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11/2020: Lady Hester Stanhope, 12. März 1776

frauenfiguren lady hester stanhope
Lady Hester Stanhope on horseback from her memoirs, as related by herself in conversations with her physician [C.L. Meryon]; comprising her opinions and anecdotes of some of the most remarkable persons of her time Rare Books Keywords: Hester Lucy Stanhope By Wellcomeimages.org Gallery: Wellcome Collection gallery (2018-03-30): CC-BY-4.0, CC BY 4.0

Lady Hester Stanhope kam als ältestes Kind des 3. Earl of Stanhope, Charles Stanhope, und seiner ersten Frau, der Viscountess Lady Hester Pitt (Link Englisch), in England auf die Welt. Ihre leibliche Mutter bekam noch zwei Töchter, doch nach der Geburt des dritten Kindes starb Hester Stanhope 24-jährig an einem Fieber. Im Jahr darauf heiratete Charles Stanhope Louisa Grenville (Link Englisch), die Cousine seiner ersten Frau, die in den folgenden Jahren drei Söhne gebar.

Mit 14 wurde sie ans andere Ende des Landes (von Kent nach Somerset) geschickt, um bei ihrer Großmutter mütterlicherseits Hester Pitt, Countess of Catham, zu leben. Drei Jahre später zog sie zu ihrem Onkel mütterlicherseits, William Pitt der Jüngere. Für ihn war sie als Haushaltsvorsteherin und Gastgeberin tätig, da er als Premierminister soziale Verpflichtungen hatte, aber keine Ehefrau, die diese übernehmen konnte. In dieser Funktion wurde sie für ihre Schönheit ebenso wie für ihre Konversationsführung gerühmt. Nachdem William Pitt von seinem Amt als Premierminister zurückgetreten war, diente Lady Hester im noch bis zu seinem Tod (am Durchbruch eines Magengeschwürs) als Privatsekretärin.

Die englische Regierung gestand ihr als Hinterbliebene des ehemaligen Premierministers eine Pension von jährlich 1.200£ zu. Sie verblieb nach dem Tode Pitts 1806 noch einige Zeit in London und zog dann nach Wales. 1809 starb bei der Schlacht bei La Coruña wohl nicht nur ihr Halbbruder, sondern auch John Moore, mit dem sie möglicherweise Heiratspläne gehabt hatte. (Dies entnehme ich dem englischen Wikipedia-Beitrag über Lady Hester Stanhope, den ich aus diversen Gründen lieber als den deutschen empfehlen möchte.) Dieser soll jedenfalls in seinen letzten Momenten zu Charles Banks Stanhope gesagt haben, er möge seine Schwester an ihn erinnern.

So schiffte sich Lady Hester Stanhope 1810, in Begleitung ihrer Zofe, ihres Leibarztes Charles Lewis Meryon, der ihre Memoiren schrieb, und des Abenteurers Michael Bruce (Link Englisch), der ihr Liebhaber wurde, in Richtung Athen ein. In Athen soll Lord Byron ins Meer gesprungen sein, um ihr entgegenzuschwimmen. Von dort reiste die Gruppe nach Konstantinopel und wollte weiter nach Kairo, das sich inzwischen von NapoleonsÄgyptischer Expidition“ erholt hatte. Doch auf dem Weg dorthin geriet ihr Schiff in einen Sturm und kenterte, die Schiffbrüchigen wurden auf der damals osmanischen Insel Rhodos angespült. Da ihr Hab und Gut im Mittelmeer versunken war, mussten sich die Reisenden Kleidung leihen. Lady Hester Stanhope weigerte sich, den Schleier einer osmanischen Frau anzulegen, und wählte stattdessen die Bekleidung eines Mannes, mit Turban, Kaftan und Pantoffeln. Auf der Weiterreise auf einer britischen Fregatte erstand sie die gesamte Ausstattung eines orientalischen Mannes: Einen samtenen Kaftan, eine bestickte Hose, Weste und Jacke, einen Sattel und einen Säbel. So ausstaffiert, schaffte sie es in Kairo bis vor den Pascha. In folgenden zwei Jahren bereiste sie – stets als Mann gekleidet – durch den Mittleren Osten.

