Schlagwort: privilegien

27/2020: Marian Farquharson, 2. Juli 1846

Marian Sarah Ogilvie Farquharson erfuhr als Tochter eines protestantischen Geistlichen eine breitgefächerte Bildung im eigenen Elternhaus. Sie interessierte besonders für Botanik, insbesondere die einheimische Flora in England. Mit 35 wurde sie Mitglied des Epping Forest and Essex‘ Naturalists Field Club und veröffentlichte einen Taschenführer über die Farne der britischen Inseln.

Verhältnismäßig spät für ihre Zeit heiratete sie 1883, mit 37 Jahren, den Landbesitzer Robert Francis Ogilvie Farquharson und zog zu ihm nach Alford, Aberdeenshire, im Norden Schottlands. Dort wurde sie Mitglied zweier naturwissenschaftlicher Vereinigungen und beschäftigte sich weiterhin mit der regionalen Pflanzenwelt; 1885 wurde ihr Artikel über Moose in der Zeitschrift der British Association for the Advancement of Science veröffentlicht. Im gleichen Jahr wurde sie zum Mitglied der Royal Microscopical Society gewählt, doch als Frau durfte sie weder an den Treffen der Gesellschaft teilnehmen noch hatte sie ein Abstimmungsrecht.

Nachdem 1890 ihr Ehemann gestorben war, wurde Ogilvie Farquharson politisch aktiv. Sie gründete die Scottish Association for Promotion of Women’s Public Work, mit der sie dafür kämpfte, Frauen als gleichberechtigte Mitglieder von Gelehrtengesellschaften zuzulassen. Noch im gleichen Jahr, in dem sie Witwe wurde, sprach sie auf einer Konferenz in Paris über die Rolle der Frau in der Wissenschaft, beim Internationalen Frauenkongress 1899 in London (Link Englisch) war sie für den Bereich der Naturwissenschaften mitverantwortlich.

Am 18. April 1900 schrieb sie einen Brief an die Linnean Society of London mit der Bitte, hinreichend qualifizierte Frauen in die Gesellschaft aufzunehmen und sie an den Treffen teilhaben zu lassen. Diese Bitte wurde abgeschmettert mit der Erklärung, dass derartige Anträge nur von Mitgliedern gestellt werden könnten. Also wandte sich Ogilvie Farquharson an den ehemaligen Präsidenten der Gesellschaft, John Lubbock, der dann auch beim Treffen der Gesellschaft am 7. Juni 1900 diesen Vorschlag vortrug. Die Entscheidung wurde zunächst vertagt auf das nächste Treffen, bei dem dann festgestellt wurde, dass die Charter die Aufnahme von Frauen nicht vorsähe und der Vorschlag deswegen abzulehnen sei.

Diesen ersten beiden Versuchen, Frauen als Mitglieder in der Linnean Society zuzulassen, folgten in den kommenden vier Jahren mehrere weitere Anläufe, bei denen sich Marian Farquharson immer wieder der Unterstützung privilegierter Alliierter bedienen musste – und dennoch auf massive Widerstände stieß. So zog sie den Professor für Naturgeschichte Marcus Manuel Hartog hinzu, der sich im November 1900 beim Rat der Gesellschaft für ihr Anliegen einsetzte, doch diese wiederum ließ durch einen Anwalt ermitteln, dass die Charter in ihrer vorliegenden Form die Aufnahme von Frauen verhindere.

Im April 1901 stellte Ratsmitglied Frederick DuCane Godman und ein weiterer Mann eine Anfrage im Sinne Farquharsons, doch sie erhielten schlicht keine Antwort; der nächste Antrag am 7. November 1901, durch Joseph Reynolds Green, wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Green erneuerte seinen Antrag einen Monat später, am 19. Dezember, mit der Versicherung, eine beträchtliche Anzahl der Mitglieder würden das Anliegen Farquharsons unterstützen. Der Rat der Gesellschaft verlangte einen Beweis für diese Behauptung. Also legte Green im Januar 1902 eine Unterschriftensammlung vor, die endlich etwas in Bewegung setzte: Der Rat der Gesellschaft sandte im darauffolgenden März an alle 740 Mitglieder ein Rundschreiben aus, in dem sie nach ihrer Haltung zur Aufnahme von Frauen befragt wurden. 313 Mitglieder antworteten gar nicht erst, 126 sprachen sich dagegen aus, doch 301 Mitglieder befürworteten diesen Vorstoß.

