Schlagwort: flugzeug

15/2019: Blanche Stuart Scott, 8. April 1889*

*Geburtsjahr wie angegeben auf ihrem Grabstein


Blanche Stuart Scott wurde als Tochter von Belle und John Scott in Rochester, New York, geboren. Ihr Vater war ein erfolgereicher Geschäftsmann, der Patentarzneimittel (patent medicine) herstellte und vertrieb. Scott begeisterte sich früh für Automobile. Ihr Vater kaufte ein Auto und Scott fuhr damit schon als Kind durch die Stadt, da zu dieser Zeit noch keine Altersvorgaben für das Führen von Automobilen galten. Um 1900 lebte die Familie in der Weld Avenue, Nr. 116, in Rochester. Scott galt als „tomboy„, also burschikoses Mädchen, und wurde deshalb von ihrer Familie in ein Mädchenpensionat geschickt. 1910 war Scott die zweite Frau, nach Alice Huyler Ramsey, die ein Automobil quer durch die USA fuhr; sie war die erste, die dies westwärts von New York City nach San Fransisco tat. Die Fahrt wurde vom Automobilhersteller Willys-Overland gesponsort, ihr Wagen hieß daher auch „Lady Overland“. Scott und ihre Beifahrerin, eine Reporterin namens Gertrude Buffington Phillips, verließen New York am 16. Mai 1910 und erreichten San Francisco am 23. Juli 1910. Die New York Times schrieb am 17. Mai 1910:

Miss Scott, mit Miss Phillips als einzige Begleiterin, startet auf die lange Fahrt mit dem Ziel zu beweisen, dass es einer Frau möglich ist, ein motorisiertes Fahrzeug über Land zu fahren und alle nötigen Reparaturen unterwegs vorzunehmen. Miss Blanche Stuart Scott begann gestern in einem Overland-Automobil ihre transkontinentale Fahrt, die in San Francisco enden wird.

Quelle: englische Wikipedia

Die Werbeaktion für ihre Automobil-Fahrt machte Jerome Fanciulli und Glenn Curtiss auf sie aufmerksam, die bereit waren, ihr in Hammondsport, New York Flugunterricht zu geben. Sie war die einzige Frau, die bei Curtiss selbst Flugstunden absolvierte. Er drosselte die Gaszufuhr in Scotts Flugzeug, sodass es nicht genug Geschwindigkeit erreichen konnte um abzuheben, wenn sie selbst am Steuer saß. An einem Tag im September versagte entweder die Drosselung oder ein Windstoß erfasste den Doppeldecker, jedenfalls hob sie bis zu einer Höhe von 12m (40feet) ab, bevor sie eine sanfte Landung ausführte. Der Flug war kurz und womöglich ungeplant, dennoch wird Scott von der Webseite Early Birds of Aviation als erste Frau gelistet, die selbst und allein ein Fugzeug geführt hat, obwohl die Aeronautical Society of America zu dieser Zeit den Flug von Bessica Medlar Raiche am 16. September als den ersten einer Frau akkreditierte.

Scott wurde schließlich eine professionelle Pilotin. Am 24. Oktober 1910 hatte sie ihren ersten Auftritt als Mitglied von Curtiss‘ Team bei einer Flugschau in Fort Wayne, Indiana. Damit war sie die erste Frau, die bei einer öffentlichen Veranstaltung ein Flugzeug flog. Ihre Darbietungen bei Flugschauen brachten ihr den Namen „Tomboy of the Air“ ein. Sie wurde eine versierte Stuntpilotin, bekannt dafür, kopfüber zu fliegen oder so genannte „death dives“ zu vollziehen, bei denen sie aus einer Höhe von 1,2 km herabstürzte, um dann 60 m vor dem Boden wieder hochzuziehen. 1911 war sie die erste Frau, die einen „Langstreckenflug“ vornahm, als sie von Mineaola, New York, aus eine Strecke von 96,5km flog. Glenn Martin nahm sie 1912 unter Vertrag, bei ihm wurde sie die erste weibliche Testpilotin, als sie Martins Prototypen steuerte, bevor die Blaupausen für das Flugzeug fertiggestellt wurden. 1913 wurde sie Mitglied eines weiteren Flugschau-Teams. Sie zog sich 1916 vom Fliegen zurück, weil sie sich daran störte, wie sehr sich die Öffentlichkeit vor allem für Abstürze interessierte, und dass die Flugindustrie Frauen keine Möglichkeiten bot, Mechanikerin oder Technikerin zu werden.

