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Geht alles gar nicht… oder vielleicht doch?

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Disclaimer: Dieser Beitrag enthält einen sachlichen und einen emotionalen Teil.

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Sachlicher Teil
Ich war am vergangenen Donnerstag in der glücklichen Lage, am oben beworbenen Event teilnehmen zu dürfen und können. Organisiert von der Competentia NRW, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Krefeld und dem Netzwerk Wirtschaft & Familie der WfG, stand die Veranstaltung allen Interessenten offen. Für Film bin ich bekanntermaßen immer zu haben und von einer Podiumsdiskussion versprach ich mir zumindest eine Ahnung, wo auf der Skala der Hoffnungslosigkeit meine persönliche Lage sich ansiedeln lässt.

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Der Film Eltern von Robert Thalheim (D 2013) traf wesentlich genauer den Nerv, als ich es erwartet hatte. Das Ehepaar Christine und Konrad steht zwar weniger repräsentativ für die deutsche Durchschnittsfamilie als es möglich gewesen wäre, aber Filme sollen ja auch nicht (immer) die blasse Realität widerspiegeln.
Christine ist Ärztin mit Ambitionen auf die Oberarztstelle, Konrad ist Theaterregisseur, der sich für die Hausmann-Rolle entschieden hat, wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen. Nun sind die Kinder Käte und Emma, etwa 10 und 5 Jahre alt, „aus dem Gröbsten heraus“ und Konrad hat die Chance, sich mit der Inszensierung eines Nibelungenstoffes wieder in seinem Beruf zu etablieren. Der Umstellung, dass nun beide wieder arbeiten, die Kinder aber immer noch versorgt sein müssen, auch in den Ferienzeiten, sehen die beiden mit dem üblichen naiven Optimismus entgegen. „Wir schaffen das schon“ und außerdem haben sie eine Au-Pair gebucht, die recht schnell aus Argentinien eingeflogen kommt. Das junge katholische Mädchen ist allerdings schwanger und somit weniger eine Hilfe als eine weitere physische und psychische Belastung. Als Konrad merkt, dass er die alleinige Versorgerrolle nicht einfach abschütteln kann, zieht er aus. Natürlich kommen für die romantische Zuspitzung auch noch jeweils andere mögliche erotische Interessen hinzu; das Ende bleibt offen, weil sich diese Situationen nicht mit einem überstanden Schrecken und drei Sätzen lösen lassen.
Wie gesagt, kann man sich das tatsächliche deutsche Durchschnittsleben mit Kindern etwas weniger exotisch, turbulent und dramatisch vorstellen, aber die kleinen und großen Krisen sind sehr genau beobachtet und dargestellt. Ob es nur darum geht, dass die Kleine zum unpassendsten Moment Pipi muss und die Große schon erste Anzeichen einer pubertären Dauerablehnung zeigt, oder ob eine Gefühlswelle einen davon zu spülen droht, während man die Aufsichtspflicht hat – die Augenblicke und Sätze, die fallen, trieben mir tatsächlich mehrfach die Tränen in die Augen, weil sie so genau die Not und Verzweiflung einfingen, die ich zeitweise empfinde.
Besonders positiv möchte ich auch noch hervorheben, dass das argentinische Au-Pair sich ohne großes moralisches Händeringen oder tränenreiches Bedauern für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden darf. Direkt bei ihrer Ankunft muss sie an einer Hamsterbeerdingung am Straßenrand teilnehmen, am Ende darf sie mit den beiden Mädchen ein Ultraschallbild mit ähnlicher Zeremonie beerdigen; die Entscheidung und die Ausführung werden angenehm unpathetisch im ganzen Trubel miterzählt. Sie ist mit 18 zu jung, sie kennt den Vater kaum und will in Deutschland studieren, wahrscheinlich um ein besseres Leben zu führen (und ihren späteren Kindern ein besseres Leben bieten zu können) als ihre Mutter, und auch wenn Christine Konrad immer dankbar sein wird, dass er sie zum ersten Kind „überredet“ hat: bei dem Leben, in dass sie bei ihrer Au-Pair-Familie hineingestoßen ist, muss ihr klar werden, dass selbst das bestgemeinte „Wir schaffen das schon“ immer noch viel Kraft und Abstriche kosten wird.

