Schlagwort: genetik

41/2020: María Teresa Ferrari, 11. Oktober 1887

María Teresa Ferrari (Link Englisch) wurde in eine wohlhabende und prominente Familie Argentiniens geboren: Beide Großväter, väterlicher- wie mütterlicherseits waren am Kampf um die Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien und der Gründung des Staates beteiligt. Als ‚höhere‘ Tochter hätte sie keine lange Schulkarriere oder eine Berufsausbildung gebraucht, es lag ihr jedoch möglicherweise im Blut, größere Ziele als die Ehe zu verfolgen.

Mit 16 Jahren erlangte sie ihr Zertifikat, um als Lehrerin zu arbeiten. Sofort im Anschluss begann sie, am Colegio William Morris sowie an der Schule ‚N° 3 Bernadino Rivadavia‚ zu unterrichten. Dabei wandte sie Erkenntnisse der experimentellen Psychologie an, die sie in ihrer Schulzeit erlernt hatte, was die Behörden zunächst misstrauisch machte. Da sie aber gute Lernerfolge mit ihren Motivationstechniken bei den Schüler:innen erzielte, durfte sie damit fortfahren.

Nur ein Jahr später, 1904, schrieb sie sich mit 17 Jahren für das Studienfach Medizin an der Universidad de Buenos Aires ein. Dies hatten bis dahin nur fünf andere Frauen Argentiniens unternommen, und tatsächlich waren Frauen im Studium und im Beruf nicht gern gesehen. Ferrari sollte es noch des Öfteren erleben, dass ihr aufgrund ihres Geschlechtes Steine in den Weg gelegt wurden. Sie wurde jedoch auch bereits im ersten Studienjahr Assistentin in der pathologischen Forschung, eine prägende Erfahrung, die sich als Inspiration für ihre Zukunft in der Forschung herausstellen sollte. Nach sieben Jahren schloss sie die Universität mit Dokrotgrad ab und heiratete (aus der Ehe sollte weitere sieben Jahre später, 1918, ein Kind hervorgehen).

1914 begann sie, am Hospital Ramos Mejía in Buenos Aires in der Geburtshilfe-Abteilung zu arbeiten. Ihr Wunsch war es, diese Fachrichtung auch an der Universität zu unterrichten, sie wurde jedoch vom Aufsichtsrat abgelehnt: „Ungeachtet ihrer Qualifiktionen erfüllen Frauen aus physiologischen und psychologischen Gründen nicht die Bedingungen, um als Professorinnen der Medizin eingestellt zu werden.“ (Quelle: Wiki Englisch) Im Folgejahr wurde ihr die bescheidenere, weit weniger prestigeträchtige Stelle als Dozentin an der Hebammenschule gestattet, Ferrari bewarb sich 1919 auf eine wiederum freigewordene Professorenstelle und kämpfte in den kommenden sechs Jahren darum, während der Aufsichtsrat die Entscheidung über diese ganze Zeit hinauszögerte. Während die Herren an der Universität schlicht keine Sitzungen einberiefen, Dokumente fälschten, Empfehlungen ignorierten und Entscheidungen vermieden, blieb Ferrari allerdings nicht untätig.

Zwischen 1921 und 1923 besuchte die Medizinerin verschiedene Krankenhäuser in Europa, so zum Beispiel das Radiuminstitut von Marie Curie und das Columbia Hospital for Women in Washington, D.C.

1924 entwickelte Ferrari ein Vaginoskop, ein Instrument zur Untersuchung der Vagina und des Gebärmutterhalses, das sich besser als die bisherigen Instrumente sterilisieren ließ und mit unterschiedlichen Spekula kompatibel war. In Brasilien verbesserte sich die gesundheitliche Versorgung der Frauen durch ihre Erfindung entscheidend, und Ferrari gewann damit Preise und Anerkennung. Als sie 1925 zur Gattin eines Mitgleides der Armee in das Hospital Militar Central in Buenos Aires gerufen wurde, um ihr bei der Geburt zu helfen, bestand in dem Krankenhaus noch keine gynäkologische Station, also baute Ferrari kurzerhand selbst eine auf. Was mit einem Bett und von ihr selbst gespendeter Ausstattung begann, wuchs im Lauf der kommenden fünf Jahre zu einer Frauenheilkunde-Abteilung an, die sich über zwei Stockwerke erstreckte, mit zwei Kreißsälen und der Möglichkeit, Instrumente zu sterilisieren. In 40 Betten konnten Wöchnerinnen und andere Patientinnen nach Behandlungen untergebracht werden. Ferrari richtete hier außerdem den ersten Brutkasten für Frühgeborene in Argentinien ein.