In den 1930ern schrieb Scott Drehbücher für RKO, Universal Studios und Warner Brothers in Hollywood, Kalifornien. Sie schrieb und produzierte auch Radiosendungen, die in Rochester und Kalifornien ausgestrahlt wurden. Am 6. September 1948 war sie die erste Frau, die in einem Jet als Passagier mitflog, als sie Chuck Yeager in einer TF-80C begleitete. Da Yeager ihre Vergangenheit als Stuntpilotin kannte, vollführte er mit ihr im Jet einige „gerissene Rolle“ und einen Sturzflug über 4 km Tiefe. Schließlich 1954 begann Scott, im United Air Force Museum mitzuarbeiten, sie half dort, Material zu den frühesten Versuchen der Luftfahrt zusammenzutragen.

Scott starb 84-jährig am 12. Januar 1970 in ihrer Heimat Rochester, ihr Leichnam wurde im Mount Hope Cemetery eingeäschert. Beigesetzt wurde sie auf dem Rochester’s Riverside Cemetery. Am 30. Dezember 1980 gab der United States Postal Service eine Luftpost-Briefmarke zu Ehren ihrer Errungenschaften in der Luftfahrt heraus. 2005 wurde sie in die National Women’s Hall of Fame aufgenommen.

Bei diesem Text handelt es sich um die Übersetzung des Textes zu Blanche Stuart Scott auf der englischen Wikipedia, die ich (ohne Anmeldung) als Beitrag am 14. März eingestellt habe. Stand 26. März: wartet auf Sichtung.

Edit 09. April 2019: Der Wikipedia-Beitrag ist nun freigeschaltet!

Eine etwas lebhaftere Beschreibung ihrer Persönlichkeit und Leistungen findet sich auf der Webseite des Democrat&Chronicle.

KW 19/2013: Harriet Quimby, 11. Mai 1875

Harriet QuimbyHarriet Quimby war die erste Frau in Amerika, die einen Flugschein erhielt, und sie war die erste Pilotin, die über den Ärmelkanal flog. Dieser Flug blieb allerdings weitgehend unbeachtet, weil zwei Tage zuvor die Titanic gesunken war.

Warum nach der Autofahrerin nicht auch mal wieder eine Pilotin – die nebenher auch als Journalistin tätig war und mehrere Drehbücher schrieb, die von David W. Griffith verfilmt wurden.

Als Frau, die Amelia Earhart inspirierte und generell den Zeitgeist des beginnenden 20. Jahrhunderts repräsentierte, geht Harriet Quimby noch immer gut als Vorbild für Frauen von heute durch: Einfach machen und nicht nach den Steinen kucken, die einem in den Weg gelegt werden. Bzw. seinen Weg einfach drüber oder drumrum machen.

Women’s History bei about.com widmet ihr eine Biographie. Außerdem ist sie vertreten bei Famous Scientists und Eyewitness to History.

Bild: By George Grantham Bain Collection – Library of CongressCatalog; Image download, Original url, Public Domain

KW 2/2012: Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, 9. Januar 1903

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Melitta Schenks Sternstunde auf einen Moment ihres Lebens zu begrenzen, fällt schwer. Aus offizieller Sicht kann man die Jahre 1943 und 1944 wohl als ihre erfolgreichsten betrachten: Sie erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Flugzeugführer- und Beobachterabzeichen in Gold mit Brillanten für ihre Arbeit bei der Deutschen Luftwaffe, ein Jahr später promovierte sie. Und das nicht nur als Frau in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, sondern auch als Person jüdischer Herkunft im Dritten Reich.

Vorher hatte sie bereits ein Diplom in Mathematik, Physik und Flugmechanik mit Auszeichnung erhalten, war bei der Luftwaffe, bis sie 1936 wegen ihrer jüdischen Abstammung entlassen wurde, hatte an der Entwicklung von Steuerungs- und Navigationssystemen bei Askania gearbeitet und war als zweite Frau in Deutschland zur Flugkapitänin ernannt worden.

