Kategorie: Bildhauerei

47/2023: Erica Malunguinho, 20. November 1981

Die Region Brasiliens, in der Erica Malunguinho geboren wurde und aufwuchs, ist geprägt von der Kultur aus Afrika nach Südamerika verschleppter Sklaven. In Recife, Hauptstadt der Provinz Pernambuco im Nordosten des Landes, machen PoC einen Großteil der Bevölkerung aus; Água Fria, der Stadtteil, in dem Malunguinhos Familie lebte, ist eine vornehmlich von Schwarzen bewohnte Nachbarschaft. Ihre Mutter war gebildet und arbeitete als Krankenpflegerin, sie sorgte auch für Ericas gute Ausbildung. Die Musik und Ästhetik des Jurema Sagrada* hatte starken Einfluss auf Malunguinhos künstlerische Entwicklung. Gleichzeitig erlebte sie nicht nur Rassismus, sondern auch Colorismus – hierarische Abwertung innerhalb der Schwarzen Gemeinschaft aufgrund dunklerer Haut.


*Jurema ist eine in Brasilien heimische Akazienart, die in diesem Kult als heilig (‚sagrada‚) gilt; der Baum liefert mit Holz und Blättern Baumaterialien, und Getränke, Aufgüsse und Salben aus seinen Bestandteilen werden für rituelle Handlungen verwendet. Die Religion vereint den Naturglauben der indigenen brasilianischen Bevölkerung mit der afrikanischen Religion der Yoruba sowie dem Katholizismus.


Nach der weiterführenden Schule ging Malunguinho nach São Paulo. Die räumliche Veränderung und das Studium der Kunstgeschichte und der Ästhetik gehörten zu einer Befreiung, bei der sie auch ihre Genderidentität erkannte und akzeptierte. Sie begann ihre Transition und wählte ihren Namen: ‚Malungo‘ ist ein Bantu-Wort, das eine*n Reisegefährt*in bezeichnet, ‚-inho‚ ist die portugiesische Verniedlichungsform.

Bereits während ihres Studiums bezog Malunguinho ein Studio im Stadtbezirk Campos Eliseos, von dem aus sie als Künstlerin in vielen Kunstformen tätig ist; im Laufe der Zeit baute sie ihr Studio zu dem Kulturzentrum ‚Aparelha Luzia‚* aus, in dem vornehmlich Schwarze Kunst, Unterhaltung und Politik zusammenkommen. Es dient als safe space für von Diskriminierung Betroffene, sowohl aufgrund der Hautfarbe wie auch der Orientierung und Identität – ein Knotenpunkt für Bildung, Austausch und gegenseitige Unterstützung, frei zugänglich für alle.


*Aparelho waren Zellen des zivilen Widerstand gegen die Militärdiktatur von 1964 bis in die 1980er Jahre; Malunguinhos Kulturzentrum versteht sich als ein solches Zentrum des zivilen Widerstands mit einer weiblichen Basis, weshalb es ‚aparelha‘ heißt. Luzia ist der Name eines der ältesten Skelette, die audf dem Kontinent gefunden wurden, ein Fossil der frühesten Einwohner Südamerikas. Den Brand des Nationalmuseums 2018 überstand zumindest der Schädel und einige Teile ihrer weiteren Überreste.(1)

Malunguinho bezeichnet das ‚Aparelha Luzia‚ auch als ein ‚quilombo‚: Dies waren, zum Teil wehrhafte, Siedlungen geflohener Sklaven in Brasilien, in denen sich eben solche Kulturen wie die der Jurema Sagrada entwickeln konnten. Malunguinho nimmt damit Bezug auf die Fähigkeit und den Willen der maroons, ihre eigene Gesellschaft nach ihrer Tradition und ihren Vorstellungen aufzubauen.


Es war die Ermordung der Politikerin Marielle Franco, die Erica Malunguinho dazu bewegte, sich aktiv politisch zu betätigen. Für die Partido Socialismo e Liberdade (Partei für Sozialismus und Freiheit) trat sie 2018, unterstützt vom Kollektiv des ‚Aparelha Luzia‚, für die Parlamentswahlen für den Bundesstaat São Paulo an und gewann einen Platz, am gleichen Tag, an dem Jair Bolsonaro zum Präsidenten des Landes gewählt wurde. (1) Sie war die erste trans* Frau, die in Brasilien in ein Parlament gewählt wurde. Ihr politisches Programm richtet sich vor allem gegen Rassismus und die Diskriminierung von Menschen in der LGBTQIA+Gemeinschaft, außerdem hat sie es sich zum Ziel gesetzt, Obdachlosigkeit zu bekämpfen, Opfern von sexueller Gewalt eine bessere Versorgung in Krankenhäusern zu ermöglichen und den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erleichtern. Malunguinho möchte dem Publikum in ihrem quilombo auch verdeutlichen, dass das Private politisch ist und dass die Bevölkerung die Politik mitgestalten kann.(1)

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Interview mit Erica Malunguinho „Queer sein in Brasilien ist ein Akt der Rebellion“

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) The Nation

51/2019: Mutsumi Aoki, 16. Dezember 1959

Geboren in Saitama in Japan, lebt Mutsumi Aoki heute in Düsseldorf. Sie entwirft Skulpturen aus natürlichen Materialien wie Papier, Moos, Algen und Sand. Ein kleines Juwel moderner Kunst zum Jahresabschluss.

