Lilli Vincenz kam in Hamburg zur Welt, ihr Vater starb zwei Jahre später. Als sie zwölf war, heiratete ihre Mutter einen US-Amerikaner und emigrierte mit ihm in die USA.
Mit 22 Jahren machte sie ihren Bachelor in Französisch und Deutsch, ein Jahr später den Master in Englisch an der Columbia University. Danach schrieb sie sich im Women’s Army Corps ein, der damaligen Frauenabteilung der United States Army (inzwischen in den Corps integriert) und arbeitete am Walter-Reed Militärkrankenhaus. Sie wurde jedoch für ihre Homosexualität denunziert und nach nur neun Monaten Dienst entlassen.(1,2)
1963 wurde sie das erste weibliche, lesbische Mitglied der Mattachine Society. Sie war die einzige offen lebende lesbische Frau, die an der zweiten Demonstration der Homosexuellen-Bewegung vor dem Weißen Haus 1965 teilnahm, als eine von zehn Demonstrant*innen. Diese picket lines wiederholte die Mattachine Society bis 1969 jährlich am 4. Juli vor der Independence Hall und der Liberty Bell in Philadelphia – diese öffentlichen Auftritte gelten als der Beginn der modernen LGBTQIA+-Bewegung. Die Annual Reminders (Link Englisch) endeten nach den Stonewall riots oder wurden vielmehr im Folgejahr durch die Demonstrationen in deren Gedenken, später Pride Parade oder Christopher Street Day, ersetzt. Vincenz erschien 1966 mit ihrem Namen auf dem Titelbild des lesbischen Magazins The Ladder und war damit die erste Frau, die sich so outete; sie arbeitete auch als Redakteurin des Rundbriefs der Society. 1969 gründete sie gemeinsam mit Nancy Tucker eine unabhängige Zeitschrift der Homosexuellen-Bewegung, die Gay Blade, die noch immer als Washington Blade erscheint.
In den 1970ern trat Lilli Vincenz immer wieder als politisch aktive, lesbische Frau öffentlich in Erscheinung; so sprach 1970 sie gemeinsam mit Barbara Gittings über die Forderungen der Homosexuellen-Bewegung in derPhil Donahue Show, 1971 diskutierte sie Stereotype und Vorurteile gegenüber Lesben mit sechs anderen Frauen, darunter wiederum Barbara Gittings, in der David Susskind Show. Sie unterstützte Frank Kamenys Kampagne, als dieser 1971 als erster offen schwuler Mann für den District of Columbia für den Kongress der Vereinigten Staaten kandidierte und engagierte sich mit ihm im Folgejahr in der Spendensammlung für die Kampagne Gay Citizens for McGovern.
Ebenfalls in den gesamten 1970ern führte Lilli Vincenz bei sich zuhause ein Open House für lesbische Frauen, womit sie einen sicheren Raum bot, in dem sich die Frauen austauschen, vernetzen und unterstützen konnten. Aus dieser Institution wurde die Gay Women’s Alternative (Link Englisch), die als kulturelle und soziale Einrichtung noch bis 1993 Bestand hatte.
1990, mit 63 Jahren, machte sie noch ihren Doktortitel in Human Development (vermutlich: Bildungsforschung?). Sie starb erst in diesem Jahr am 27. Juli mit 86 Jahren.
Neben all diesen Errungenschaften als Aktivistin der Lesbenbewegung war sie auch, laut Kay Tobin-Lahusen, die erste lesbische Videofilmerin(2). Wir verdanken ihr die Eindrücke, die heute noch in der Library of Congress von den Annual Reminders und der ersten Pride Parade, ein Jahr nach Stonewall, erzählen.
Als Barbara Macdonald vor 110 Jahren in Pomona, Kalifornien, zur Welt kam, war die Homosexuellenbewegung noch in den Kinderschuhen. Mit 15 Jahren verließ Macdonald ihr Elternhaus und arbeitete als Hausangestellte; sie heiratete 1930 mit 17 ein erstes Mal und besuchte 1931 ein Jahr lang das Long Beach Junior College, im Anschluss daran studierte sie bis 1937 am Santa Ana Junior College. Ihre Ehe endete 1935; vom Santa Ana wurde sie beinahe ausgeschlossen wegen Lesbianismus. Nach dem College setzte sie ihr Studium an der University of California, Berkeley fort und verdiente ihren Lebensunterhalt und die Studiengebühren als fallschirmspringende Stuntfrau. Nach ihrem Abschluss in Berkeley 1940 arbeitete sie als Sozialarbeiterin in einem Wohnungsamt, 1941 machte sie noch einen sehr kurzen Versuch in der Ehe mit einem Mann, von der sie den Nachnamen Macdonald behielt. Zehn Jahre später besuchte sie noch einmal die University of Washington und machte dort sowohl ihren Bachelor wie ihren Master in Sozialarbeit. Sie zog nach Wenatchee, Washington, und arbeitete dort bis zu ihrer Pensionierung 1974 als Leiterin und Supervisorin beim Jugendamt.
In dem Jahr, in dem sie sich zur Ruhe setzte, lernte sie in einem feministischen Workshop Cynthia Rich kennen – ihre Partnerin für den Rest ihres Lebens. Sie setzte sich – als Frau über 50 bzw. 60 – bereits seit einigen Jahren mit Ageism auseinander. Als 1978 mit 65 Jahren bei einem Marsch für Homosexuellenrechte nicht mehr so schnell mitkam, wurde ihr angetragen, sich an anderer Stelle einzureihen, weil sie nicht mithalten konnte. In diesem Moment beschloss sie, sich gegen Alterdiskriminierung insbesondere in der lesbischen Gemeinschaft einzusetzen.
Macdonald betrachtete Ageism als ein zentrales Thema im Feminismus(1). Die Ablehnung, die alte Frauen durch junge Frauen erfahren, erkannte sie, findet ihre Ursachen in der sexistischen bzw. misogynen Konsumkultur, die die Jugend glorifiziert und das Alter mit Machtverlust gleichsetzt. Dabei halten junge Frauen umso mehr Macht, je weiter sie sich vom Alter und alten Frauen distanzieren können; gleichzeitig wird die Schwelle, was ‚alt‘ ist, beständig nach unten gesenkt. Ageism treibt somit einen Keil in die feministische Bewegung, dabei sind Altersarmut von Frauen, Gewalterfahrung und patriarchale Medizin Themen, die alle Frauen betreffen. Außerdem liegt der Altersdiskriminierung die Definition der Frau über ihre Rolle in der Familie zugrunde: Eine alte Frau erfüllt – nach patriarchalem Bild – keine Funktion mehr; noch mehr als junge Frauen, die über ihre Rolle als Partnerin und Mutter definiert werden, werden alte Frauen allein als Mutterfigur wahrgenommen, die keine eigenen Bedürfnisse haben oder diese hinter die ihrer Schützlinge stellen.