Die Betrachtung ihrer Vita löst bei mir in vielerlei Hinsicht Erstaunen aus. Ihr Beispiel steht vor allem für die Durchsichtigkeit des Systems, nach dem im Dritten Reich Juden und politisch Verfolgte begnadigt wurden, für die Beugungsfreiheit, die sich die Faschisten mit ihren eigenen Rassengesetzen erlaubten. Selbst wenn „nur“ ihr Großvater jüdischen Glaubens war und ihr Vater zum Protestantismus konvertiert hatte – für die Logik der Rassenlehre spielte das ja eigentlich keine Rolle. Sehr wohl aber, wieviel eine Jüdin zum Bestehen des Dritten Reiches und zum Vorteil in der Kriegsführung beitragen konnte. Melitta Schenk war so gut in ihrer Tätigkeit, dass sie nicht nur über die Vorurteile gegen das weibliche Geschlecht erhaben war, sondern auch so nützlich für die Interessen ihrer Nation, dass ihr offiziell die Gleichstellung mit arischen Personen erteilt wurde.

Und gerade dieses Überspannen so gegensätzlicher Pole in ihrem Leben fasziniert mich an Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg. Mal das Klischee von Frauen und Technik beiseite – das sowieso als solches außer Acht gelassen werden sollte: Mit ihrer Forschung trug sie zum Erhalt eines Staates bei, der ihr und ihrer Familie nach dem Leben trachtete – umso mehr, nachdem ihr Schwager das Attentat auf Hitler auszuüben versucht hatte. Sie war jedoch entgegen der politischen Verfolgung eine Patriotin, und das erscheint nicht einmal paradox: Deutschland war ihre Heimatnation, sie kannte und liebte keine andere – und sie stellte sie über das herrschende System. Ebenso standen ihr die Piloten, die im Krieg flogen, als Kollegen und Landsleute nah, sodass es in ihrem Berufsinteresse lag, mit ihrer Forschung die bestmöglichen Bedingungen für diese herauszuholen, ungeachtet der Motivation des Krieges.

Ich will nicht sagen, dass ich sie für für ihre Errungenschaften in der Kriegstechnik ehre – am erfoglreicheren Vernichten menschlichen Lebens zu arbeiten ist mir doch zu fern meiner eigenen Überzeugung – aber ich bewundere ihre Integrität. Wie es scheint, gab es für sie kein Dilemma in ihrer Arbeit für das Hilterregime; vielleicht sah sie über die von kleinlichen Menschen geschaffenen Rahmenbedingungen hinweg den größeren Zusammenhang. Der Erhalt der Heimat und das Leben ihrer Landsleute waren ihr wichtiger als Recht oder Unrecht des Krieges, die Forschung war ihr wichtiger als das Widersetzen gegen ein arbiträres, doch nur zeitlich begrenztes System (wenn sie das so absehen konnte). Und dennoch war sie nicht unpolitisch: Sie hatte sich bereit erklärt, ihren Schwager beim Attentat auf Hitler zu unterstützen, kam jedoch aufgrund technischer Details nicht zum Zuge.

Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg wäre möglicherweise eine von den drei historischen Persönlichkeiten, denen ich gerne einmal begegnen würde (auf die anderen beiden werde ich mich nicht festnageln lassen). War ihre klare Linie durch die Wirren der Zeit hindurch festen moralischen Standards geschuldet, die sich nicht von politischen Lagern vereinnahmen ließen, oder war sie eine Opportunistin für die eigene Forschung? Wie konnte sie mit der Diskrepanz ihrer Interessen umgehen, ohne sich selbst handlungsunfähig zu machen?

Von einem „ungeheuren Gewissenskonflikt“ ist in ihrer Biografie auf der Seite Biografien-News zu lesen, doch darüber zu erfahren gibt es wenig. Dafür eine detaillierte Auflistung wichtiger biografischer Punkte inklusive ihrer aberwitzigen Sturzflug-Experimente – 2.000 in den Jahren zwischen 1939 und 1944 – auf der Seite von Lautlingen, auf der sie als Verbündete und Verwandte der Grafen von Stauffenberg gelistet ist. Außerdem gibt es eine kleine Sammlung an Texten und Links zu ihr auf der Seite der australischen CTIE – wie es aussieht, ein Teil des Technischen Instituts der Monash University.

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§218!