Dennoch musste sie nach sieben Jahren in der laufenden Bewerbung als Universitätsprofessorin 1926 erneut eine Liste ihrer Qualifikationen einreichen: 20 Jahre Erfahrung als Pädagogin, 15 Jahre medizinische Tätigekeit, neun Jahre eigenes Studium an der Universität. Einer der Berater der Universität, der diese Liste zu Gesicht bekam, schrieb nun eine dringende Bitte an den Dekan, Ferrari endlich einzustellen, und 1927 wurde sie mit 13 zu 2 Stimmen als Professorin zugelassen. Im gleichen Jahr wurde sie am Militärkrankenhaus zur Leiterin der Gynäkologie und Geburtshilfe ernannt; die allgemeine Stimmung im Haus blieb jedoch eher feindselig gegenüber einer weiblichen Ärztin. So wurde sie in ihren Bestrebungen, die Radiologie als Heilmethode für Gebärmutterkrebs einzuführen, eher behindert. Die argentinische Medizin hatte für diese neuartige Therapie keine Fachleute und griff daher lieber auf die altbewährten, invasiven Operationen zurück, doch Ferrari ließ nicht locker und setzte Bestrahlung schließlich als Krebstherapie durch.

In den späten 1920er Jahren bereiste sie noch einmal Mittel- und Nordamerika, vertrat Argentinien in verschiedenen internationalen Veranstaltungen, half an der Columbia University bei einem Kaiserschnitt (das geborene Kind wurde ihr zu Ehren daraufhin ‚Argentina‘ genannt) und veröffentlichte diverse wissenschaftliche Schriften. Nach einem Militärputsch 1930 wurde Argentinien zunehmend konservativer, was auf lange Sicht auch Folgen für Ferrari haben sollte. 1936 gründete sie zunächst noch Federació Argentina de Dones Universitàries (FAMU), den Verband argentinischer Frauen an Universitäten, inspiriert von der International Federation of University Women (IFUW). Mit diesem Verband wollte sie die juristische und soziale Situation von Frauen insbesondere im akademischen Umfeld verbessern und Hürden in Bildungskarrieren aus dem Weg räumen. Dafür schloss sie sich mit anderen berufstätigen Frauen zusammen und organisierte Schulungen für die an die 100 Mitglieder. Zwei Jahre nach ihrer Gründung schloss sich die FAMU der IFUW an.

Schließlich musste sie 1939 dem konservativen Druck nachgeben und ihre Stelle am Hospital Militar Central aufgeben. Immerhin wurde sie an der Universtität dafür endlich als volle Professorin eingesetzt und erhielt den Titel ‚Profesor Extraordinario‚ in ihrem Fachbereich, der Geburtshilfe. Si eblieb also als Lehrende tätig, bereiste auch weiterhin und schrieb. 1946 setzte sie sich als Präsidentin der FAMU zur Ruhe.

Mit dem Aufkommen des Peronismus Anfang der 1940er Jahre geriet sie jedoch wieder ins Kreuzfeuer der Politik. Weil sie kein Geld für politische Zwecke spenden wollte, zwang das Bildungsministerium sie dazu, als Lehrerin an der Schule ‚N° 3 Bernadino Rivadavia‚ und auch als Psychologie-Professorin am Colegio William Morris, wo sie ihre Karriere begonnen hatte, zurückzutreten. Wenige Jahre später, 1952, verweigerte sie erneut eine Verbindung zu Peróns Politik und setzte sich mit ihren inzwischen 65 Jahren lieber vollständig zur Ruhe.

Ein Jahr, nachdem Perón abgesetzt worden war, starb María Teresa Ferrari mit 69 Jahren.

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Ebenfall diese Woche

8. Oktober 1872: Kristine Bonnevie
Als Norwegens erste Professorin konzentrierte sich die Biologin auf die Zytologie, Genetik und Embryologie.

11. Oktober 1969: Merieme Chadid
Die marokkanisch-französische Astronomin installierte das Observatorium Dome Charlie in der Antarktis und war entscheidend am Very Large Telescope in der Atacama-Wüste in Chile beteiligt.

25/2020: Muazzez İlmiye Çığ, 20. Juni 1914

Die Eltern von Muazzez İlmiye Çığ stammten beide aus Familien von Krimtataren, die in die Türkei ausgewandert waren; die Familie ihres Vaters lebte in Merzifon, die ihrer Mutter in Bursa, wo auch Muazzez İlmiye zur Welt kam. Einige Wochen nach ihrer Geburt begann der Erste Weltkrieg, und als das Osmanische Reich an dessen Ende aufgeteilt wurde und griechische Truppen einmarschierten, flohen Muazzez‘ Eltern mit ihr zunächst nach Izmir, später nach Çorum.

