Schlagwort: fulfulde

33/2023: Aïssata Touré Kane, 18. August 1938

Die Tukulor sind der traditionell sesshafte Teil der Halpulaaren, einer Sprachgemeinschaft des Pulaar (oder Fulfulde, je nach Region), in der Region, in der heute die Staaten Mauretanien, Senegal und Mali aneinandergrenzen; der andere, nomadisch lebende Teil sind die Fulbe. Der Name bedeutet möglicherweise ‚Volk von Tekrur/Takrur‘, denn in diesem bereits um 800 gegründeten Reich stellten die Tukulor im 11. Jahrhundert die Mehrheit, die sich seit dieser Zeit auch schon zum Islam bekannte. Im 15. Jahrhundert ging Tekrur im Jolof-Reich auf, das mit Beginn der Kolonisierung durch die Europäer unterging. Noch heute stellen die Tukulor mit 800.000 Angehörigen Teile der mauretanischen, senegalesischen und malischen Bevölkerung.

Aïssata Touré Kane kam 1938 in einer Tukulor-Familie als Tochter eines Distrikt-Chief zur Welt, der sie – entgegen der in der damaligen Gesellschaft herrschenden Vorstellungen und gegen den Widerspruch aus der Familie – auf eine französischsprachige Schule im Senegal schickte. Kane war damit eines der ersten drei mauretanischen Mädchen, die eine westliche Schule besuchten.(1)

In ihrem letzten Jahr in der Oberstufe in dieser Schule 1957 gründete Kane das ‚Comité pour la fréquentation scolaire féminine‚ (Komitee für den weiblichen Schulbesuch), eine Gruppe, die die Bildung von Mädchen fördern sollte. Gegenstimmen begegnete sie mit ihrer Überzeugung, dass die Scharia Mädchen das Recht auf Bildung zuspreche. Nach ihrem Schulabschluss konnte sie dank eines Stipendiums zwei Jahre in Belgien an der Université libre de Bruxelles studieren, musste aus familiären Gründen jedoch ihr Studium dort 1960 vorzeitig abbrechen. Sie kehrte nach Mauretanien zurück und ließ sich in der Hauptstadt Nouakchott nieder. Im Folgejahr war sie hier an der Gründung der Union Nationale des femmes de Mauretanie (UNFM) beteiligt, gemeinsam mit der Ehefrau des damaligen mauretanischen Präsidenten Moktar Ould Daddah; sie vertrat die UNFM als Delegierte bei der Conference des Femmes Africaines (CFA), außerdem arbeitete sie mehrere Jahre für die Union in Algerien. Die UNFM wurde in die einzige legale Partei des Landes, Partie du peuple Mauretanien (PPM), integriert und darin als Mouvement Nationale Feminine (MNF) bekannt. Sie wurde Herausgeberin der Zeitschrift der Bewegung, ‚Marinou‚, und war ab 1966 im Jugendflügel der Partei in einer Führungsposition. Die UNFM war auch Teil der Internationalen Demokratischen Frauenföderation, deren Konferenz in Helsinki 1969 Kane besuchte.

Aïssata Kane wurde dank ihrer unermüdlichen Arbeit in Mauretanien als wortgewaltige Verfechterin der Frauenrechte bekannt; als Ergebnis ihrer politischen Bemühungen wurde sie 1970 zur Vorsitzenden des Mauretanischen Frauenrats(1) und 1975 die erste Frau im Kabinett der Regierung Ould Daddahs, als Ministerin für den Schutz der Frauen und soziale Angelegenheiten. Als Ministerin setzte siedafür ein, die Gesundheit und Bildung von Frauen zu verbessern, außerdem erwirkte sie eine Veränderung des Eherechts innerhalb einer Gesetzesänderung und eine Einführung einer Frauenquote im mauretanischen Parlament – 10% zur damaligen Zeit, später wurde die Quote erhöht. Ihr Programm zur Reduzierung polygamer bzw. polygyner Ehen blieb erfolglos, und auch ihre Forderung, dass ‚alle Beteiligten an der Durchführung‘ von weiblicher Genitalverstümmelung bestraft werden sollten, mit dem Ziel, diese vollständig abzuschaffen, traf auf große Widerstände. Während sie die Unterstützung hochrangiger Politiker in ihrem Kampf für Frauenrechte hatte, stellten religiöse Konservative ihre stärksten und einflussreichsten Gegner.

Als 1978 die Regierung Ould Daddahs in einem Militärputsch gestürzt wurde, verlor Aïssata Kane ihren Ministerposten; sie blieb jedoch weiterhin in verschiedenen Organisationen für Frauen- und Kinderrechte aktiv. Eine Frau im Kabinett gab es in Mauretanien dann erst neun Jahre später wieder.

