Kategorie: Psychologie

45/2023: Susie Orbach, 6. November 1946

Der Vater von Susie Orbach war ein britisch-jüdischer Politiker der Labour Party und aktiv im Jüdischen Weltkongress, ihre Mutter, eine amerikanische Jüdin, unterrichtete während des Zweiten Weltkriegs geflüchtete Deutsche in Englisch und arbeitete später als Lehrerin.

Susie wuchs in der Nähe von London auf. In ihrer Ausbildung benötigte sie einige Anläufe, bis sie ihre Berufung fand: Zunächst erhielt sie ein Stipendium für die North London Collegiate School, wurde jedoch mit 15 Jahren von der Schule gewiesen. Trotzdem konnte sie später an der School of Slavonic Studies russische Geschichte studieren; im Jahr vor ihrem Abschluss brach sie das Studium ab, ebenso ein Jurastudium in New York. Erst am Richmond College of Staten Island fand sie in den Women’s Studies ihr eigentliches Interesse. Sie machte 1972 mit 26 Jahren dort ihren Bachelor mit dem höchsten Grad, ein Masterabschluss in Sozialfürsorge folgte zwei Jahre später an der Stony Brook University.

Orbach kehrte nach London zurück und gründete 1976 gemeinsam mit Luise Eichenbaum das Women’s Therapy Centre in London, dem fünf Jahre später gleiches Zentrum in New York folgen sollte.

1978 brachte Susie Orbach ihr Buch ‚Fat Is A Feminist Issue‚ heraus, in dem sie die Diätkultur und deren Wurzeln im Kapitalismus analysierte und kritisierte, 1982 folgte ein zweiter Teil des Buches. In den 1990er Jahren machte Orbach eine psychoanalytische Weiterbildung bei Anne-Marie Sandler; sie wurde außerdem dafür bekannt, dass sie Diana, Prinzessin von Wales, für ihre Essstörung behandelte. Ihren Doktortitel in Psychoanalyse machte schloss sie jedoch erst 2001 mit 55 Jahren ab.

2004 beriet sie Unilever und deren Werbeagentur zur Werbung für Dove – die sich auf die Fahnen schrieb, ihre Kundinnen nicht mehr mit unrealistischen Schönheitsidealen unter Druck zu setzen. Der Clip dazu gewann einen Preis in Cannes; Unilever setzt bei Dove-Werbung heute weiterhin auf Authentizität und Verantwortlichkeit im Umgang mit Frauenbildern in den Medien. (Selbstverständlich medienwirksam und mit dem Ziel, Produkte zu verkaufen.)

Orbach ist Vorsitzende des Verein AnyBody (vormals Endangered Bodies) und berät unter anderem das britische Gleichstellungsministerium zum Thema Körperbild. Sie schreibt seit zehn Jahren regelmäßig für The Guardian und brachte 2009 ein weiteres bahnbrechendes Buch heraus namens ‚Bodies‚, in dem sie sich mit dem stark wandelnden Körperbild des Internetzeitalters auseinandersetzt.


Quelle Biografie: Wiki deutsch | englisch
außerdem:
(1) Süddeutsche Zeitung

49/2020: Christine Ladd-Franklin, 1. Dezember 1847

Christine Ladd-Franklin wuchs in einem Haushalt auf, in dem auf Bildung und Frauenrechte Wert gelegt wurde. Ihr Vater war Akademiker, die Mutter nahm die fünfjährige Christine bereits zu einer Lesung von Elizabeth Oakes Smith (Link Englisch) mit, einer Schriftstellerin, die sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts für Frauenrechte einsetzte. Christine wuchs in Connecticut auf, bis ihre Mutter 1860 an Lungenentzündung starb und die 13-jährige zu ihrer Tante nach New Hampshire zog. Dort besuchte sie die Schule und entwickelte großen Ehrgeiz, ihre Bildung über die weiterführende Schule hinaus zu verfolgen. Der Vater unterstützte sie darin und schrieb sie bei einem zweijährigen Programm an einer Schule in Massachusetts ein, in dem ansonsten Jungen auf ein Collegestudium vorbereitet wurden. Christine Ladd schloss dieses Programm mit 18 Jahren als Klassenbeste ab.

Im nächsten Jahr, 1866, konnte sie mit der finanziellen Unterstützung ihrer Tante ein Studium am Vassar College beginnen. Leider ging nach einem Jahr das Geld zunächst aus, sodass Ladd erst einmal als Lehrerin arbeitete. Sobald ihre Tante das Geld wieder aufbringen konnte, kehrte sie ans College zurück und machte schließlich 1869 ihren Abschluss. Während ihrer Zeit am Vassar College begegnete sie auch Maria Mitchell, einer Physikerin und Astronomin, die sich ebenfalls für Frauenrechte einsetzte. Unter ihrer Ägide entfaltete sich Ladd zu einer kämpferischen Natur.

Nach ihrem Abschluss hätte Christine Ladd am liebsten Physik studiert, doch Frauen waren in den Universitätslaboren nicht zugelassen, in denen ein großer Teil des Studiums absolviert wurde. So unterrichtete sie für die nächsten neun Jahre Mathematik und Naturwissenschaftenan einer weiterführenden Schule in Washington, Pennsylvania. In dieser Zeit reichte sie insgesamt 77 mathematische Probleme und ihre Lösungen bei der Educational Times in London ein, außerdem sechs Beiträge bei The Analyst: A Journal of Pure and Applied Mathematics sowie drei beim American Journal of Mathematics.

Schließlich gelang es Christine Ladd, sich an der Johns Hopkins University einzuschreiben, zugegebenermaßen mit einer Art unterlassener Information. Als die Universität 1876 ihr Stipendiatsprogramm eröffnete, bewarb sich Ladd mit ihren Unterlagen unter `C. Ladd´– und ihre Unterlagen waren so überzeugend, dass der Universitätsvorstand ohne weitere Überprüfung `C. Ladd´ein Stipendium gewährleistete. Als den Herren im Vorstand klar wurde, dass es sich bei `C.´um eine Christine handelte, wollten sie ihr das Stipendium zunächst wieder entziehen: Sie habe es sich mit einem Trickbetrug erschlichen. Ladd hatte jedoch in James J. Sylvester einen mächtigen Fürsprecher. Der Professor war vor kurzem von der Encyclopædia Britannica als größter lebender Mathematiker bezeichnet worden und ein wichtiger Imagefaktor für die um finanzielle Mittel kämpfende Schule. Sylvester beharrte darauf, die vielversprechende Studentin Ladd unterrichten zu dürfen, und setzte sich durch; ein Mitglied des Vorstands trat über den Konflikt sogar zurück. Da Johns Hopkins an sich keine `gemischte´Universität war, durfte Ladd zunächst nur seine Kurse besuchen; als sie darin jedoch überdurchschnittliche Leistungen erbrachte, durfte sie schließlich auch die Vorlesungen und Kurse anderer Professoren besuchen. Ihr Stipendium sollte von 1878 an für drei Jahre laufen, doch sie wurde in keinem Rundschreiben der Universität in dieser Zeit erwähnt, um nur ja keinen Präzendenzfall zu schaffen.

In den Jahren 1879/1880 besuchte Ladd auch Kurse bei Charles Sanders Peirce, einem Mathematiker, Logiker und Semiotiker. In diesen Bereichen stößt die Mathematik über die Logik an die Philosophie ebenso wie an die Psychologie, was in Christine Ladds Fall zu einer späteren Beschäftigung mit der Farbsichtigkeit des Menschen führen sollte. Bei Peirce schrieb Ladd ihre Dissertation `Über die Algebra der Logik´. Sie befasste sich darin mit der Reduktion von Syllogismen in der Aristotelischen Logik – im Prinzip mit mathematischer `Auflösung nach x´ von logischen Schlussfolgerungen. Sie entwickelte darin eine Methode, die Gültigkeit dieser Schlussfolgerungen festzustellen, die sie Inconcistent Triad oder `Antilogismus´nannte. Ihre Arbeit wurde 1883 in Studies in Logic veröffentlicht – inzwischen hatte Christine Ladd ihren Kommilitonen Fabian Franklin (Link Englisch) geheiratet und hieß nun Ladd-Franklin. Obwohl sie alle Bedingungen für eine Promotion erfüllt hatte, verlieh ihr die Universität nicht den Doktortitel, weil Frauen dafür nicht zugelassen waren. Mit ihrem abgeschlossenen Studium war Ladd-Franklin die erste Frau mit einer Universitätsausbildung in gleichzeitig Mathematik und symbolischer Logik.