Eine Wahrsagerin sagte ihr, dass sie dazu geboren sei, der neue Messias zu werden, daraufhin trat sie mit einem Heiratsangebot an den Imam der Wahhabiten, Saud I. ibn Abd al-Aziz, heran. Nachdem er abgelehnt hatte, beschloss sie, als erste westliche Frau Palmyra zu betreten, und setzte diesen Plan auch in die Tat um, trotz der feindlich gestimmten Beduinen, die in der Wüste um die Oasenstadt herrschten. Sie kleidete sich wie einer von ihnen und reiste mit 22 Kamelen an, vom Emir Mahannah el Fadel (Link Englisch) wurde sie als Königin Hester empfangen.

Zu einem unbestimmten Zeitpunkt kam Stanhope in den Besitz eines mittelalterlichen italienischen Manuskriptes, aus dem Fundus eines alten Klosters in Syrien. Demzufolge solle sich unter den Ruinen einer Moschee in Aschkelon ein großer Schatz befinden, der dort seit 600 Jahren verborgen läge. 1815 überzeugte Stanhope die ottomanische Verwaltung davon, sie dort nachforschen zu lassen, der Gouverneur von Jaffa, Muhammad Abu Nabbat (Link Englisch), wurde zu ihrer Begleitung abgestellt. Dies sollte die erste archäologische Ausgrabung in Palästina werden, was Lady Hester Stanhope zu einer Pionierin auf diesem Gebiet machte. Nach Meryons Aufzeichnungen hielten sie dabei auch stratigrafische Erkenntnisse fest, eine für die Zeit ungewöhnliche Vorgehensweise, wurden doch andernorts nur die Menge und der Reichtum einzelner Funde und nicht ihre Verortung in einer Chronologie festgehalten und ausgelobt.

Statt eines reichen Goldschatzes fand Stanhope jedoch eine zwei Meter hohe, kopflose Marmorstatue, wohl aus der grecoromanischen Zeit. Aus politischen Gründen ließ Stanhope diese Statue in tausend Stücke zerschlagen und im Mittelmeer versenken: Sie wollte dem ottomanischen Sultan damit beweisen, dass sie diese Ausgrabung nicht getätigt hatte, um ihrem Heimatland archäolgische Funde zukommen zu lassen. Gefundenes Gold hätte sie dem Sultan als ihm zustehenden Schatz ausgeliefert. Auch wenn sie bei der Ausgrabung methodisch vorging und der Fund der Statue detailliert dokumentiert wurde, zerstörte sie doch ein historisches Relikt, welches ihr Biograf Meryon für das Abbild eines vergöttlichten Königs, möglicherweise gar Alexander des Großen oder Herodes‚, hielt. Strategisch umsichtig, wissenschaftlich jedoch schwer verzeihlich. Nichtsdestotrotz gilt Lady Hester Stanhope mit dieser Ausgrabung den Weg bereiten für weitere archäologische Forschungen im Heiligen Land.

Anschließend ließ sich Stanhope im Gebiet des heutigen Libanon nieder, zunächst in einem alten Kloster in der Nähe von Jezzine. Für einige Zeit lebten ihre Zofe und ihr Leibarzt Meryon dort mit ihr, doch ihre Zofe starb 1828, drei Jahre später verließ Meryon sie und kehrte nur einmal für ein Jahr zurück. Als er ihr zum zweiten und letzten Mal den Rücken kehrte, zog sie in ein anderes verfallenes Kloster in der Nähe von Joun (Link Englisch), das sie für seine günstige Lage auf einem Hügel schätzte, von welchem aus sie herannahende Fremde von allen Seiten früzeitig entdecken konnte. Ihre Residenz wurde bei den Dorfbewohnern bekannt als Deir el-Sitt (Brunnen der Herrin). Der im Gebiet herrschende Emir Bashir Shihab II (Link Englisch) begrüßte ihre Anwesenheit zunächst, doch mit den Jahren erlangte Stanhope in der Region um ihre Residenz eine Form der Herrschaft, die ihm durchaus unbequem war, außerdem mischte sie sich in die Uneinigkeiten zwischen den Drusenklans untereinander und dem ottomanischen Reich ein, indem sie einigen Gruppierungen in ihrer Residenz Zuflucht gewährte. Ihr Einfluss in dem Gebiet war soagr so groß, dass Ibrahim Pascha, ein osmanisch-ägyptischer General, sie um Neutralität ersuchte, als er in Syrien einmarschierte.

