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19/2020: Cecilia Payne-Gaposchkin, 10. Mai 1900

Cecilia Payne-Gaposchkin kam als Kind eines britischen Anwalts und seiner preußischen Ehefrau in einer Kleinstadt in Buckinghamshire zur Welt. Schon vier Jahre später starb der Vater und ließ die Mutter mit der Versorgung ihrer drei Kinder alleine zurück. 1912 zog die Familie nach London, damit der jüngere Bruder Humfry eine bessere Schulbildung erhalten konnte. Cecilia besuchte zunächst eine Schule, auf der es ihr als Mädchen nicht möglich war, sich mit Mathematik und den Wissenschaften zu befassen. Mit 18 Jahren wechselte sie jedoch auf die St. Paul’s Girls‘ School; ihr Lehrer Gustav Holst drängte sie eigentlich, eine Karriere in der Musik zu verfolgen, doch Cecilia interessierte sich mehr für die Wissenschaft. Sie gewann schließlich ein Stipendium über sämtliche Studienkosten am Newnham College (noch heute ein reines Fraueninstitut) an der University of Cambridge. Sie begann ein Studium der Physik, Chemie und Botanik, letzteres ließ sie jedoch nach dem ersten Jahr fallen.

Der Wendepunkt, der sie zur Astronomie brachte, war eine Vorlesung von Arthur Eddington. Der Astrophysiker hatte eine zur Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 eine Expedition in die Verfinsterungszone, nach Principe im Golf von Guinea, unternommen, um mit den Beobachtungen von Himmelskörpern während der Sonnenfinsternis Einsteins Relativitätstheorie zu prüfen. Die Erkenntnisse, die er in seiner Vorlesung präsentierte, erschütterten Cecilia Paynes Weltbild, sodass sie sich von nun an mit Himmelskörpern befasste. Ihr war jedoch klar, dass sie im Vereinigten Königreich als Frau keine berufliche Laufbahn außerhalb einer Lehrtätigkeit verfolgen konnte, daher suchte sie nach einer Möglichkeit, in die USA zu gehen. 1923 lernte sie Harlow Shapley kennen, der kurz zuvor ein Graduiertenprogramm in Astronomie am Harvard-College-Observatorium eingerichtet hatte. Mit Hilfe eines Stipendiums, das ausdrücklich Frauen vorbehalten war, wurde ihr dieses postgraduale Studium ermöglicht. Die einzige Frau vor ihr in diesem Programm war Adelaide Ames, während ihres Studiums arbeitete Payne dort mit Annie Jump Cannon zusammen.

Mit nur 25 Jahren machte Cecilia Payne bereits ihre wichtigste Entdeckung, die auch für die Astronomie von entscheidender Bedeutung war. Für ihre Dissertation untersuchte sie Sternspektren, also die Zusammensetzung und Verteilung des Lichtes von Himmelskörpern. Sie konnte zunächst schon einmal die Spektralklassen, also Farbtemperaturen unterschiedlicher Sterne, ihren korrekten Oberflächentemperaturen zuordnen, indem sie die Ionisierungstheorie von Meghnad Saha anwandte. Elemente werden ionisiert, wenn zum Beispiel durch erhöhte Temperatur (thermische Ionisation) Elektronen aus den Atomen herausgelöst werden und diese als positive Ionen zurückbleiben. Die Saha-Gleichung setzt den Ionisierungsgrad eines Elements mit seinem Erhitzungsgrad in Bezug. Aufgrund dieser korrekten Zuordnung konnte Payne nachweisen, dass die untersuchten Sterne hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestanden.