Ladd-Franklin bemühte sich immer wieder darum, an der Johns Hopkins University unterrichten zu dürfen, wurde aber ebenso oft abgeschmettert. In der Zwischenzeit besuchte sie 1884 Kelvins Master Class (Link Englisch) und begann sich 1886 mit der Farbwahrnehmung des menschlichen Auges zu beschäftigen. Während eines Sabbaticals ihres Mannes konnte sie dazu in Deutschland mit zwei Wissenschaftlern arbeiten: In Göttingen holte sie sich das Einverständnis von Georg Elias Müller ein, in seinem Labor zu forschen (auch an der Georg-August-Universität waren Frauen zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht zugelassen), anschließend suchte sie in Berlin das Labor von Hermann von Helmholtz auf und hörte Vorlesungen von Arthur König. Aus ihren Ergebnissen und den Theorien von Müller, der die Gegenfarbtheorie von Ewald Hering weiterentwickelt hatte, sowie der Dreifarbentheorie von Helmholtz und König entwickelte sie ihre eigene Theorie über die Entwicklung der Farbwahrnehmung. Sie postulierte, dass sich zuerst das Schwarz-Weiß-Sehen entwickelt habe (was auch das tiefsitzende Bedürfnis der Menschen erklären könnte, die Dinge in binäre Kategorien einzuteilen), dann das Sehen der komplimentären Blau und Gelb und erst zuletzt das Sehen von Rot und Grün, weshalb auch die Rot-Grün-Sehschwäche die häufigste Farbfehlsichtigkeit sei. Diese Theorie präsentierte Ladd-Franklin 1892 bereits auf dem International Congress of Psychology in London.

Christine Ladd-Franklin durfte noch immer nicht an ihrer Alma Mater unterrichten, wurde jedoch 1893 zum Mitglied der American Psychological Association gewählt und präsentierte als solches bis 1925 insgesamt 10 wissenschaftliche Arbeiten bei der Vereinigung. 1895 gab ihr Mann Fabian seine Professur und Universitätskarriere auf und wurde Journalist; Christine Ladd-Franklin gab von 1901 bis 1905 das Dictionary of Philosophy and Psychology mit heraus. 1904 durfte sie schließlich endlich – für fünf Jahre – an der Johns Hopkins University lehren. Nachdem ihr Vertrag dort 1909 auslief, zogen die Ladd-Franklins 1910 nach New York, wo Fabian Mitherausgeber der New York Evening Post wurde. Christine arbeitete weiter im Bereich der Farbwahrnehmung und lehrte in mehreren Jahren an ebenso vielen Universitäten, so 1912 bis 1913 an der Columbia University, 1913 in Harvard und 1914 an der University of Chicago.

44 Jahre, nachdem sie die Voraussetzungen dafür erfüllt hatte und ihre Dissertation eingereicht hatte, verlieh ihr die Johns Hopkins University 1927 schließlich ihren Doktortitel. Zwei Jahre später veröffentlichte Ladd-Franklin ihr Werk zur Farbwahrnehmung, Color and Color Theory. Am 5. März 1930 starb sie mit 83 an einer Lungenentzündung. Der Psychologe Robert S. Woodworth schrieb einen Nachruf für Science, in dem er ihre wissenschaftlichen Errungenschaften hervorhob.

Meine Lieblingsanekdote, die ich leider nicht zeitlich einordnen kann, ist die, wie Christine Ladd-Franklin vom Experimentalpsychologen Edward Bradford Titchener forderte, dass sie (und andere Frauen) in seinem Seminar dozieren können sollten; Titchener lehnte dies ab – obwohl er selbst mit Margaret Floy Washburn (Link Englisch) eine Studentin unterrichtete (oder unterrichtet hatte), die als erste Frau einen Doktortitel in Psychologie ablegte. Titcheners Begründung war unter anderem, dass in den Seminaren stark geraucht würde, worauf Ladd-Franklin erwiderte, das störe sie nicht, sie würde in Gesellschaft sogar selbst rauchen (was sich natürlich eigentlich für Frauen nicht ziemte).

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Ebenfalls diese Woche

2. Dezember 1842: Ellen Swallow Richards
Über die erste Frau, die am MIT studierte, schrieb ich (kurz) 2013, als es um Grenzgängerinnen ging.

3. Dezember 1797: Margaretta Morris (Link Englisch)
Die US-amerikanische Entemologin war mit Maria Mitchell die erste Frau, die 1850 als Mitglied in die American Association for the Advancement of Science gewählt wurde.

9/2019: Bertha Pappenheim, 27. Februar 1859

Bertha Pappenheim

Bertha Pappenheim, geboren als Tochter wohlhabender jüdicher Eltern in Wien, lebte ein volles Leben, geteilt in zwei sehr unterschiedliche Abschnitte.

Ihre Kindheit war von einem schweren Verlust geprägt: Als Bertha acht Jahre alt war, starb ihre zehn Jahre ältere Schwester Henriette an Tuberkulose. Außerdem musste sie mit 16 Jahren die Schule verlassen, um ihrer Mutter im Haushalt zu helfen; dass ihr jüngerer Bruder weiterhin seine Bildung fortsetzen durfte, war eine weitere Verletzung für die junge Frau.

In der Sommerfrische 1880, die die Familie Pappenheim in Bad Ischl verbrachte, erkrankte ihr Vater schwer. Während einer Nachtwache an seinem Bett halluzinierte die besorgte Pappenheim und erlitt etwas, was damals als „Hysterie“ bezeichnet wurde – heute würde es als Nervenzusammenbruch gelten, der sich als dissoziative Identitätsstörung äußert.

Sie verlor ihre Sprache zeitweise ganz, zeitweise sprach sie nur noch Englisch oder Französisch, wobei sie jedoch weiterhin Deutsch verstand. Sie litt an Nervenschmerzen, Sehstörungen und Lähmungserscheinungen, konnte oder wollte zeitweise nicht essen, wechselte zwischen depressiven, ängstlichen Phasen und Zeiten der Gelöstheit, doch erinnerte sich jeweils in der einen Phase nicht an Ereignisse der anderen.

Erst nach mehreren Monaten dieses Leidens zog die Familie den Arzt Josef Breuer hinzu. Seine Behandlung bestand neben der Versorgung der physischen Bedürfnisse – gegen die Schmerzen erhielt Pappenheim Morphin und Chloral, was später zu einer Abhängigkeit führte – darin, sie unter Hypnose Geschichten erzählen zu lassen. Als ihr Vater im April des darauffolgenden Jahres starb, verfiel Pappenheim zunächst in Katatonie. Weiterhin verschlimmerte sich ihre „Hysterie“ so sehr, dass sie zwangsweise in ein Sanatorium eingeliefert wurde. Sie blieb auch nach ihrer Entlassung für ein weiteres Jahr, bis Juni 1882, in Breuers Behandlung.

In den „Studien zur Hysterie„, die Breuer gemeinsam mit Sigmund Freud 1895 veröffentlichte, ist ihr Fall als der der „Anna O.“ geschildert (zu diesem Namen kamen die Autoren, indem sie von ihren wirklichen Initialen B. P. im Alphabet einen Buchstaben zurückgriffen). Die an Pappenheim entwickelte Gesprächstherapie, das „Aberzählen“ der traumatischen Erinnerungsinhalte, wurde zur Basis der Psychoanalyse. Freud selbst bezeichnete die Patientin als „eigentliche Begründerin des psychoanalytischen Verfahrens“, da sie es war, die feststellte, dass sie das Sprechen über angstbesetzte Ereignisse entlastete. Sie nannte es einen chimney sweep (Kaminreinigung) oder eine talking cure (Redekur); als Katharsis-Theorie fand diese Form der Aufarbeitung Eingang in die psychoanalytische Praxis.