Lady Hester Stanhope war wohl nicht nur eine charismatische Person, die Menschen glaubten auch, sie könne die Zukunft vorhersagen; sie stand in schriftlichem Kontakt mit zahlreichen einflussreichen Persönlichkeiten und die Menschen in ihrer britischen Heimat verfolgten Berichte und Erzählungen von ihr mit Spannung. Schließlich häufte sie jedoch Schulden an, die sie versuchte mit ihrer Pension der englischen Regierung abzubezahlen. Nach und nach zog sie sich von der Öffentlichkeit zurück, ihre Bediensteten bestohlen und verließen sie; sie litt höchstwahrscheinlich an Depressionen und verlor den Überblick über ihren Haushalt. Möglicherweise wurde sie auch sehr früh senil. In jedem Fall empfing sie Besucher am Ende ihres Lebens nur noch in der Dunkelheit und ließ sie auch dann nur ihre Hände und ihr Gesicht unter einem Turban auf dem rasierten Kopf sehen. 1839 starb sie allein und verarmt. Als der englische Konsul anlässlich der Nachricht ihres Todes aus Beirut nach Deir el-Sitt kam, soll er sie nackt bis auf ihren Schmuck vorgefunden und unter Maulbeer-Feigen beerdigt haben.

Es lohnt sich in ihrem Fall, die Beiträge der englischen und der deutschen Wikipedia zu vergleichen. Die Perspektive auf diese ungewöhnliche Frau könnte unterschiedlicher nicht sein, in der Schilderung (und Auslassung) der entscheidenden Punkte ihres Lebens und in der augenfälligen Wortwahl.

Zu ihrem 240. Geburtstag sendete der WDR einen 15-minütigen Beitrag über die Abenteurerin (verfügbar bis 10.03.2026).

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Ebenfalls diese Woche

9. März 1903: Hertha Wambacher
Die österreichische Physikerin entdeckte gemeinsam mit ihrer Kollegin Marietta Blau „Zertrümmerungssterne“ auf Photoplatten, die auf 2.300m Seehöhe kosmischer Strahlung ausgesetzt waren, sternförmige Teilchenbahnspuren von Kernreaktionen, wenn Teile der kosmischen Strahlung auf die photografische Emulsion trafen.
Während ihre jüdische Kollegin Blau wegen des Anschlusses Österreichs 1938 nach Oslo auswandern musste, was einen tiefen Schnitt für ihre wissenschaftliche Karriere bedeutete, war Wambacher seit 1934 Mitglied der NSDAP.

08/2018

3. August 1902: Regina Jonas

Regina Jonas kam als Tochter eines Kaufmanns im stark jüdisch geprägten Berliner Scheunenviertel (heute Mitte) geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf; als sie elf Jahre alt war, starb ihr Vater. Sie besuchte das Lyzeum in Berlin-Weißensee und erlangte eine Lehrerlaubnis für höhere Mädchenschulen. Mit dem Unterricht an verschiedenen anderen Lyzeen finanzierte sie sich ein Studium an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, mit dem erklärten Ziel, Rabbinerin zu werden.