Google-Ergebnisse für Mutsumi Aoki 2018
Google-Ergebnisse für Mutsumi Aoki 2019

06/2018

2. Juni 1978: Yi So-yeon

Mit 30 Jahren wurde Yi So-yeon zuerst Doktorin der Biotechnologie und kurz darauf der erste Mensch koreanischer Nationalität im All.

Zwei Jahre zuvor hatte sie gemeinsam mit einem männlichen Kollegen alle Phasen des Aufnahmeverfahrens für Raumfahrer auf der Internationalen Raumstation ISS bestanden und durchlief in Folge mit Ko San, ihrem Kollegen, das 15-monatige Training für Raumfahrer in Russland. Zunächst wurde sie nur als Ersatz für Ko trainiert, doch der verstieß mehrfach gegen Richtlinien des russischen Ausbildungszentrums, weshalb die russische Raumfahrtbehörde Einspruch gegen seinen Einsatz erhob.

So begann Yi, vier Wochen nach ihrer Promotion in Abwesenheit, ihren achttägigen Aufenthalt auf der ISS, während dessen sie insgesamt 18 Experimente durchführte. Sie war die dritte Asiatin im All nach Chiaki Mukai aus Japan und Anousheh Ansari aus dem Iran.

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12. Juni 1956: Onutė Narbutaitė

Die freischaffende litauische Komponistin lernte bei den litauischen Komponisten Bronius Kutavičius und Julius Juzeliūnas.

Ihrer Komposition „Open the Gates of Oblivion“ für Streicherquartett von 1980:

Ihre Komposition „Vijoklis“ für zwei Klaviere von 1988:

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20. Juni 1930: Magdalena Abakanowicz

Die Tochter eines Lipka-Tartaren (in Litauen angesiedelte Turk) wurde 1930 in eine polnische Adelsfamilie hineingeboren. Sie studierte an den Kunstakademien in Danzig und Warschau; zunächst interessierte sie sich mehr für die Malerei, doch unter den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen im Polen der 1950er Jahre entwickelte sie ihr Talent, aus gewachsenen oder gefunden Materialien Skulpturen zu schaffen.

In den 1960ern erlangte sie internationale Erfolge mit ihren Abakans, dreidimensionale Skulpturen aus Gewebe, hergestellt in einer Technik, die Abakanowicz selbst entwickelt hatte. Eine Dekade später ging sie zu menschenförmigen Skulpturen über, Gewebe verschwanden nach und nach aus ihrem Repertoire, dafür arbeitete sie mehr mit wetterfesten Materialien für großflächige Außeninstallationen.

Die Künstlerin verstarb am 20. April vergangenen Jahres.

Magdalena Abakanowicz

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22. Juni 1939: Ada Yonath

Ada Yonath wurde 1939 in Jerusalem geboren, sechs Jahre, nachdem ihre Eltern vor der Verfolgung durch die Nazis aus Polen geflohen waren. 1968 machte sie ihren Doktortitel in Röntgenkristallographie und arbeitete zunächst im Fachbereich Chemie, 1974 wechselte sie in den Fachbereich Strukturbiologie.

Ihr gelang es, ein Verfahren zur Kristallisation – also zur strukturierten Vermehrung bestimmter Moleküle – von Ribosomen zu entwickeln; Ribosomen sind die DNA-Kopierstationen innerhalb organischer Zellen. Da diese Moleküle sehr groß sind, ist ihre Kristallisation kompliziert, Yonath arbeitete erst mit den Ribosomen von Bakterien, die an heißen Quellen leben, da sie richtig vermutete, dass diese eine besonders stabile Molekülstruktur haben. Später entwickelte sie Techniken des Schockgefrierens, um auch anderen Ribosomen molekulare Stabilität zu verleihen.

Dank ihrer Forschung konnten nicht nur die Wirkungsweisen von mehr als 20 Antibiotika auf molekularer Ebene erkannt werden, sondern dementsprechend auch neue Antibiotika entwickelt werden. Für diese Forschungsleistung wurde ihr 2009 gemeinsam mit Thomas A. Steitz und Venkatraman Ramakrishnan der Nobelpreis für Chemie zuerkannt.

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26. Juni 1815: Mariana Grajales

Die posthum als „Mutter Kubas“ geehrte Grajales gebar dreizehn Kinder – das letzte im Alter von 52 Jahren –, von denen zwei, José und Antonio Maceo Grajales, als Generäle im Guerra Chicita (Kleinen Krieg) für die Unabhängigkeit Kubas von Spanien kämpften. Insgesamt war Grajales in allen drei Unabhängigkeitskriegen aktiv; der kubanische Poet José Martí prägte den Satz „In Gegenwart solcher Frauen ist es leicht, ein Held zu sein“, als er sah, wie Mariana mit ihrer Schwiegertochter den verwundeten Antonio auf dem Schlachtfeld versorgten.