Pappenheim erzählte in der Zeit mit Breuer unter Hypnose täglich in Form von Geschichten und Beschreibungen ihrer Halluzinationen, dabei ging sie chronologisch rückwärts vor. Wenn sie bei dem erstmaligen Auftreten eines Symptoms oder einer Halluzination angekommen war, so schildert es Breuer, traten diese noch einmal verstärkt auf, um dann gänzlich zu verschwinden. Aufgrund dieser Entlastung eilte Pappenheim hoch motiviert durch die Therapie – Breuer selbst nannte es einen Ordal – um zu einem festgelegten Zeitpunkt mit der Therapie abzuschließen. Mit dem „Aberzählen“ einer Halluzination von schwarzen Schlangen in der Nacht, als sie bei ihrem kranken Vater gesessen hatte, sei sie vollständig geheilt gewesen, behauptete Breuer in seiner Bearbeitung.

Tatsächlich kehrten die Symptome ihrer Erkrankung zeit ihres Lebens, bereits im ersten Jahr nach ihrer Entlassung durch Josef Breuer, immer wieder auf. Pappenheim suchte regelmäßig freiwillig die Sanatorien auf, in denen sie in ihren Zwanzigern behandelt wurde. Schon Freud wusste davon, unter seinen Schülern löste diese Tatsache einen Streit um die wirkliche Wirksamkeit dieser Form der Therapie aus. Nichtsdestotrotz ist das Sprechen über Verletzungen in der Biografie noch immer Bestandteil vieler Formen der Psychotherapie – die Erkenntnis, wie aus bestimmten Ereignissen in der Vergangenheit Glaubenssätze oder Verhaltensweisen entwickelt wurden, die in der aktuellen Lebenslage schädlich oder unproduktiv sind, kann Therapiepatienten auch heute noch helfen.

Pappenheim war, abgesehen von ihrer psychischen Disposition, eine starke Persönlichkeit. Intelligent, willensstark, engagiert, zog sie nach ihrer psychoanalytischen Behandlung aus, um große Dinge für junge jüdische Frauen zu tun. Einen Widerspruch zwischen ihrem Charakter und ihrem Leiden sieht nur, wer psychische Krankheiten für ein Zeichen von Schwäche oder mangelndem Intellekt hält. In Wirklichkeit ist es für eine kluge, ehrgeizige junge Frau eine verständliche Reaktion, unter den Einschränkungen, die eine patriarchalische Gesellschaft ihr auferlegt, zusammenzubrechen und in eine Dissoziation von der schmerzlichen Wirklichkeit zu flüchten. Ihre Freunde und Anhänger, Verehrer ihrer Leistungen in der deutschen jüdischen Gemeinde, reagierten empört auf die Entdeckung, dass es sich bei dem Fall „Anna O.“ um Pappenheim handelte, und sie selbst sprach nie über diesen Lebensabschnitt, lehnte auch für andere die Möglichkeiten einer Psychoanalyse oder -therapie vehement ab. Der Grund dafür ist wohl ganz einfach das Stigma, das noch heute auf psychischen Erkrankung lastet: Als wären Depressionen, Angstzustände, dissoziative Störungen und dergleichen eine eigene, unkluge Wahl der Lebensführung oder Zeichen einer defizitären Persönlichkeit.

Nach einem Aufenthalt in einer Privatklinik am Bodensee, direkt im Anschluss an die von Breuer beendete Therapie, besuchte Pappenheim Familie in Karlsruhe. Ihre Cousine Anna Ettlinger war eine der Mitbegründerinnen des Mädchengymnasiums vor Ort und förderte die Interessen und Talente Pappenheims, außerdem besuchte die 23-jährige kurzfristig eine Schule für Krankenpflegerinnen, konnte die Ausbildung jedoch nicht abschließen. Der Aufenthalt in einer Umgebung, die Frauen nicht auf ihre Aufgaben im Haushalt und der Ehe reduzierten, tat Pappenheim offenbar gut, denn sie wurde kurz darauf aus der Klinik entlassen. Die folgenden sechs Jahre lebte sie mit ihrer Mutter in Wien und besuchte noch drei weitere Male das Sanatorium, in dem sie zu Beginn ihrer Therapie behandelt worden war.

Mit einem Umzug nach Frankfurt 1888 begann Pappenheim eine Karriere in der jüdischen Frauenbewegung. Inzwischen 29, veröffentlichte sie eigene Texte, übersetzte Mary Wollstonecrafts A vindication of the rights of woman, engagierte sich politisch und sozial; von der Mitarbeit in einer Armenküche arbeitete sie sich in sieben Jahren zur Leitung eines Waisenhauses hoch. In den kommenden Jahren konnte sie sich mit ihrer Tätigkeit in der jüdischen Frauenbewegung von der gesellschaftlichen Erwartung befreien, einen Mann heiraten zu müssen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann sie, sich vor allem gegen den Mädchenhandel innerhalb der jüdischen Gemeinschaft einzusetzen – und zwar nicht nur für die Opfer, jüdische Mädchen, sondern auch gegen die jüdischen Männer unter den Tätern. 1904 wurde sie zur ersten Vorsitzenden des Jüdischen Frauenbundes gewählt, in dem sie bis zu ihrem Tod aktiv blieb. In dieser Position wurde sie zu einer zentralen Figur in der feministischen Bewegung im Judentum, die nicht nur mit unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Religion, sondern auch mit dem jahrhundertelang gefestigten Patriarchat zu ringen hatte. Nach 13 Jahren war Pappenheim zermürbt davon, dass die wohltätige Arbeit beständig von politischen oder theologischen Differenzen behindert wurde, und veranlasste mit ihren öffentlichen Aussagen dahingehend die Gründung der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.

Als ihre wichtigste Arbeit betrachtete sie das Mädchenwohnheim in Neu-Isenburg, in welchem jüdische Mädchen eine Heimat fanden, die in Gefahr waren, dem Mädchenhandel zum Opfer zu fallen. Eingebunden in die jüdische Tradition, sollten die jungen Frauen hier zu Selbständigkeit erzogen und in ein eigenverantwortliches Leben begleitet werden. Das Haus war dafür eingerichtet, den Vorschriften des Judentums im Alltag folgen zu können. Was mit zehn Bewohnerinnen im Jahr 1904 begann, gelang es Pappenheim in zwanzig Jahren – nur mit Spenden – zu einem Zuhause für 152 ansonsten obdachlose Frauen zu machen. Die Kinder dieser Frauen wurden in einer nahegelegenen Klinik geboren, lebten mit ihnen dort und gingen auf die Volksschule in Neu-Isenburg.

Auch wenn sie sich als gebildete und ehrgeizige Persönlichkeit in ihrer politischen Arbeit verwirklichen konnte, der Verzicht auf eine Ehe oder die Liebe war ihrerseits nicht freiwillig. Wenigsten in den letzten Jahren pflegte sie, zeitweise nur über Briefe, eine enge Beziehung zu ihrer 38 Jahre jüngeren Kollegin und Mitstreiterin Hanna Karminski, die sie auch in den Monaten vor ihrem Tod pflegte. Bereits von Krebs geschwächt, reiste Pappenheim noch ein letztes Mal an die Orte früherer Wirkungsstätten. Noch sechs Wochen bevor sie starb, bot sie der Staatspolizei des Hitlerregimes die Stirn: Eine junge, geistig behinderte Frau aus ihrem Neu-Isenburger Wohnheim hatte abfällig über Adolf Hitler gesprochen, doch nachdem Pappenheim zum Verhör angetreten war, wurde die Sache fallen gelassen. Am 28. Mai 1936 starb Pappenheim und musste so nicht mehr miterleben, wie die Kinder ihres Heimes der Volksschule Neu-Isenburg verwiesen wurden, wie die NSDAP die Auflösung des Heimes betrieb, es schließlich am Tag nach der „Reichskristallnacht“ angegriffen und niedergebrannt wurde. Es blieb ihr erspart mitzuerleben, wie die Bewohnerinnen des Heims in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden und ihre Freundin Karminski im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.