Nachdem sie dort die Grundschule abgeschlossen hatte, bestand sie mit 12 Jahren die Aufnahmeprüfung einer Schule für angehende Lehrerinnen in Bursa; nach fünf Jahren machte sie dort ihren Abschluss. Danach erhielt sie eine Anstellung als Lehrerin in Eskişehir, wo auch ihr Vater arbeitete, später kehrte sie nach Bursa zurück.

Im Rahmen seiner Reformen hatte Mustafa Kemal Atatürk an der Universtiät Ankara eine Fakultät für Sprache, Geschichte und Geografie (der Türkei?) gegründet, an der ausdrücklich auch weibliche Studentinnen erwünscht waren. İlmiye bewarb sich 1938 und wurde für den Studiengang der Altertumswissenschaft angenommen. Ihre Professoren in diesem Fachbereich waren unter anderem Hans Gustav Güterbock und Benno Landsberger, beides deutsche Juden, die vor dem Faschismus in die Türkei geflohen waren. Neben Sumerologie studierte Muazzez İlmiye auch Hethitologie und Deutsch, das Studium schloss sie 1940 ab. Im gleichen Jahr heiratete sie Kemal Çığ, den Direktor des Topkapi Museums in Istanbul, wo Muazzez İlmiye Çığ am Archäologischen Museum eine Aufgabe für die weiteren Jahrzehnte fand. 75.000 sumerische Tontafeln in Keilschrift lagerten in den Beständen des Museums, bis dahin noch nicht übersetzt oder eingeordnet. Gemeinsam mit Samuel Noah Kramer restaurierte und übersetzte sie die Tontafeln und veröffentlichte die Ergebnisse. Im Laufe der Jahre wurde dank ihrer Arbeit das Museum zu einem Lehrzentrum für die Sprachen des Nahen Ostens.

Mit 92 Jahren erlangte die Sumerologin weltweite Öffentlichkeit, nachdem sie in ihrem Buch ‚Fruchtbarkeitskulte und Heilige Prostitution‘ (Bereket Kültü ve Mabet Fahişeliği/Cult of Fertility and Holy Prostitution) die These aufgestellt hatte, dass das Kopftuch im Islam – oft als Zeichen von Keuschheit und Züchtigkeit gewertet – möglicherweise auf den Kopfschmuck sumerischer Tempelhuren zurückginge (deren Existenz inzwischen allerdings grundsätzlich angezweifelt wird). Sie wurde daraufhin der Beleidigung des Islam angeklagt, jedoch freigesprochen, was internationale Beachtung fand.

In diesem Interview vom 13. Mai 2020 erscheint die inzwischen 106-jährige noch sehr kregel, leider ist es nur in türkischer Sprache ohne deutsche Untertitel verfügbar.

TEDxtalks: Gespräch mit Muazzez İlmiye Çığ im Mai 2020

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Ebenfalls diese Woche

16. Juni 1902: Barbara McClintock
Die amerikanische Zytogenetikerin entdeckte die „springenden Gene“ im Mais und gewann dafür als dritte Frau – nach dreimaliger Nominierung – endlich 1983 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

20. Juni 1919: Isabella Abbott (Link Englisch)
Als erste Kanaka Maoli mit einem Doktortitel in Naturwissenschaft wurde die Ethnobotanikerin eine Expertin für die Algen im Pazifik.

21. Juni 1927: Ye Shuhua (Link Englisch)
In den 1960er Jahren gelang der chinesischen Astronomin eine der präzisesten Messung der Universal Time.

20/2020: Dorothy Crowfoot Hodgkin, 12. Mai 1910

Als Tochter eines Kolonialbeamten in Ägypten kam Dorothy Crowfoot in Kairo auf die Welt, ihre Familie lebte dort im Winter und verbrachte die Sommer in England. Als Dorothy vier Jahre alt war, verblieb sie mit ihren Schwestern, davon war die ältere zwei Jahre alt und die jüngere sieben Monate, ganz bei Verwandten in England, während ihre Eltern weiterhin halbjährlich in Ägypten und später im Sudan lebten.