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In der nachfolgenden Podiumsdiskussion wurde die Frage erörtert, ob Familie und Beruf bzw. beruflicher Erfolg eben gar nicht geht oder vielleicht doch, warum es zu oft derzeit in Deutschland nicht geht und warum es in manchen Unternehmen eben doch so einfach geht. Unter der Moderation von Beate Kowollik besprachen Markus Gawenda (Sonic Sales Support GmbH), Marco Nöchel (HKN GmbH), Jekaterina Rudolph (Projektreferentin Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie„), Heinrich Wefing (Journalist, Autor „Geht alles gar nicht“ 2015) und Eckart Preen (Geschäftsführer WfG Krefeld) als Betroffene und Beteiligte die Möglichkeiten und  Perspektiven, und alles in allem war es tatsächlich ein Gespräch, das mir als Mutter mit Wunsch nach beruflicher Beschäftigung, wenn schon nicht Selbstverwirklichung, ein wenig Hoffnung für die Zukunft gab – zumindest die meiner Kinder.
Thema war unter anderem die Problematik der Betreuungszeiten in Kita und Schule, die selten mit den Arbeitszeiten der Eltern zusammen passen, wie sich die Schwierigkeit lösen lässt, dass kranke Kinder nun mal eben nicht betreut werden und wie sie vielleicht doch betreut werden könnten, wie Arbeitgeber den Eltern unter ihren Angestellten entgegenkommen können, ohne dabei wirtschaftliche Verluste fürchten zu müssen (kleiner Tip: meistens wird das, was nach möglicher Beeinträchtigung aussieht, der wichtigste Faktor in der Produktivitätssteigerung) und natürlich: wer soll und muss das denn nun alles berücksichtigen und umsetzen? Wahrzunehmen, dass sowohl im Publikum wie auf dem Podium Menschen sitzen, die diese Probleme ebenso wie ich nicht nur theoretisch behandeln, sondern ganz praktisch erfahren, und dass aus diesen Erfahrungen neue Bewegung in der Arbeitskultur und der Wahrnehmung von angestellten Eltern und elternden Angestellten entsteht, war wirklich tröstlich und hoffnungsstiftend.

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(2) Hier beginnt der emotionale Teil. Warnung: Ich beziehe mich auf eine Wortmeldung bei dieser Veranstaltung, aber hier bricht sich einiges Bahn, was mich als Mutter, die arbeiten will, in der Diskussion um das Thema arbeitende Mütter, Kinderbetreuung etc. im Internet und anderswo schon eine Weile bewegt. Vielleicht ist dies ja ein Beitrag zum Feminismus der Mütter, dessen mangelnde Perspektive die Frankfurter Rundschau vor einiger Zeit beklagte.

Umso trauriger – nein: ärgerlicher ist es, gerade bei so einer Gelegenheit, dass einer der letzten Wortbeiträge einer war, der voller Reizworte und Rabenmutter-shaming war. Die Dame, die sich zu Wort meldete, war, so hatte ich aus einem Pausengespräch schließen können, in Begleitung ihres Mannes anwesend, der einen familienfreundlichen Handwerksbetrieb im eigenen Haus führt und daher mit Arbeitgeberinteressen die Veranstaltung besuchte. Sie selbst war glückliche Hausfrau/Mutter, wozu ihr zu gratulieren ist.

Ihr Wortbeitrag bestand aber leider daraus, zum Thema längere Betreuungszeiten/24-Stunden-Kitas zu fragen, wie lange man denn „die Kinder noch in der Betreuung parken (sic!)“ wolle, und gerade wenn ein Kind krank sei, man doch als Mutter nur selbst beim Kind sein wolle, und wenn einer gut genug verdienen würde, dann müsse das doch reichen.

*seufz* Wo anfangen?

Zunächst mal hatte ich im Gespräch mit ihr zuvor zugegeben, dass ja, manchmal ich tatsächlich denke, hätte ich das damals gewusst, was es mich kosten würde, hätte ich eventuell keine Kinder bekommen – aka ich „bereue“ es angesichts meiner derzeitigen Lage manchmal, Mutter geworden zu sein. Das nimmt nichts weg von der Liebe für meine Kinder, es bedeutet nur, dass ich mir auch ein glückliches Leben ohne sie vorstellen könnte. Ich würde das selbst nur als ein Zeichen von Vorstellungskraft und Ambiguitätstoleranz werten, aber manche finden solche Aussagen wohl schockierend.

