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32/2020: Mary G. Ross, 9. August 1908

Mary Golda Ross (Link Englisch) kam als zweites von fünf Kindern in Oklahoma zur Welt, als Urgroßenkelin des Cherokee-Chiefs Koo-wi-s-gu-wi John Ross, der sich zunächst dem Druck der US-amerikanischen Regierung zur Umsiedlung der Ureinwohner widersetzte, seine erste Ehefrau auf dem Trail of Tears verlor und später in Oklahoma die Cherokee Nation of Oklahoma mit aufbaute. Da Mary G. Ross begabt war, lebte sie in während ihrer Kindheit bei ihren Großeltern in Tahlequah, der Hauptstadt des Cherokee County, um dort die Grundschule und eine weiterführende Schule zu besuchen. Mit 16 Jahren schrieb sie sich am dortigen Northeastern State Teachers‘ College und machte vier Jahre später ihren Bachelor-Grad in Mathematik. Während der Wirtschaftkrise in den USA Ende der 1920er Jahre unterrichtete sie Mathematik und Naturwissenschaften in Schulen im ländlichen Oklahoma. Mit 28 legte sie eine Prüfung zur Staatsdienerin ab und arbeitete als Statistikerin und als Berufsberaterin an Schulen in New Mexico. In ihrer Zeit als Lehrerin hatte sie nebenher Kurse am Colorado State Teachers‘ College (heute University of Northern Colorado) in Mathematik besucht und „jeden Astronomie-Kurs, den sie hatten“. 1938, mit 30 Jahren, legte sie dort ihre Prüfungen für den Master of Science ab.

Nachdem die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren, zog Ross auf Anraten ihres Vaters nach Kalifornien, weil dort die Chancen auf (anspruchsvollere) Arbeit besser standen. Tatsächlich wurde die 34-jährige im Folgejahr beim Luft- und Raumfahrtunternehmen Lockheed als Mathematikerin eingestellt. Sie arbeitete hier unter anderem an der Lockheed P-38 Lightning, eines der schnellsten Flugzeuge dieser Zeit. Es konnte im Reiseflug eine Geschwindigkeit von mehr als 640 km/h erreichen, Ross trug zur Lösung einiger Probleme im Hochgeschwindigkeitsflug und an der Aeroelastizität bei.

Mary G. Ross wusste schon damals, dass sie lieber an Raumfahrt-Projekten hätte arbeiten wollen, sprach jedoch nicht darüber, da sie meinte, ihre Glaubwürdigkeit (bei der Arbeit an Luftfahrt-Projekten) wäre hinterfragt worden. Dabei arbeitete Ross oft mit einigen anderen Kollegen bis 23 Uhr an der Forschung, ihre Instrumente dabei waren der Rechenschieber und der Friden-Computer.

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, entsandte Lockheed Mary G. Ross zur Fortbildung als Ingenieurin, sie studierte erneut, dieses Mal Mathematik für moderne Ingenieurwissenschaft, Aeronautik sowie Raketen- und Himmelsmechanik. So spezialisiert, wurde sie 1952 gebeten, an den so genannten Skunk Works mitzuarbeiten, bei denen im Geheimen von wenigen Mitarbeitern an radikalen Innovationen gearbeitet wurde. In diesem Rahmen war Mary G. Ross an diversen Projekten beteiligt: An vorläufigen Designs für die Raumfahrt, für Orbitalflüge mit und ohne Besatzung, an Studien für Satelliten sowohl für militärische wie auch zivile Nutzung, an der Agena-Rakete sowie an vorläufigen Sondendesigns für Vorbeiflüge an Mars und Venus.

1958 trat sie in What’s My Line auf, der US-Vorlage für Robert Lemkes ‚Was Bin Ich‚. Davon gibt es wunderbarerweise einen Clip bei YouTube.

Mary G. Ross bei What’s My Line

Ende der 1960er Jahre wurde Ross in die Senior-Position befördert und arbeitete an der Mittelstreckenrakete UGM-27 Polaris und deren Nachfolgern. Mit 65 Jahren setzte sie sich 1973 zur Ruhe, setzte sich jedoch weiterhin ehrenamtlich in der Jugendarbeit ein, vor allem, um den Ingenieurberuf für Jugendliche der Amerikanischen Ureinwohner im Allgemeinen und Mädchen im Speziellen. Diese Aufgabe hatte sie bereits in ihrer Funktion als Staatsdienerin übernommen, seit den 1950ern war sie Mitglied der Society of Women Engineers, die ebenso für die Geschlechterparität im Ingenieursberuf aktiv ist.

2004 nahm die inzwischen 96-jährige an den Eröffnungsfeierlichkeiten des National Museum of the American Indian teil, sie trug dafür ihr erstes traditionelles Cherokee-Kleid aus Kaliko, das ihre Nichte für sie geschneidert hatte. Vier Jahre später starb Ross und hinterließ dem Museum $400.000,-, zu diesem Anlass schrieb die Cherokee Phoenix einen anekdotenreichen Nachruf.