Über die Angst vor dem Alter kann Macht über junge Frauen ausgeübt werden, weshalb es Macdonalds Ziel war, das Alter zu entstigmatisieren und alte Frauen als Personen und Protagonistinnen sichtbar zu machen. Sie fürchtete dabei nicht, sich in ihrer Gemeinschaft unbeliebt zu machen, wenn sie als alte Frau die Rolle der Fürsorgenden ablehnte, die notgedrungen nur eine Nebenrolle spielt: „What’s more, Barbara saw exactly where this exploitation came from. Her analysis of family as the source of ageism is one of her most important contributions to feminist thought. In the patriarchal family, mother is defined as the servant to youth. By extension, old women are mothers to us all, there to serve everyone. (The fact that so many old women cling to this role as a shelter from the disgust and hatred that would otherwise be directed towards them makes it no less oppressive.) „Let me say it clearly,“ Barbara declared, „we are not your grandmothers, your mothers, your aunts.“ It’s only by shedding these family roles, she insisted, that old and young can begin to build relationships of integrity and equality.“(1) – „Mehr noch, Barbara sah genau, wo diese Ausnutzung herrührte. Ihre Analyse der Familie als die Ursache für Altersdiskriminierung ist einer ihrer wichtigsten Beiträge zum feministischen Gedankengut. In der partriarchalen Familie ist die Mutter definiert als die Dienerin der Jugend. In der Verlängerung sind alte Frauen Mütter für uns alle, da, um uns allen zu dienen. (Die Tatsache, dass so viele alte Frauen an dieser Rolle festhalten, als Schutz für die Abscheu und den Hass, der sich sonst gegen sie richten würde, macht dies nicht weniger bedrückend.) ‚Lasst es mich klar sagen‘, verkündete Barbara, „wir sind nicht eure Großmütter, Mütter, Tanten.‘ Nur, indem wir diese familiären Rollen ablegten, beharrte sie, könnten die Alten und die Jungen integere und gleichberechtigte Beziehungen aufbauen.“
1983 brachte Macdonald gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin den Essaysband Look Me In The Eye heraus, indem sie sich mit ihren Diskriminierungserfahrungen und Forderungen an die homosexuelle und feministische gemeinsachaft auseinandersetzte. Ihre Erfahrung, als alte Frau wiederum nicht ‚dazuzugehören‘, verglich sie mit ihrer Erfahrung als Lesbe in einer heteronormativen Welt: „…these essays are about growing old…but they are about difference – about otherness – and all my life I have had to deal with difference, so old age does not come to me now as a stranger…It happened that I felt my difference because I was a lesbian. […] But difference is something we have all dealt with in our lives – that struggle to follow our impulse, our own uniqueness, to know aloneness; and that desire to be like everyone else – not to stand out, to belong.“(2) – „…diese Essays handeln vom Altwerden… aber sie handeln von den Unterschieden – vom Anderssein – und mein ganzes Leben habe ich mit dem Unterschied umgehen müssen, also nähert sich das Alter jetzt nicht wie ein Fremder… Es kam vor, dass ich mein Anderssein fühlte, weil ich eine Lesbe war. […] Aber dieses Anderssein ist etwas, mit dem wir alle in unserem Leben umgehen mussten – dieser Kampf, unseren Impulsen zu folgen, unserer eigenen Einzigartigkeit, Allensein zu kennen; und dieses Verlangen, wie alle anderen zu sein – sich nicht abzuheben, sondern dazuzugehören.“
Nach vier Jahren der Bemühungen, das Thema Ageism in einer Konferenz zur Frauenforschung einzubringen, konnte Macdonald 1985 auf einer nationalen Konferenz eine entscheidende, weitgehörte Rede zu ihrer Position halten. Vier Jahre nach Erscheinen führte ihr Buch zur Gründung der Vereinigung Old Lesbians Organizing For Change.
Macdonald selbst alterte gerne und in vollem Bewusstsein; sie lehnte es ab, sich für ihr Altern zu schämen. In den letzten vier Jahren ihres Lebens litt sie an starkem Gedächtnisverlust aufgrund einer Alzheimererkrankung, an deren Folgen sie am 15. Juni 2000 im Alter von 86 Jahren starb.
Leslie Feinberg kam als Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie in Kansas City, Missouri, zur Welt, wuchs dann in Buffalo, New York, auf, wo zie sich wohl als Kind bereits Borreliose von einem Zeckenbiss zuzog, die nicht behandelt wurde.
Zie hörte mit 14 Jahren auf, die Schule zu besuchen (erhielt jedoch später nichtsdestotrotz ein Highschool-Abschlusszeugnis); zur gleichen Zeit begann zie, Homosexuellen-Clubs in Buffalo zu besuchen. Zis Familie war nicht offen für zis Auseinandersetzung mit sexueller Orientierung und Genderidentität, weshalb zie früh auszog und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug. Obwohl zie in zahlreichen Bereichen Erfahrungen sammelte, konnte zie keine langfristige Tätigkeit finden; als offen lebende homosexuelle/trans Person wurde zie regelmäßig in der Arbeitswelt diskriminiert.
Anfang der 1970er traf zie bei einer Demonstration für Landrechte und die Autonomie Palästinas Mitglieder der Workers World Party (Link Englisch), einer US-amerikanischen marxistisch-leninistischen Partei, der zie sich zunächst in der Abteilung Buffalo anschloss. Bald zog zie jedoch nach New York City, wo zie bei der Workers World Party an der Organisation zahlreicher Aktionen und Kampagnen beteiligt war. So führte zie 1974 beim March Against Racism in Boston eine Gruppe von zehn Lesben an, die in einem ‚paste-up‚ rassistische Beinamen aus dem öffentlichen Raum entfernten.(1; das ist die beste Übersetzung, die mir zu dieser Beschreibung gelungen ist) In den Jahren 1983 und 1984 reiste sie durch die USA mit einem Vortrag zu AIDS als verleugnete Epidemie, 1988 war sie an der Organisation des Widerstands gegen den Ku Klux Klan in Atlanta, Georgia beteiligt, der am Martin Luther King Day die Martin-Luther-King-Avenue heruntermarschieren wollte. 1998 kehrte sie noch einmal in den Einsatz für die Partei zurück und unterstützte Homosexuellenbars und Frauenkliniken in Buffalo dabei, sich für die Selbstverteidigung aufzustellen, nachdem Dr. Barnett Slepian von einem Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen erschossen worden war und sich daraufhin die Anti-Choice-Bewegung zu Demonstrationen formierte.