Heinrich Wefings Erwiderung vom Podium habe ich nicht vollständig mitbekommen, weil ich mich zugegebenermaßen erst einmal herunterfahren musste – in einer Veranstaltung zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf hatte ich ehrlich nicht mit dem sonst aus dem Internet leidlich bekannten Konflikt gerechnet, sich als Frau, die auch Mutter ist, für die vom „traditionellen Modell“ abweichenden Entscheidungen verteidigen zu müssen. Ich erinnere mich nur daran, dass er Bezug nahm darauf, dass „Feministinnen“ dann auch Mütter, die zu Hause blieben, dafür verachteten und das natürlich auch nicht in Ordnung sei. Ich glaube aber, er kam zu dem (richtigen) Schluss, dass dies der Realität vieler arbeitender Eltern leider nicht weiterhelfe, weil die wirtschaftliche Lage eben eher seltener so sei, dass diese Wahl bestünde.

Es war sicherlich für die Dauer und die Atmosphäre der Veranstaltung eine gute Entscheidung der Moderatorin, mich nicht mit einem weiteren Wortbeitrag darauf reagieren zu lassen, da es hier um mögliche Lösungen für das gestellte Problem ging und nicht um eine weitere Schlacht in den mommy wars. Gottseidank ist dies hier meine eigene Plattform und hier kann ich so lang und breit darauf reagieren, wie ich mag.

Also fangen wir zunächst mal mit dem Unwort „parken“ an. Niemand „parkt“ sein Kind irgendwo – alle Eltern, die ich in Betreuungseinrichtungen getroffen habe, haben sich die jeweilige mit viel Mühe und Zeitaufwand angeschaut und ausgesucht, weil es eine Notwendigkeit dafür gab, dass das Kind auch von anderen Menschen als Mama, Papa oder anderen Familienmitgliedern wie den Großeltern betreut wird. Und in noch keiner Betreuungseinrichtung, die ich von innen gesehen habe, machten die Kinder einen „geparkten“ Eindruck, sondern sie waren in immer fachlich ausgebildeter und meistens liebevoller Betreuung. Nur „meistens“, weil nicht jeder Mensch mit jedem Kind immer nur säuseln kann – und das werte ich als einen positiven Aspekt der „Fremdbetreuung“, aber dazu später. „Geparkt“ werden meine Kinder eher von mir zu Hause, vor dem Fernseher oder dem Tablet, wenn ich alleine mit beiden bin und Haushaltsaufgaben erledigen muss, einen Blogpost fertigstellen will oder gar *gasp* einfach mal ein paar Minuten für mich brauche. Can’t pour from an empty cup and all that. Dementsprechend ist Zeit in den Händen ausgebildeter Erzieher für meine Kinder wertvoll, weil sie dort über Stunden hinweg gefordert, gefördert, unterhalten und unterrichtet werden. Was ich als Mutter schlicht nicht leisten kann und meines Erachtens auch nicht können muss. Ich kann dafür meinen Kindern erklären, warum sie nicht alles glauben sollen, was die Werbung ihnen erzählt, was es bedeutet, wenn einer „mit des Seilers Tochter Hochzeit gefeiert“ hat oder warum vor 100 Jahren rosa noch die Jungsfarbe war. Aber zurück zum Unwort. Das Gespräch zwischen arbeitenden und nicht arbeitenden Müttern würde so viel angenehmer verlaufen, wenn solche eindeutig herabsetzenden und verurteilenden Pejorative auf beiden Seiten vermieden würden.

Weiter geht es, wie eine andere Mutter im Publikum dankenswerterweise anmerken durfte, bei längeren Öffnungszeiten und 24-Stunden-Kitas ja nicht nur darum, dass regulär arbeitende Eltern ihre Kinder noch für ein paar Stunden mehr loswerden. Es ginge in meinem Fall früher z.B. darum, ich an vier Tagen der Woche bis 18:00 arbeiten könnte, mit einer Stunde Pendelfahrt, mein Mann auch bis 17:00 arbeiten könnte und nicht jeden Tag die Oma bemüht werden müsste. Sondern an diesen vier Tagen auch bis 17:30 eine Betreuung gegeben wäre. Oder, ganz von meiner Situation gelöst, aber sehr konkret und real, dass Eltern im Schichtdienst oder mit Arbeitszeiten, die nicht dem 9-5 im Büro entsprechen, auch eine Betreuung finden können, ohne familiäre Ressourcen – die schlicht nicht immer vorhanden oder erreichbar sind.

