Schlagwort: filmkritik

die eiskönigin 2

die eiskönigin 2, den ich gerade für die FILMLÖWIN sehen durfte, ist nicht der beste aller disney-filme, doch er ist auch keine enttäuschung. in dem ausnahmezustand, in dem wir uns mit der corona-krise derzeit befinden, bietet er auf immer noch hohem erzählerischen niveau eine ausflucht in eine märchenwelt, in der sich gesellschaftliche probleme mit den heroischen taten einzelner lösen lassen. für die kinder, die jetzt zu hause sind, die ihre freund:innen und großeltern für noch unbestimmte zeit nicht sehen dürfen und vielleicht ängste ausstehen aufgrund der unsicheren näheren zukunft, haben Jennifer Lee und Chris Buck einen moment der klarheit und verlässlichkeit geschaffen. kinder – und eltern – werden in dieser zeit vielleicht gerade vermehrt in diesen fantasien trost suchen und das ist in ordnung. wie olaf dieses menschliche verhalten im film beschreibt: “wir kontrollieren, was wir können, obwohl alles außer kontrolle ist.” 

mary shelley

für die FILMLÖWIN durfte ich Mary Shelley besprechen – seit dem 9. Mai auf DVD/BD – ein sehr schöner film, der locker den bechdeltest besteht und (fast) alles richtig macht!

Wer sich vorher oder hinterher noch mal etwas zur echten Mary Shelley zu Gemüte führen möchte, kann ja noch meinen Beitrag von 2016 zu ihr lesen. Ihr Leben nach der Veröffentlichung von Frankenstein bekommt dort auch nicht sehr viel Raum, deshalb hier eine kurze Zusammenfassung ihres Lebens post-Frankenstein. Sie schrieb weitere Romane und Reiseberichte, vor allem aber arbeitete sie daran, das Werk ihres verstorbenen Mannes zu veröffentlichen. Davon, seine Biografie zu schreiben, hielt sie ihr Schwiegervater ab, der seine finanziellen Zuwendungen – auf die sie lange Zeit angewiesen blieb – davon abhängig machte, dass niemand von den radikalen Ansichten seines Sohnes erfuhr. Der Tod von Percys erstem Sohn mit Harriet Shelley machte Marys Sohn Percy Florence zum direkten Erben des Shelley-Vermögens und als der Schwiegervater später starb, waren Mutter und Sohn ihre wirtschaftlichen Sorgen halbwegs los.

Sie traf nach Percys Tod noch einige Männer, die ihr die Ehe antrugen, aber sie lehnte stets ab. Sie könne nach einer Ehe mit einem Genie nur ein weiteres heiraten, war ihre Begründung. Dafür half sie allerdings einem befreundeten Frauen*-Pärchen, in Frankreich wie Mann* und Frau* zusammenzuleben – sie half ihnen, den Pass einer der beiden zu fälschen, sodass diese dort unter ihrem männlichen Pseudonym leben konnte.

Sie wurde mehrfach Opfer von Erpressungsversuchen, die auf ihrer oder Percys „unmoralischer“ Lebensweise beruhten. Ein Mann erpresste sie damit, eine kritische Biografie Percy Bysshe Shelleys herausbringen zu wollen – worauf sie nicht einging, wohl, weil diese sie eventuell aus der Zensur durch ihren Schwiegervater befreit hätte. Sie fand allerdings ihren eigenen Weg, dennoch ihre eigene Sichtweise zu erzählen, indem sie Percys Gedichte mit ausführlichen Anmerkungen herausbrachte, die sehr ins biografische Detail gingen.

Noch etwas zu ihrem größten Werk, Frankenstein oder Der Moderne Prometheus. Es steht noch immer ein Film aus, der diese literarische Vorlage gänzlich von den filmischen Vorgängern frei und wirklich nach der Geschichte Shelleys erzählt. Als ich das Buch damals las, war ich immer wieder erschüttert, wie völlig anders Shelley den künstlichen Menschen charakterisiert, als es uns unsere popkulturellen Einflüsse glauben lassen. Ich kann nur empfehlen, sich dieses Werk auf die feministische Lektüreliste zu setzen.

Jetzt lest aber erst einmal meine Filmkritik auf FILMLÖWIN.