1974 wurde Feinberg auch RedakteurIn der Seite über politische Gefangene in der Parteizeitung, später übernahm zie die Position des Chef vom Dienst, die zie bis 1995 innehatte. 1993 erschien ihr erster Roman, ‚Stone Butch Blues‚ (deutscher Titel war beim ersten Erscheinen ‚Träume in den erwachenden Morgen‘, inzwischen ist dies nur noch der Untertitel zum Originaltitel), der mehrere Preise queerer Literaturauszeichnungen gewann. Ab 1995 arbeitete zie als AutorIn und KünstlerIn; zie wirkte in Rosa von Praunheims Film ‚Vor Transsexuellen wird gewarnt‚ mit, veröffentlichte 1996 und 1999 Sachbücher – ‚Transgender Warriors: Making History from Joan of Arc to Dennis Rodman‚ und ‚Trans Liberation: Beyond the Pink and Blue‚ – sowie 2006 einen weiteren Roman. Zwischen 2004 und 2008 veröffentlichte das Workers World Magazin ihre Texte zu den Zusammenhängen zwischen Sozialismus und queerer Geschichte als 120-teilige Reihe unter dem Titel ‚Lavender and Red‚. In ihren Arbeiten setzte sich Feinberg generell unter den Gesichtspunkten und Anwendung der marxistischen Theorie mit der Thematik der Diskriminierung aufgrund von Genderidentität und sexueller Orientierung auseinander; nämlich indem das kapitalistische System die binären Genderausdrücke benötigt, um Profit zu generieren.(2)
1992 hatte zie bei einer Vortragsreihe die Lyrikerin Minnie Bruce Platt kennengelernt, mit der zie bis zum Ende ihres Lebens in einer Beziehung lebte. 2004 ließen sie sich in New Jersey, ihrem damaligen Heimatstaat, als ‚domestic partnership‚ (etwa: partnerschaftliche Haushaltsgemeinschaft) eintragen, 2006 als eingetragene Partnerschaft. 2011 heiratete das Paar standesamtlich in Massachusetts und New York.
Zis Borreliose und die begleitenden, von Zecken übertragenen Erkrankungen wie Babesiose wurde erst 2008 diagnostiziert; dies führte zie auf die Diskriminierung von trans Personen im Gesundheitssystem zurück.(1) Zie nahm Medikamente und erhielt Behandlungen, doch zis Zustand hatte sich inzwischen so verschlechtert, dass die Krankheiten zie von künstlerischer Arbeit zumeist abhielt. Zis Auseinandersetzung mit „Lyme +„, wie zie es nannte, dokumentierte zie auf zis Webseite Transgender Warriors. Zis letzte Worte lauteten nach Platts Eintrag auf ihrer Seite: „Hasten the revolution! Remember me as a revolutionary communist.“ – „Beschleunigt die Revolution! Erinnert mich als revolutionäreN KommunistIn.“ Zie war 2014 dabei, ‚Stone Butch Blues‚ für eine Neuerscheinung zu überarbeiten, als zie ihrer Erkrankung erlag. Die Rechte hatte zie vom Verlag zurückerstanden, heute ist die Neuauflage auf der Webseite zum Download zugänglich, mit einer Widmung für CeCe McDonald (Link Englisch), einer US-afrikanischen, Schwarzen trans Frau, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nachdem sie sich gegen einen transfeindlichen Angriff zur Wehr gesetzt hatte.
Zeitweilig in zis Leben unterzog Feinberg sich einer Hormonersatztherapie und präsentierte als Mann, vor allem aus Sicherheitsgründen; zie bezeichnete sich selbst als ‚female bodied, butch lesbian, transgender lesbian‚ – eine Butch transgender Lesbe mit einem weiblichen Körper: „[…] referring to me as „she/her“ is appropriate, particularly in a non-trans setting in which referring to me as „he“ would appear to resolve the social contradiction between my birth sex and gender expression and render my transgender expression invisible. I like the gender neutral pronoun „ze/hir“ because it makes it impossible to hold on to gender/sex/sexuality assumptions about a person you’re about to meet or you’ve just met. And in an all trans setting, referring to me as „he/him“ honors my gender expression in the same way that referring to my sister drag queens as „she/her“ does.„(Wiki englisch) – „Mich mit ’sie/ihr‘ zu bezeichnen ist angemessen, insbesondere in einer nicht-trans Umgebung, in dem mich mit ‚er‘ zu bezeichnen den Eindruck machen würde, den sozialen Widerspruch zwischen meinem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht und meinem Gender-Ausdruck aufzulösen, und meinen transgender Ausdruck unsichtbar machen würde. Ich mag die genderneutralen Pronomen ‚ze/hir‚, weil sie es unmöglich machen, an Annahmen über Gender/Geschlecht/Sexualität festzuhalten bei einer Person, die du bald treffen wirst oder die du gerade getroffen hast. Und in einer reinen trans Umgebung bedeutet, mich mit ‚er/ihm‘ zu bezeichnen, dass mein Genderausdruck anerkannt wird, auf die gleiche Art, wie es bei meinen Drag Queen Schwestern bedeutet, sie mit ’sie/ihr‘ anzusprechen.“
Weiter sagte zie über die Nutzung von Pronomen: “I care which pronoun is used, but people have been respectful to me with the wrong pronoun and disrespectful with the right one. It matters whether someone is using the pronoun as a bigot, or if they are trying to demonstrate respect.”(2) – „Es ist mir wichtig, welche Pronomen benutzt werden, aber Leute waren respektvoll mir gegenüber mit den falschen Pronomen und respektlos mit den richtigen. Es spielt eine Rolle, ob jemensch die Pronomen mit Vorurteilen verwendet, oder ob sie versuchen, Respekt zu zeigen.“
Zur Welt kam Nancy Cárdenas in Parras de la Fuente, einem kleinen Ort im mexikanischen Bundesstaat Coahuila. Sie studierte zunächst Philosophie und Literatur an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko, nebenher begann sie mit 20 Jahren als Radiosprecherin zu arbeiten; in diesen Fächern machte sie schließlich ihren Doktortitel. Sie studierte auch Theaterschauspiel in Yale und polnische Kultur und Literatur in Łódź. Während ihrer internationalen Studienzeit begegnete sie Menschen, mit denen sie sich über Queerness austauschte; diese Erfahrungen und Einsichten flossen auch in ihre späteren Werke ein.(2)
In den 1950ern arbeitete sie als Theaterschauspielerin, so war sie 1956 am Lyrik-Programm ‚Poesía en Voz Alta‚ (etwa ‚Poesie mit lauter Stimme‘) von Héctor Mendoza beteiligt. In der folgenden Dekade verlegte sich Cárdenas auf das Schreiben: Sie verfasste Theaterstücke und schrieb für Magazine und Zeitungen; ihr erstes Stück war der Einakter ‚El cantaro seco‚ (etwa ‚Der leere/trockene Krug‘). Bereits in dieser Zeit war sie politisch aktiv und trat für kommunistische und feministische Ziele ein, beides keine sehr beliebten Haltungen in der mexikanischen Gesellschaft; 1968 wurde sie bei Protesten gegen Polizeigewalt verhaftet. Auch in ihren Texte bezog sie politisch Position, etwa in dem Stück ‚SIDA… así es la vida‚ (etwa ‚AIDS… so ist das Leben‘) und in ihrer Adaption des Romans ‚Quell der Einsamkeit‚ von Radclyffe Hall. In den 70er Jahren wechselte sie schließlich ins Regiefach, ihre Produktion von ‚The Effect of Gamma Rays on Man-in-the-Moon Marigolds‚ von Paul Zindel gewann einen Kritikerpreis.