Vergangenes Jahr (2019) war Mary G. Ross auf der Rückseite des Sacagawea-Dollar abgebildet, mit dem die Vereinigten Staaten an die Geschichte ihrer Ureinwohner erinnert. Eine Biografie, Einblicke in ihre Arbeit sowie in den Prozess des Münzdesigns bietet dieser Artikel auf der Webseite des National Museum of the American Indian.

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Ebenfalls diese Woche

4. August 1932: Frances E. Allen
Die Informatikerin und Spezialistin für Compiler erhielt 2006 als erste Frau den Turing Award und war die erste weibliche IBM Fellow.

5. August 1946: Shirley Ann Jackson
Über diese Physikerin schrieb ich 2015.

6. August 1830: Elizabeth Brown (Link Englisch)
Als Quäkerin gleichberechtigt erzogen und gebildet, war die britische Astronomin eine zentrale Figur in der Gründung der British Astronomical Association 1890, die von vorneherein Frauen als Mitglieder zuließ, anders als die Royal Astronomical Society (dort wurde bei gleichem Gründungsjahr erst 1915 die erste Frau als Mitglied gewählt). Sie leitete bis zu ihrem Tod 1899 die Abteilung für Sonnenbeobachtung der Vereinigung.

7. August 1735: Claudine Picardet (Link Englisch)
Universalgelehrte und Übersetzerin wissenschaftlicher Schriften, trug sie im frühen 19. Jahrhundert dazu bei, Paris und Dijon zu Zentren der Wissenschaft zu machen.

7. August 1907: Lucy Cranwell (Link Englisch)
Die neuseeländische Botanikerin leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Palynologie.

9. August 1861: Dorothea Klumpke
In den USA geborene Tochter deutscher Einwanderer, studierte Klumpke in Paris an der Sorbonne Astronomie. Sie setzte sich bei der Bewerbung um die Leitung für das Carte-du-Ciel-Projekt gegen 50 männliche Konkurrenten durch; sie war auch die erste Frau, die astronomische Beobachtungen (der Leoniden) von einem Ballon aus machte und die erste Frau in Frankreich mit einem Doktorgrad in Mathematik.

45/2019: Barbara Liskov, 7. November 1939

Barbara Liskov, geboren in Los Angeles, studierte an der University of California, Berkeley Mathematik als Haupt- und Physik als Nebenfach (als eine von zwei Frauen im Jahrgang). Mit ihrem frisch erworbenen Bachelor-Grad bewarb sie sich 1961 an der gleichen Universität sowie in Princeton für ein vertiefendes Studium (graduate) in Mathematik. Princeton akzeptierte zu dieser Zeit noch keine weiblichen Studentinnen, in Berkeley hätte sie das Studium fortführen können, doch – wie sie im Video unten sagt – fühlte sie sich noch nicht bereit dafür, und entschied sich stattdessen dafür, sich eine Stelle zu suchen. Obwohl sie „nicht einmal wusste, dass es Computer gab“, wurde sie als Programmiererin eingestellt – da es in diesen frühen Zeiten der Comput-er noch keine Programmierer mit abgeschlossenem Studium gab, wurde jede:r, di_er das geringste Interesse oder Talent zeigte, für diese Tätigkeit eingestellt.

Sie wurde damit beauftragt, ein Programm in FORTRAN zu schreiben, was sie erfolgreich ausführte. Im Laufe eines weiteren Projekts beschloss sie, in diesem Bereich ihr Studium weiterzuführen. In ihren eigenen Worten (s.u.): „Ich stellte fest, dass ich einen Bereich gefunden hatte, der mir wirklich gefiel, und in dem ich wirklich gut war. (…) Ich hatte mir alles selbst beigebracht und obwohl ich sehr schnell lernte, dachte ich, ich könnte noch viel schneller lernen.“

Sie ging nach Stanford und war eine von wenigen, die dort in Studienfach der IT in diesem Jahr zugelassen wurden. Sie schrieb ihre Doktorarbeit dort über die Endspiel-Phase in Schach-Computerspielen. Nach Erlangen ihres Doktortitels schritt sie im Bereich der Informatik stetig weiter voran, war an der Entwicklung mehrerer Progrmmiersprachen beteiligt (CLU und Argus) und arbeitete an „objekt-orientierten Programmierungen“. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jeannette Wing formulierte sie 1987 das nach ihr benannte Liskovsche Substitutionsprinzip. Das Kreis-Ellipse-Problem erläutert lebensnah(er), was genau die Problemstellung und die Lösung sind.

2008 erhielt Liskov für ihre Arbeit in diesem Bereich den Turing Award, sie erhielt außerdem 2004 die John-von-Neumann-Medaille und 2018 den Computer Pioneer Award. Sie erhielt den Ehrendoktortitel der ETH Zürich und ist Mitglied der National Academy of Engineering, Sciences und Arts and Sciences.

Im TED-Talk, den ich hier unten eingebettet habe, erzählt sie sehr anschaulich von ihrer eigenen beruflichen Entwicklung und der der Technik, nicht ohne den einen oder anderen Hinweis auf das Sexismus-Problem in ihrer Branche und der Welt im Ganzen.

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