Wonder Woman

Patty Jenkins, USA 2017
12 Jahre nach dem letzten Superheldinnen-Film Elektra bekam in diesem Jahr die ikonische Wonder Woman ihr Debüt auf der Kinoleinwand. 1940 erfunden, ist die Amazone Diana mit ihrem blau-rot-goldenen Outfit die älteste und wohl auch bekannteste weibliche Superheldin, und schon in ihrer Entstehungsgeschichte als Gegenmittel zu männlicher Dominanz angelegt. Insofern konnte es kaum ein besseres Jahr für die Film-Premiere dieser weiblichen Identifikationsfigur geben als dieses. Auch die lange und schwierige Entstehungsgeschichte spricht Bände darüber, wie schwer es Hollywood fällt, Frauen als Heldinnen zu inszenieren, und zwar nicht in den typischen „Frauenfilmen“, in denen es um Beziehungen und soziale Themen geht, sondern als physisch und psychisch dominante und ausgeprägte Persönlichkeiten in einem „männlichen“ Genre; gleichzeitig aber auch in einem Actionfilm die Protagonistin nicht wiederum für den Blick des per default männlichen jugendlichen Zuschauer zum reinen Objekt der Begierde zu machen.
Vor diesem Hintergrund tue ich mich mit einer Rezension dieses Films bemerkenswert schwer. Da ich die Comics überhaupt nicht kenne, kann ich mich mit dem Film – vielleicht: dankenswerterweise – nur als solchem auseinandersetzen; die Nähe zur Vorlage oder deren Mangel spielt in meiner Wahrnehmung keine Rolle. Alle Kritik, die ich habe, richtet sich nur an den Film. Der wurde ja durchaus als Sinnbild eines Paradigmenwechsels für den Geschlechterausgleich verkauft, z. B. mit den Kinovorstellungen nur für Frauen, die jede Menge Emaskulationsphobiker auf den Plan riefen.
Ich brauchte einige Zeit, um meine Gedanken zu Wonder Woman zu sortieren. Das mag zunächst mal daran liegen, dass er mir als Film, vor allem als Teil des derzeit nicht abreißenden Stroms von Superhelden-Comic-Adaptionen, überdurchschnittlich gut gefällt. Statt nur Szenen mit erklärenden Dialogen aneinanderzureihen, die die Motivation der Protagonisten von einer brüllenden Actionszene zur nächsten deklarieren, tragen hier alle Szenen gleichermaßen zu einer tatsächlich fließenden Narration bei. Die Figuren sind sympathisch und glaubwürdig, Gal Gadot überzeugt ebenso in ihrer Fragilität wie in ihrer Aggressivität.
Der Film macht auch vieles richtig, was man so an gängigen feministischen Kriterien anlegen kann. Den Bechdel-Test* zugrunde legend, ja, gibt es mehrere Frauen, die mit Namen benannt werden, enge Beziehungen zueinander haben und sich über andere Dinge als Männer miteinander unterhalten. Gal Gadot wird nicht *nur* auf die Merkmale ihres attraktiven Körpers hin in Szene gesetzt, sie hat eine wahrnehmbare Persönlichkeit und der kriegerische Einsatz ihres Körpers (der aller Amazonen) steht männlich dominierten Kampfszenen in Dynamik und Martialität nichts nach.
Meine Desorientierung bei Wonder Woman liegt also sicher auch mit daran, dass ich mich eindeutig nicht (sehr**) geärgert habe. Und da liegt der Hund begraben: Reicht mir das schon? Muss ich mich damit zufriedengeben, in der feministischen Filmkritik, dass ich mich *nicht ärgere*? Wenn ich mir diese Frage angesichts Wonder Woman stelle, fange ich doch an, mich zu ärgern. Denn dann fühle ich mich mit meinem eigenen niedrigen Anspruch an der Nase herumgeführt. Ja, am Anfang des Films gibt es viele starke, namentlich benannte Frauen, die miteinander über etwas anderes als Männer sprechen – in einer Welt, in der Männer nicht existieren! Kaum hat ein Mann Dianas Leben betreten und verläßt sie diese paradiesische Welt, wird sie zur Schlumpfine, zur zugegebenermaßen prominenten Quotenfrau in einem Team aus Männern. Ja, sie trifft auf ihre spätere Sekretärin und beste Freundin Etta, doch die ist Randfigur in diesem Film und gerade gut genug, um ein paar Witze über bekannte Tropen zu liefern, wie etwa dass Diana mit einer Brille auf einmal