Die Biografie „Anna O. – Bertha Pappenheim“ von Marianne Berntzel, erschienen 2003, wurde im Büchermarkt vom Deutschlandfunk besprochen. Der FrauenMediaTurm hat ebenfalls einen ausführlichen Beitrag zu ihrer Biografie.

Bild: Von Unidentified photographer – Albrecht Hirschmüller: Physiologie und Psychoanalyse im Leben und Werk Josef Breuers. Jahrbuch der Psychoanalyse, Beiheft Nr. 4. Verlag Hans Huber, Bern 1978. ISBN 3456806094., Gemeinfrei

12/2018

2. Dezember 1083: Anna Komnena

Die Tochter des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos mit dessen Frau Irene Dukaina kam als ältestes von sieben Kindern in der Porphyra zur Welt, dem aus rotem Gestein erbauten Gebäude innerhalb des Großen Palastes in Konstantinopel, das für die Geburten der kaiserlichen Nachkommen vorbehalten war. (Es ist nicht klar zu benennen, ob der Begriff der Purpurgeburt – einer Geburt innerhalb der Herrschaft des Vaters – auf dieses Gebäude zurückgeht oder ob das Gebäude deshalb aus purpurem Gestein gebaut wurde, weil diese Farbe die kaiserliche Herrschaft symbolisierte.)

Direkt nach der Geburt wurde sie mit Konstantin Dukas verlobt, der als Sohn des Michael VII. zu diesem Zeitpunkt noch Mitkaiser und Thronfolger war. Diese Verbindung sollte vor allem die Rechtmäßigkeit der Herrschaft Alexios‘ I. untermauern, der den Thron vom Vorgänger usurpiert hatte; die adelige Dukas-Familie hatte mehrere byzantinische Kaiser gestellt. Wie für ihre Kultur üblich, wuchs Anna im Haus ihrer Schwiegermutter auf – Maria von Alanien, der pikanterweise ein Verhältnis mit Alexios I. nachgesagt wird. Als jedoch Annas Bruder Kaloioannes geboren wurde, gab es einen blutsverwandten Thronfolger: Alexios I. entzog Konstantin die Regentschaft und schickte Maria von Alanien ins Kloster (möglicherweise auch, weil sie Intrigen spann, ihn zu entmachten). Konstantin nahm diese Entscheidungen nicht übel und zog sich dem Kaiser weiterhin wohlgesonnen nach Zentralmakedonien zurück.

Anna wurde entgegen den eigenen Vorstellungen mit Nikephoros Bryennios, einem Militär und Geschichtsschreiber, verheiratet. Sie genoss eine ausführliche Bildung in Naturwissenschaften, Philosophie und Musik und war mehr an eigenen Projekten interessiert als an der Ehe. Ihr Vater hatte ihr die Leitung eines Krankenhauses und Waisenhauses anvertraut und sie unterrichtete dort auch; außerdem war sie eine Expertin für Gicht und pflegte ihren daran erkrankten Vater. Von ihren Lehrern und Zeitgenossen wurde sie als gebildete und intelligente Person hoch geschätzt.

Nicht ganz so uninteressiert war sie jedoch an ihrem eigenen Status, da sie gegen ihren Bruder und, seit dem Alter von fünf Jahren, offiziellen Thronfolger Kaloioannes („der schöne Johannes“) eine Abneigung pflegte und mit ihrer Mutter darauf hinarbeitete, ihm den Thron vorzuenthalten. Über die Weigerung ihres Mannes, gegen den inzwischen bettlägerigen Kaiser Alexios I. und seinen Thronfolger zu intrigieren, klagte sie, ihre Geschlechter seien vertauscht, da er von ihnen beiden die Frau hätte sein sollen. Kaloioannes erhielt jedoch – auf welche Weise auch immer – den Siegelring seines Vaters und wurde nach dessen Tod zum Kaiser gekrönt. Obwohl Anna und ihre Mutter erneut versuchten, Nikephoros zur Usurpation zu bewegen, scheiterte ihr Vorhaben und Kaloioannes verbannte die beiden Frauen in Kloster.

In dieser politisch stillgelegten Situation übernahm sie, nachdem ihr Mann starb und ein unvollständiges Werk über die byzantinische Geschichte hinterließ, die Geschichtsschreibung über die Regierungszeit ihres Vaters. Vieles in der 15 Bücher starken Alexiade konnte sie nur aus Erzählungen und Augenzeugenberichten zusammentragen, wobei sie natürlich vor allem das gute Bild ihres Vaters als Befehlshaber und Kaiser im Sinn hatte. Dennoch ist ihr Werk historisch unschätzbar wertvoll, da es die einzige Nacherzählung des Ersten Kreuzzuges aus Sicht der Byzantiner darstellt.

Anna Komnena starb in den frühen 50er Jahren des 12. Jahrhunderts und hinterließ mit der Alexiade ein auch literarisch hochwertiges Geschichtswerk, in dem sie in attischem Griechisch, mit Zitaten aus der Bibel und von Homer gespickt, nicht nur historische Ereignisse schildert, sondern auch Einblicke in ihre eigene Gedanken- und Gefühlswelt gibt.

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8. Dezember 1880: Rokeya Sakhawat Hussain

Geboren wurde Rokeya mit dem Nachnamen Khatun in dem Teil von Britisch-Indien, das heute Bangladesch ist. Ihre Eltern waren wohlhabende, gebildete Moslems und zogen es vor, Persisch oder Arabisch zu sprechen, Bengalisch war zwar die Sprache der Massen, aber eben darum auch in der Oberschicht verpönt. Als ihre ältere Schwester Karimunnesa, später ebenfalls Schriftstellerin, Bengalisch studieren wollte, untersagten ihre Eltern dies; der älteste Bruder Ibrahim jedoch unterrichtete seine beide Schwesten in der Sprache und hatte damit großen Einfluss auf ihre Entwicklung und ihren Erfolg.

Mit 16 heiratete Rokeya Khan Bahadur Sakhawat Hussain, einen Friedensrichter, der selbst Urdu, die „Sprache des gebildeten Hofes“ sprach. Wie ihr älterer Bruder, so ermunterte sie auch ihr Mann in ihrer Bildung und literarischen Entwicklung. Auf seinen Vorschlag hin schrieb sie ihr erstes Buch, „Pipasa“ (Durst), auf Bengalisch, sodass sie eine breite Bevölkerung erreichen konnte. Unter anderem schrieb sie danach ein Buch namens Sultanas Traum, das sich von seiner Zusammenfassung liest wie eine frühere, bengalische Version von Gerd Brantenbergs „Töchter Egalias“: die Geschlechtervorzeichen sind verdreht, die Frauen das dominierende Geschlecht.

Nach 13 Jahren Ehe starb ihr Mann. Zu Lebzeiten hatte er ihr ermöglicht, Geld für eine Schule zur Seite zu legen, an der sie muslimische Mädchen unterrichten könnte. Nach seinem Tod schritt sie zur Tat und gründete das Sakhawat-Denkmal-Mädchengymnasium in der Heimatstadt ihres Mannes Baghalpur. Nach Erbstreitigkeiten mit der Familie ihres Mannes musste sie die Schule aus dem urdusprachigen Gebiet in die bengalische Stadt Kolkata verlegen; dort ist die Schule noch heute eines der beliebtesten Gymnasien der Stadt.