Dennoch verstrich das Jahr ohne weitere Entwicklung, erst am 15. Januar 1903 fand ein außerordentliches Treffen des Gesellschaftsrates unter Leitung des stellvertretenden Präsidenten statt, bei dem über mögliche Zusätze und Änderungen der Charter abgestimmt wurde. Über den Zusatz, dass Mitgliedschaft „ohne Unterschied des Geschlechts“ möglich sein sollte, wurde gesondert abgestimmt, dabei sprachen sich 54 der Anwesenden dafür und 17 dagegen aus.

Fast ein ganzes weiteres Jahr verging, bevor Ende 1903 ein offizielles Bittgesuch für diese Änderung beim Rat der Gesellschaft eingereicht wurde. Am 8. April 1904 wurde die neue Charter gewährt, die den entscheidenden Zusatz enthielt – doch die neue Satzung, die darauf aufbaute, wurde erst am 3. November 1904 von den Mitgliedern angenommen. Immerhin erfolgte dann bereits innerhalb von zwei Wochen, am 17. November 1904, der Vorschlag, 16 Frauen in die Linnean Society aufzunehmen, darunter Ethel Sargant und selbstverständlich Marian Olgivie Farquharson. Am 15. Dezember 1904 wurden 15 Frauen zu Mitgliedern gewählt und am 19. Januar 1905 offiziell aufgenommen.

Alle vorgeschlagenen Frauen, außer Farquharson.

Es dauerte drei weitere Jahre, bis die inzwischen 62-jährige erneut als Mitglied vorgeschlagen und dann auch aufgenommen wurde. Allerdings ging es der Vorkämpferin, die unzählige Briefe und Anträge an die Gelehrtengesellschaft geschrieben und niemals aufgegeben hatte, inzwischen gesundheitlich sehr schlecht und sie starb am 20. April 1912, ohne ihre Mitgliedschaft in der Gesellschaft zu bestätigen.

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Ebenfalls diese Woche

4. Juli 1868: Henrietta Swan Leavitt
Über diese Astronomin, Teil von ‚Pickerings Harem‘, schrieb ich 2017.

02/2018

1. Februar 1972: Leymah Gbowee
Leymah Gbowee war 17 Jahre alt, als in ihrer Heimat der Erste liberianische Bürgerkrieg ausbrach. Zunächst arbeitete sie als Sozialarbeiterin mit Kindern und Jugendlichen in der Hauptstadt Monrovia. Von ihrer folgenden Tätigkeit beim Gesundheitsministerium stieg sie auf zur Programm-Koordinatorin bei der Aktion „Women in Peacebuilding“; in dieser Funktion organisierte sie die gewaltfreien Proteste der Bewegung Women of Liberia Mass Action for Peace gegen die andauernden kriegerischen Zustände im Land. Die Frauen versammelten sich hierfür, weiß gekleidet, für gemeinsame Gebete und Gesänge.
In einem medienwirksamen Aufruf zitierte sie auch das Lysistrata-Thema und forderte die liberianischen Frauen zu einem Sex-Streik auf, bis die Männer endlich den Gewalttätigkeiten ein Ende setzen würden.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges war Gbowee designiertes Mitglied der Wahrheit und Versöhnung in Liberia. Anschließend arbeitete sie, schließlich als Executive Director, im Women Peace and Security Network Africa.
2011 erhielt sie gemeinsam mit ihrer Landsmännin Ellen Johnson Sirleaf und Tawwakkol Karman (s.u.) den Friedensnobelpreis.

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2. Februar 1929: Vera Chytilovà (honorable mention wegen meiner Sedmikrásky-Rezension)

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2. Feburar 1972: Dana International
DIe israelische Sängerin wurde als Yaron Cohen geboren (assigned male at birth) und wollte schon mit 8 Jahren Sängerin werden, inspiriert von Ofra Hazas Auftritt beim Eurovision Song Context 1983. Seit ihrem 13. Lebensjahr lebt sie als transgender Frau.
Sie gewann 1998 mit dem Song „Diva“ den Eurovision Song Contest, gegen den Widerstand einiger streng religiöser Gruppen in Israel, die einen konservativeren Vertreter ihres Landes lieber gesehen hätten.