Nach zwölf Semestern schloss sie 1930 das Studium mit einer Arbeit ab, die den provokanten Titel „Kann eine Frau das rabbinische Amt bekleiden?“ trug, und zumindest zwei ihrer Prüfer, Dr. Leo Baeck und Eduard Baneth, unterstützten sie wohl in ihrem Ehrgeiz. Baneth verstarb leider plötzlich und konnte ihr nicht mehr das Diplom des Rabbiners erteilen. Fünf Jahre lang erprobte sie ihre Fähigkeiten mit Übungspredigten und Unterricht in religiösen Einrichtungen. Schließlich erklärte sich der Offenbacher Rabbiner Max Dienemann bereit, entgegen die Vorbehalte in der deutschen jüdischen Gemeinde, ihr die mündliche Prüfung abzunehmen und, nach Bestehen, sie zu ordinieren. Ihr ehemaliger Doktorvater Baeck begrüßte sie am nächsten Tag mit „Liebes Fräulein Kollegin“. Trotzdem sie als Rabbi voll ausgebildet und geprüft war, setzte die Berliner jüdische Gemeinde sie weiterhin hauptsächlich für den Religionsunterricht ein; auch seelsorgerische Betreuung durfte sie nun ausüben und religiöse Feste im Ornat leiten, doch nicht einmal die schriftlichen Anfragen von Gemeindemitgliedern, sie als Rabbi auf den Kanzeln der Synagogen oder bei religiösgesetzlichen Zeremonien zu sehen, konnten diese letzte Hürde des männlichen Monopols einreißen. Dahingegen erlangte sie die Aufmerksamkeit und Anerkennung der jüdischen Frauenvereinigungen wie der WIZO.

Ihre Argumentation, dass sie als Frau zur Rabbinerin geeignet war, basierte nicht so sehr auf der feministischen Theorie der Gleichberechtigung der Frau, als vielmehr darauf, dass Gott die Menschheit in zwei Geschlchtern geschaffen habe, die beide ihren geschlechtsspezifischen Beitrag zur Förderung der Menschheit beitragen können – gegen eine Frau als Rabbiner spräche „außer Vorurteil und Ungewohntsein fast nichts“. Sie befürwortete die Keuschheit und Ehelosigkeit der Rabbinerin sowie die Geschlechterttrennung in der Synagoge, doch manche Dinge könne sie als Frau von der Kanzel oder bei der Jugend sagen, die ein Mann nicht sagen könne.

Erst 1938, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, als der nationalsozialistische Druck auf die jüdischen Gemeinden die Zahl auch der Rabbiner in Deutschland durch Ausreise oder Deprotation dezimiert hatte, wurde sie neben der Seelsorge auch als voll anerkannter Rabbi eingesetzt und zwar im ganzen Land. Wohl weil ihre noch immer lebende Mutter zu alt für die Reisestrapazen war, machte sie selbst keine Anstalten, Deutschland zu verlassen. So wurde sie zunächst 1942 zu Zwangsarbeit verpflichtet und Ende des Jahres nach Theresienstadt deportiert. Dort hatte der jüdische Psychiater Viktor Frankl ein Referat „für psychische Hygiene“ eingerichtet, das den KZ-Häftlingen bei der Verarbeitung des Schocks helfen und ihre Überlebenschancen somit verbessern sollte. In diesem Referat hielt Jonas in zwei Jahren mindestens 44 aktenkundige Vorträge, bis sie am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz-Birkenau verbracht und dort zwei Monate später ermordet wurde.

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6. August 1965: Yuki Kaijura

Die japanische Komponistin ist vor allem für zahlreiche Anime-Soundtracks verantwortlich.

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7. August 1913: Carmen Velasquez

Carmen Velasquez‘ Entdeckung der Fadenwurmart Capillaria philippensis rettete seit 1963 unzähligen Menschen auf den Philippinen das Leben. Dort starben die Menschen an einer unbekannten Krankheit, die sich mit Magenknurren, Bauchschmerzen und Durchfall bemerkbar machte. Velasquez stellte den bis dahin unbekannten Parasiten als Auslöser fest; seither können Befallene bereits bei Verdacht einer Infektion behandelt werden.

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10. August 1889: Zofia Kossak-Szczucka

Die polnische Autorin und Gewinnerin zweier Literaturpreise erlebte mit 50 Jahren in Warschau den Überfall Deutschlands auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann. Die Katholikin wurde sofort im Untergrund aktiv als Redakteurin einer Zeitung des Widerstands.