Sakhawat Hussain schrieb neben ihren Romanen auch vielseitige Formate zur Verbreitung ihres islamischen Feminismus. Sie legte besonderes Augenmerk auf die Unterdrückung bengalischer Frauen und vertrat die Ansicht, dass Frauen Allah am besten die Ehre erweisen könnten, wenn sie sich ganz als Person entfalten dürfen. Nur mit der freien Berufswahl der Frauen könnte die Entwicklung der gesamten muslimischen Bevölkerung des indischen Subkontinents voranschreiten. Sie gründete den Anjuman-e-Khawateen-e-Islam, den islamischen Frauenverband, der sich mit Konferenzen und Podiumsdiskussionen für diese Sache einsetzte.

Sie starb mit auf den Tag 52 Jahren an einem Herzleiden. Ihr Todestag, der 9. Dezember, wird in Bangladesch zu ihren Ehren gefeiert.

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15. Dezember 1948: Patricia Cowings

Die afroamerikanische Tochter eines Lebensmittelhändlers und einer Kindergärtnerin kam in der Bronx (New York) zur Welt, zu einem Zeitpunkt, als diese sich von einem Bezirk der Mittelschicht in ein Arbeitviertel verwandelte. In den 1960er Jahren, als Cowings schulpflichtiger Teenager war, galt die Bronx dann als sozialer Brennpunkt und war berüchtigt für ihre hohe Kriminalitätsrate. Cowings Eltern legten daher als Ausweg aus diesem Umfeld großen Wert auf ihre schulische Bildung. Sie entdeckte früh ihre Liebe zu den Naturwissenschaften und studierte Psychologie, später auch Psychophysiologie an einer Universität in New York; ihre Tante, die einen Doktortitel innehatte, inspirierte und motivierte sie dabei, sodass auch Cowings schließlich mit einem Doktortitel abschloss.

In einem Ingenieurskurs, der den Aufbau des Space Shuttles zum Inhalt hatte, machte sie mit ihren spezifischen Beiträgen aus psychologischer Sicht Eindruck, und entdeckte sie ihre Begeisterung für die Raumfahrt. Sie wurde als erste Afroamerikanerin als Wissenschaftsastronautin ausgebildet, kam aber nie zum praktischen Einsatz. Stattdessen jedoch trug sie maßgeblich zur Verbesserung der Gesundheit von Astronauten bei: Sie entwickelte erfolgreich ein System autogenetischer Feedback-Übungen (AFTE, autogenetic feedback training exercises), mit dem die Menschen in der Schwerelosigkeit innerhalb von sechs Stunden lernen konnten, bis zu 20 Körperfunktionen zu erkennen und zu beeinflussen, die für die Raumkrankheit verantwortlich sind. Mit Hilfe dieser Übungen können die Astronauten die unangenehmen Symptome wie Übelkeit, Schwindel und Ohnmacht vermeiden.

Cowings Übungssystem hilft inzwischen auch Krebspatienten, die unter Chemotherapie mit den gleichen Nebenwirkungen zu kämpfen haben.

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19. Dezember 1875: Mileva Marić

Als Kind wohlhabender Eltern in Titel, damals Österreich-Ungarn, heute Serbien, genoss Marić eine gute schulische Ausbildung, die ihr Vater während mehrer Orts- und Schulwechsel besonders förderte. Vor allem ihre Noten in Mathematik und Physik waren ausgezeichnet. Nach einer Krankheit, die sie in der Schweiz auskurierte, legte sie mit 21 Jahren in Bern ihre Matura ab und begann ein Medizinstudium in Zürich. Nach einem Semester jedoch wechselte sie an das Polytechnikum, um dort als einzige Frau ihres Jahrgangs Mathematik und Physik zu studieren. Sie besuchte die gleichen Kurse wie Albert Einstein, mit dem sie sich bald anfreundete. Während er seine zweite Diplomprüfung bestand, fiel sie beim ersten Versuch durch – beim zweiten Versuch, ein Jahr später, war sie im ersten Trimester mit Einsteins Tochter schwanger und fiel erneut durch. Für die Geburt von „Lieserl“ kehrte sie in die Vojvodina zurück; das Kind erlitt dort mit einem Jahr eine Scharlacherkrankung, über ihr weiteres Schicksal herrscht Unklarheit.

Zurück in der Schweiz, heiratete Marić Einstein, obwohl seine Familie sie ablehnte. In den folgenden elf Jahren gebar Marić Einstein zwei Söhne und folgte ihm an jeden Ort, an den ihn sein Lehrberuf verschlug. Doch schon bevor sie ihn 1914 auch nach Berlin begleitete, hatte er einen Briefwechsel und wahrscheinlich auch eine Affäre mit seiner Cousine Elsa begonnen – die auch seiner Familie eine lieber gesehene, weil standesgemäße Partnerin war. Die räumliche Nähe des unfreiwilligen Liebesdreiecks führte bald zum Bruch und Marić kehrte mit ihren beiden Söhnen nach Zürich zurück. Aber erst fünf Jahre später, nachdem Einstein ihr das Preisgeld des Nobelpreises zusicherte, den bald gewinnen würde, willigte Marić in die Scheidung ein. Nur wenige Monate danach heiratete Einstein in Berlin Elsa, obwohl das Züricher Gericht, das die Scheidung rechtskräftig erkläret hatte, ihm eine zweijährige Heiratssperre auferlegt hatte.

Mit dem Geld des Nobelpreises, den Einstein tatsächlich 1922 gewann, erwarb Marić drei Mietshäuser; in einem davon lebte sie, die anderen dienten dem Unterhalt. Doch als ihr Sohn Eduard 1932 mit Schizophrenie diagnostiziert wurde, schmolzen ihre Ressourcen bald dahin: Sie musste zwei Häuser verkaufen, eines überschrieb sie ihrem Ex-Ehemann, behielt aber die Vollmacht darüber. Einstein sorgte zwar, inzwischen in den USA lebend, weiterhin für seinen Sohn und sie, doch es reichte nur für bescheidene Verhältnisse. Marić starb mit 72 in einer Züricher Privatklinik.

Während Marić selbst keine wissenschaftlichen Arbeiten hinterließ, ist umstritten, wie sehr sie an den Arbeiten Einsteins beteiligt war, die ihn ihm Wunderjahr 1905 berühmt machten. Die Vermutung basieren vor allem auf den Formulierungen von „unserer Arbeit“, die Einstein in Briefen verwendet, sowie darauf, dass der Name des Autors dreier der Arbeiten, deren Originale verschollen sind, Einstein-Marity (der ungarischen Form von Marić) lautete. Beweisen lässt es sich nicht, doch sind einige Vorlesungsunterlagen Einsteins in Marićs Handschrift verfasst. Schließlich ist es nicht unmöglich, dass eine Frau, die selbst offensichtlich so interessiert und gebildet in Mathematik und Physik war wie Marić, zumindest als verständige Zuhörerin und ebenbürtige Gesprächspartnerin an der Entstehung seines Genies in immaterieller Form beteilig war. Im Einklang mit diesem Gedanken wurde Mileva Marić 2005 von ihrer ehemaligen Hochschule, inzwischen die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich und der Gesellschaft zu Fraumünster als „Mitentwicklerin der Relativitätstheorie“ geehrt.

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23. Dezember 1983: Máret Ánne Sara

Die samisch-norwegische Künstlerin nahm 2017 an der documenta 14 teil, mit einer Weiterentwicklung ihrer ersten Installation, „Pile o’Sápmi“: Einer Installation aus Rentierschädeln mit Einschusslöchern. Der erste „Pile o’Sápmi“ entstand 2016, kurz bevor ihr Bruder vom Obersten Gerichtshof in Norwegen gezwungen wurde, sein Rentierzucht per Tötung zu reduzieren. Die Rentierzucht gehört traditionell zur Lebensweise der Samen und wird von der norwegischen Regierung stark reguliert – aufgrund der Überweidung der Finnmark, sagt die Regierung, wegen der Gier nach Bodenschätzen, die gehoben werden können, wenn keine Rentiere mehr dort weiden, sagt Saras Bruder.