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26. Juni 1956: Amma Darko

Die Ghanaerin machte mit 24 Jahren ihr Diplom in Industriedesign – lieber hätte sie Kreatvies Schreiben studiert, doch dies war und ist bis heute in ihrem Land kein Studienfach. Sie arbeitete zunächst am Technologie-Beratungszentrum der Universität von Kumasi, doch 1981 floh sie ins politische Asyl nach Deutschland. Hier wurde sie nur als Hilfsarbeiterin eingestellt; ihre Erfahrungen verarbeitete sie in ihrem ersten Roman „Der verkaufte Traum“, den sie während ihrer Zeit in Deutschland bis 1987 schrieb und der 1988 zuerst in deutscher Sprache veröffentlicht wurde.

Darko ist seitdem nach Ghana zurückgekehrt, lebt in Accra und arbeitet als Steuerbeamte. Dem ersten Roman folgte ein zwei weitere Bücher, die in Deutschland verlegt wurden, und schließlich „Die Gesichtslosen“, der als erstes ihrer Bücher auch in Ghana veröffentlicht wurde. Nach zwei weiteren Romanen schrieb Darko schließlich noch ein Jugendbuch, „Das Halsband der Geschichten“.

KW 51/2015: Annemie Fontana, 14. Dezember 1925

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Weil ich gerade einen Run habe und man ja nicht weiß, was bis Jahresende noch dazwischenkommt, mache ich es mir diese Woche mit einer visuell ansprechenden Künsterin leicht.
Fontanas Werk umfasst Siebdrucke sowie Skulpturen aus Metall und Polyester.

Google-Ergebnisse Annemie Fontana

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KW 37/2015: Mary Bauermeister, 7. September 1934

Mary Bauermeister

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Manchmal muss ich auch den einfachsten Weg gehen und jemand finden, der mit Bildern für sich spricht.

Mary Bauermeisters Werke, soweit man sie online findet, nehmen mit einer optimistischen Klarheit für sich ein. Obwohl sie mit eine scheinbar natürliche Unordnung aufweisen, wirken sie aufgeräumt und – da sie mit Licht spielen – aufmunternd.

Bild: By De Caesius (De Caesius (talk)) – Own work, CC BY-SA 3.0

KW 47/2012: Germain Krull & Alice Aycock, 20. November 1897/1946

Diese Woche gibt es eine kühne Kombi der Kunst. Aus dem einfachen Grunde, dass die eine, Germaine Krull, erst 1985 in einer der nächstgrößeren Städte meines Heimatortes verstorben ist und eine Fotoserie „Métal“ gemacht hat und die andere, Alice Aycock, wunderbar weibliche Skulpturen aus Metall macht.

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Germain Krull, 20. November 1897
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Google-Ergebnisse Germaine Krull

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auch bei fembio

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Alice Aycock, 20. November 1946

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Google-Ergebnisse Alice Aycock

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Website der Künstlerin

KW 21/2012: Katharina Szelinski-Singer, 24. Mai 1918

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Wenn ich so auf der Suche nach der Frau der anstehenden Woche durch die Geburtstagsliste auf Wikipedia klicke, überspringe ich „deutsche Bildhauerin“ meistens, weil mir bei dieser Wortkombination nur sperrige Beton-Kupfer-Skulpturen vorschweben, an denen man sich in Fußgängerzonen oder an  Parkwegen vorbeiducken muss, damit sie einem nicht das Auge oder die Leber ausstechen. Aufgrund völlig irrational bestehender gute Laune und entspannter Arbeitslage habe ich mir – schon gar bei dem Namen Szelinski-Singer – erlauben wollen, meine Vorurteile zu bestätigen.
Hat sich was. Katharina Szelinski-Singer hat nicht nur schöne Skulpturen gemacht, sie hat in ihrem Lebenswerk auch etwas mit mir bzw. diesem blog gemein, nämlich die Frauenfiguren. Dem kann ich selbstverständlich nicht widerstehen.
Am besten gefällt mir von ihr eine eher untypische Kleinplastik namens Die Last. Vielleicht, weil sie mich an meine Tochter erinnert, die auch gerne mit schweren Taschen und Köfferchen durch die Wohnung spaziert und dabei „Tschüß, bis heute abend!“ ruft. Vielleicht auch, weil die Haltung so natürlich ist, die getragene Last durch das unterstützende Knie sehr deutlich spürbar ist und dennoch der zur Balance ausgetreckte Arm der Figur etwas Leichtfüßiges, Schwebendes gibt.

Bild: Von Katharina Szelinski-Singer als Bildhauerin, Peter Trubiroha als Fotograf – photo taken by Peter Trubiroha, CC BY-SA 3.0

Bekannt, wenn man es so nennen kann, ist sie für ihre Skulptur Trümmerfrau in Berlin, der frühe (verfrühte?) Höhepunkt ihrer Karriere (siehe Wikipedia).

Bild: Von Lienhard Schulz – Eigenes Werk, CC BY 2.5

Der Tagesspiegel hat einen Nachruf auf sie geschrieben.

WEG MIT
§218!