Bei der diskutierten „Betreuung des kranken Kindes“ geht es – nach meiner Realität und Vorstellung – auch nicht darum, ein hoch fieberndes Kind zu einer fremden Person zu transportieren, damit der Chef glücklich ist. Aber es könnte zum Beispiel darum gehen, wie die Situation sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erleichtern ließe, wenn das Kind wegen drei gefüllter Windeln an einem Nachmittag zwei Tage lang mopsfidel zu Hause bleiben muss, weil Kindergärten eine völlig berechtigte Quarantäne für Durchfallerkrankte verhängen. Oder die letzten Tage einer Grippe, in der das Fieber verklungen und die Langeweile groß ist, aber eine Schonung der körperlichen Kräfte immer noch angesagt ist. Homeoffice ist da natürlich ein erster wichtiger Schritt – vor allem, wenn man sich wie ich nicht scheut, solche Rekuperationsphasen mit popkultureller Bildung am Bildschirm zu überbrücken. Aber auch das hat seine Grenzen, vor allem im Sitzfleisch der Kinder, weshalb ergebnisorientierte Arbeitszeiteinteilung, wo möglich, der nächste Schritt wäre. Vornehmlich scheint es aber einfach einen Wandel der Kultur, der Haltung gegenüber Eltern zu brauchen – auch dazu später.

Zum letzten Satz schließlich, „wenn einer gut genug verdient“, dann müsse das reichen – erst einmal muss „einer gut genug“ verdienen, das ist schon mal eine Hürde für viele Eltern; und zwar nicht nur heutzutage, das war schon immer so. Aber selbst wenn die genommen ist, wie ich gerade mal so mit einigem Kopfwiegen und Händewackeln sagen könnte, unter dem unglücklichen Bilck meines Mannes, auf dem damit allein die Verantwortung liegt – es geht doch nicht nur um wirtschaftliche Aspekte! Es geht nicht nur um „arbeiten müssen“, es geht auch um „arbeiten wollen“! Und auch das nicht nur wegen wirtschaftlicher Unabhängigkeit oder „sich mehr leisten können“ zu wollen, oder einen Menschen, den man liebt, von dieser Verantwortung zu entlasten.

Ich bin Feministin und ich verachte keine Frau für ihre Entscheidungen. Mein Feminismus ist einer, bei dem es darum geht, allen Menschen die individuelle Wahl für ihr persönliches Glück zu gewähren, so lange sie damit anderen nicht schaden oder sie einschränken. Wenn eine Frau in der Arbeit als Hausfrau voll aufgeht und glücklich ist, will ich sie nicht zur Karriere im Büro bekehren. Ich beglückwünsche sie, wenn sie den/die passende/n Partner/in findet und wünsche ihr alles erdenklich Gute. Sie möge ihre Kinder so lange selbst zu Hause betreuen, wie sie mag, so lange sie ihnen nicht die Bildung vorenthält, auf die Kinder hierzulande ein Recht haben.

ICH hingegen.

Ich musste 23 Jahre alt und einen Schwangerschaftabbruch älter werden, um zu wissen, dass ich in der ferneren Zukunft dann doch wirklich Kinder haben möchte. Bis es neun Jahre später soweit war, hatte ich aber auch schon ein verhältnismäßig glückliches und erfülltes Leben gelebt. Ich habe mich vor den Kindern für Literatur, Filme und Sprache interessiert, hatte Hobbies, Leidenschaften und einen Beruf, war ein vollständiger Mensch mit Bedürfnis nach (erwachsener) Gesellschaft und Rückzugsmöglichkeit. Dieser Mensch ist nicht verschwunden, als mein erstes Kind auf die Welt kam. Die Bedürfnisse der kleinen Menschen, die ich – nach meinem eigenen Wunsch! – auf die Welt gesetzt hatte, und meine eigenen zu vereinbaren, was meistens naturgemäß zu meinen Ungunsten ausfiel, war ein langer, harter und manchmal niederschmetternder Kampf.