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7. Februar 1979: Tawwakkol Karman
Die Tochter des Justizministers unter dem jemenitischen Präsidenten Salih war familiär auf politisches Interesse geprägt. Bereits ihr Vater hielt nicht mit Kritik an der Regierung zurück. Karman wurde zunächst Journalistin und beschäftigte sich als solche kritisch mit Kinderehen im Jemen. Sie war Mitbegründerin und Leiterin der Vereinigung Journalistinnen ohne Ketten (Women Journalists Without Chains, WJWC), setzte sich für Frauenquoten und gegen den traditionellen Gesichtsschleier ein.
Nachdem sie der jemenitischen Regierung schon seit 2006 mit einem regiekritischen SMS-Nachrichtendienst negativ aufgefallen war, organisierte sie im Aufkommen des arabischen Frühlings Studentendemonstrationen gegen Salih. Als sie verhaftet wurde, kam es zu Massenprotesten und sie wurde rasch wieder freigesetzt, nur um später wieder inhaftiert zu werden, nachdem sie am 3. Februar den „Tag des Zorns“ ausgerufen hatte.
2011 wurde Tawwakkol Karman die erste Frau aus dem arabischen Raum und mit 32 Jahren die jüngste Frau, der der Friedensnobelpreis verliehen wurde, gemeinsam mit Leymah Gbowee und Ellen Johnson Sirleaf.

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12. Februar 1905: Federica Montseny (honorable mention wegen meiner eigenen politischen Neigung)

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14. Februar 1964: Patricia Acioli
Acioli war eine brasilianische Richterin, die sich besonders mit Korruption in der Polizei befasste. Sie wurde am 11. August 2011 vor ihrem Haus von zwei Männern mit mindestens 16 Schüssen ermordet.
Am 30. Januar 2013 wurden drei Polizisten zu jeweils über zwanzig Jahren Haft für die Tat verurteilt; sie hatten Ermittlungen gegen sich selbst verhindern wollen.

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19. Februar 1986: Marta
Die fünfmalige Weltfußballerin (2006-2010) begann mit 14 Jahren gegen den Willen ihrer Familie mit dem Spielen. Mit 18 wechselte sie von einem Verein in Rio de Janeiro zu Umeå in Schweden. Dort spielte sie von 2004 bis 2008, dann führte sie ihr Weg unter anderem nach Los Angeles, New York und später zurück nach Schweden. Inzwischen spielt sie für Orlando Pride.
Die flexible Stürmerin ist dribbelstark und schafft die Balance zwischen eigener Torgefährlichkeit und dem mannschaftsdienlichen Spiel.

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24. Februar 1942: Gayatri Chakravorty Spivak
Die indische Sprach- und Literaturwissenschaftlerin wurde in den 1970ern bekannt durch ihre Übersetzung, aus dem Französische ins Englische, der Sprachtheorie „De la grammatologie“ von Jacques Derrida.
Sie war in Indien geboren und hatte an der Universität in Kalkutta einen Abschluss gemacht, um anschließend unter großen finanziellen Opfern in England zunächst Englische Literatur, dann Vergleichende Literaturwissenschaften zu studieren. Nachdem sie einige ihren Unterhalt als Englischlehrerin verdient hatte, wurde sie Assistant Professor in Iowa und machte gleichzeitig ihre englischen Universitätsabschlüsse zur Literatur Yeats‘.
In den 1980ern schloss sie sich dem Subaltern Studies Collective an, das sich mit der postkolonialen Welt und Perspektiven der Marginalisierten befasst. Spivak als Dekonstruktivistin kritisiert den Ethnozentrismus und arbeitet heraus, wie die Marginalisierten durch die „Wissensproduktion“ der westlichen Intellektuellen sprachlos oder ungehört und unverstanden bleiben. Sie verweist außerdem darauf, wie Privilegien im postkolonialen System die Privilegierten selbst von neuem Wissen abgehalten werden: „Unlearning one’s privileges as one’s loss.“ Kritisches Hinterfragen der eigenen Positionen und Glaubenssätze kann das Mittel sein, als Privilegierter das herrschende System zu überwinden.
Pivak prägte auch den Begriff des „strategischen Essentialismus“ mit, der die Idee bezeichnet, breit differenzierte Ziele unterschiedlicher Gruppen innerhalb einer Bewegung für ein generelles gemeinsames Ziel zeitweise hintanzustellen, um einen strategischen Vorteil aus der vereinten Schubkraft zu gewinnen.

WEG MIT
§218!