Inzwischen war ihre politische Haltung und ihr Einsatz für die Rechte Homosexueller und anderer gesellschaftlich marginalisierter Personen allgemein bekannt. Dennoch war es ein unerhörter Moment, als sie 1973 öffentlich bekannte, lesbisch zu sein. Sie war Gast in der Sendung ‚24 horas‚ (’24 Stunden‘) und sprach mit dem Moderator über die Entlassung eines homosexuellen Angestellten aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Im Rahmen dieses Gesprächs erklärte sie ihre eigene Homosexualität und war damit die erste Lesbe, die öffentlich ihr Coming Out hatte. Nach dem Gespräch war sie zwar nicht Opfer direkter Anfeindungen, dennoch spürte sie den nachteiligen Effekt: „Niemensch sprach mich darauf an attackierte mich dafür, alles, was ich erhielt, waren Glückwünsche, aber niemensch gab mir mehr Arbeit.“(3) In dieser Phase der eingeschränkten beruflichen Tätigkeit wurde sie umso mehr gesellschaftlich aktiv: Schon im Jahr nach ihrem Coming Out gründete sie die erste Homosexuellen-Organisation Mexikos, die Frente de Liberacíon Homosexual (Link Englisch, in diesem Beitrag wird das Gründungsjahr allerdings mit 1971 angegeben). In die Aufgabe, einer Menschenrechtsorganisation vorzusitzen, stürzte sie sich mit Leidenschaft, sprach mit vielen Betroffenen und sammelte Erzählungen aus der Gemeinschaft. Als Vorsitzende der Organisation nahm sie 1975 an der ersten Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Mexiko-Stadt teil, sie war hier Gastgeberin eines Forums über Lesbianismus – aus der Diskussion der Beteiligten des Forums entstand das Manifesto in Defense of Homosexuals in Mexico, das sie mit Carlos Monsivaís verfasste. Die Teilnahme öffentlich bekennender lesbischer Frauen an der Konferenz wurde von außen heftig kritisiert; gegen das Forum wurde mit Schildern protestiert, allerdings soll Cárdenas mit einer der Protestierenden – die ein Schild trug, das Cárdenas‘ Tötung forderte – gesprochen und erfahren haben, dass diese von der Polizei bezahlt worden war.(3) Nach der Veranstaltung lud sie die internationalen Beteiligten zu sich nach Hause ein; dort konnten Lesben aus aller Welt ins Gespräch kommen mit den Lesben der mexikanischen Bewegung. Zur dieser Gemeinschaft gehörten nach Cárdenas auch ‚lesbians who thought they were women trapped in men’s bodies‚, also trans Frauen, sowie wahrscheinlich auch Frauen, die Frauen liebten, sich aber männlich identifizierten. Entgegen der heute so nicht mehr akzeptablen sprachlichen Ausdrücke fasste der Lesbianismus in Cárdenas Gemeinschaft nicht nur die klassische Interpretation von weiblich gelesenen Personen, die sich sexuell zu ebenso weiblich gelesene Personen hingezogen fühlen.(3, der Quellentext verweist hier ganz richtig darauf, dass zu dieser Zeit die Wahrnehmung von Transidentität und somit auch die Sprache/das Sprechen darüber nicht dem heutigem Kenntnisstand entspricht und deshalb auch nicht an heutigen Idealen gemessen werden kann)
Als eine Ikone der LGBTQ-Gemeinschaft in Mexiko führte Nancy Cárdenas am 2. Oktober 1978 auch die erste Gay Pride Parade Mexikos an, die sich einem Erinnerungsmarsch zum Jahrestag des Massakers von Tlatelolco anschloss. Ihre Aktivität insbesondere als lesbische Frau wurde von den unterschiedlichen politischen Kreisen, die sich nicht unbedingt überschnitten, nicht mit Wohlwollen betrachtet: Im heteronormativen Feminismus wurde Lesbianismus zwar still hingenommen, doch sprechen sollten die Frauen nicht darüber – lesbischer Aktivismus sei anti-feministisch, weil er von ‚echten Problemen‘ ablenke. Ebenso waren ihre Genoss*innen im kommunistischen Kampf der Meinung, lesbischer Aktivismus sei anti-kommunistisch, weil er von ‚echten Problemen‘ ablenke. Andere fanden, die Idee der Queerness – der Homosexualität, der nicht-cis Identität – sei aus den USA importiert und widerspräche den mexikanischen Traditionen. Alles Positionen also, die dem intersektionalen Feminismus auch heute noch entgegenstehen: Dass er von den ‚eigentlichen‘ Problemen ablenke oder in irgendeiner moralischen oder ideologischen Verderbtheit oder Verwahrlosung entspringe.
In den Jahren nach dieser Gründerzeit schrieb Cárdenas weiterhin Theaterstücke und Lyrik, 1979 führte sie Regie bei dem Dokumentarfilm ‚Mexico des mis amores‚. Außerdem hielt sie als Feministin und Sexologin Vorträge, trat im Fernsehen auf und organisierte Konferenzen. Sie starb am 23. März 1994 mit 69 Jahren in Mexiko-Stadt an Brustkrebs.
Dorothy Louise Taliaferro kam in San Francisco zur Welt und studierte Publizistik an der University of California, Berkeley und dem San Francisco Stat College. Einen Doktorgrad verdiente sie sich am Institute for the Advanced Study of Human Sexuality. Sie heiratete einen Mann, der ihr den Nachnamen Martin gab, doch die Ehe, aus der eine Tochter hervorging, endete nach vier Jahren.