Der Titel des Werkes nimmt Bezug auf ein Foto (Link englischsprachig), das einen Berg Büffelschädel zeigt, den Cree-Indianer im kanadischen Regina zusammengetragen hatten. Sie zog damit die Parallele zwischen der Vertreibung der amerikanischen Ureinwohner und der Unterdrückung der Samen in den Gesellschaften der Länder, über deren Gebiet sich der Lebensraum der Samen erstreckt.

Google-Ergebnisse Máret Ánne Sara

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26. Dezember 1926: Marija Atanassowa

Kurz und knackig zum Schluss: Die Bulgarin war die erste Zivilpilotin ihres Landes, die erste weibliche Kapitänin für schwere Flugzeugtypen und die erste Frau, die ein Verkehrsflugzeug auf dem Flughafen London Heathrow landete.

04/2018

3. April 1907: Lola Álvarez Bravo
Die Fotografin, eine der ersten Mexikos, trug zur nachrevolutionären Kulturblüte des Landes bei und war unter anderem mit Frida Kahlo und dem Dichterkreis Los Contemporáneos bekannt. Zunächst unter der Ägide ihres Mannes Manuel Álvarez Bravo, entwickelte sie bald ihren eigenen Stil, inspiriert von anderen in Mexiko tätigen Fotografen wie Tina Modotti und Edward Weston. Auch privat trennte sie sich von ihrem Mann und hatte zeitweise eine Beziehung mit María Izquierdo. Mit 37 Jahren hatte sie ihre erste allein bestrittene Ausstellung im Palacio de Bellas Artes, dem wichtigsten Kulturhaus Mexikos; sieben Jahre später eröffnete sie ihre eigene Galerie, in der Frida Kahlo 18953 ihre einzige Soloausstellung erhielt. Sie unterrichtete an der Academia San Carlos und war 1955 an Edward Steichens Fotoausstellung The Family of Man beteiligt.

LolaAlvarezBravo

Lola Alvarez Bravo

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4. April 1927: Aušra Augustinavičiūtė
Die litauische Psychologin, Soziologin und Ökonomin ist die Begründerin der Sozionik, die ähnlich dem Myers-Briggs-Typenindikator die Aspekte menschlicher Persönlichkeiten in unterschiedliche Funktionen und Beziehungstypen einteilt.
Während der MBTI in den englischsprachigen Ländern verbreitet ist, ist die Sozionik das Gegenstück im russischen, slawischen und baltischen Raum. Die Sozionik erforscht, basierend auf C. G. Jungs psychologischen Typen, wie Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten und weitergeben. Sie teilt Eigentschaften und Neigungen des Menschen in so genannte Dichotomien, Gegensatzpaare oder Skalen, auf: Logik – Ethik, Intuition – Sensorik, Introversion – Extraversion, Rationalität – Irrationalität. Aus diesen leiten sich die acht Aspekte ab, aus deren unterscheidlichen Kombinationen in einem individuellen Charakter sich die sechszehn Typen ergeben.
Hauptkritikpunkt ist, dass ebenso wie der MBTI ein Testergebnis der Sozionik dem Barnum-Effekt unterliegt: Dass Menschen in einem ausreichend unspezifischen Text immer zutreffende Beschreibungen für sich finden.

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5. April 1970: Miho Hatori
Die japanische Musikerin arbeitete bereits in ihrer Jugend in einem Plattengeschäft in Tokyo und war an der Hiphop Crew Kimidori beteiligt. Mit 22 Jahren ging sie nach New York, um Kunst zu studieren. Zunächst sang sie in der Punkband Laito Lychee, dann traf sie Yuka Honda und gründete mit ihr das Triphop-Projekt Cibo Matto, bei dem sie unter anderem auch mit Sean Lennon kooperierte. Sie war eine (oder die erste) Sprecherin der Gorillaz-Gitarristin Noodle.

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17. April 1957: Jacqueline Moudeina
Die Menschenrechtsaktivistin musste 1979 ihre Heimat Tschad wegen des einsetzenden Bürgerkriegs verlassen. Sie beendete ihr Studium der Rechtswissenschaften in Brazzaville, Republik Kongo, wo sie sich auch der kongolesischen Sektion der Menschenrechtsorganisation ihres Heimatlandes, ATPDH, anschloss.
1995, nachdem das Terrorregime des Diktators Hissène Habré gestürzt worden war, kehrte sie in den Tscshad zurück und setzte sich seitdem für die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten ein. Seit dem Jahr 2000 kämpft sie als Anwältin für die Opfer des Habré-Regimes: Der Politiker wird beschuldigt, für 40.000 politisch motivierte Morde vor allem an Minderheiten im Tschad verantwortlich zu sein. Da der Ex-Diktator im Senegal lebte, reichte sie entsprechende Klage beim Obersten Gerichtshof des Senegal ein und erstatte zeitgleich im Tschad Anzeige gegen seine Sicherheitsbeamten. Der Gerichtshof im Senegal sah sich als nicht zuständig an, weshalb Moudeina sich an ein Gericht in Belgien richtete – aufgrund des Weltrechtsprinzips, nach dem völkerstrafrechtlich relevanten Taten überall in der Welt verfolgt werden können. Ein belgischer Beamter nahm sich des Falles an, untersuchte die Vorwürfe und erließ schließlich einen internationalen Strafbefehl gegen Habré. Die Afrikanische Union hingegen verlangte die Verfolgung der Klage im Senegal, da „kein afrikanisches Staatsoberhaupt außerhalb Afrikas verurteilt werden sollte“. Nach weiterem Hin und Her, währenddessen sich der Senegal einer Strafverfolgung Habrés zunächst verweigerte und Moudeina wiederum in Belgien auf seinen Prozess drängte, musste sich Habré schließlich 2013 in der senegalesichen Hauptstadt Dakar für Kriegsverbrechen, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten und wurde 2016 schließlich, für Vergewaltigungen, sexuelle Sklaverei und Anordnung illegaler Tötungen, zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt.
Moudeina setzt sich weiterhin, gegen den Widerstand in ihrem Heimatland, für Menschen- und Kinderrechte ein, zum Beispiel gegen den Verkauf und die Versklavung von Kindern als Rinderhirten. Sie wurde 2001 bei einer Demonstration von einer Handgranate, die gezielt vor ihr platziert wurde, am Unterleib verletzt und trägt noch immer Granatensplitter in den Beinen, die ihre Gesundheit beeinträchtigen. Sie bestand trotz Gängeleien durch die tsschadischen Behörden immer wieder darauf, von medizinisch notwendigen Aufenthalten in Frankreich in ihre Heimat zurückzukehren; erst, als sie 2008 enthüllte, dass der Präsident Idriss Déby, Kindersoldaten in den tschadisch-sudanesischen Anteil am Dafur-Konflikt gesendet hatte, wurde die Bedrohung im eigenen Land so groß, dass sie Antrag auf Asyl in Frankreich stellte.

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25. April 1956: Jaroslava Schallerová
Nennung ehrenhalber, weil die Schauspielerin die Hauptrolle im Film Valerie – Eine Woche voller Wunder spielt, einem surrealistischen Märchen um ein junges Mädchen in einer traumartigen Welt voller Ungeheuer und Sexualität.

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28. April 1926: Bhanu Athaiya
Die Kostümbildnerin wirkte ihrer 41 Jahre umfassenden Karriere an 150 Filmen mit, vor allem an indischen Produktionen. 1983 gewann sie gemeinsam mit John Mollo den Oscar für bestes Kostüm, für ihre Arbeit an Richard Attenboroughs Monumentalwerk Gandhi. Sie gewann außerdem drei indische Filmpreise, unter anderem den Filmfare Award für ihr Lebenswerk.

39/2017: Charlotte Wolff, 30.9.1897

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Charlotte Wolff war eine jüdische Medizinerin, die sich auch mit Psychologie befasste. Schon im Studium lebte sie offen homosexuell und trug bevorzugt Männerkleidung. 1938 wurde sie stellvertretende Direktorin am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin, ein Jahr später konnte sie diese Position aufgrund der Verfolgung durch die Nazis nicht mehr halten.

