Schlagwort: emeritierung

Veronica Dahl

* 1951

Veronica Dahl (Link Englisch) kam in Buenos Aires zur Welt* und machte dort 1974 auch ihren ersten Universitätsabschluss in Informatik. Zu diesem Zeitpunkt waren laut dieses Artikels über sie auf medium.com 75% der Informatikstudierenden in Argentinien bzw. an der Universidad de Buenos Aires Frauen, während die Zahl sich heute auf nur 11% beläuft. Auf eine damals bestehende Gleichberechtigung verweise dies aber durchaus nicht.

Auch Veronica Dahls Biografie wurde von der politischen Unsicherheit ihres Landes geprägt, die sich nach dem Tode Peróns fortsetzte (der zuletzt María Teresa Ferrari das Leben schwer gemacht hatte). In den Unruhen wurde eine:r ihrer ältesten Freund:innen vor ihren Augen durch Maschinengewehrfeuer ermordet. Dahl ging für ihr weiteres Studium nach Frankreich und wurde 1977 an der Universität Aix-Marseille eine der ersten Doktorandinnen im Fach Künstliche Intelligenz.

frauenfiguren veronica dahl cobol
Beispiel für eine Programmierung in COBOL
By Cody Logan – Own work, CC BY-SA 4.0

Sie konzentrierte sich während ihres Studiums auf Logische Programmierung, die auf einer Bibliothek an Axiomen (Grundsätzen) basiert, statt auf einer Reihe von Befehlen wie die imperativen Programmierungen Fortran und Cobol, zum Beispiel. Sie erstellte ein Programm, das die logische Programmierung anwandte, um Anfragen und Befehle, in menschlicher Sprache gegeben, zu verarbeiten. (Ich bitte um Entschuldigung, wenn dies nicht klar nachvollziehbar ist; ich bin begeistert, aber leider hier völlig ahnungslos.) Ihre Forschungsgebiete und Methoden erstreckten sich über so unterschiedliche Fachbereiche wie Künstliche Intelligenz, Computerlinguistik und Molekularbiologie. So trugen die Erkenntnisse, die sie in ihrem Buch Logic Grammar von 1989 veröffentlichte, zur Entzifferung des menschlichen Genoms bei.

1982 wurde sie außerordentliche Professorin an der Simon Fraser University in British Columbia, Kanada. Ihrer Bestrebung, ordentliche Professorin zu werden, stand auch akademischer Sexismus im Weg, so wurde ihr einmal gesagt, sie habe dafür noch nicht genug Publikationen vorzuweisen. Das, nachdem kurz zuvor ein männlicher Kollege mit weniger Publikationen befördert worden war. 1991 wurde sie schließlich doch ordentliche Professorin und blieb es bis zu ihrer Emeritierung 2013.

Neben ihrer Forschungstätigkeit in ihrem ‚eigenen‘ Fach hatte sie auch Kraft für feministischen Einsatz. Als sich die Universität weigerte, ihre die Kinderbetreuungskosten (von $17!) zu erstatten, die angefallen waren, weil sie eine Lesung in einer anderen Stadt hatte halten müssen, ging sie bis nationalen Forschungsrat Kanadas. Dieser schrieb es nach ihrer Beschwerde fest, dass Kinderbetreuungskosten von Forschenden mit Stipendium ersetzt werden müssen. Dahl veranlasste an ihrer Universität auch eine fakultätsübergreifende Untersuchung zur niedrigeren Bezahlung von Frauen.

Veronica Dahl trat auch als Beraterin für verschiedene Unternehmen und Organisationen in Erscheinung; ihr Vertrag mit IBM soll den bis dahin bestehenden Rekord in Vergütungshöhe gebrochen haben.

Und schließlich schreibt sie auch noch wortwörtlich ausgezeichnete Prosa und Lyrik, wie diesen wunderbaren Text ‚Love to hide – love to invent‘, in dem sie zwei Erlebnisse mit Polizeigewalt und Liebe gegenüberstellt.

*Sie ist auf Twitter aktiv, ich hätte sie evtl. nach ihrem genauen Geburtsdatum fragen können, habe mich aber nicht getraut zu fragen…

Tsai-Fan Yu

* 1911 • † 2. März 2007

Der deutsche Wikipedia-Eintrag von Tsai-Fan Yu nennt unbekümmert ein genaues Datum ihrer Geburt nach einer Quelle, die ich leider nicht verifizieren kann. Dieses Datum ( 24. Oktober) wird an keiner anderen Stelle genannt, also lasse ich es derzeit mit Fragezeichen versehen (außerdem wirft es den Ablauf des Zeitstrahls um, wenn ich Yu in den herkömmlichen Kalender übernehme).

Geboren wurde sie in Shanghai; als sie 13 Jahre alt war, starb ihre Mutter, der alleinerziehende Vater arbeitete zeitweise in drei Jobs, um der Tochter die schulische Laufbahn zu ermöglichen, zu der sie offenbar befähigt war. Ihr Studium der Medizin nahm sie am Ginling College (Link Englisch) auf, doch bereits im zweiten Studienjahr (möglicherweise nach einem Bachelor-Abschluss) erhielt sie ein Stipendium für ein weiteres Studium am Peking Union Medical College (Link Englisch), das nach dem Beispiel der Johns Hopkins Universität unterrichtete. Yu machte dort 1939 mit 28 Jahren ihren Doktor mit Bestnoten und im gleichen Jahr sofort als Chief Medical Resident (in etwa Chefärztin) für Innere Medizin.

