerkovius auf einem Gut in der Nähe der heutigen Hauptstadt Lettlands (damals Verwaltungssitz des Gouvernements Livland im russischen Kaiserreich) auf. Mit 20 Jahren schloss sie eine Ausbildung an einer Rigaer Mal- und Zeichenschule mit Diplom ab, anschließend ging sie in die Künstlerkolonie Dachau, um bei Adolf Hölzl zu studieren. Sie war über die Bilder einer seiner Schülerinnen auf ihn gestoßen und wurde in ihrem späteren Wirken selbst von ihm geprägt.

Nach Bildungsreisen durch Europa und einer Rückkehr zu ihrer Familie in Riga studierte sie für kurze Zeit an einer privaten Malschule in Berlin, suchte jedoch bald wieder Hölzl als Meister auf, dieses Mal in Stuttgart. Schon bald wurde sie seine Meisterschülerin und schließlich Assistentin, in dieser Position unterrichtete sie selbst wiederum Schüler:innen. Sie nahm an mehreren Ausstellungen um ihren Meister mit eigenen Bildern teil, gleichzeitig kamen durch Ausstellungen mit Bildern des Impressionismus und Expressionismus neue Einflüsse in ihr Leben.

In den 1920er Jahren erlernte sie am Weimarer Bauhaus die Webkunst von Gunta Stölzl. Wie Thea Schleusner wurde auch sie ab 1933 von den Nationalsozialisten für ihre „entartete Kunst“ diffamiert, da sie in Deutschland so nur noch eingeschränkt arbeiten konnte, unternahm sie zahlreiche Reisen ins europäische Ausland. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde ihre Familie von Riga ins Wartheland umgesiedelt, wobei ein Teil ihrer Werke bereits verloren ging. Ein weiterer großer Teil verbrannt nach einem Bombenangriff in ihrem Atelier; da ihre Werk bis 1945 daher kaum mehr existiert, zählt auch sie zur Verschollenen Generation.

Nach 1945 war sie in Deutschland als eine der bedeutendsten Vertreter:innen der klassischen Moderne tätig. Neben der Malerei und der Bildteppichweberei erschloss sie sich in den 1950er Jahren auch die Glasmalerei. Dieses Jahrzehnt war insgesamt ihr erfolgreichstes: 1954 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, sie gewann den ersten Preis der 1955er Ausstellung „Ischia im Bilde deutscher Maler“ und 1958 wurde sie Professorin. Bis zu ihrem Tod mit 91 Jahren lehrte und arbeitete sie als Künstlerin.

Bei Bauhaus100 – der Webseite zum Bauhaus-Jahr 2019 – gibt es eine ausführliche Biographie mit Bildern von ihr, ebenso bei FemBio.

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rocker

klaus lemke, deutschland 1972
die welt der rocker im deutschland der 1970er jahre ist eine männerwelt – das kann man sich ausrechnen. dementsprechend sind die frauenfiguren in „rocker“ überschaubar. ohne dem film einen vorwurf machen zu wollen – denn ich habe ihn als sensibel und liebevoll wahrgenommen – sind die frauen, die auftreten, im wesentlichen vertreterinnen zweier schablonen.
sonja, gerds ex- und ullis aktuelle freundin (oder „torte“), ist die einzige rockerbraut mit dialog. gemeinhin bevölkert die rockerbraut stumm die sozios (? soziusse?) der motorräder (oder „öfen“) der rockergang; sonja hingegen ist aus der szene ausgestiegen, arbeitet brav im kittel in einem kaufhaus und unterhält dennoch den tagedieb und kleinkriminellen ulli, der auch lederjacke trägt. als gerd wieder vor ihrer tür steht, will sie zwar definitiv nicht zurück zu ihm und in die szene, unterwirft sich den gesetzen der gruppe aber dennoch insoweit, dass sie sich in die kluft schmeißt, um ihrem ex choram publico das ende der beziehung offiziell anzumelden. doch gerd wird im clubhaus von einigen maskierten überfallen und sonja findet ihn an einen baum gebunden und verprügelt vor dem brennenden schuppen – in dieser dramatischen lage werden offenbar alte romantische gefühle wach. sonja bekommt jedoch keine chance, sich zu entscheiden: von gerd wird sie abgewiesen und ulli wird totgeschlagen. sonjas letzte szenen sind von einer vielsagenden sprachlosigkeit; ullis tod versetzt sie in einen schockzustand, der sich auch in ihrer abschließenden begegnung mit gerd, bei dem sie offenbar eigentlich unterstützung und trost sucht, nicht auflöst. ihre unfähigkeit, die hürde in der kommunikation mit gerd zu überwinden, nimmt angesichts seiner vorangegangenen verbalen und physischen drangsalierungen nicht wunder. so verläßt sonja die szene und den film stumm, die genugtuung für den mord an ulli wird dem kleinen bruder und nachwuchsrocker mark überlassen.
die andere schablone der frau in „rocker“ ist die der spießerin, die den rebellierenden männern diametral gegenüber steht. hervorstechendes beispiel ist ullis und marks ältere schwester, bei der ulli geld „organisieren“ will und vor der mark in die gesellschaft seines bruders flüchtet. tatsächlich erweckt sie den eindruck eines verbitterten, harten drachens ohne mitgefühl und verständnis für die rebellischen brüder. ich erlaube mir jedoch zu spekulieren, dass diese strenge allein versteinerte sorge ist, ein form von resignation und depression. mir tat sie jedenfalls leid, in ihrer position als repräsentantin der spießigkeit.
ein paar bordsteinschwalben und leichte mädchen gibt’s noch – die schülerin, mit der ulli auf der kneipentoilette eine erotische begegnung hat, wirkt weniger wie eine figur als wie ein accessoir, um die sexuelle freilebigkeit und gleichzeitige anonymität der großstadtszene zu attestieren. sex ja, aber bitte keine intimität.
wie gesagt: der film hat mir in seiner rauhbeinigen sensibilität sehr gefallen. nur den bechdel-test besteht er nicht.
abschließend noch ein schönes wort, dass ich aus „rocker“ gelernt habe: „pflaumenspeicher“ für ein internat für höhere töchter. ich hatte es erst als frauenknast verstanden, aber das ist ja eigentlich jacke wie hose. du klappstuhl.
PS: einen ausführlicheren text zum gesamtwerk hat mein mann geschrieben. auf der angesprochenen weltreise werde ich ihn, soweit in reichweite, versuchen zu begleiten.

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