Schlagwort: LGBTQA+

51/2023: Gila Goldstein, 18. Dezember 1947

Grabstein von Gila Goldstein, by Danny-w – Own work, CC BY-SA 3.0

Gila Goldstein kam in Turin, Italien, auf die Welt, immigrierte in früher Kindheit mit ihrer Familie nach Israel und wuchs in Haifa auf. Mit 13 Jahren verstand sie, dass sie trans* war, und begann in ihrer weiblichen Identität unter dem Namen Gila zu leben. Sie musste survival sex praktizieren – sexuelle Handlungen gegen Unterkunft, Verpflegung und Sicherheit –, überlebte auf diese Weise jedoch, bis sie 1965, mit 18 Jahren, eine geschlechtsangleichende Operation in Belgien vornehmen lassen konnte – sie war damit die erste israelische trans* Frau, die diese Operation hatte durchführen lassen, doch bereits die zweite israelische Frau, die offen trans* lebte, nach Rina Natan (Link Englisch).

Goldstein blieb in Europa und trat als (Strip-Tease-)Tänzerin auf. Erst Mitte der 1970er Jahre kehrte sie nach Israel zurück, wo sie ebenfalls als Tänzerin arbeitete, unter anderem in der Bar 51. Amos Guttman, ein schwuler israelischer Regisseur, basierte die Figur der Stripperin Apolonia Goldstein in seinem Film ‚Bar 51‚ auf Gila.

1975 war Goldstein an der Gründung der Agudah – damals noch unter dem Namen ‚Gesellschaft für den Schutz persönlicher Rechte‘ – der nationalen Organisation der LGBTQIA+Community Israels. Für ihre Arbeit im Kampf für die Rechte queerer Menschen sollte sie 2003 einen Preis gewinnen.

In den 1990er Jahren begann Goldstein ihre Karriere als Sängerin, so war sie im Club Allenby 58 fest engagiert und nahm auch einige Platten auf; zum Jahrtausendwechsel fing sie auch mit der Schauspielerei an und gewann 2005 für ihre Rolle in ‚Yeladim Tovim (Good Boys)‚ eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin beim Miami LGBT Film Festival. Fünf Jahre später erschien ein Dokumentarfilm über sie selbst: ‚That’s Gila, that’s me‚.

The Gila Project‚, eine israelische Organisation zur Unterstützung von trans* Jugendlichen, die 2011 gegründet wurde, ist nach ihr benannt; 2015 führte Goldstein die Tel Aviv Pride Parade an. Zwei Jahre später verstarb sie 70-jährig nach einem Schlaganfall, die Meldungen zu ihrem Tod bezeichneten sie teilweise mit dem männlichen Namen ‚Ilan Ronen‘ – nicht ihr deadname, sondern ein erfundener Name, den Gila sich für bürokratische Probleme ausgedacht und in den Ausweis eingetragen hatte. Ihre Familie stellte jedoch sicher, dass ihr richtiger Name – Gila Goldstein – auf ihrem Grabstein stand.

Am 4. Juni dieses Jahre widmete Google ihr ein Doodle für Zugriffe aus Israel, um an ihren bahnbrechenden Aktivismus für die LGBTQIA+Community in Israel zu erinnern.


Quelle Biografie: Wiki englisch

24/2023: Josephine Ho, 16. Juni 1951

Josephine Hos akademische Laufbahn ist beeindruckend: Zuerst studierte sie an der National Chengchi University in Taipeh Western Language and Literature und schloss 1972 mit einem Bachelor of Art ab. Anschließend machte sie 1975 ihren Master of Science in Erziehungswissenschaft an der University of Pennsylvania, einen Doctor of Education in Linguistik an der University of Georgia 1981 und schließlich 1992 noch einen Doctor of Philosophy in Englisch an der Indiana University of Pennsylvania.

Bereits seit den 1990er Jahren – kurz, nachdem Taiwan von einem Einparteiensystem in eine Demokratie überging, siehe unten – trat Ho als Frauenrechtsaktivistin in Erscheinung. Nachdem 1989 der erste taiwanische Gerichtsprozess wegen sexueller Belästigung geführt wurde, organisierte sie im Mai 1994 die erste Demonstration gegen sexuelle Belästigung in Taiwan, die unter dem selbstbewussten Slogan lief: „Wir wollen keine Belästigung, wir wollen Orgasmen. Wenn ihr uns weiter sexuell belästigt, schneiden wir ihn mit der Schere ab!“ Sie begründete 1995 das Center for the Studies of Sexualities an der Nationalen Zentraluniversität in Taipeh, in dem zu den Themen Gender, sexuelle Aufklärung und sexuelle Selbstbestimmung, Sexarbeit und Transgeschlechtlichkeit geforscht wird; sie selbst schrieb 15 Bücher zur taiwansischen Gender- und Sexualtitätsforschung. Seit 2006 ist sie an der Universität Professorin, seit 2010 leitet sie das Forschungszentrum.

Ho gilt – neben ihrem Aktivismus auch für die Friedensbewegung, die Anti-Globalisierungsbewegung, gegen Atomkraft und für Menschenrechte – als Begründerin der taiwanischen Queer-Bewegung. Auf der Webseite ihres Forschungszentrums informiert sie über die diversen Themen der Sexualrechtsbewegung – dafür wird sie insbesondere über diese Webseite von Gegnern angegriffen. 2003 klagte eine konservativ-christliche Organisation gegen sie, weil sie angeblich über Zoophilie nicht nur informiere, sondern diese ausdrücklich befürworte. Tatsächlich enthielt die Webseite Artikel zu diesem Thema als Teil der Sexualforschung, die Seite wurde gesperrt. Ein Netzwerk aus Studierenden, Wissenschaftlerys und Aktivistys bildete sich und konnte mit Unterstützung einer internationalen Petition einen Gewinn für die Informationsfreiheit erlangen und die Aufhebung der Sperre erreichen.