Während sie in China arbeitete, erforschte sie auch Pflanzenkrankheiten von Zitrusfrüchten und Bohnen. 1947 kam sie nach New York, um am College of Physicians and Surgeons der Columbia University zu unterrichten. Drei Jahre später erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Zehn Jahre nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten fand sie am Mount Sinai Hospital ihre berufliche Heimat, hier sollte sie 1973 die erste Frau in den USA werden, die eine volle Professur erhielt.

Ihr Lebenswerk war die Erforschung und Behandlung von Stoffwechselkrankheiten. Nachdem sie sich anfangs mit Morbus Wilson befasst hatte, einer Erbkrankheit, die den Kupferstoffwechsel der Leber beeinträchtigt, konzentrierte sie sich den Großteil ihres beruflichen Lebens am Mount Sinai Hospital auf die Gicht. Diese wird ausgelöst durch erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut, der eine Nierenfehlfunktion zugrunde liegt. Neben den Schüben mit schmerzhaften Entzündungen der Gelenke und anderen Geweben wirkt sich dieser gestörte Stoffwechsel auch wiederum nachteilig auf die Nieren aus.

Tsai-Fan Yu stellte in ihrer Forschung die Verbindung her zwischen den Harnsäurewerten im Blut und dem Ausmaß der Gelenkschmerzen von Gichtpatienten. Sie klassifizierte die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gicht und untersuchte die Zusammenhänge der Gicht mit anderen Erkrankungen. So stellte sie fest, dass etwa die Hälfte aller Gichtpatienten auch an anderen metabolischen Krankheiten leidet, wie Bluthochdruck, Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Proteinen durch den Urin), Diabetes oder Hyperlipoproteinämie (u.a. erhöhter Cholesterinspiegel).

In den 1950er Jahren trug Yu entscheidend zur Entwicklung von Medikamenten gegen die Gicht und ihre Symptome bei; sie entdeckte die Wirkstoffe Probenecid, Colchicin und Phenylbutazon zumindest für akute Gichtanfälle. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Alexander B. Gutman trug sie in diesen Jahren auch zur Einrichtung einer spezialisierten Gichtklinik am Mount Sinai Hospital bei. In den 1960er Jahren entwickelte sie dank ihrer weiteren Erforschung der Krankheitsmechanismen den Wirkstoff Allopurinol, der 1977 in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO aufgenommen wurde.

Sie veröffentlichte in ihrer Laufbahn 220 wissenschaftliche Artikel sowie zwei Bücher, Gout and Uric Acid Metabolism (‚Gicht und der Harnsäurestoffwechsel‘) 1972 und zehn Jahre später The Kidney in Gout and Hyperurecimia (Die Nieren bei Gicht und Hyperurikämie).

Sie emeritierte 1992 mit 81 Jahren, bis dahin hatte sie mehr als 4.000 Gichtpatienten untersucht und behandelt. Noch 12 Jahre später, 2004, war sie an der Gründung der gemeinnützigen Tsai-Fan Yu Foundation beteiligt. Sie starb 95-jährig im Mount Sinai Medical Center in New York.

In dieser Übersicht über asiatische Wissenschaftler:innen der Asia Research News wird auch Tsai-Fan Yu erwähnt.

Christine und Margaretha Kirch

Christine * April 1697 • † 6. Mai 1782
Margaretha * ca. 1703 • † nach 1744

Christine und Margaretha Kirch waren beide Töchter der Astronomin Maria Margaretha Kirch (die auch einen eigenen Beitrag verdient hätte – bisher habe ich sie nur unter „Ebenfalls diese Woche“ erwähnt) und ihrem Ehemann Gottfried. Beide lernten bei ihren Eltern früh die Grundlagen und Techniken der Astronomie.

Christine assistierte als Kind der Mutter an der Berliner (damals: Könglichen) Sternwarte, indem sie die Ergebnisse ihrer Beobachtungen notierte, aber selbst ebenfalls Beobachtungen anstellte. Margaretha wiederum assistierte bereits mit zehn Jahren dem älteren Bruder Christfried. Nach dessen Tod 1740 mussten Christine und Margaretha zunächst als Bittstellerinnen an der Preußischen Akademie der Wissenschaft auftreten, um ihren Unterhalt zu sichern, doch da sie als seine ehemaligen Assistentinnen seine Arbeit fortsetzen konnten, wurde insbesondere Christine die Nachfolgerin des Königlichen Astronoms; als solche erhielt sie ein regelmäßiges Gehalt von der Akademie.

Margaretha entdeckte am 3. Januar 1744 den Großen Kometen C/1743 X1 als erste Beobachterin in Berlin, sie war auch die erste, nämlich bereits am 5. März dieses Jahres, die Aufteilung des Kometenschweifes in Streifen – ein Kupferstich vom 7. März bestätigt dies, womit sie ihren Kollegen Delisle, Heinsius und de Chéseaux zuvorkam.

Christine und Margarethe bezogen für ihre Arbeit an der Berliner Sternwarte jeweils ein Grundgehalt von 25 Reichstalern pro Quartal, Christine erhielt für die Erstellung des Kalenders für Schlesien noch einmal 150 Reichstaler (vermutlich pro Jahr). Ab 1759 sind nur noch Bezüge von Christine bekannt – möglicherweise, weil Margaretha verstorben war, deren Todesdatum nicht näher bekannt ist als „nach 1744“. Christine war „Vorstand des Astronomenhaushaltes“, dem insgesamt 400 Reichstaler pro Jahr zur Verfügung standen, für den Unterhalt der Familienmitglieder, aber auch der Angestellten, wie etwa einem Schreiber.

1772 begann Christine das Alter zu spüren und lernte den jungen Johann Bode zunächst als Gehilfen an, ein Jahr später wurde er ihr Nachfolger, als sie emeritierte.

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