Aïssata Touré Kane starb 80-jährig am 10. August 2019.


Quelle Biografie: Wiki deutsch | englisch
außerdem:
(1) WikiPeaceWomen

20/2023: Inna Bocoum, 19. Mai 1984

CN: FGM

Als sechstes von sieben Kindern kam Inna Bocoum in Bamako, der Hauptstadt Malis, zur Welt. Ihren heutigen Künstlernamen verdankt sie ihrer Mutter, die sie ‚Modja‘ nannte: In der westafrikanischen Sprache Fulfulde bedeutet es ’nicht gut‘ (auf englisch: ‚cheeky‚), könnte also vielleicht mit ‚Tunichtgut‚ übersetzt werden.

Ihre Kindheit verlebte Inna Bocoum zu Teilen in Ghana. Während eines Besuchs bei der malischen Familie, als Inna noch keine vier Jahre alt war, wurde sie in Abwesenheit ihrer Eltern von ihrer Großtante betreut. Diese nahm – ohne Einverständnis der Eltern – eine Beschneidung an dem Mädchen vor. Die weibliche Genitalverstümmelung ist eine Tradition in vielen nord- und mittelafrikanischen Ländern, die Großtante übte somit in ihrem Glauben eine gute Tat an ihrer Verwandten aus. Für Inna Bocoum bedeutete es ein tiefsitzendes Trauma, eine Beschneidung ihrer Selbstwirksamkeit, in ihren Teenager-Jahren resultierten daraus große Schwierigkeiten mit ihrer Selbstwahrnehmung als Frau. (2, 3)

In ihrem Elternhaus wurde sie schon in ihrer Kindheit musikalisch geprägt; ihr Vater teilte mit ihr seine Liebe zu Jazz, Blues und Soul, ihre Mutter die zu Miriam Makeba. Auch ihre Geschwister beeinflussten ihren Musikgeschmack und -stil, mit Punk, HipHop, Heavy Metal und Disco. Mit sechs Jahren schrieben ihre Eltern sie bei einem Chor ein, später, als die Familie wieder in Bamako lebte, besuchte sie oft einen ihrer Nachbarn, der ebenfalls ihre Musikkarriere förderte: Salif Keïta. Der stellte den Kontakt zur Rail Band (Link Englisch) her, sodass sie erste Schritte in der malischen Musikbranche machte.

Sie unterzog sich rekonstrukitver Operationen, die ihre körperliche Gesundheit wie ihr Selbstbewusstsein wiederherstellten. (3, 4)

2009, mit 23, hatte Inna Modja ihren ersten Auftritt im französischen Fernsehen, als sie auf dem Fête de la Musique mit Jason Mraz sang. Im selben Jahr veröffentlichte sie ihre ersten Singles und ihr Album ‚Everyday is a new World‚. Zwei Jahre später landete sie einen französischen Sommerhit mit ‚French Cancan (Monsieur Sainte Nitouche)‚.

Inna Modja: French Cancan (Monsieur Sainte Nitouche)

Auf ihrem Album ‚Motel Bamako‚ im Jahr 2015 bezog sie Position zu verschiedenen politischen Themen, etwa die post- und neokolonialen Problematiken der Wasserrechte, der Flucht vom afrikanischen Kontinent nach Europa aufgrund von Krieg und Nahrungsmangel, und auch zu Gewalt an Frauen, unter anderem in Form von weiblicher Genitalverstümmelung. Die Lieder des Albums singt sie auf Englisch, Französisch und Bambara, einer anderen Sprache, die in Mali gesprochen wird.

Kurzfilm zu Inna Modja La Valse de Marylore (CN: körperliche/sexuelle Gewalt)

Aufgrund ihres Engagements durfte sie 2015 auch vor den Vereinten Nationen auftreten. Auch hier spricht sie über die Schwierigekeiten vieler afrikanischer Länder mit Bürgerkrieg und Trockenheit, außerdem über ihre Erfahrungen mit FGM und die Entscheidung, rekonstruierende Operationen vornehmen zu lassen.

Inna Modjas Auftritt vor der UNO

Zur FGM und rekonstrukiver Chirurgie möchte ich auch noch einmal In Search…‚ von Beryl Magoko empfehlen, der sich sehr persönlich und empfindsam mit der Thematik auseinandersetzt.


Quellen: Wiki englisch | deutsch
außerdem:
(2) deutschlandfunk
(3) SRF
(4) UN News

Dank an Vicky und das Wort für den hoffentlich richtigen Begriff in der Bildbeschreibung

WEG MIT
§218!