Ihre schulische Laufbahn war von vorneherein auf die Chemie ausgerichtet; an der weiterführenden Schule, in die sie mit 11 Jahren eingeschrieben wurde, war sie eines von zwei Mädchen, die Chemie lernen durften. Drei Jahre später empfahl ihr ein entfernter Cousin, Charles Harington, das Buch ‚Grundlagen der Chemie von D. S. Parsons, weitere zwei Jahre später schenkte ihre Mutter – selbst eine kundige Botanikerin – ihr ein Buch über Kristallstrukturanalyse. Damit hatte Crowfoot ihre Leidenschaft entdeckt. Nach dem Schulabschluss, bevor sie ein Studium begann, schloss sie sich für einige Zeit ihren Eltern in Jerasch an, dort war der Vater inzwischen als Direktor der British School of Archaeology für die Ausgrabungsstelle verantwortlich. Dorothy Crowfoot beschäftigte sich mit den Mosaiken in Kirchen aus byzantinischer Zeit, sie zeichnete die Muster nach und analysierte die chemische Zusammensetzung der Steine. Nach dieser Reise begann sie am Somerville College in Oxford Chemie zu studieren, vier Jahre später schloss sie dort ihr Studium mit Bestnote ab. Für ein Doktorandenstudium wechselte Crowfoot an das Newnham College in Cambridge, wo sie mit ihrem Doktorvater John Desmond Bernal an der Kristallstrukturanalyse von Proteinen arbeitete. In ihrer gemeinsamen Arbeit, bei noch Bernal für die Bildaufnahmen verantwortlich zeichnete, versuchten sie sich an der Analyse des Verdauungsenzyms Pepsin.

Während sie auf ihren Doktortitel hinarbeitete, erhielt Crowfoot 1933 ein Forschungsstipendium, das sie zurück an ihr erstes College nach Oxford holte. Sie begann dort 1934 als Tutorin Chemie zu unterrichten, eine Stelle, die sie trotz einer Diagnose der Rheumatoiden Arthritis im gleichen Jahr bis 1977 innehatte. Drei Jahre später errang sie ihren Doktortitel mit der Kristallstruktur- und chemischen Analyse von Sterinen. In den folgenden Jahren, in denen sie auch noch drei Kinder von ihrem Ehemann T. L. Hodgkin bekam, machte sie mehrere entscheidende Entdeckung mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse, so stellte sie 1945 in Zusammenarbeit mit einem Kollegen die dreidimensionale Struktur eines Steroids (Cholesteroliodid) dar.

frauenfiguren lactame
Ganz links: ein β-Lactam-Ring
By Jü – Own work, CC0

Ebenso ermittelte sie die Molekularstruktur des Penicillins, eine Entdeckung, die allerdings erst 1949 veröffentlicht wurde. Sie bewies entgegen der herrschenden Meinung mit ihrer Analyse, dass Penicillin einen β-Lactam-Ring enthielt, eine molekulare Ringstruktur mit einer Amid-Verbindung. Diese Struktur hat das Penicillin mit einigen anderen Antibiotika-Familien gemein.

frauenfiguren molekularstruktur cobalamin
Kristallstruktur von Vitamin B12 (Cobalamin)
Von NEUROtiker – Eigenes Werk, Gemeinfrei

Als 1948 das Vitamin B12 zum ersten Mal in kristalliner Form isoliert wurde, nahm sich Crowfoot Hodgkin dieses Molekül zur Analyse vor. Die ungewöhnliche Größe des Cobalamin-Kristalls stellte eine Herausforderung dar und es war nichts von dem Wirkstoff bekannt, außer dass er Kobalt enthielt. Die Kristalle des Cobalamin sind jedoch pleochroisch, das heißt: Aus unterschiedlichen Blickwinkeln bzw. bei unterschiedlich polarisiertem Licht erscheinen die Kristalle in unterschiedlichen Farben. Aus dieser Tatsache schloss Crowfott Hodgkin, dass das Molekül einen Ring enthalten musste, eine These, die sie mit der Röntgenstrukturanalyse bestätigte. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie 1955, neun Jahre später erhielt sie für ihre Forschungsergebnisse den Nobelpreis für Chemie.

In einem besonders langfristigen Forschungsprojekt beschäftigte sich Crowfoot Hodgkin mit der Kristallstruktur des Insulins. Sie begann bereits 1934 an einer Strukturanalyse zu arbeiten, doch die Technik war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift. Erst 35 Jahre später, 1969, sollte sie in der Lage sein, die Molekularstruktur von Insulin vollständig darzustellen, und auch, nachdem sie diesen Meilenstein erreicht hatte, beschäftigte sie sich weiter mit dem Hormon und seiner Wirkung im Körper.

