Frances Gertrude McGill (Link Englisch) war die Tochter zweier Kanadier irischer Abstammung; ihre Mutter, eine Lehrerin, hatte zwischen zwei Anstellungen als Lehrerin (eine in Kanada, eine in Neuseeland) einmal die Welt umrundet. Frances hatte zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester.
Als sie 17 Jahre alt war, tranken ihre Eltern auf einer Marktveranstaltung Mitte des Jahres typhusverseuchtes Wasser und starben beide im Laufe des Septembers 1900 binnen zehn Tagen an den Folgen der Infektion. Ihr ältester Bruder musste die Farm weiterführen, bis alle McGill-Geschwister die Schule abgeschlossen hatten. Frances machte zunächst eine Ausbildung zur Lehrerin, um sich ein akademisches Studium finanzieren zu können; hatte sie anfangs ein Jurastudium ins Auge gefasst, entschied sie sich schließlich doch für die Medizin. Sie erreichte dabei so gute Noten, dass sie sich den Großteil des Studiums mit Stipendien finanzieren konnte, und machte 1915, mit 33 Jahren, ihren Doktortitel der Medizin mit mehreren Auszeichnungen an der University of Manitoba. Damit war sie unter den ersten weiblichen Studentinnen, die dort diesen Abschluss erreichten. Sie absolvierte ein Praktikum am Winnipeg General Hospital und besuchte danach ein Aufbauprogramm im Landeslabor von Manitoba, wo sie eine Ausbildung in der Pathologie machte.
Da sie eine wachsende Expertise in Bakteriologie vorweisen konnte, wurde McGill 1918 zur Bakteriologin des Gesundheitsamtes von Saskatchewan berufen. Sie zog nach Regina, der Provinzhauptstadt, und arbeitete in einem Büro mit angeschlossenem Labor im Gerichtsgebäude der Provinz Saskatchewan. In dieser Funkion war sie unter anderem verantwortlich für die dortigen Maßnahmen des Gesundheitsamtes zur Zeit der Spanischen Grippe; möglicherweise war sie an der Entwicklung von Impfstoffen (Link Englisch) beteiligt (der Wikipedia-Beitrag behauptet jedenfalls, sie habe für mehr als 60.000 Saskatchewans Impfungen bereitsgestellt – dies waren wahrscheinlich Impfungen nicht gegen den Virus selbst, sondern gegen drei verschiedene Bakterien, die den Verlauf als Sekundärinfektionen tödlicher machten). Auch das Eindämmen der Geschlechtskrankheiten, mit denen die kanadischen Soldaten des Ersten Weltkrieges in großer Zahl nach Hause zurückkehrten, waren ihre Aufgabe.
1920 wurde Frances McGill zur Leitenden Pathologin der Provinz Saskatchewan ernannt, eine Position, die sie in den folgenden 22 Jahren innehaben sollte. Zwei Jahre später übernahm sie auch die Leitung des Labors der Provinz und arbeitete in dieser Funktion nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit der nationalen Royal Canadian Mounted Police (RCMP) zusammen. In deren Auftrag untersuchte McGill Todesfälle mit ungeklärter oder verdächtiger Todesursache, und reiste dafür viel und in zum Teil extrem abgelegene Gebiete; so erreichte sie ihren Einsatzort einige Male mit dem Schneemobil dem Hundeschlitten oder Wasserflugzeugen; bis zu 43 Fälle untersuchte sie im Jahr und kam sogar bis in den nördlichen Polarkreis. Sie erarbeitete sich den Ruf einer fachkundigen und sorgfältigen Kriminologin und wurde bekannt als `Sherlock Holmes of Saskatchewan´, auch wenn sie bei der Polizei vor allem `Doc´ genannt wurde. Den grausamen und tragischen Inhalten ihrer Arbeit hielt sie mit einem unerschütterlichen Sinn für Humor stand. Ihr Motto soll gelautet haben `Denke wie ein Mann, benimm dich wie eine Dame und arbeite wie ein Tier.´(`Think like a man, act like a lady, and work like a dog.´) Quelle: Wiki Englisch)
Vor Gericht trat McGill als eindrucksvolle, sachliche Zeugin auf – wenn sie wohl auch einen Hang zur Dramatik hatte*. Mit dem damaligen Strafverteidiger und späteren Premierminister Kanadas John Diefenbaker lieferte sie sich zum Teil eindrucksvolle Wortgefechte. „Stellen Sie mir vernünftige Fragen, Mr. Diefenbaker, und ich gebe Ihnen vernünftige Antworten!“, soll sie einmal zu ihm gesagt haben. (Als grundsätzlich konservativ eingestellte Person unterstützte sie später jedoch Diefenbakers Wahlkampf und Politik.)