1950, mit 29 Jahren, lernte Martin bei ihrer Arbeit als Journalistin in Seattle Phyllis Lyon kennen. Zwei Jahre später waren die beiden ein Paar, ein weiteres Jahr später bezogen sie zusammen eine Wohnung in San Francisco. Während sie für sich selbst ihre Identifizierung als Lesben und ihre Lebensweise als Paar gefunden hatten, fühlten sie sich in der übrigen Gesellschaft allein – als Homosexuelle in einer homosexuellenfeindlichen Gesellschaft, aber auch in der Gemeinschaft anderer Homosexueller. Es gab zwar auch in San Francisco eine Bar-Szene, in der sich Schwule und Lesben trafen, doch Martin und Lyon suchten nach einer anderen Art der Begegnung. Sie lernten ein Paar schwuler Männer kennen, die sie wiederum einem anderen lesbischen Paar vorstellten. Von diesem Paar kam die Frage an Martin und Lyon, ob sie sich zusammentun wollten für eine Organisation – anfänglich war einfach eine Art Club gemeint, der zum Austausch, zur gegenseitigen Unterstützung dienen und für das Gefühl einer Zugehörigkeit sorgen sollte zwischen der Diskriminierungen der heteronormativen Gesellschaft und der unorganisierten Welt der Homosexuellen-Bars, die außerdem der andauernden Schikane durch die Polizei ausgesetzt war. Martin und Lyons hatten Interesse, und so entstand der Club aus acht Frauen. Eine der Gründerinnen hatte die ‚Lieder der Bilitis (Link Englisch)‚ gelesen, eine Sammlung erotischer Gedichte, von der der Autor behauptete, sie seien Übersetzungen aus dem Alten Griechisch; Bilitis sei eine Zeitgenossin Sapphos gewesen. Aufgrund dieser eher obskuren Andeutung auf Lesbianismus nannten die Frauen ihren Club ‚Daughters of Bilitis‚, vermeintlich, weil Lesben den Hinweis verstehen würden, während der Name für Uneingeweihte schlicht nach einem weiteren Buchclub klänge. Nach Meinung Martins und Lyons war die Anspielung allerdings so verborgen, dass niemand sie verstand, denn außer dem besagten Mitglied kannte keine das Buch.(2)
Die ursprüngliche Gruppe spaltete sich schließlich auf in vier Frauen, die weiterhin schlicht einen geheimen Club betreiben wollten, und die anderen vier, die sich bald auf die Fahnen schrieben, nicht nur sich gegenseitig bei den alltäglichen Problemen zu helfen, sondern auch die Gesellschaft über die Realität lesbischer Frauen aufzuklären. Die Daughters hatten zu dieser Zeit kaum mehr als 15 Mitglieder und Martin und Lyons ermutigten jeden einzelnen Neuzugang persönlich. Von Beginn an ging es darum, sich gegenseitig und auch andere, ‚frischer geschlüpfte‘ Lesben bei den Herausforderungen zu unterstützen, die homosexuelle Frauen mehr als homosexuelle Männer betrafen. Sie sahen sich dabei nicht nur durch die homophobe Allgemeinheit bedroht, auch aus der homosexuellen Gemeinschaft schlug ihnen Abwehr entgegen. Viele Frauen empfanden es bedrohlicher, sich in einem ‚Club‘ außerhalb der Bars zu organisieren, als in den Bars ihre Zeit zu verbringen; es gingen auch Gerüchte um, der Club sei nur für Paare, es würden dort Orgien gefeiert und ähnliches. Insbesondere höhergestellte Frauen, die sich dank ihres Status besser in die Gesellschaft einfügten, während sie gleichzeitig als Paare zusammenleben konnten, fühlten sich von einer ‚Organisation‘ wie den Daughters bedroht – denn wenn über Lesbianismus gesprochen wurde, fiel der Blick auch auf sie, und sie wären von den gleichen Diskriminierungen betroffen gewesen. In dieser Zeit entstand auch der erste Kontakt zu Mattachine Society, die allerdings nicht ihr Vorbild war – da die Society bereits länger existierte, hatte diese schon festere Strukturen und arbeitete organisierter, doch die Frauen hörten erst davon, nachdem sie ihre Gemeinschaft gegründet hatten. Die Daughters erhielten auch eine gewisse Unterstützung von der Society, doch es stellte sich bald heraus, dass männliche Homosexuelle mit ganz anderen Problemen konfrontiert waren – ihre sexuelle Handlungen waren unter Strafe gestellt und die sexuelle Freiheit war das Hauptziel der männlichen Homophilenbewegung, während weibliche Homosexuelle sich mehr mit den gesellschaftlichen Konsequenzen eines (unfreiwilligen) Coming Out befassen mussten, insbesondere Verlust der Arbeit, Verlust der Wohnung, falls Kinder vorhanden waren, auch Verlust der Erziehungsberechtigung.(2)
Im Laufe der 1950er Jahre wuchsen die Daughters of Bilitis über San Francisco hinaus, 1959 existierten Ortsverbände in Los Angeles, Chicago, New York City und Rhode Island. In der Zwischenzeit hatten Martin und Lyon das Club-Magazin The Ladder gegründet und waren die ersten Redakteurinnen bis 1962. Beide blieben auch bis ans Ende der 1960er Jahre bei den Daughters aktiv, über die Zeit, in der in der Gemeinschaft Konflikte über die Vorgehensweise – eher still und aufklärerisch oder laut und politisch aktiv – zu vielen Abgängen führten.
Von 1967 an waren beide auch Mitglieder der National Organization for Women, Del Martin wurde die erste offen lesbisch lebende Person in der Leitung der Organisation. Das Paar engagierte sich in seiner ganzen weiteren Lebensspanne in verschiedenen Organisationen für die Rechte und die Gesundheit nicht nur lesbischer Frauen, später auch für die Rechte älterer Menschen: Sie gründeten 1972 den Alice B. Toklas Democratic Club, Del Martin war 1995 Delegierte in der Konferenz zum Thema Altern im Weißen Haus. Sie schrieben auch mehrere Bücher gemeinsam, Del Martin verfasste ein Buch über häusliche Gewalt.
Del Martin und Phyllis Lyon blieben ihr Leben lang ein Paar, doch erst 2004 konnten sie heiraten, nachdem der Bürgermeister von San Francisco die Maßgabe erteilt hatte, Heiratsurkunden auch für gleichgeschlechtliche Paare auszustellen. Der kalifornische Bundesgerichtshof erklärte diese Ehen allerdings wieder für nichtig, und so mussten Martin und Lyon ein weiteres Mal heiraten, als 2008 das gleiche Gericht gleichgeschlechtliche Ehen schließlich doch für legal erklärte. Zwei Monate nach ihrer Hochzeit starb Del Martin 87-jährig an den Komplikationen eines Armbruches.
Jean O’Leary wuchs in Cleveland auf, sie war als Kind das, was als „tomboy“ bezeichnet wird und verliebte sich schon in der dritten Klasse in Mädchen (1). Kaum hatte sie die Highschool abgeschlossen, begann sie ein Noviziat bei den Sisters of the Humility of Mary – sie hatte in ihrer Jugend auch Verabredungen mit Jungen und floh vor einem Heiratsantrag in die Schwesternschaft(1). Nach etwa sechs Monaten dort hatte sie ihr eigenes Coming Out und äußerte dies auch im Gespräch mit dem ansässigen Priester und Psychologen, der es jedoch nicht weiter ernstnahm (2).
Mit 23 Jahren machte sie einen Abschluss in Psychologie an der Cleveland State University und verließ das Konvent, um nach New York City zu gehen. Dort studierte sie auf einen Doktorgrad hin Organisationsentwicklung an der Yeshiva University und begann, sich in der Gay Activists Alliance (Link Englisch) für die Rechte von Homosexuellen einzusetzen. Im Folgejahr 1972 verließ sie die GAA wieder, weil sie die Organisation als zu sehr von Männern dominiert empfand; als Gegenentwurf dazu gründete sie mit anderen die Lesbian Feminist Liberation (Link Englisch).