Bis in die 1980er Jahre lehrte und forschte Dorothy Crowfoot Hodgkins in Oxford; unter dem Doppelnamen veröffentlichte sie erst zwölf Jahre nach der Heirat. 1947 wurde sie als dritte Frau Fellow der Royal Society (eine ihrer Vorreiterinnen war Agnes Arber). Aufgrund ihrer Verbindung zur Kommunistischen Partei – ihr Ehemann war zeitweise Mitglied gewesen – wurde sie 1953 der USA verwiesen und durfte anschließend nur mit einer Sondergenehmigung der CIA einreisen. Dennoch wurde sie 1958 ausländisches Ehrenmitglied der American Academy of Arts & Sciences ehrenhalber. Sie selbst war nicht Kommunistin, setzte sich 1976 aber als Präsdentin der Pugwash Conferences für eine Verständigung zwischen Wissenschaftlern in West und Ost ein, um der Gefahr eines Krieges mit Atomwaffen entgegenwirken wollte. Außerdem war sie eine lebenslange Labour-Unterstützerin – und dennoch hing zu Margaret Thatchers Regierungszeit ein Bild von Crowfoot Hodgkins in der Downing Street 10: Die Iron Lady hatte 1947 bei ihr den Bachelor-Abschluss in Chemie gemacht.

Die rheumatoide Arthritis machte ihr gegen Ende des Lebens mehr zu schaffen, dennoch nahm sie immer noch an Konferenzen rund um die Welt teil. Im Alter von 84 Jahren starb sie an den Folgen eines Schlaganfalls, am 29. Juli 1994.

Ein Stipendium für „herausragende Wissenschaftler:innen im Frühstadium ihrer Forschungskarriere, die aufgrund persönlicher Verhältnisse wie Elternschaft, Pflege oder aus gesundheitlichen Gründen flexible Arbeitsstrukturen benötigen“ vergibt die Royal Society in Dorothy Crowfoot Hodgkins Namen.

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Ebenfalls diese Woche

11. Mai 1828: Eleanor Anne Ormerod
Die Entomologin beschäftigte sich mit Schadinsekten und erhielt die Floral Medal der Royal Horticultural Society.

12. Mai 1820: Florence Nightingale
Auf diese britische Begründerin der modernen Krankenpflege, die auch mit ihrem Polar-Area-Diagramm einen Beitrag zum Fachgebiet der Statistik leistete, muss ich nicht explizit hinweisen.

12. Mai 1977: Maryam Mirzakhani
Am 13. August 2014 gewann die Mathematikerin als erste Frau und erste Person aus dem Irak die Fields-Medaille. Leider starb sie nur drei Jahre später, mit 40 Jahren, an Brustkrebs.

13. Mai 1888: Inge Lehmann
Über die Seismologin schrieb ich 2017.

14. Mai 1899: Charlotte Auerbach
Diese Genetikerin wird nicht im Zeitstrahl der Frauen in der Wissenschaft aufgeführt, ich möchte sie aber doch mitnehmen, da sie aus meiner Wahlheimat stammt. Sie erforschte an Drosophila die mutagene Wirkung von Senfgas und wurde 1957, zehn Jahre nach Dorothy Crowfoot Hodgkin, Fellow der Royal Society.

3/2020: Sofja Wassiljewna Kowalewskaja, 15. Januar 1850

Als Kind in einer russische Militärfamilie geboren, kam Sofja Wassiljewna Kowalewskaja früh und auf ungewöhnlichem Weg mit der Mathematik wortwörtlich in Kontakt: Nachdem ihr Vater, General der russischen Armee, seinen Abschied vom Dienst nahm und mit der Familie auf Land zog, wurden die Wände des Kinderzimmers neu tapeziert. Als die Tapete nicht ausreichte, griff man auf Papiere vom Dachboden des Hauses zurück. Dabei handelte es sich zufällig um das Skript einer Vorlesung, die ihr Vater in seiner Jugend bei Michail Ostrogradski gehört hatte.

Das Mädchen Sofja wurde von Gouvernanten und mit wenig familiären Begegnungen aufgezogen, dennoch entwickelte sie eine enge Bindung zu ihrer sechs Jahre älteren Schwester Anna. Ihr mathematisches Interesse wurde hingegen von einem Onkel väterlicherseits gefördert, der sich selbst laienhaft mit der Mathematik befasste und sie an seinem Zeitverterib teilhaben ließ. Sie erhielt zwar auch Unterricht in den Grundlagen der Mathematik von ihrem Hauslehrer, doch ihre Leidenschaft ging weit darüber hinaus. Als der Vater es als ungebührlich empfand, wie sehr sie in die Materie einstieg, verbot er ihr zunächst weitere Beschäftigung damit – diesem Verbot widersetzte sie sich jedoch heimlich. So bekam sie mit 15 ein Buch über Physik in die Hand, das ein Nachbar der Familie geschrieben hatte. Als sie dem Autor ihre eigenen, autodidaktischen Herleitungen erläuterte, setzte der sich dafür ein, dass sie in höherer Mathematik unterrichtet werden sollte. So durfte sie schließlich bei einem Professor in St. Petersburg Intensivkurse besuchen. In dieser Zeit entstand über ihre Schwester Anna auch ein Kontakt mit der politischen Bewegung des russischen Nihilismus.