1942, einige Wochen, nachdem die Deutschen mit der „Liquidation“ des Warschauer Ghettos, also mit den Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka begonnen hatten, schrieb und veröffentlichte Kossak eine Protestschrift gegen die Duldung dieser Tatsachen in Polen und der internationalen Gemeinschaft. 5.000 Exemplare von „Protest!“ wurden gedruckt; Kossak machte darin durchaus keinen Hehl aus dem generell noch bestehenden Antisemitismus der katholischen Polen, doch seien sie als Christen von Gott dazu verpflichtet, gegen die Greuel, die verübt wurden, zu protestieren. Dadurch, dass die Polen und die Weltgemeinschaft zu dem schweige, was die Deutschen den Juden antaten, würden sie zu Komplizen.

Nach dieser Protestschrift begründete sie die Widerstandsorganisation Zegota, die zwischen 1942 und 1945 daran beteiligt war, Juden vor der Ermordung in Konzentrationslagern zu retten: In Warschau allein rettete die Zegota an die 4.000 Juden, darunter 2.500 Kinder aus dem Ghetto, in ganz Polen geht die höchste Schätzung an die 75.000 Menschen. Für ihre Beteiligung am Widerstand wurde Kossak 1943 verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert, dem polnischen Untergrund gelang es jedoch, sie zunächst in ein Frauengefängnis überführen zu lassen, aus dem sie schließlich entlassen wurde. So konnte sie 1944 am Warschauer Aufstand teilnehmen.

Die kommunistische Regierung Polens nach dem Krieg war den nicht-kommunistischen Widerstandskämpfern nicht freundlich gesonnen. Kossak verdankte es nun ihrem Einsatz für die jüdische Bevölkerung, dass sie einer Inhaftierung mit möglicher Todesfolge entkam: Der jüdisch-stämmige Innenminister der neuen Regierung wusste von seinem Bruder, was Kossak geleistet hatte, und warnte sie, sodass sie einer Verfolgung nach England entkam. Sie ging zunächst nach London und lebte dann 12 Jahre lang in Cornwall. 1957 konnte sie nach Polen zurückkehren, schrieb und lebte dort bis zu ihrem Tod 1968.

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15. August 1830: Mária Lebstück

Die Kroatin kam mit 13 Jahren nach Wien und schloss sich mit 18, als Mann verkleidet, den Juristen-Corps in der Revolution gegen die Monarchie an. Im späteren Verlauf ihrer Karriere in Ungarn schaffte sie es bis zum Rang des Oberleutnants, gleichzeitig brachte sie eine Eheschließung und Schwangerschaft unter. Letztere verriet jedoch ihre Verkleidung und sie musste ihr Kind in Kriegsgefangenschaft zur Welt bringen. Ihr Mann wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb im Gefängnis, sie selbst wurde nach Kroatien ausgewiesen, kehrte jedoch drei Jahre später nach Ungarn zurück und heiratete erneut. Nachdem ihr zweiter Mann gestorben war, ging sie mit ihrem Sohn nach Budapest, wo sie mit 62 Jahren starb. Obwohl (oder weil?) ich mich eher als Pazifistin betrachte, stellen Soldatinnen für mich ein besonderes Faszinosum dar. Es braucht doch ein ordentliches Maß an Chuzpe und den sprichwörtlichen Gonaden, so eine Verkleidung unter solchen Umständen zu erwägen und auszuführen.

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24. August 1890 oder 1894: Jean Rhys