Die GAA selbst war von Dissidenten der Gay Liberation Front gegründet worden, die sich von den anderweitigen politischen Haltungen absetzen wollten: GLF war eine alliierte Organisation der Black Panther Party und vertrat eine hart linke, anti-kapitalistische Position, GAA wollte sich hingegen auf die Rechte Homosexueller konzentrieren, um den Widerstand gegen ihre Ziele zu minimieren. Jean O’Learys Lesbian Feminist Liberation war eine der ersten lesbischen Aktivistinnengruppen der Frauenbewegung.
Als Vertreterin der LFL war sie an einem Vorfall am Christopher Street Liberation Day 1973 beteiligt, bei dem sie eine Haltung vertrat, die sie später revidierte. An der Bühnenshow dieser frühen Pride Parade waren auch mehrere Drag Queens beteiligt; dies wurde von einigen Radikalfeministinnen kritisch gesehen. Sie verteilten Flugblätter, die diese Kritik beinhalteten, als Reaktion darauf ergriff eine der Drag Queens, Sylvia Rivera, das Mikrofon und wies darauf hin, dass es sie und ihre Gruppe waren, die bei den Stonewall-Unruhen gekämpft hatten, verprügelt und verhaftet worden waren und weitere soziale Konsequenzen erlitten hatten – und somit die Veranstaltung und die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen, auch Lesben, ermöglicht hatten. Sie wies klar auf die anderen Diskriminationsebenen hin, die darin deutlich wurden: „[…] Die Menschen, die versuchen, etwas für uns alle zu tun und nicht nur für Männer und Frauen, die zu einem weißen Klub der Mittelklasse gehören. Und das ist, wo ihr alle hingehört.“ (2; Übersetzung meine)
Als Antwort darauf verlas O’Leary eine Erklärung, an der sie mit anderen nach eigener Aussage(2) die ganze Nacht gesessen hatte, in der sie erklärte, sie (die LFL) unterstützten jede Person, sich zu kleiden, wie sie oder er wolle; sie seien jedoch gegen die Ausbeutung von Frauen für Unterhaltung oder Profit. Sie unterstellte, Männer, die sich wie Frauen anziehen, seien eine Beleidigung von Frauen. „Männer haben uns unser ganzes Leben lang gesagt, wer wir sind. […] Wogegen wir heute Einspruch erheben, ist ein weiterer Fall, bei dem Männer untereinander lachen über etwas, was sie als Frauen darstellen, womit sie uns sagen, was sie denken, wer wir sind. Wir wollen es nicht wissen.“ (2; Übersetzung meine)
O’Leary verließ die Bühne direkt nach ihrer Erklärung, Sylvia Rivera und eine andere Drag Queen, Lee Brewster (Link Englisch), eroberten sich erneut das Mikrofon und riefen: „Ihr könnt alle in Bars gehen wegen etwas, das Drag Queens für euch getan haben, und diese bitches sagen uns, wir sollen aufhören, wir selbst zu sein?!“ (Wiki; Übersetzung meine) Es gab verbale und körperliche Auseinandersetzungen in der Menge der Anwesenden und die Situation drohte zu eskalieren, bis Bette Midler die Bühne betrat und begann, ihren Song „Friends“ zu singen.
Dazu, wie Jean O’Leary diesen Austausch fast zwanzig Jahre später in Kontext setzt und ihre Meinung änderte, später mehr.
Zunächst einmal trat sie 1974 der National Gay Task Force (heute National LGBTQ Task Force, Link Englisch) bei und wurde, nachdem sie Gender- bzw. Geschlechterausgleich in der Führung ausgehandelt hatte, stellvertretende Leiterin, 1976 bis 1979 leitete sie die Task Force. In dieser Funktion gelang es ihr, 1977 das erste Meeting von Aktivist*innen für Homosexuellenrechte mit einer Regierungsvertreterin im Weißen Haus zu veranlassen: Midge Constanza (Link Englisch) war als Verantwortliche für Public Relations mit Jimmy Carter in den Regierungspalast gezogen, außerdem war sie – als nicht geoutete Homosexuelle(3) – zu der Zeit O’Learys Freundin. Dieses Meeting war nicht nur eine Mediensensation – die homosexuellenfeindliche Kampagne Save Our Children (Link Englisch) der Popmusikerin Anita Bryant befand sich zeitgleich auf ihrem Höhepunkt –, sie war aus O’Learys Sicht auch ein voller Erfolg, weil es den Aktivist*innen Gehör verschaffte, Homosexualität in der Öffentlichkeit normalisierte und auch politische Konsequenzen zur Folge hatte(3).
In den frühen 1980er Jahren war O’Leary besonders aktiv im Aufbau der National Gay Rights Advocates, die sich juristisch aggressiv für die menschenwürdige Versorgung von HIV/AIDS-Patienten einsetzte.
1988 begründete Jean O’Leary gemeinsam mit Rob Eichberg den (National) Coming Out Day, der inzwischen in mehreren Ländern rund um die Welt – und international in den Sozialen Medien – begangen wird.
Im Gespräch mit Eric Marcus von Making Gay History 1989(2) blickt Jean O’Leary mit Unbehagen auf ihre Position gegenüber Drag Queens auf dem Christopher Street Liberation Day zurück. Sie erklärt, dass sie eine Reaktion auf den auch in der Homosexuellenszene stark ausgeprägten Sexismus gegenüber Frauen war – dass Frauen wie Mütter, Liebhaberinnen und Schwestern behandelt wurden, aber ihnen verantwortungsvolle Positionen in Organisationen bewusst verweigert wurden. Dabei sollte es deutlicher werden, dass gay, homosexuell, nicht nur schwul meinte – dass Lesben ebenso und mehr um Sichtbarkeit in der Gesellschaft, aber auch in der eigenen Gruppe kämpften. Außerdem beinhaltete die Darstellung von Frauen, die Drag Queens abgaben, genau die Elemente, insbesondere der Kleidung, gegen die die Feministinnen sich auflehnten als Instrumente der körperlichen Restriktion: Strapsgürtel, Korsette, Strumpfhosen, Büstenhalter.