Mit 18 Jahren war Wassiljewna entschlossen, in Europa zu studieren, da sie wie viele Frauen glaubte, bei den westlichen Nachbarn hätten sie mehr Rechte als in Russland. In ihrer Heimat durften sie weder studieren noch als Gasthörerin zu Vorlesungen gehen, sie besaßen allerdings auch keinen Reisepass und waren so als alleinstehende Frauen nachgerade gefangen. Wassiljewnas Willen, die Mathematik und Naturwissenschaften offiziell zu studieren, war so stark, dass sie gegen den Willen des Vaters eine Ehe mit Wladimir Onufrijewitsch Kowalewski einging. Ihr Ehemann war Anhänger des russischen Nihilismus und Jurastudent, er ging jedoch mit ihr nach Europa, um sich der Paläontologie zu widmen. Als reine Zweckehe unterlag die Bindung der beiden vielen räumlichen Trennungen, doch sie lebten auch immer wieder zusammen.

Zuerst ging das Ehepaar Kowalewski nach Wien, wo Sofja Physikvorlesungen hören durfte, doch das Leben dort war zu teuer. In Heidelberg durfte Kowalewskaja sich zwar auch nicht immatrikulieren, aber indem sie das persönliche Gespräch mit den Professoren suchte, konnte sie erreichen, zumindest als Gasthörerin zugelassen zu werden. Sie besuchte in dem Jahr in Heidelberg Vorlesungen von Robert Wilhelm Bunsen zur Chemie, von Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff zur Physik und Mathematik bei Paul du Bois-Reymond und Leo Koenigsberger. Letzterer empfahl ihr einen Wechsel nach Berlin, um bei Karl Weierstraß zu studieren.

Im Winter 1870 ging Kowalewskaja also ohne ihren Mann und ihre Schwester, mit denen sie in Heidelberg gelebt hatte, dorthin und bewarb sich als Schülerin bei Weierstraß. Obwohl ihre Professoren sie wärmstens empfahlen, unterzog der Mathematiker sie vorab einer schweren Prüfung. Ihre Antworten, eine Woche später geliefert, überzeugten ihn und legten den Grundstein für ein vierjähriges Privatstudium. Dabei besuchten sie sich gegenseitig jeweils einmal die Woche; da der Professor unverheiratet war und Kowalewskajas Ehe zu dieser Zeit nur auf dem Papier bestand, ist es möglich, dass sich auch eine persönliche Beziehung zwischen den beiden entwickelte. Kowalewskaja unterbrach ihr Studium nur einmal, um 1871 der Schwester Anna in Paris zur Seite zu springen (deren Ehemann wurde als politischer Aktivist verhaftet, doch die Wassiljewna-Schwestern konnten mit den Beziehungen ihres Vaters eine Freilassung erwirken). Schon im Folgejahr begann sie mit der Arbeit an drei Dissertationen gleichzeitig, unterstützt von Weierstraß und in höchster Intensität bis zu sechzehn Stunden am Tag. Dabei wusste sie noch nicht einmal, wo sie diese einreichen sollte, da sie offiziell an keiner deutschen Universität promovieren konnte – als Frau. Karl Weiertraß, der im übrigen grundsätzlich kein Freund des Studiums für Frauen war, riet ihr nach längerer Suche dazu, es an der Georg-August-Universität Göttingen zu versuchen. Als Kowalewskaja dort ihre drei Dissertationen einreichte, stellte Ernst Schering, die sie begutachtete, fest, dass sie mit jeder davon den Doktortitel verdient hatte. Sie erhielt ihre Doktorwürde schließlich 1874 summa cum laude. Damit war sie die erste Frau, die an einer europäischen Universität promovierte.

Nach diesem erfolgreichen Abschluss kehrte Kowalewskaja nach Russland zurück, doch hier erwartete sie ein Rückschlag. Doktorgrad hin oder her, ohne Magisterexamen durfte sie in Russland nicht unterrichten, und das Magisterexamen bekam sie nicht ohne Studium in Russland, zu dem sie als Frau nicht zugelassen war. Diese Enttäuschung veranlasste sie, sich von der Mathematik gänzlich abzuwenden; sie versuchte, mit ihrem Mann ein geregeltes Eheleben zu führen, und gebar 1878 eine Tochter, der sie sich in den ersten zwei Lebensjahren vollständig widmete. Doch ihr Mann verspekulierte ihr gemeinsames Geld, sodass sie sich nach sechs Jahren Mathematik-Abstinenz wieder ihrer Leidenschaft zuwandte. Sie übersetzte ihre bisher noch nicht veröffentlichte dritte Dissertation ins Russische und besuchte damit den 6. Kongress der Naturwissenschaftler und Ärzte, außerdem zog die Familie nach Moskau, wo sie regelmäßig Veranstaltungen der Moskauer Mathematischen Gesellschaft besuchte. Als ihr Mann sich schließlich mit erfolglosen Ölgeschäften vollständig finanziell ruiniert hatte, beschloss sie, sich mit der Tochter Fufa erneut nach Europa aufzumachen.