Bis dahin war die akzeptierte wissenschaftliche Theorie, dass alle Himmelskörper zu gleichen Teilen aus den gleichen Elementen zusammengesetzt seien, dass also zum Beispiel die Erde, wenn sie auf die Temperatur der Sonne erhitzt würde, die gleiche Spektralklasse wie diese hätte. Payne bewies, dass die unterschiedlichen Spektrallinien verschiedener Sterne nicht auf das Vorhandensein von verschiedenen Elementen zurückzuführen ist, sondern darauf, dass in unterschiedlichen Temperaturen die gleichen Elemente – Wasserstoff und Helium – unterschiedlich ionisiert werden. Zwar weisen auch die leuchtenden Himmelskörpern eine Metallizität auf, enthalten also Silizium, Kohlenstoff und andere herkömmliche Elemente, die auch auf der Erde zu finden sind, und sogar in einem ähnlichen Verhältnis zueinander. In ihrer Dissertation belegte Cecilia Payne jedoch, dass die beiden ersten, einfachsten Elemente des Periodensystems auch die häufigsten im Universum sind, im Fall von Wasserstoff etwa um das Millionenfache häufiger als die anderen Elemente.

Weil ihre Ergebnisse der gängigen wissenschaftlichen Annahme wiedersprachen, musste Payne ihre Aussagen kurz darauf als „fadenscheinig“ zurückziehen. Henry Norris Russell, der Harlow Shapleys Lehrer gewesen war, setzte sie dahingehend unter Druck; vier Jahre später bestätigte er Paynes Behauptung jedoch, was wiederum George Gamow zu der korrekten Vermutung führte, dass die Kernfusion in unserer Sonne durch das Verhältnis von vier Wasserstoffkernen zu einem Heliumkern befeuert wird. Cecilia Paynes Dissertation erhielt auch ihre Ehrung, als Otto von Struve sie als „die brillianteste Doktorarbeit, die jemals im Fach der Astronomie geschrieben wurde“ bezeichnete.

Auch nach ihrer Promotion erforschte Payne weiterhin die Leuchtkraft von Himmelskörpern. 1930 ließ ihrer inzwischen rehabilitierten Dissertation das Wer „Sterne von hoher Leuchtkraft“ („The Stars of High Luminosity„) folgen. Dieses Werk sollte die Grundlage für alle weiteren Forschungen an den darin besprochenen Sternen werden. Sie wurde 1931 amerikanische Staatsbürgerin, 1933 lernte sie den russisch geborenen Astrophysiker Sergej Gaposchkin kennen und heiratete ihn 1934. Über all diese Jahre blieb sie als akademische Kraft in Harvard, wo sie allerdings aufgrund der Geschlechterdiskriminierung nicht als Professor, sondern nur in weniger prestigeträchtigen und vor allem schlechter bezahlten Positionen tätig sein konnte. Ihr Mentor Shapley setzte sich für sie ein, sodass sie zunächst 1938 offiziell den Titel „Astronomin“ am Observatorium führte. 1943 wurde sie als Fellow in der American Academy of Arts and Sciences aufgenommen, ihre Universität listete ihre Kurse dennoch zwei weitere Jahre nicht im Vorlesungsverzeichnis.

Als 1954 Donald Menzel der Direktor des Observatoriums wurde, verwendete er sich für eine bessere Stellung Payne-Gapschkins, und so wurde sie 1956, 27 Jahre nach ihrer Promotion, zur ordentlichen Professorin – der ersten weiblichen für Astronomie an der Universität Harvard. Später wurde sie die erste weibliche Fachbereichsleiterin am gleichen Institut. Zehn Jahre später emeritierte sie bereits, forschte allerdings als Angestellte des Smithsonian Astrophysical-Observatory weitere 20 Jahre und lektorierte dessen Veröffentlichung in dieser Zeit.

Kurz nachdem sie im Selbstverlag ihre Autobiografie herausgebracht hatte, starb sie 1979 mit 79 Jahren. Ihre Tochter, mittleres Kind von dreien, erinnerte sich an sie als eine „begeisterte Schneiderin, erfinderische Strickerin und unersättliche Leserin“. Ihre Autobiografie ist leider nur auf Englisch zu haben, doch erreicht bei Goodreads 4,52 von 5 Sternen.