Schon wenige Jahre nach dem Zwischenfall, als sie wegen einer Konterkampagne gegen Save Our Children auch häufiger in Miami-Dade County, Florida, weilte, habe sie meist in einem Hotel gewohnt, in dem viele Transvestiten und transgender Menschen lebten, und im Austausch mit ihnen habe sie einiges besser verstanden. (Sie erwähnt auch, dass sie mit dem Alter milder geworden wäre, was politische Korrektheit angehe, dass sie es sogar schwerer fände, exakte politische Korrektheit zu tolerieren. Aber dass sie auch wisse, dass sie Geduld mit den nachkommenden Aktivist*innen haben müsse, weil sie selbst durch diese strenge Phase hindurchgegangen sei – und sie wisse, dass es ein Prozess ist.)(2)
„Wie konnte ich daran arbeiten, Transvestiten auszuschließen und gleichzeitig Feministinnen kritisieren, die damals ihr Bestes gaben, um Lesben auszuschließen?“, fragt sie(2) und nimmt darauf Bezug, dass es in der National Organization for Women Bestrebungen gab, die lesbischen Mitglieder und die Homosexuellenbewegung innerhalb des Feminismus zu verheimlichen oder auszuklammern. Betty Friedan, 1969 Präsidentin der NOW und Befürworterin davon, Männer am Emanzipationsprozess zu beteiligen, bezeichnete die lesbischen Feministinnen als Lavender Menace: Eine Bedrohung für die Sache des Feminismus, wenn er als Anliegen von ’stereotypen Mann-Weibern und Männerhasserinnen‘ wahrgenommen würde. Die Verleugnung lesbischer Aktivistinnen in der NOW ging soweit, dass die Daughters of Bilitis aus der Sponsorenliste eines erste Kongresses 1969 gestrichen wurden – daraufhin verließen mehrere Mitglieder geschlossen die NOW und protestierten auf dem zweiten Kongress, wofür sie vom Publikum vor allem Zustimmung ernteten.
Von diesem Ausschluss von Lesben aus der Frauenrechtsbewegung war schließlich auch O’Leary betroffen; rückblickend sah sie es wohl als kontraproduktiv, sich im Aktivismus für Frauen- und LGBTQ+Rechte gegenseitig abzulehnen. Dreißig Jahre nach ihren Gesprächen mit Eric Marcus versucht nun der Intersektionale Feminismus, diese Unterschiede zu umschließen und die gemeinsame Arbeit gegen ein unterdrückendes, patriarchales System zu konzentrieren. Vielleicht konnte Jean O’Leary die Anfänge dieser umfassenden Bewegung noch miterleben: Sie starb 2005 57-jährig an Lungenkrebs.
Über die Kindheit von Kate Marsden ist nicht viel bekannt, außer dass sie früh verwaiste. Mit 16 Jahren wurde sie Krankenschwester, eine Tätigkeit, die sie mit 18 bereits nach Bulgarien brachte, wo sie für das Rote Kreuz im Russisch-Osmanischen Krieg Verwundete versorgte. Dort begegnete sie den ersten Leprakranken (Link TW Bild) ihres Lebens, die sie davon überzeugten, dass die Heilung der Krankheit ihre Lebensaufgabe sei. Der Lepraerreger war erst wenige Jahre zuvor entdeckt worden; Lepröse wurden noch immer als unheilbar, vor allem aber hochansteckend betrachtet und lebten daher meistens unter extrem schlechten hygienischen Bedingungen, von der restlichen Gesellschaft verstoßen.
Nach dem Ende des Krieges kehrte sie zunächst nach England zurück, um ihre an Tuberkulose erkrankten Geschwister zu pflegen. Auch ihre Schwester in Neuseeland litt daran und so reiste Marsden 1884 mit ihrer Mutter dorthin. Nach dem Tod der Schwester verblieb sie zunächst in Wellington und leitete ein Krankenhaus, außerdem gründete sie die erste Zweigstelle der Johanniter in dem Inselstaat. Dann starb 1889 der „Apostel der Leprakranken“ Pater Damian, ein in der Sache besonders engagierter Geistlicher, der auf der hawai’ianischen Insel Moloka’i gearbeitet hatte. Marsden kehrte nach England zurück mit dem Wunsch, in den englischen Kolonien seine Arbeit fortzusetzen. Als sie im Folgejahr vom Roten Kreuz eine Einladung nach Sankt Petersburg erhielt, um von Zarin Maria Feodorowna einen Orden für ihre Aufopferung im Russisch-Osmanischen Krieg verliehen zu bekommen, bot sich ihr eine große Chance. Vor ihrer Abreise ersuchte sie ein Unterstützungsschreiben der Königin Victoria und deren Schwiegertochter Alexandra von Dänemark, die auch die ältere Schwester der Zarin war. Mit diesen Schreiben ausgestattet reiste sie nach Sankt Petersburg und erlangte dort nicht nur einen offiziellen Brief der Zarin, der ihre Forschungen zur Lepraheilung in Russland unterstützte, sondern auch finanzielle Förderung dafür.
Mit diesen Hilfsmitteln ausgestattet, kehrte sie zuerst nach England zurück, schiffte sich dann nach Ägypten ein und reiste über Alexandria, Jaffa, Jerusalem und Zypern nach Konstantinopel. Dort traf sie auf einen englischen Arzt, der ihr von einem angeblichen Heilkraut gegen Lepra erzählte, das in Sibirien zu finden sei. Nach dieser Begegnung reiste Marsden erneut nach Moskau, um von dort aus mit weiterer Unterstützung der Zarin und in Begleitung einer Übersetzerin nach Sibirien aufzubrechen. Ihr Reisegepäck beinhaltete so viele Schichten an Kleidung, dass sie in voller Montur ihre Knie nicht mehr beugen konnte und von drei Männern in den Schlitten gehoben werden musste, außerdem 18 Kilogramm Christmas Pudding – mit dem einfachen Argument, dass dieser ein unverderbliches Nahrungsmittel darstellte und sie ihn gerne aß.
Die Reise der beiden Frauen dauerte zwei Monate allein bis Omsk (Google gibt auch heute für die Reisedauer zu Fuß 508 Stunden an). Dort musste Marsden wegen Krankheit pausieren und ihre Übersetzerin warf gänzlich das Handtuch. Nach der Genesung setzte die entschlossene Krankenschwester ihre Mission nach Jakutien alleine (also ohne Begleitung außerhalb der rekrutierten Einheimischen) fort. Das zweite Drittel ihrer Reise führte sie nach Irkutsk am Baikalsee, wo sie ein Kommittee zur Bekämpfung der Lepra gründete; schließlich brachte sie das letzte Drittel bis Jakutsk an der Lena, von wo aus sie sich noch in das nördliche Sibirien vorwagte – auf dem Pferd, teilweise abenteuerlich durch brennende Torffelder, auf der Suche nach dem Wunderkraut. Während ihrer ganzen Reise half sie neben Leprakranken auch anderen Bedürftigen, wie Strafgefangenen auf dem Weg ins Exil, insbesondere den Frauen darunter.