1881 ging sie zunächst nach Berlin, dann weiter nach Paris. Dorthin nahm sie jedoch ihre Tochter nicht mit, stattdessen sandte sie Fufa zurück nach Russland, wo das Kind von nun an bei ihrer Freundin und Kollegin Julia Lermontowa aufwuchs. In Paris fand sie 1882 ein anderer ehemaliger Schüler Karl Weierstraß‘, Gösta Mittag-Leffler, der sie dank seines Ansehens mit den wichtigsten französischen Mathematikern bekannt machen konnte. Das führte dazu, dass sie schon wenige Monate später in die Pariser Mathematische Gesellschaft gewählt wurde und wiederum eine Arbeit auf dem 7. Kongress der Naturwissenschaftler und Ärzte vortrug.

Der Selbstmord ihres Mannes traf sie zwar als persönliches Ereignis, doch ermöglichte ihr der Witwenstatus nun etwas, was weder als alleinstehende noch als verheiratete Frau möglich gewesen war: Sie war nun auf respektable Weise unabhängig und für sich selbst verantwortlich. So konnte Mittag-Leffler sie endlich als Privatdozentin an der Universität Stockholm einladen, eine Tatsache, die Schweden unverhältnismäßig stark bewegte. Die Zeitung befassten sich mit der Frau, die alleine für eine Dozentur in ein ihr völlig unbekanntes Land zog; es war jedoch nicht nur Bewunderung, die laut wurde. August Strindberg (alter weißer Mann seiner Zeit) schrieb über ihre Professur:

Ein weiblicher Mathematikprofessor ist eine gefährliche und unerfreuliche Erscheinung, man kann ruhig sagen, eine Ungeheuerlichkeit. Ihre Einladung in ein Land, in dem es so viele ihr weit überlegene männliche Mathematiker gibt, kann man nur mit der Galanterie der Schweden dem weiblichen Geschlecht gegenüber erklären.

Quelle: Wikipedia

Kowalewskaja nahm es gelassen; sie hatte Grund genug für ein stabiles Selbstbewusstsein, nicht nur aufgrund ihrer mathematischen Fähigkeiten, sie hielt auch bereits nach einem Jahr, in dem sie zu erst auf Deutsch (für sie Fremdsprache) unterrichtete, ihre Vorlesungen auf Schwedisch. Das Strindbergs Urteil sie nicht verunsicherte, beweist ein Brief, den sie an Mittag-Leffler schrieb:

Als Weihnachtsgeschenk erhielt ich von Ihrer Schwester einen Artikel von Strindberg, in dem er so klar beweist, wie zweimal zwei vier ist, daß eine solche Ungeheuerlichkeit wie ein weiblicher Professor der Mathematik schädlich, unnütz und unangenehm ist. Ich finde, daß er im Grunde ganz recht hat, nur gegen eines protestiere ich, daß nämlich in Schweden eine große Anzahl Mathematiker leben soll, die mir weit überlegen seien und daß man mich nur aus Galanterie berufen habe.

Quelle: Wikipedia

In Mittag-Lefflers Auftrag trug sie für Acta Mathematica, die einzige mathematische Fachzeitschrift Skandinaviens, verschiedene Veröffentlichungen russischer, deutscher und französischer Mathematiker zusammen und wurde in Folge 1884 die erste Frau, die als Herausgeberin an einer wissenschaftlichen Zeitung beteiligt war. Im gleichen Jahr wurde ihre Privatdozentur in eine ordentliche Dozentur umgewandelt – nicht ohne Widerstand der männlichen Kollegen und auf fünf Jahre befristet. Damit war sie die erste Professorin in Europa seit fast hundert Jahren, als verspätete Nachfolgerin von Laura Bassi (1776 Professorin für Physik in Bologna) und Maria Gaetana Agnesi (1748 ebenfalls für Physik in Bologna, jedoch ohne Lehrtätigkeit).

