Schlagwort: qiu jin

45/2017: Qiu Jin, 8.11.1875

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Über Qiu Jin habe ich bereits 2013 einmal geschrieben – aber damals nur unter einem Aspekt. Deshalb bin ich heute so frei, mit veränderten Vorzeichen, sie noch einmal vorzustellen.

In einer höheren Beamtenfamilie in Xiamen großgezogen, mit einer für Mädchen außergewöhnlichen Bildung im Lesen und Schreiben, aber auch körperlichen Betätigungen wie Reiten, wurde Qiu Jin mit 21 Jahren dennoch mit einem Mann verheiratet, mit dem sie nicht glücklich werden konnte.

Nach acht Jahren und zwei Kindern brach sie aus, versetzte ihren Schmuck und ging nach Japan, um zu studieren und Lehrerin zu werden. Während des Studiums kam sie in Kontakt mit den Geheimgesellschaften, die den Sturz der mandschurischen Qing-Dynastie in China vorbereiteten. Sie reiste in den kommenden zwei Jahren zwischen Japan und China hin und her, war an der Gründung einer rein weibliche Abteilung der revolutionären Organisation beteiligt und erlernte Kampfkunst und die Herstellung von Sprengstoffen.

Sie schrieb ein Manifest über die Unterdrückung der Frauen durch die arrangierte Ehe und die Tradition der Lotusfüße – sie selbst hatte bereits aufgehört, ihre Füße zu binden. Dank des Erfolgs dieses Manifests konnte sie sich auch als Journalistin und Rednerin etablieren. Schließlich übernahm sie die Leitung einer Sportlehrer-Akademie in Shaoxing, die jedoch nur ein Deckmantel war für die Ausbildung einer revolutionären Armee, mit der die Qing-Regierung gestürzt werden sollte.

Nachdem ihr Cousin Xu Xilin En Ming, den Mandschu-Gouverneur der Provinz Anhui, ermordet hatte, wurden er und Qiu Jin verhaftet und ihr geplanter Aufstand verhindert. Ihre Schriften wurden als Beweismittel für ihre aufrührerische Tätigkeit gegen sie verwandt, sie wurde verurteilt und kurz darauf, im Alter von 32 Jahren, geköpft. Heute ist sie eine etwas an den Rand geratene chinesische Nationalheldin der Volksrepublik China.
Dass sie auch Gedichte schrieb, gerät vor diesem politischen Treiben in den Hintergrund. Hier ein Versuch meinerseits, einen ihrer Texte (Quelle: Wikipedia, siehe unten) aus dem Englisch zu übersetzen:

Sonne und Mond geben kein Licht mehr, die Erde liegt im Dunkeln;
Unserer Frauen Welt ist so tief versunken, wer kann uns helfen?
Den Schmuck verkauft für diese Reise über das Meer,
Von meiner Familie verstoßen, verlasse ich mein Heimatland.
Mit der Befreiung meiner Füße reinige ich mich vom Gift tausender Jahre,
Mit erhitztem Herzen entfache ich den Geist aller Frauen.
Jedoch, dies zarte Tuch
Ist befleckt halb mit Blut, und halb mit Tränen.

*

Wiki english
I’ve written about Qiu Jin in 2013 already – but only in German and with a specific focus. So today I’m allowing myself to present her once more under a different aspect.

Raised in the family of a well-to-do civil servant in Xiamen, with an education in literacy uncommon for girl, but also in physical activities such as hirse-riding, Qiu Jin was nonetheless given into marriage with a man with whom happiness was unobtainable.

After eight years and two children she ran away, pawned off her jewelry and went to Japan to study towards becoming a teacher. During her time at university she came in contact with the secret societies that where preparing the downfall of the Manchurian Qing dynasty in China. In the following two year she traveled between Japan and China, participated in the founding of an all-female revolutionary organisation and learned martial arts and how to manufacture explosives.