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27/2017: Henrietta Swan Leavitt, 4.7.1868

Henrietta Swan Leavitt Frauenfiguren

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Wiki deutsch
Henrietta Swan Leavitt war eine der Damen, die als niedrig bezahlte ‚menschliche Rechenmaschine‘ bei Edward Charles Pickering, auch als ‚Pickerings Harem‘  bekannt, am Harvard-College-Observatorium arbeiteten. Sie war dank gehobener Abstammung nicht auf ein Einkommen angewiesen und arbeitete zunächst für Studienpunkte, später für einen Pfenniglohn. Sie war durch eine Erkrankung so gut wie taub, was jedoch keinen Einfluss auf ihre Arbeit zu haben schien; nur ihr weibliches Geschlecht machte es ihr unmöglich, selbst ein Teleskop zu handhaben.

Leavitt war beauftragt, veränderliche Sterne zu beobachten und zu katalogisieren. Dabei maß sie die Helligkeit spezieller veränderlicher Sterne, nämlich der Cepheiden, und machte dabei die Beobachtung, die der Erkenntnis und Berechnung unseres heutigen Wissens über das Weltall zugrunde liegt: Sie stellte fest, dass sich eine Beziehung herstellen ließ zwischen der Leuchtkraft und der periodischen Veränderung der absoluten Helligkeit dieser Sterne. Aus dieser Beziehung lässt sich ihre Distanz zum Beobachtungspunkt berechnen. Mithilfe Leavitts Logarithmus konnte bald darauf belegt werden, dass sich einige der katalogisierten Sterne nicht in der unseren, sondern in Lichtjahren entfernten Galaxien befanden. Die Folgen von Leavitts Erkenntnis rückte – angewandt von Harlow Shapley – nicht nur unser Sonnensystem aus dem Zentrum unserer Galaxie, sondern auch – angewandt von Edwin Hubble – unsere Galaxie aus dem Zentrum des Weltalls.

Sie starb 1921 an Krebs; vier Jahre später erst kam Gösta Mittag-Leffler, ein schwedischer Wissenschaftler, der von ihrem Tod noch nicht erfahren hatte, auf die Idee, sie für den Nobelpreis vorzuschlagen. Dieser wird nicht posthum verliehen, daher konnte Leavitt nicht nominiert werden.

Bild: By Unknown – From here. Taken before 1921 (year of death), see also [1]., Public Domain

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Wiki english
Henrietta Swan Leavitt was one of the ladies who worked as underpaid ‚human computers‘ for Edward Charles Pickering at Harvard College Observatory, also known as Pickering’s harem. Coming from a wealthy family, she was not reliant on an income and worked for study points at first, later for a few cents per hour. An illness had rendered her almost completely deaf, a fact that had ostensibly no influence on her work; it was only her female sex that made it impossible for her to operate a telescope herself.

Leavitt was assigned with the observation and cataloguing of variable stars. She measured the luminosity of a special kind of variable stars, namely Cepheid variables, and whilst doing so made the observation which underlies the discovery and computation of our current knowledge of the universe: She found a relationship between the luminosity and the periodical change of absolute brightness of these stars. From this relationship their distance from the viewing point can be extrapolated. Based on Leavitt’s logarithm it was soon possible to prove that some of the catalogued stars were not part of our, but other galaxies lightyears away. . The consequences of Leavitt’s finding – applied by Harlow Shapley – moved our sun from the centre of our galaxy and – applied by Edwin Hubble – our galaxy from the centre of the universe.

She died of cancer in 1921; it was only four years later that Gösta Mittag-Leffler, a Swedish scientist who hadn’t heard of her death, thought of proposing her to the Nobel Prize committee. The prize is not awarded posthumously, thus Leavitt could not be nominated.

WEG MIT
§218!