Und obwohl es mein gutes Recht ist, meine Ziele zu verfolgen und Bedürfnisse nicht nur des körperlichen Wohlbefindens zu stillen, habe ich den Eindruck, mich ganz besonders gegen Urteile und Vorwürfe wehren zu müssen. Aus staatlicher Sicht verdient mein Mann gerade so viel, dass wir keine Unterstützung brauchen. Und ja, mit von „Doppelverdiener mit einem Kind“ auf „Einzelverdiener mit zwei Kindern“ heruntergeschraubten Ansprüchen befinden wir uns nicht in einer wirtschaftlichen Notlage.

Als Mutter, die nicht arbeiten muss, so scheint es, sollte ich doch einfach froh sein. Und schon gar nicht meine Kinder in Fremdbetreuung geben. Müttern, die müssen, weil sonst kein Geld da ist, verzeiht man, dass sie ihre Kinder von „Fremden“ „betreuen“ lassen. Mir eher nicht – schließlich bin ich die Mutter, habe Zeit und (gerade so genug) Geld. Ich sollte einfach froh sein.

Ich bin aber nicht froh.

Nicht damit, alleinige Beauftragte im Haushalt zu sein – mein Ehrgeiz, eine „gute Hausfrau“ zu sein, ist vernachlässigbar. Nicht damit, wirtschaftlich von meinem Mann abhängig zu sein – einer guten Ehe liegt stets das Gefühl zugrunde, frei zu sein, und wirtschaftliche Abhängigkeit überschattet dieses Gefühl. Und nicht damit, meinen Intellekt und meine zahlreichen Fähigkeiten außerhalb der Mutterrolle brach liegen zu lassen – das bedeutet nämlich, dass große Teile meiner eigenen Persönlichkeit vernachlässigt werden, was zu ganz erheblichen seelischen und mentalen Problemen führt, die sich wiederum auf mein Verhältnis zu den Kindern niederschlagen.

Seit ich die eine Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, die mir eine gelungen Work-Life-Balance erlaubte, suche ich nach neuer Arbeit. Das hieß, dass ich trotz Arbeitslosigkeit den Betreuungsplatz beim Tagesvater für meinen nicht ganz Einjährigen in Anspruch nahm. Weil ich, wenn ich neue Arbeit finden sollte, darauf angewiesen gewesen wäre, dass die Betreuung bereits besteht – mit den momentanen Planungs- und Anmeldephasen in der Kinderbetreuung ist man nur auf der sicheren Seite, wenn man einen Platz hat und nicht hergibt. Das hieß auch, dass meine Große weiterhin 45 Stunden pro Woche in den Kindergarten ging – so war sie es gewöhnt, und eine Umgewöhnung und Rück-Umgewöhnung, wenn ich wieder in Arbeit gekommen wäre, hätte mehr Stress für das Kind bedeutet als einfach den bekannten Rhythmus zu behalten.

Dass meine Kinder in ihrer Betreuung waren, hieß auch, dass ich mich in den Stunden zu Hause nicht nur um den Haushalt kümmern konnte. Ich konnte auch meiner bescheidenen Bloggertätigkeit nachgehen, ohne auf Schlaf zu verzichten (ein ausgesprochen wertvoller Gewinn), und mich der Arbeitssuche widmen, wie es die Agentur für Arbeit von mir erwartete.

