Die Eltern von Jamie Lee Hamilton waren beide politisch aktiv: Ihre Mutter Alice, eine Metis-Cree aus der Rocky Boy Reservation in Montana, hatte 1954 das Vancouver Aboriginal Friendship Centre mitgegründet. Ihr Vater, ein irischer Immigrant aus Washington, sprach sich für die Einheit von Irland und Nord-Irland aus und war Gewerkschafter. Gemeinsam waren sie 1967 an der Gründung des Unemployed Welfare Improvement Councils beteiligt.
Hamilton kam in Vancouver zur Welt und besuchte dort die Grundschule und eine weiterführende Schule. Allerdings begann sie ihre Transition zur Frau mit 14 Jahren und wurde dafür gemobbt; sie verließ die Schule und begann als Sexarbeiterin im Vancouver West End zu arbeiten.(1) Später studierte sie an der Capilano University.
Sie war 1970 mit 15 Jahren eine der ersten Jugendlichen in Kanada, die für die damals so bezeichnete gender identity disorder behandelt wurde; mit 28 Jahren unterzog sie sich 1983 geschlechtsangleichenden Operationen. Sie setzte sich von ihrer Jugend an für die Rechte von Homosexuellen, trans* Personen, Sexarbeitenden und Indigenen ein und war in diesen Gemeinschaften sichtbar: 1973 war sie am ersten Pride March in Vancouver beteiligt(1), später war sie Vorstandsmitglied der Greater Vancouver Native Cultural Society, die two-spirit Indigene unterstützt.
1996 kandidierte sie – als erste trans* Person in Kanada – für ein Amt im Stadtrat von Vancouver, jedoch erfolglos. Im Folgejahr öffnete sie Grandma’s House, einen Ort, an dem Sexarbeitende in sicherer Umgebung arbeiten konnten und sie Essen und medizinische Versorgung erhielten; sie berechnete einen kleinen Betrag pro Besuch für Unkosten. Das Haus wurde im Jahr 2000 als ‚Bordell‘ geschlossen und sie für Zuhälterei angeklagt, das Verfahren wurde jedoch ausgesetzt. Im gleichen Jahr erhielt sie mit anderen Aktivistys in Montreal und Toronto ein Stipendium, um eine Erhebung (oder Untersuchung) zu den Zahlen und Folgen von HIV/AIDS unter trans*gender Sexarbeitenden durchzuführen.(1)
Im Jahr nach ihrer ersten Kandidatur machte sie mit einer Aktion vor dem Rathaus auf die große Zahl unklärter Fälle vermisster indigener Frauen aus der Downtown Eastside (Link Englisch) aufmerksam, indem sie 67 Paar hochhackiger Schuhe auf der Treppe zum Eingang niederlegte. Fünf Jahre später wurde ein Serienmörder verhaftet, der zahlreiche Sexarbeitende und Drogensüchtige aus der Downtown Eastside entführt und umgebracht hatte(1,2) (der Fall inspirierte mindestens eine Folge von Criminal Minds)*. Die Tatsache, dass indigene Frauen aufgrund der historischen und soziologischen Umstände noch immer besonders gefährdet sind, entführt und ermordet zu werden – aufgrund sozialer und faktischer Heimatlosigkeit, hohen Drogenabhängigkeitsraten unter Indigenen und ihrer generellen Marginalisierung in der Gesellschaft – und diese unverhältnismäßig vielen Fälle unverhältnismäßig schlecht aufgeklärt werden, hat sich in den vergangenen 30 Jahren leider kaum geändert, wie hier zum Beispiel nachzulesen ist.
Gemeinsam mit der Soziologin Becki Ross rief Hamilton 2008 ein Komittee ins Leben, das die Einrichtung einer Erinnerungsstätte erreichen wollte für die Sexarbeitenden, die in den 1980er Jahren im Zuge der Gentrifizierung aus dem West End von Vancouver vertrieben wurden (Link Englisch) – Hamilton selbst war eine davon gewesen. Diese Vertreibung hatte schlussendlich dazu geführt, dass die Szene in der Downtown Eastside landete. Acht Jahre später konnte schließlich tatsächlich eine Stele enthüllt werden. In einer Fachvorlage des Komittees beschrieb Hamilton die Szene im West End als eine Kultur, in der Sexarbeit nicht zum reinen Überleben ausgeübt wurde; außerdem sei die Gegend eine ‚zuhälterfreie Zone‘ gewesen. „Wenn ein Lude zu uns kam, sagten wir ihm, er solle sich Lippenstift auftragen und Schw*nze lutschen wie wir anderen.“(2, freie Übersetzung von mir) Für ihre Arbeit wurden Hamilton und Ross 2019 mit einem Preis der Canadian Sociological Association ausgezeichnet.
Mitte des Jahres 2019 gelang es Hamilton schließlich, wieder im West End zu leben. Leider starb sie im Dezember desselben Jahres an Krebs.
Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) The Canadian Encyclopedia
(2) Straight