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Mona Lisa and the Blood Moon

USA 2022, Regie: Ana Lily Amirpour, mit Jeon Jong-seo, Kate Hudson, Ed Skrein, Craig Robinson

Da steht sie, an die Theke gelehnt, mit allem, was echt ist. Kate Hudson agiert in MONA LISA AND THE BLOOD MOON mit einem grandiosen Vergnügen am playing against type: Das hübsche, zierliche Mädchen von nebenan ist zur Frau über 40 gewachsen, die sichtlich keine F*cks mehr zu geben hat. Das weiße Häkel-Croptop mit dem glitzernden Bikinioberteil darunter und die rosane Frottee-Shorts legen ihren mom bod frei und mein Herz hüpft vor Freude.

Ja, Bonnie Bell ist vielleicht ein Klischee, die Stripperin mit dem schrillen Make-Up, hinter dem wir ein Herz aus Gold vermuten, der wir sofort vertrauen sollen, weil sie eine Frau ist, arm und vulgär. Und sie ist nicht die Hauptfigur, nein, aber sie ist die weiße Frau über 40, mit einem Körper, der schon Leben hinter, aber auch noch in sich hat, und diese Frau ist eine, in der ich mich sehen kann, und deshalb muss ich mir diese Schwärmerei zuerst vom Herzen schreiben. Representation matters, auch für Frauen Ü40.


Die ehemals zuckersüße und noch heute sehr adrette Hudson als ‚white trash‘ zu besetzen, ist nur einer der Kniffe, derer sich Ana Lily Amirpour bedient, um das Spiel mit enttäuschten Erwartungen über den Plot hinaus zu erweitern, das sie mit MLATBM geschaffen hat. Jeon Jong-seo ist die koreanische Heldin, die die Figuren um sie herum, aber vielleicht auch wir im Publikum für zart und zerbrechlich halten, für fügsam und freundlich. Stattdessen ist sie wortkarg und barsch wie Clint Eastwood, wütend wie der Hulk und mit einem Willen ausgestattet, so eisern wie Tetsuo. Nachdem wir das wissen, machen wir uns vielleicht auch weniger Sorgen um sie als um Fuzz (Ed Skrein), den glattzüngigen Dealer/DJ, zu dem sie ins Auto steigt. Vielleicht will er ihr nichts Böses, vielleicht ist er tatsächlich ein zarter, weicher Mensch, der sich ad hoc in die mysteriöse Frau verliebt. Und vielleicht ist die Stripperin mit dem ‚goldenen Herzen‘ einfach eine, die eine gute Gelegenheit erkennt und jede davon ergreifen wird, um ihrem american dream näherzukommen.


Amirpour philosophiert in MLATBM über Manipulation – die aufrichtige, die Mona Lisa vornimmt, wenn sie Menschen mit ihrem Willen kontrolliert, und die gefährlichere, weil subtilere, die die anderen vornehmen, wenn sie mit freundlichen Worten ihr Vertrauen erwecken wollen und doch nicht ihr Bestes dabei im Sinn haben – und vor allem über Macht und Machtlosigkeit. Dabei blickt Amirpour mit unleugbar weiblichem Blick vor allem darauf, wie sich Ohnmacht in Gewalt verwandelt, wenn sich die Lage wendet.

MLATBM ist ein lakonischer Beitrag zum Superhelden-Genre, in dem das nächtliche New Orleans neben den Darstellern eine tragende Rolle spielt. Die Kamera ist nah an den Protagonist*innen – bei Kindern würde mensch das ‚distanzlos‘ nennen – und fährt unruhig durch die Sets, zwischen die Figuren und an sie heran; die von Neonlichtern durchschnittene Dunkelheit und die meist minimalistisch clickenden Dubstep-Beats (dazwischen nur einmal die wunderbar direkte Metal-Gewalt von HIGH ON FIRE) unter diesem intimen, organischen Framing machen die schweiß-klebrige Hitze spürbar. Amirpour schafft eine hyperreale Atmosphäre, in der die Frage nach dem Woher der Heldin und ihrer Kräfte überflüssig wird. Sie ist einfach.


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