Sie lebte zunächst in Frankreich, dann in England und arbeitete als Chirologin, unter anderem für Thomas Mann und Aldous Huxley. Sie legte die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nannte sich, nachdem sie Jahre später die britische angenommen hatte, „internationale Jüdin mit britischem Pass“.

In den 1960er Jahren war sie dann die erste, die sich sexualwissenschaftlich mit der Homosexualität der Frau auseinandersetzte. Sie veröffentlichte die Ergebnisse ihrer empirischen Studie zum Lesbianismus 1971 und zur Bisexualität 1977. Es waren diese Forschungen, die dazu führten, dass sie 1978 zum ersten Mal seit seit ihrer Vertreibung deutschen Boden betrat. Ihr letztes und wichtigstes Werk war eine Biografie des Sexualforschers Magnus Hirschfeld.

Sie starb mit 89 Jahren in London.
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Charlotte Wolff was a Jewish doctor who also worked in psychology. Even during her time at university she lived her homosexuality openly and preferred men’s clothing. In 1938 she was appointed deputy director at the Rudolf-Virchow-hospital in Berlin, a year later she already could not hold that position due to prosecution by the Nazis.

She lived in France at first, then in England and worked as a chirologist, for Thomas Mann and Aldous Huxley among others. She gave up her German citizenship and called herself, after taking on the British citizenship, an „international Jew with a British passport“.

During the 1960s she was the first to adress homosexuality of women as a field of sexology. She published the findings of her empirical studes on lesbianism in 1971 and on bisexuality in 1977. It was this research that led to her putting foot on German soil again for the first time after her expulsion in 1978. Her last and most important work was the biography of sexologist Magnus Hirschfeld.

She died in London at the age of 89.

21/2017: Lillian Moller Gilbreth, 24.5.1878

Lillian Moller Gilbreth

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Lillian Gilbreths Biografie macht beim Lesen atemlos. Die deutschstämmige Amerikanerin war selbst zweites von elf Kindern und rauschte zunächst durch ihre Schul- und Hochschulbildung. Mit 22 hatte sie einen Bachelor in Englischer Literatur und ließ zwei Jahre später einen Master folgen; zwischenzeitlich hatte sie Psychologie studiert, musste dies jedoch aus gesundheitlichen Gründen abbrechen.

Mit 24 Jahren traf sie ihren baldigen Ehemann Frank Bunker Gilbreth (Sr.), einen Erfinder und Wirtschaftsingenieur, der ihren Wunsch nach einem Dutzend Kindern teilte. In den folgenden 17 Jahren gebar Gilbreth 13 Kinder, von denen eines tot geboren wurde und eines im Alter von fünf Jahren an Diphterie (Warnung: Bildinhalte) starb. Weil es ihr möglich war, die meiste Zeit eine Vollzeit-Haushaltshilfe zu beschäftigen (und dementsprechend die Kinder betreut zu wissen), konnte sie zwischen den jährlichen Schwangerschaften und Geburten auch noch eine Doktorarbeit in Psychologie schreiben (mit fünf bzw. vier Kindern – die Doktorarbeit, die Geburt und der Tod eines Kindes fielen alle ins Jahr 1911) und schließlich einen Doktortitel erringen (mit sechs Kinder und der Schwangerschaft eines Sternenkindes im Jahr 1915).

Gilbreth arbeitete mit ihrem Mann in dem Wissenschaftsbereich, der später die Ergonomie wurde, und brachte dabei ihre Expertise als Ingenieurin, Psychologin, Haushälterin (was ihr „selbstverständlichster“ Arbeitsbereich als Frau war) und Mutter ein. Sie schrieben gemeinsam zwei Bücher, die jedoch nur unter seinem Namen veröffentlicht wurden – einer weiblichen Autorin wurde keine Authorität  im wissenschaftlichen Bereich zugesprochen, dabei war sie diejenige mit dem Doktortitel.

Nachdem ihr Mann 1924 gestorben war – das älteste Kind war 19, das jüngste gerade zwei Jahre alt – konzentrierte sich Gilbreth vor allem auf die Arbeitsökonomie und -psychologie im Speziellen der Hausfrauen zu. Die gemeinsame Firma für mit ihrem Mann benannte sie in Gilbreth Inc. um, und sie erfand diverse Details, die bis heute den Alltag im Haushalt erleichtern – die Struktur der Kücheneinrichtung, den Mülleimer, der sich mit Fußpedal öffnen lässt, die Fächer auf der Innenseite der Kühlschranktür (inklusive Butterdose und Eierhalter) und Wandlichtschalter gehen alle auf sie zurück. Sie arbeitete auch als in der Marktforschung für Johnson&Johnson und Macy’s.

Nachdem sie schon mehrfach Vorlesungen an der Purdue University gehalten hatte, wurde sie dort 1935 zunächst Gastprofessorin – die erste weibliche Professorin im Fachbereich Ingenieurswissenschaft – und fünf Jahre später voll angestellte Professorin in mehreren Ingenieurs- und Ökonomie-Fachbereichen. Sie las als Gastprofessorin an mehreren anderen Universitäten und hielt noch mit 86 Jahren Vorlesungen am MIT.

Sie starb mit 94 Jahren. Zwei ihrer Kinder verfassten gemeinsam Bücher über das Leben in der Gilbreth-Familie, die auch verfilmt wurden.

Bild: By Richard Arthur Norton (1958- ) at en.wikipedia – Lillian Moller Gilbreth (1878-1972), Rutgers University Archive, Public Domain

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Lillian Gilbreth’s biography leaves you breathless. The American of German heritage was herself second of eleven siblings and first of all rushed through her school and college education. At age 22 she had a bachelor degree in English Literature and followed that up with a Master two years later; she had studied psychology in between but had to quit it due to health issues.

At age 24 she met her soon-to-be husband Frank Bunker Gilbreth (Sr.), an inventor and industrial engineer who shared her wish for a family with a dozen children. In the following 17 years, Gilbreht gave birth to 13 children, one of which was still-born, another one died of diphtheria (warning: graphic images) at age 5. Because she was able to employ full-time help in the house (and knowing her children supervised accordingly), she was able, in between yearly pregnancies and births, to write a dissertation in psychology (with five resp. four children – the dissertation, one birth and the death of a child all fell into the year 1911) and finally earning a Ph.D. (with six children and the pregnancy that ended with a still-born child in 1915).

At first, Gilbreth worked in the field that would later become ergonomics, and brought into the work her expertise as an engineer, psychologist, housekeeper (her most „natural“ field as a woman) and mother. They wrote two books together, which however were published only under his name – a female author wasn’t regarded as an authority in science, even though she was the one with the Ph.D.

After her husband has died in 1924 – the oldest child was already 19, the youngest just two years old –, Gilbreth concentrated on working in domestic management and work psychology especially for housewives. The shared company of her husband’s she renamed as Gilbreth, Inc. and she invented several household details that facilitate housekeeping to this day – the work triangle, the foot pedal trash can, the shelves on the refrigerator door (with butter box and egg holders) and wall-switches for the light are all her doings. She also worked as a market researcher for Johnson&Johnson and Macy’s.

After having given lectures at Purdue University before, she was appointed at first a visiting professor in 1935 – the first female professor in Engineering – and, five years later, was granted full professorship in several engineering and economy departments. She gave lectures as visiting professor at several other universities and at 86 years of age, still, at MIT.

She died at 94 years old. Two of her children wrote books about life in the Gilbreth family together, which were also made into movies.

KW 35/2015: Temple Grandin, 29. August 1947

Temple Grandin

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Die vielseitigen Entwicklungs- oder Informationsverarbeitungsstörungen des autistischen Spektrums und ihre Genese sind bis heute noch zu großen Teilen unverstanden. Umso aufsehenerregender ist es, wenn jemand, dem eine relativ schwere Störung im Kindesalter attestiert wurde, nicht nur eine höchst erfolgreiche Karriere hinlegt, sondern auch aus dieser „fremden Welt“ berichten und anderen Betroffenen helfen kann, in ihrer Außer-Gewöhnlichkeit besser zu leben, mithin Kontakt zwischen den Welten herstellt.