Aber, und jetzt kommt’s. Aber ich habe die „Fremdbetreuung“ meiner Kinder nie nur als meinen eigenen Vorteil gesehen – um mögliche Arbeitszeiten abzudecken oder Freiraum für meine Persönlichkeit neben dem Mutterdasein zu haben. Ich spreche hier nur als Expertin für meine eigenen Kinder, ich weiß, dass andere Kinder anders sind, andere Mütter anders sind und es ist alles gut. Aber meine Kinder haben davon profitiert, dass andere liebevolle und fachlich ausgebildete Menschen in ihr Leben traten und sich um ihre Entwicklung kümmerten. Und das nicht, weil ich so eine fürchterliche, harte und verbitterte Mutter bin, sondern unter anderem weil die gewonnene Zeit für meine anderen Persönlichkeitsaspekte mir geholfen hat, eben das nicht zu werden. Und weil die Welt meiner Kinder sich geöffnet hat, sie mit anderen Kindern zusammenkamen, für ganze Tage und nicht nur ein paar Stunden; sie hat sich aber auch geöffnet für die Andersartigkeit der Erwachsenen. Wir Eltern sind atheistische Film-Freaks, die mittelmäßig-ausreichend auf gesunde Ernährung mit Fleisch achten, aber schon mal streng auf respektlosen Umgang mit unserem Eigentum reagieren. Die Tagesmutter unserer Tochter war katholische Anthroposophin, die Hausmannskost für die ganze Familie inklusive ihrer Teenager kochte und eine ellenlange Geduld hatte. Der Tagesvater unseres Sohnes war evangelischer Theologe und ausgebildeter Sozialarbeiter, der mit den Kindern vorwiegend vegetarisch kochte und die manchmal rabiaten Abenteuerlichkeiten unseres Sohnes mit Schmunzeln und einem gewissen Maß an Bewunderung betrachtete. Unsere Kinder haben bei den Tageseltern und im Kindergarten gelernt, dass sich die Fürsorge der Erwachsenen nicht immer in lieblicher Freundlichkeit äußert, dass Teilen mit anderen notwendig und sogar schön ist, haben Raum und Möglichkeit gehabt, ihren Körper und ihre Fähigkeiten auszuprobieren, die ich als einzelne Bezugsperson in einer Vierzimmerwohnung einfach nicht anbieten kann.
Heißt das, dass ich nicht alle Entwicklungsschritte meiner Kinder beim „ersten Mal“ mitbekommen habe? Ja. Haben sie darunter gelitten? Nein. Warum? Weil die Kinder diese Entwicklungsschritte nicht für mich und meine Selbstverwirklichung gemacht haben und vor allem „das erste Mal“ nur den Anfang bedeutete, dh. es folgte die Wiederholung und Aneignung neuer Fähigkeiten, die ich alle mitbekommen habe. Mein Leid darüber, nicht bei den allerersten Schritten unseres Sohnes dabeigewesen zu sein, verflog, als er gleich nachmittags zum zweiten und dritten Mal lief.
Fazit: Was ich mir wünsche. Ich wünsche mir von der Gesellschaft ein Loslassen der traditionellen Rollen, das heißt mehr Unterstützung berufstätiger Eltern auch in der Gesprächskultur. Dass Mütter arbeiten dürfen, egal ob sie müssen oder „nur“ wollen. Dass Väter zu Hause bleiben und Fürsorge erbringen dürfen. Ich wünsche mir von Arbeitgebern, dass sie „Familienfreundlichkeit“ nicht nur als Wort im Marketing behandeln und in ihrer Betriebskultur Eltern (auch potenzielle!) keine Belastung sind, sondern als wertvolle Mitarbeiter behandelt werden, die Qualifikationen mitbringen, die nur von Eltern ausgebildet werden können. Ich wünsche mir von allen Frauen, vor allem aber allen Müttern, dass sie sich von der Dichotomie gut/schlecht lösen, was individuelle Entscheidungen des Elterndaseins angeht. Die Hausfrauen/Mütter sind keine Egozentrikerinnen, keine Heimchen oder Übermütter, die ihre Kinder nur als Verlängerung ihrer selbst sehen – sie lieben ihre Kinder und wollen ihnen das Beste geben, was sie zu bieten haben*. Die arbeitenden Mütter sind keine Egozentrikerinnen, keine Karrieretussis oder Rabenmütter, die ihre Kinder nur als Lifestyle-Accessoire bekommen haben – sie lieben ihre Kinder und wollen ihnen das Beste geben, was sie zu bieten haben*. Die Bedürfnisse der Eltern und der Kinder unterscheiden sich so sehr, wie sich Menschen unterscheiden. Das Eine ist nicht richtiger als das Andere, das Andere stellt das Eine nicht in Frage oder negiert es!
Ich wünsche mir, dass es für alle Arbeit, Lebensraum und Betreuungsplätze gibt, um das individuelle Glück zu verfolgen. Amen.
 
*Selbstverständlich sind bedauernswerte Einzelfälle hiervon ausgenommen, aber bitte: viele Anekdoten schaffen keine wissenschaftlichen Fakten.
 
Nachtrag: Die WZ Krefeld hat am 31.03. einen kurzen Beitrag zum Event veröffentlicht und zitiert mich als „Akademikerin und Mutter von zwei Kindern“. 🙂

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