She wrote a manifesto on the oppression of women by arranged marriage and the tradition of bound feet – she herself had already stopped binding her feet. Thanks to the success of this manifesto she was able to establish herself as a journalist and orator. Finally she took the position as head mistress at an academy for gym teachers, which actually was a cover for the formation of a revolutionary army to topple the Qing government.
After her cousin Xu Xilin had assassinated En Ming, the Manchu gouverneur of the Anhui province, he and Qiu Jin were arrested and their planned uprising was thwarted. Her writings were held against her as proof of her inflammatory activities, she was sentenced and beheaded shortly after, at the age of 32. Today she is a slightly marginalised national hero of the People’s Republic of China.

The fact that she also wrote poetry is overshadowed by her political actions. Here’s a poem of hers translated to English (source: Wikipedia):

日月无光天地昏,
沉沉女界有谁援。
钗环典质浮沧海,
骨肉分离出玉门。
放足湔除千载毒,
热心唤起百花魂。
可怜一幅鲛绡帕,
半是血痕半泪痕。
Sun and moon have no light left, earth is dark;
Our women’s world is sunk so deep, who can help us?
Jewelry sold to pay this trip across the seas,
Cut off from my family I leave my native land.
Unbinding my feet I clean out a thousand years of poison,
With heated heart arouse all women’s spirits.
Alas, this delicate kerchief here
Is half stained with blood, and half with tears.

There’s a more detailed biography on Don Tow’s Website.

KW 45/2013: Qiu Jin, 8. November 1875

Qiu Jin

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Qui Jin gilt als Martyrerin der Revolution gegen die Quing-Dynastie und der Frauenbewegung in China. Sie hatte das Glück, in einem Haushalt aufzuwachsen, in dem sie nicht nur intellektuell, sondern auch im physischen Ausdruck gefördert wurde.

Unter ihren Errungenschaften als Revolutionärin sticht für mich – als in fernöstlicher Politik nicht Versierte – vor allem der erfolgreiche Kampf gegen die Lotosfüße hervor. Diese sind ein Beispiel für die Perversionen, die archaische Schönheitideale hervorbringen – natürlich als Leidtragende wie so oft die Frauen. Beginnend wahrscheinlich mit einer Konkubine des Kaisers Li Yu im 10. Jahrhundert, die ihre Füße zunächst nur zum Tanzen bandagierte, setzte sich die verkrüppelnde Tradition bis ins 20. Jahrhundert fort, mit Qui Jins Einsatz in organisierten Elterngruppen als entscheidende Maßnahme.

Neugierige mit starken Nerven/Magen können sich die Praxis auf Wikipedia anschauen. Das lange Elend kurz gefasst: Kleinen Mächen zwischen 4-7 wurden die Zehen außer dem großen gebrochen und unter den Fuß gebunden, ebenso wurde die Ferse mit Bandagen, die bis zu täglich gewechselt werden mussten, zum vorderen Ballen hin gebunden. Ziel war eine Fuß“größe“ von 7cm. Je kleiner die Füße, desto schöner – allerdings auch: desto weniger beweglich die Frau. Ans Haus gefesselt zu sein und sich nur in Trippelschritten vorwärtsbewegen zu können, wurden – wie sollte es anders sein – zum auserkorenen Ideal und sexuellem Merkmal. Glücklich die Frauen, die aus armen Familien stammten, in denen jeder Fuß, egal welchen Geschlechts, für die Arbeit benötigt wurde. Achja, schlecht riechen tat es auch, weshalb die Bandagen auch nachts nicht abgenommen wurden – sonst wäre der Geruch zu streng geworden. Die Füße auszupacken hätte schließlich auch die erotische Fantasie zerstört – ein Lotusfuß sieht nur verhüllt „schön“ aus. Die schmerzliche Realität konnten meist nicht mal die Fetischisten verkraften.

Der wackelige Gang, der als Resultat der gebunden Füße als erotisierend galt, ist übrigens verwandt mit der unsicheren Balance, die hochhackige Schuhe mit sich bringen. Machen wir uns nichts vor: Auch bei uns kann eine Frau mit festem Stand nicht leicht zum Lustobjekt werden.

Bild: By Unknown, Public Domain

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