Die Tochter eines Walisers und einer dominicanischen Kreolin hieß in Wirklichkeit Ella Gwendolyn Rees Williams und lebte bis zu ihrem 16. Lebensjahr in der Karibik und wurde dann für eine weiterführende Schulbildung nach England geschickt, wo sie bei einer Tante lebte. In der Schule wurde sie für ihren Akzent gehänselt und auch in der Schauspielschule in London sah man 1909 aufgrund ihrer Redeweise keine Chance für ihren Erfolg. Sie arbeitete zunächst als Revuetänzerin (chorus girl, also Teil der größeren Produktion); nachdem ihr Vater 1910 starb, kämpfte sie gegen die Armut, indem sie sich „aushalten ließ“. Der Börsenmakler, dessen Geliebte sie wurde, heiratete si ezwar nicht, unterstützte sie aber über die Jahre immer wieder finanziell. In den folgenden 13 Jahren arbeitete sie zeitweise als Nacktmodel, wurde schwanger und trieb ab, arbeitete während des Ersten Weltkriegs in einer Militärkantine und nach dem Krieg im Versorgungsamt; sie lebte in England und auf dem europäischen Festland, heiratete und bekam zwei Kinder, von denen eines starb; sie entwickelte eine Alkoholsucht und begann zu schreiben. Sie ließ sich von ihrem ersten Mann scheiden und unterhielt eine Verbindung zum Autoren und Verleger Ford Madox Ford, der sie zwar künstlerisch förderte, ihr auch zum Pseudonym riet, aber im Privatleben wenig wertschätzend mit ihr umging.

Bis 1939 schrieb sie vier Romane und mehrere Erzählungen. Sie heiratete erneut und wurde 1945 Witwe, heiratete anschließend ein drittes Mal und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Tatsächlich arbeitete sie an einem weiteren Roman, der 1967 erschien, ein Jahr, nachdem sie ein zweites Mal verwitwete. Ihr letzter Roman „Sargassomeer“ ist eine Vor-Geschichte zu Charlotte Brontës „Jane Eyre“ und brachte ihr schließlich größeren Erfolg: Sie wurde als postkoloniale Autorin vor allem in feministischen Leserkreisen gefeiert.

Sie empfand Enttäuschung über den „zu späten“ Ruhm und äußerte einmal, dass sie bei einer zweiten Chance wohl ein glückliches Leben dem Schriftstellertum vorgezogen hätte. Sie starb mit 88 Jahren, bevor sie ihre Autobiografie beenden konnte.

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27. August 1916: Halet Çambel

Die dritte Tochter türkischer Eltern wurde in Berlin geboren – der Großvater mütterlicherseits war türkischer Botschafter, der Vater Militärattaché in der deutschen Hauptstadt. Nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Republik lebte die Familie in Österreich und der Schweiz, 1922 ließen sie sich in Istanbul nieder. Halet besuchte die amerikanische High School for Girls im Stadtteil Arnavutköy, in dieser Zeit entwickelte sich ihr Interesse für Geschichte sowie ihr sportlicher Ehrgeiz im Fechten. 1933 bis 1939 studierte sie an der Pariser Sorbonne unter anderem Archäologie, 1936 war sie eine der ersten Frauen, die bei Olympia antrat, in der Disziplin Fechten.

Ab 1940, inzwischen verheiratet, arbeitete sie an der Universität Istanbul als Assistentin und schrieb an ihrer Doktorarbeit, die sie 1944 beendete. 1946 wurde im Süden der Türkei die neo-hethitische Ruinenstätte Karatepe-Arslantas entdeckt und im Auftrag der Universität Istanbul vom Entdecker Helmuth Theodor Bossert und Çambel erforscht. Sie trug maßgeblich zur Entschlüsselung des Hethitischen bei, indem sie die Bilingue von Karatepe mit übersetzte. Sie wurde Vorreiterin des Vor-Ort-Schutzmodells in der Türkei, als sie die türkische Regierung überzeugen konnte, die Ruinen von Karatepe nicht in eine Museum abtransportieren zu lassen, sondern aus der Stätte selbst ein Museum zu machen.

1960 wurde Çambel eine der ersten weiblichen Professoren der Türkei, als sie den den Lehrstuhl für Vorderasiatische Archäologie übernahm. Sie wurde 1984 emeritiert und starb erst 2014 in Istanbul.

Sie beeinflusste eine Generation von türkischen und internationalen Archäologiestudenten im Umgang mit den Anwohnern und lokalen Helfern an Grabungsstätten. Ihre burschikose Art verhinderte sexuelle Ambiguität im patriarchalisch geprägten Grabungsumfeld von Karatepe, sie galt als ehrlich und direkt und wurde dafür von den Menschen auf dem Land respektiert. Außerdem setzte sie sich sehr für die Bildung der Kinder ihrer lokalen Helfer ein.

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§218!