1886 löste Kowalewskaja ein in der Mathematik bestehendes Problem in der Rotation fester Körper. Soweit ich das als mathematisch völlig Ahnungslose verstehen kann, fand sie einen Kreiseltypen, dessen Bewegungen sich mathematisch berechnen und vorhersagen lässt, unabhängig davon, wie die Bewegung anfänglich aussieht. Dies war in zwei anderen Fällen vorher nur Leonhard Euler (1707-1783) und Joseph-Louis Lagrange (1736-1813) gelungen, nach Kowalewskaja nur noch Dmitri Nikanorowitsch Gorjatschew (1867-1949) und Sergei Alexejewitsch Tschaplygin (1862-1942). Als sich diese Entdeckung herumsprach, wurde der renommierte Bordin-Preis der Académie des sciences im Jahr 1888 ausdrücklich für einen Beitrag zur Rotation fester Körper ausgeschrieben – damit Kowalewskaja ihn gewinnen konnte. Die Einreichungen für den Preis waren grundsätzlich anonym, doch Kowalewskajas Abhandlung wurde nicht nur als beste gekürt, der Preis wurde aufgrund der Qualität ihrer Arbeit von den üblichen 3.000 auf 5.000 Francs hochgesetzt. Ihre Erkenntnis ist heute als Kowalewskaja-Kreisel bekannt.

Im Jahr zuvor war ihre Schwester gestorben, die Trauer darüber hatte sie mit der vertieften Arbeit für den Bordin-Preis verarbeitet. Nachdem sie die Ausschreibung gewonnen hatte, schrieb sie ihre Kindheitserinnerungen und veröffentlichte sie mit großem Erfolg in Schweden, ebenso verfasste sie Jugenderinnerungen und eine Novelle mit dem absolut charmanten Namen „Die Nihilistin“. 1889 lief ihre Professur in Stockholm eigentlich aus und sie bewarb sich in Frankreich und Russland auf andere Stellen. Wieder war es Mittag-Leffler, der ihr zu Hilfe kam, durch seinen Einsatz wurde ihre Professur in Stockholm doch auf Lebenszeit verlängert. Weder in Frankreich noch in Russland hätte sie eine Beschäftigung gefunden; Frankreich ehrte sie nur mit einer Urkunde, in Russland wurde sie nur zum „korrespondierenden Mitglied Russischen Akademie der Wissenschaft“ gewählt.

Bereits zwei Jahre später jedoch zog sie sich in Cannes eine Grippe zu, die sich auf dem Heimweg nach Stockholm über Paris und Berlin zu einer Lungenentzündung auswuchs. Nach ihrer Ankunft in der schwedischen Heimat starb sie daran, mit nur 41 Jahren. Ein Kollege, Leopold Kronecker (der ein halbes Jahr später ebenfalls an Bronchitis starb), schrieb in seinem Nachruf:

Die Geschichte der Mathematik wird von ihr als einer der merkwürdigsten Erscheinungen unter den überhaupt äusserst seltenen Forscherinnen zu berichten haben.

Quelle: Wikipedia

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Ebenfalls diese Woche

Januar 1968: Zeng Fanyi (Link Englisch)
Die in Shanghai tätige Genetikerin bewies 2009 mit ihrem Team, dass sich ein vollständiger Säugetierkörper aus induzierten pluripotenten Stammzellen heranzüchten lässt.

14. Januar 1862: Carrie Derick (Link Englisch)
Die Botanikerin und Genetikerin war die erste Professorin an einer kanadischen Universität.

14. Januar 1938: Indira Nath
Als Spezialistin in der Pathologie, Immunologie und Infektiologie forscht Nath zur Immunantwort und Nervenschädigung, die eine Infektion mit Lepra auf zellulärer Ebene anrichtet.

17. Januar 1647: Elisabetha Hevelius
Nach der Heirat mit dem Bierbrauer und Astronom Johannes Hevelius assistierte sie ihm bei der Errichtung einer Sternwarte und der Erstellung eines Sternenkatalogs, den sie nach seinem Tod allein fertigstellte.

17. Januar 1877: Marie Zdenka Baborová-Čiháková (Link Englisch)
Sie war die erste Botanikerin und Zoologin Tschechiens.

17. Januar 1917: Ruth Smith Lloyd (Link Englisch)
1941 erhielt die Medizinerin als erste Afroamerikanerin die Doktorwürde, an der Western Reserve University im Fach Anatomie. Sie forschte zur weiblichen Fruchtbarkeit, dem Einfluss der Geschlechtshormone auf das Körperwachstum und zum weiblichen Zyklus.

19. Januar 1859: Alice Eastwood
Die kanadisch-stämmige Botanikerin rettete die Typus-Sammlung des Herbariums der California Academy of Science vor dem Feuer, ausgelöst durch das große Erdbeben von San Francisco 1906.

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