Während der Weltwirtschaftskrise stellte sie ihr Talent unter Beweis, mit begrenzten Mitteln effektiv zu arbeiten – sie führte Labortests im Wert von 122.000$ aus, schaffte es jedoch, die Kosten jedoch unter 17.000$ zu halten. Mit Überstunden und Mehrarbeit am Wochenende unterstützte sie in den 1930er Jahren die RCMP dabei, ein erstes eigenes Forensiklabor einzurichten. Als dieses 1937 dann offiziell eröffnet werden sollte, wurde ihr – trotz ihrer offensichtlichen Eignung dafür – nicht die Rolle der Direktorin angeboten. Da das Labor ihr jedoch stattdessen einiges an Arbeit als Pathologin und Kriminologin abnahm, widmete sie sich anderen Gebieten, etwa der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Kinderlähmung. Außerdem spezialisierte sie sich auf Allergien und eröffnete in ihrer Wohnung eine Privatklinik für Allergiker, mit Öffnungszeiten nach den regulären Arbeitszeiten (`after hours´).
Mit 60 Jahren setzt sie sich 1942 von ihrer Position als Leitender Pathologien der Provinz Saskatchewan zur Ruhe; in ihrer Laufbahn hatte sie bis dahin um die 64.000 Laboruntersuchungen durchgeführt. Sie reiste und traf sich mit Freunden, nur ihre Allergieklnik betrieb sie weiterhin. Nur wenige Monate nach ihrem Abschied vom Gesundheitsamt hob sie ein Projekt aus der Taufe, um Vorschulkinder in Saskatchewan taufen zu lassen, das in der ganzen Provinzhauptstadt Impfkliniken ins Leben rief.
Im Folgejahr starb der bisherige Direktor des Forensischen Labors der RCMP bei einem Flugzeugunglück, woraufhin die Postition nun doch an McGill herangetragen wurde. Sie akzeptierte dieses Angebot würdevoll, begrenzte ihre Arbeitszeit jedoch auf Teilzeit, um ihre Nachmittage weiterhin den Allergikern in ihrer Privatklinik zur Verfügung zu stehen. Für die RCMP untersuchte sie nun wieder ungeklärte Todesfälle in Saskatchewan, sie hielt aber auch Lesungen und Trainings für junge Polizisten und Kriminalbeamte ab. Dabei zeigte sie ihnen, wie sie Blutspuren identifizieren, Tatorte analysieren und Spuren und Beweise sammeln sowie fachgerecht lagern konnten. Sie gab ihren Trainingsteilnehmern mit: „Glauben Sie nicht alle Sterbeurkunden, die Sie sehen. Es gibt keinen Grund, warum ein herzkranker Mann nicht auch an Strychnin-Vergiftung gestorben sein kann.“
Bis Anfang 1946, sie war inzwischen 64 Jahre alt, war McGill schließlich in Pension gegangen. Im Januar dieses Jahres wurde sie von der RCMP zum Honorary Surgeon (Ehren-Chirurg) ernannt – sie war die erste Frau mit diesem Titel und die erste Ärztin, die öffentlich als Mitglied der RCMP anerkannt wurde. Sie setzte sich jedoch mitnichten gänzlich zur Ruhe, sondern blieb der RCMP als Beraterin erhalten und bot weiterhin Lesungen an und nahm Prüfungen ab. Ihre Unterrichtsunterlagen waren so wohlformuliert, dass sie 1952 als Lehrbuch herausgegeben wurden. Da ihr Ruf ihr nicht nur in Kanada, sondern auch Übersee Aufmerksamkeit eingebracht hatte, durfte sie bei einem Besuch in London im gleichen Jahr sogar die Forensischen Labors des Scotland Yard inspizieren.