nicht mehr atemberaubend schön sei. Nun könne man sagen: „Der Film spielt während des Ersten Weltkriegs, da waren Frauen eben nicht so am politischen Leben beteiligt“ (Etta macht sogar eine Bemerkung über ihre Beteiligung an der Sufragettenbewegung) – aber der Film behauptet auch für seine Welt, Ares, der griechische Gott des Krieges, sei die eigentliche Ursache des Ersten Weltkrieges, und es gäbe eine Insel, auf der Amazonen leben wie in einem partiell modernisierten klassischen Thermiskyra. Könnte man sich mit all dieser Fantasie nicht mehr als eine handelnde Frau pro Seite ausdenken?
Meine Unzufriedenheit mit Wonder Woman rührt also daher, dass der Film sich für das, was er sein könnte, viel zu sehr in sicheren Gefilden bewegt. Als würden die immanentesten Punkte abgehakt, damit die in der heutigen Zeit rasend gewordenen Feministinnen keinen Anlass für Beschwerden haben, aber über ein paar zahme Witze über die Herrschaft der ignoranten Männer hat man sich dann doch nicht hinausgewagt. Davon abgesehen, geht der Film seinen wie erwähnt angenehmen, aber doch nicht so revolutionären Gang.
„Was wollt ihr denn noch?“, fragen die genervten Guten Männer. Tja, was? Einen Film, in dem nicht nur die eine übermenschliche Frau einen gleichberechtigten Platz und maßgebliche Dialogzeilen hat, wäre ein Anfang (wenn wir so tun wollen, als hätte es das Ghostbusters Reboot und andere Feig-McCarthy-Koopertationen nicht gegeben). Sonst kommen wir doch wieder nur in eine Hure-und-Heilige-Dichotomie, auch wenn sie sich heute nicht mehr an sexueller Aktivität bemisst (jedenfalls nicht mehr so sehr, aber auch Wonder Woman muss natürlich lieben, um Sex zu haben) – entweder bist du Superheldin oder immer noch egal. Es klingt auch Gatekeeping an: Wenn du nicht so gut sein kannst wie Wonder Woman, hast du immer noch keinen Platz in der Welt.
So wird Wonder Woman für mich zu einem sehr ambivalenten Film. Unterhaltsamer als viele seiner Superhelden-Kollegen. Endlich, ein Film über eine Superheldin, eine weibliche Protagonistin und Titelfigur in einem Actionfilm. Und doch: Zeugnis so vieler Unzulänglichkeiten der Filmlandschaft. Da hat Wonder Woman noch einige Arbeit vor sich.
* Ich empfehle diese Seite und vor allem die immer vielstimmigen, aber oft (meist?) mit guten Argumenten geführten Diskussionen über Filme im Hinblick auf den Bechdel Test. Darin lassen sich die Minimalanforderungen, die eine Frau an einen gendergerechten Film haben kann, in ihrem wirklich bescheidenen Ausmaß sehr gut erkennen – aber auch, wie leicht es ist, diese zu erfüllen und trotzdem etwas zu wünschen übrig zu lassen. Andere schöne Tests, mit denen man die feministischen Qualitäten eines Films messen kann, rangieren von intersektionell bis zum schlichten „Regen sich Männer darüber auf?“
** Einmal habe ich mich doch geärgert, nämlich als ich feststellte, dass die Amazonen dann doch alle auf Keilabsätzen kämpfen. Laut Regisseurin sollte Wonder Woman lange Beine haben, und die sehen nun mal länger aus in hohen Absätzen. Und ich weiß, viele Frauen fühlen sich durch ihre Meisterschaft, auf hohen Absätzen gehen zu können, empowered. Das streite ich nicht ab. Dennoch kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass eine Kultur, die alleine von Frauen geprägt ist und aus einer Zeit stammt, die vor der Einführung hoher Absätze liegt, doch eher zu praktischen und bequemen, nicht erotisierenden Schuhformen neigen würde. Von den faschistoid vollkommenen Körper der Superhelden generell will ich gar nicht anfangen. Die sehe ich ja in ihrer gängigen männlichen Ausführung durchaus auch gerne an.

die filmlöwin

ganz schnell mal noch ein hinweis auf einen neuen link in meiner blogroll, nämlich die filmlöwin, das feministische filmmagazin. das ist natürlich ein go-to für mich.

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§218!