Für ihren Einsatz für die Frauenrechte, aber auch die Rechte der LGBTQIA+-Bewegung war Josephine Ho eine von 1.000 Frauen, die 2005 für den Friedensnobelpreis nominiert wurden.


Um Josephine Hos Aktivismus einzuordnen, finde ich es hilfreich, auch die Geschichte Taiwans kurz darzustellen, für alle, die wie ich noch nicht so viel darüber wissen. (In der März-Ausgabe der GEO wurde die Geschichte und aktuelle Lage der Insel vor dem chinesischen Festland wie immer spannend erzählt, ich kann den Artikel sehr empfehlen. Ich habe ein Print-Abo, zugegebenermaßen.)

Die Urbevölkerung Taiwans gehört zu den austronesischen Völkern und betrieb wirtschaftlichen Austausch mit den Völkern auf den Philippinen und dem chinesischen Festland. In der europäischen Geschichte taucht Taiwan zuerst 1583 auf, als die Portugiesen die Insel entdecken, die sie (Ilha) Formosa, die Schöne (Insel), nennen. 1624 besetzen niederländische Seeleute und Händler den Süden, zwei Jahre später lassen sich spanische Händler im Norden nieder. Die niederländischen Kolonisatoren werben verstärkt Siedler vom chinesischen Festland an, was zu mehreren Immigrationswellen führt – die Nachfahren der eingewanderten Han-Chinesen bilden heute die Mehrheit der taiwanischen Bevölkerung. Die austronesische Urbevölkerung geht zu großen Teilen in dieser Bevölkerung auf, nur in einigen unzugänglichen Bergregionen bleiben indigene Völker bis ins 20. Jahrhundert davon unberührt. Die Niederländer führen in der von ihnen regierten Region die christliche Religion und das europäische Schulsystem ein. 1661 verdrängt der chinesische Kaufmann/Pirat Zhen Chenggong die Niederländer von Formosa und gründet dabei das (chinesische) Königreich Tungning – auch er holt in mehreren Wellen Festlandchinesen auf die Insel. Dieses wird 1683 vom Festland-Königreich der Qing-Dynastie besiegt und Taiwan dem Königreich als Teil einer Festland-Provinz einverleibt. Die Insel ist daraufhin 200 Jahre lang chinesisch.
Nachdem China den ersten japanisch-chinesischen Krieg 1895 verloren hatte, musste es die Penghu-Inseln zwischen Tawian und dem Festland an Japan abtreten. Daraufhin rief die Provinzregierung auf Taiwan die Republik Formosa aus; Japan musste die Insel in einem mehrmonatigen Kampf erobern. Bis 1945 blieb Taiwan japanische Kolonie, in dieser Zeit versuchte die Besatzungsmacht, den Shintoismus als Staatsideologie (und -religion) einzuführen und ‚zivilisierte‘ die restliche indigene Bevölkerung, etwa indem die noch übliche Kopfjagd abgeschafft wurde.
In einer Erhebung 1919 bestand die Bevölkerung dieser Zeit aus (ungefähr) 3 Millionen Han-Taiwanys (Nachfahren der eingewanderten Han-Chinesen), 100.000 Japanern und 120.000 indigenen Taiwanys.
Mit der Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg wurde die Insel wiederum in die inzwischen eingerichtete Republik China eingegliedert; die republikanischen Truppen wurden auf Taiwan zunächst freudig begrüßt, doch stürzten die Taiwanys die Regierung der Kuomintang 1947 nach dem starkem wirtschaftlichem Niedergang (die schwelende Unzufriedenheit im Volk aufgrund der Korruption und gewaltbereiten Regierung brach sich nach einem Massaker Bahn, dessen genaues Ausmaß noch heute nicht vollständig bekannt ist). Als die Republik 1949 im Bürgerkrieg zwischen den Kuomintang (KMT) und den Kommunisten zerbrach, floh die KMT-Regierung um Chian Kai-shek nach Taiwan und richtete Taipeh als Hauptstadt der Republik China (Taiwan) ein. Mit ihnen flohen etwa 1,5 Millionen Chinesen vom Festland auf die Insel, die heute ungefähr 14% der Bevölkerung Taiwans ausmachen.
In den folgenden vierzig Jahren blieb Taiwan von der KMT als einzige Partei regiert. Erst 1987 wurde das Kriegsrecht aufgehoben, eine Oppositionspartei – die Demokratische Fortschrittspartei – wurde zu Wahlen zugelassen und regierte seitdem Jahr 2000 abwechselnd mit der KMT. Seit dem Aufbrechen des Einparteiensystems erhält auch die indigene taiwanische Sprache wieder Raum und das Bestreben, die ursprüngliche Kultur des Inselvolkes wiederzuentdecken und zu bewahren.

Dies ist selbstverständlich nur ein sehr kurz gefasster, Details sparender Überblick, die Verlinkungen können zur Vertiefung dienen.


Quelle Biografie: Wiki deutsch | englisch

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