Noch 1956 schrieb ein US-amerikanisches Detektiv-Magazin eine Geschichte über sie, woraufhin ein Brief aus New York sie erreichte: Eine Frau bat sie um Aufklärung des Todes ihres Bruders. McGill wurde selbst nicht mehr aktiv, half der Frau jedoch, indem sie ihr Ratschläge gab, wie sie das FBI zu einer Exhumierung des Leichnams bringen konnte.
Nach einer Brustkrebsdiagnose und einer Rippenfellentzündung starb Frances Gertrude McGill am 21. Januar 1959 mit 77 Jahren. Ein See nördlich des Athabascasees ist nach ihr benannt.
*Mit der Obduktion von Leichen ungeklärter Fälle überführte sie zahlreiche Täter, sprach jedoch auch einige Unschuldige frei. Weil ich typischerweise ein Faible für derartige Details habe, hier auch die drei Fälle, die der Wikipedia-Beitrag näher schildert.
Im `Lintlaw case´untersuchte sie den Tod eines Farmers, der mit einer Schusswunde aufgefunden worden war. Blutspuren im Raum und die Tatwaffe, die in einem Silo gefunden wurde, wiesen auf Mord hin; ein Nachbar wurde verhaftet, der Blutspuren an seiner Kleidung nicht zufriedenstellend erklären konnte. McGill untersuchte die Leiche des Farmers genauer als der städtische Arzt und stellte aufgrund des Eintrittswinkels des Geschosses fest, dass der Mann Selbstmord begangen haben könnte. Anhand seines Mageninhaltes bewies sie, dass er tatsächlich nach dem Schuss noch lange genug gelebt hatte, um Blutspuren im Haus zu verteilen und die Waffe selbst zu verstecken. Ihr Widerspruch gegen den ersten Verdacht führte dazu, dass die Polizei auch aufklärte, dass der Mann an Depressionen gelitten und Waffe und Munition kurz vor seinem Tod selbst gekauft hatte. Mit diesem Fall machte sich McGill einen Namen bei der RCMP und wurde anschließend regelmäßig zur Untersuchung rätselhafter Tode hinzugezogen.
Der `Northern Trapper case´1933 war ein umgekehrter Fall, in dem ein Trapper verschwand. In seiner Hütte fanden sich Blutspuren und eine Kugel, die in die Holzbohlen der Wand eingedrungen war. Sein ehemaliger Partner wurde eineige Zeit später verhaftet, der auch zugab, den Mann erschossen zu haben, allerdings nicht mit Absicht. Die Überreste des Toten wurden gefunden und McGill setzte den zertrümmerten Schädel wieder zusammen. Dabei fand sie heraus – anhand des Eintrittswinkels des Geschosses und schwarzer Pulverspuren am Knochen – dass der Mann im Schlaf mit aufgesetzter Waffe erschossen worden war. Den Schädel holte sie bei ihrer Aussage vor Gericht aus ihrer Handtasche, was bei den Anwesenden für einiges Aufsehen sorgte. Ein Gerichtsreporter schrieb über sie, dass sie manches Mal die Beweisstücke mit der `Dramatik eines Magiers´zum Vorschein brachte.
Im `South Poplar case´ schließlich konnte sie den Verdacht auf Mord abweisen – ein Mann war erfroren aufgefunden worden, doch auch mit eingeschlagenem Schädel. Bei ihrer Unterscuhung des Schädels fand McGill jedoch heraus, dass der Mann an Rachitis (CN Bilder) gelitten hatte. Die Aussage eines Fernfahrers, der mit dem Mann Alkohol getrunken hatte, fügte das letzte Puzzleteil ein: Der Tote war erfroren, durch den Alkoholkonsum war vor seinem Tod die Blutzufuhr zum Kopf verstärkt worden, und in der eisigen Kälte hatte sich das Blut im Schädel ausgedehnt. Der von Rachitis geschwächte Knochen hatte dem Druck nicht standhalten können, sodass der Schädel geradezu geplatzt war – nachdem der Mann bereits den Kältetod erlitten hatte.
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Ebenfalls diese Woche
19. November 1845: Agnes Giberne (Link Englisch)
Diese Autorin des viktorianischen England schrieb 130 Bücher, darunter mehrere Kinderbücher, die in verschiedene Wissenschaften einführen sollte. Ihr bekanntestes Werk ist Sun, Moon and Stars von 1879, über Astronomie.