Sie fand in den Tiefen Sibiriens wohl ein Kraut, kutchutka, das dort gegen die Symptome der Lepra verwendet wurde, doch weit entfernt von einem Heilmittel war. Nach elf Monaten Reise durch Russland kam sie wieder in Moskau an und begann sofort, Spenden zu sammeln für eine Leprastation, in der Erkrankte unter menschenwürdigen Bedingungen versorgt werden könnten. Zurück in England, erhielt sie von Queen Victoria eine Brosche in Form eines Engels und sie wurde als eine der ersten weiblichen Fellows in die Royal Geographical Society aufgenommen. Im Folgejahr brachte sie ihren Reisebericht On Sledge and Horsback to Ouscast Siberian Lepers heraus, außerdem hielt sie diverse Vorträge, in denen sie auf die Zustände in den sibirischen Leprakolonien aufmerksam machte und Spenden sammelte. 1895 konnte dann in Wiljuisk eine moderne Leprastation nach ihren Plänen erbaut werden.
Ihr Ruhm als Abenteurerin und Erfolg als Wohltäterin zog jedoch Missgunst auf sich. Einige Kritiker meinten, es sei unglaubwürdig, dass sie als Frau diese ausgesprochen schwierige Reise angetreten und überstanden hätte. Schlimmer jedoch für ihre Position waren zwei Vorwürfe, die sie moralisch fragwürdig erscheinen ließen. Einerseits warf ihr eine ehemalige Reisegefährtin aus der Zeit in Neuseeland vor, eine Betrügerin zu sein, die womöglich auch die Spendengelder für die Leprakranken für den eigenen finanziellen Gewinn nutze. Eine amerikanische Russland-Expertin, Isabel Hapgood, griff diese Vorwürfe auf und bezichtigte Mardsen öffentlich der Veruntreuung. Auch wenn Marsden tatsächlich in ihrem Privatleben nicht den zuverlässigsten Umgang mit Geld, insbesondere Schulden hatte, konnten die Untersuchungskommissionen – sowohl in England wie in Russland – keine Unregelmäßigkeiten in ihrer Verwendung der Spenden feststellen. Nichtsdestotrotz war ihr Ruf als Wohltäterin geschädigt.
Diese üble Nachrede hätte Marsden vielleicht überstehen können, insbesondere nach der offiziellen Unschuldserklärung, doch sie ging Hand in Hand mit einem weniger juristischen als moralischen Vorwurf. Unter anderem die ehemalige Reisebegleiterin, aber auch ein engslischsprechender Pastor in Sankt Petersburg berichteten von der Homosexualität Marsdens – und Marsden selbst gab zu, die Avancen anderer Frauen nicht abgewiesen zu haben. Zwar war weibliche Homosexualität in England im Gegensatz zu männlicher nicht strafbar, aber gutgeheißen wurde sie auch nicht. William T. Stead, der erste Vertreter des investigativen Journalismus, war an vorderster Front bei der Schmierkampagne gegen Marsden. Sie dachte über eine Verleumdungsklage gegen den Sankt Petersburger Pastor nach und, nachdem dieser die Ergebnisse der russischen Spendenkommission als „Schönfärberei“ abtat, strengte auch eine solche an, doch ihre finanzielle Situation machte es unmöglich, diese juristische Handhabe weiterzuverfolgen. An Oscar Wilde, der im gleichen Jahr mit einer Verleumdungsklage scheiterte und vom Kläger zum Angeklagten wurde (später für Unzucht mit Prostituierten zu zwei Jahren harter Zwangsarbeit verurteilt, die langfristig seinen Tod verursachte), hatte sie ein warnendes Beispiel für die hohen Kosten und gleichzeitig schlechten Erfolgschancen einer solchen Klage.
Marsden führte ihre Arbeit noch einige Zeit weiter, doch konnte sie sich vom Ansehensverlust nicht erholen. 1914 war sie noch ursprünglich an der Gründung eines Museums in Bexhill beteiligt, zu dessen Sammlung sie selbst Stücke beitrug und sie überzeugte einen Bekannten, seine ägyptischen Artefakte zur Verfügung zu stellen, außerdem organisierte sie Versammlungen zur Unterstützung des Museums. Dann kontaktierte der Bürgermeister der Stadt das Gründungskommittee und wies auf den Jahre zurückliegenden Skandal in Marsdens Geschichte hin. Daraufhin musste sie sich von ihrer Tätigkeit zurückziehen, weil sie „nicht geeignet“ sei, Spenden zu verwalten.
1921 schrieb sie noch eine Verteidigungsschrift, My Mission in Sibiria, A Vindication, um gegen die Unterstellungen und ihren Ansehensverlust vorzugehen, blieb jedoch erfolglos. Sie starb demenzkrank 1931 in London.
Das Krankenhaus, das sie in Jakutien gründete, wurde 1962 geschlossen, doch Marsden wird dort noch immer erinnert und verehrt. Ein 55-Karat schwerer Diamant, der in Jakutien gefunden wurde, erhielt nach ihr den Namen Sister of Mercy Kate Marsden. Atlas Obscura (Link engl.) hat einen ausführlichen Artikel zu ihr online, einen Teil ihres Reiseberichts, der sich zu lesen lohnt, ist bei thelongridersguilt (Link engl.) zu finden.
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Charlotte Wolff war eine jüdische Medizinerin, die sich auch mit Psychologie befasste. Schon im Studium lebte sie offen homosexuell und trug bevorzugt Männerkleidung. 1938 wurde sie stellvertretende Direktorin am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin, ein Jahr später konnte sie diese Position aufgrund der Verfolgung durch die Nazis nicht mehr halten.
Sie lebte zunächst in Frankreich, dann in England und arbeitete als Chirologin, unter anderem für Thomas Mann und Aldous Huxley. Sie legte die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nannte sich, nachdem sie Jahre später die britische angenommen hatte, „internationale Jüdin mit britischem Pass“.
In den 1960er Jahren war sie dann die erste, die sich sexualwissenschaftlich mit der Homosexualität der Frau auseinandersetzte. Sie veröffentlichte die Ergebnisse ihrer empirischen Studie zum Lesbianismus 1971 und zur Bisexualität 1977. Es waren diese Forschungen, die dazu führten, dass sie 1978 zum ersten Mal seit seit ihrer Vertreibung deutschen Boden betrat. Ihr letztes und wichtigstes Werk war eine Biografie des Sexualforschers Magnus Hirschfeld.
Sie starb mit 89 Jahren in London.
* Wiki english Charlotte Wolff was a Jewish doctor who also worked in psychology. Even during her time at university she lived her homosexuality openly and preferred men’s clothing. In 1938 she was appointed deputy director at the Rudolf-Virchow-hospital in Berlin, a year later she already could not hold that position due to prosecution by the Nazis.
She lived in France at first, then in England and worked as a chirologist, for Thomas Mann and Aldous Huxley among others. She gave up her German citizenship and called herself, after taking on the British citizenship, an „international Jew with a British passport“.
During the 1960s she was the first to adress homosexuality of women as a field of sexology. She published the findings of her empirical studes on lesbianism in 1971 and on bisexuality in 1977. It was this research that led to her putting foot on German soil again for the first time after her expulsion in 1978. Her last and most important work was the biography of sexologist Magnus Hirschfeld.