Temple Grandins Eltern ließen sich von einer „Hirnschaden“-Diagnose nicht einschüchtern und förderten ihre Tochter in allem, was möglich war. So wurde aus dem Kind, das mit drei Jahren noch nicht sprach, eine Doktorin der Tierwissenschaften, Dozentin und Aktivistin, die regelmäßig Vorträge hält. Sie erfand die hug box, die Menschen mit autistischen Störungen helfen kann, sensorische Überreizung zu lindern. Sie hilft mit ihren Einsichten in ihre Wahrnehmungswelt Eltern von betroffenen Kindern, besser zu verstehen, was in und mit diesen geschieht.

Sie hat dazu noch, in ihrer Funktion als Beraterin der Nutztierindustrie, eine mir sympathische, grundlegend richtig erscheinende Haltung gegenüber den Tieren – die sie ohne Zweifel liebt: Nämlich, dass wir sie essen sollten bzw. dürfen (wenn wir es wollen), dass wir aber auch alles verwerten sollten (siehe pink slime) und dass wir ihnen aber dafür auch ein gutes Leben und einen schmerzlosen Tod schulden.

Bild: By Steve Jurvetson from Menlo Park, USA – Rain Man’s Rainbow, CC BY 2.0

KW 41/2013: Helene Deutsch, 9. Oktober 1884

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Helene Deutsch war zunächst Patientin bei Freud, weil sie Konflikte in sich wahrnahm zwischen der Rolle der Frau und der Rolle der Mutter. In einem Geniestreich, den man zu diesen Zeiten nicht erwarten durfte, entließ Freud sie aus der Analyse, weil er keine Neurose feststellen konnte. (Will sagen: Völlig normal.)

Im Anschluss wurde sie seine Schülerin und Assistentin, die sich erstmals in der Psychoanalyse vornehmlich und ausschließlich mit der Psyche der Frau befasste. Nach ihrer Flucht in die USA aufgrund des Zweiten Weltkrieges/Dritten Reichs wurde sie eigenständige und erfolgreiche Psychoanalytikerin.

Während sie vom Feminismus wohl eher mit Missfallen betrachtet wurde, weil sie sich unweigerlich aus der patriarchalisch-chauvinistischen Gedankenwelt Freuds entwickelte, ist doch nicht zu vergessen, dass sie sich als erste Frau allein und mit einer gewissen Innenkenntnis mit den Besonderheiten der weiblichen Psyche, insbesondere der mütterlichen, befasste. Überhaupt anzuerkennen, dass Frauen nicht per se durch Schwangerschaft und Geburt in einen quasi-animalischen Mutter-Zustand verfallen (den es im Tierreich ja auch nicht wirklich gibt) und in der Erwartung an die elterliche wie ehefrauliche Pflicht kein Dilemma, sondern reines Glück empfinden, ist doch schon ein großer Schritt, für Anfang des 20. Jahrhundert.

KW 33/2012: Laura Mulvey, 15. August 1941

Laura Mulvey

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Laura Mulvey hat den bahnbrechenden feministisch-filmtheoretischen Artikel Visual Pleasure and Narrative Cinema geschrieben. Ich hole die Lektüre derzeit nach, aber der Inhalt des Artikels ist für dieses Blog auch gar nicht so sehr interessant – wie die meisten wissenschaftlichen Arbeiten stehen die Thesen jederzeit zur Diskussion. Sie selbst hat die Aussage später wohl in einem weiteren Artikel gemildert und umformuliert, als Erstschlag einer feministischen Betrachtungsweise in der von der männlichen Betrachtungsweise dominierten Welt des Films, der Wissenschaft und der Filmwissenschaft hat der Artikel jedoch seine ursprünglichste Existenzberechtigung.

Der Artikel ist die Quelle eines Begriffsrahmens, der mir nicht nur bei der Benennung, sondern zum Teil überhaupt erst beim Erkennen eines Gefühls hilft, das ich des öfteren beim Filmekucken habe: Nämlich die irritierende Wahrnehmung des männlichen Blicks. Gerade in meinem Lieblingsgenre, dem Horrorfilm, werden Frauen ja sowohl als Sexualobjekt wie Mordopfer – eine psychoanalytische Identität beider Rollen dahingestellt – bevorzugt und ihre Darstellung ist oft genug eine exploitative. D.h.: Die Mädels sind im Film so, wie Mann sie gerne sieht. Für mich als weibliche Zuschauerin ergibt das ein merkwürdiges Emotionsgemisch, da ich mich tatsächlich (dies ist valide Kritik an Mulveys Artikel) auch als Frau mit dem jeweiligen Protagonisten bzw. dem angesprochenen männlichen Zuschauer identifizieren kann – der „männliche“ Spaß am Film mithin auch meiner ist. Gleichzeitig jedoch identifiziere ich mich per default auch mit dem weiblichen Objekt/Opfer, was mich nicht nur in meiner Identifikation mit dem gesehenen Filmbild ins Dilemma stürzt, sondern sich auch in einer merkwürdigen Paranoia niederschlägt, die urplötzlich alle im Kinosaal (oder Wohnzimmer) befindlichen Männer zu (potentiellen) Spannern und/oder Aggressoren macht.

Eine ausgesprochen grafische Versinnbildlichung der Situation weiblicher Zuschauerinnen bei der Beanspruchung des männlichen Blicks findet sich übrigens in Katheryn Bigelows Strange Days, in der ein Vergewaltiger seinem Opfer den Livestream der Vergewaltigung aus seiner Sicht ins Hirn spielt. Ein mise-en-abyme aus Ausgeliefertsein, Schuldgefühl und sexueller Lust, bei dem sich mir persönlich der Magen umdreht.

Ein anderer Film, der mir in diesem Assoziationsraum einfällt und zu differenzierter Betrachtung einlädt, ist Neil Marshalls The Descent. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ihn gesehen habe, daher will ich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber zu Überlegungen anregen, inwieweit dieser Film auch einen männlichen Blick einsetzt. Ist denn der Blick der Kamera per se männlich? Was würde das für diesen, in meiner Erinnerung ausgesprochen emanzipierten Film bedeuten? Mit seinen sechs weiblichen Hauptfiguren, die sich auch, aber nicht nur über ihre Beziehungen zu Männern unterhalten (womit der Film den Bechdel-Test mit Bravour besteht) und die als starke, aktive und kompetente Charaktere gezeichnet werden, habe ich ihn damals als eine ausgesprochene Wohltat im ansonsten sehr auf männliche Interessen und Vorlieben ausgelegten Horrorgenre erlebt. Nichtsdestotrotz lässt sich das Absteigen in eine dunkle Höhle, in der dann tödliche Gefahr lauert – nicht nur von der zu erwartenden Seite – als männliche Angst vor der Vagina dentata lesen. Ist dies also auch nur die intellektualisierte, verklausulierte Version eines „typisch männlichen“ Horrorszenarios? Oder – noch schlimmer – eine filmische Misogynie, die ihresgleichen sucht? Die ausschließlich weibliche Besetzung bedeutet ja für einen solchen Horrorfilm, dass alle Getöteten Frauen sind (zumindest auf der Protagonistenseite)!
Wenn also der Blick der Kamera per se männlicher Blick ist, dann ist dieser Film nicht emanzipiert, sondern auf höchster Ebene frauenverachtend. In meiner wohlwollenden Interpretation hingegen ist der Blick der Kamera zunächst neutral, doch durch das mise-en-scene und die gezeigten Objekte kann er explizit männlich werden. Im Falle von The Descent ist es eben die wenig klischeehafte und eben nicht objektifizierende Darstellung, die es nicht zulässt, diesen Film auf diese Art zu lesen.

Eine (anscheinend) lesenswerte Erörterung von Mulveys Essay kann man hier lesen.

Bild: Von Mariusz Kubik – Eigenes Werk, CC BY 3.0

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