Schlagwort: maria sybilla merian

14/2020: Sophie Germain, 1. April 1776

Sophie Germain wurde in Paris geboren, ihr Vater war wahrscheinlich Textilkaufmann, in jedem Fall wohlhabend. Als die Französische Revolution ausbrach, war Sophie 13 – und durch die gewaltvollen Vorgänge in den Straßen dazu gezwungen, in ihren eigenen vier Wänden zu bleiben. Ihr Vater wurde einer der Vertreter der Bourgeoisie in der Nationalversammlung. In der Zeit der politischen Unsicherheit wandte sich Sophie der Sicherheit in der Bibliothek ihres Vaters zu. Eines der Bücher mit dem größten Einfluss auf ihre spätere Karriere war Histoires des mathématiques (Geschichte der Mathematik) von Jean-Étienne Montucla, die Geschichte von Archimedes und seinem Tod beeindruckte sie besonders.

Ihre Faszination für die Mathematik wurde von ihren Eltern zunächst nicht begrüßt, da sich dies zur damaligen Zeit für eine junge Dame nicht schicke. Sie versuchten, sie von weiterer Beschäftigung damit abzuhalten, indem sie ihr Zimmer nachts nicht mehr heizten und beleuchteten – doch Sophie setzte sich mit mehreren Decken und Kerzen an ihren Schreibtisch. Morgens fanden die Eltern sie schlafend am Schreibtisch, der mit mathematischen Formeln bedeckt war, die Tinte gefroren im Glas. Dieser Entschlossenheit wollten sie sich nicht mehr entgegenstellen und gestatteten ihr das Studium der Mathematik, ihre Mutter unterstützte sie schließlich aktiv in ihrer Bildung. Sophie Germain brachte sich zusätzlich auch Latein und Griechisch bei, um die Werke von Isaac Newton und Johann Albrecht Euler lesen zu können.

1794, noch vor Ende der Revolution, wurde die École polytechnique gegründet – doch der inzwischen 18-jährigen Germain war es wegen ihres Geschlechts nicht erlaubt, die Schule zu besuchen. Ein befreundeter Student der Schule, Antoine-Auguste LeBlanc, beschaffte ihr die Vorlesungsunterlagen. Als LeBlanc in den Auseinandersetzungen der Revolution starb, setzte sie ihr Studium ohne seine Unterstützung fort. Sie verwendete den Namen LeBlanc, um Lösungen für die mathematischen Probleme einzureichen, die der Professor Joseph-Louis Lagrange seinen Studenten stellte. Von der Intelligenz seines ‚Schülers‘ LeBlanc angetan, wollte er ‚ihn‘ treffen und war zwar überrascht, aber nichtsdestotrotz begeistert von Sophie Germain. Er wurde einer ihrer ausdauerndsten Unterstützer und Förderer.

Aufgrund der Veröffentlichung eines Essays zur Zahlentheorie von Adrien-Marie Legendre begann sich auch Germain für diesen Bereich der Mathematik zu interessieren. Sie nahm Kontakt mit ihm auf, um sich auszutauschen. Einige Zeit später veröffentlichte Carl Friedrich Gauß die Disquisitiones Arithmeticae (Zahlentheoretische Untersuchungen); nachdem sie sich drei Jahre mit den Aufgaben und Fragen beschäftigt hatte, sie sein Werk aufstellte, begann sie unter dem Pseudonym LeBlanc auch mit ihm eine Korrespondenz. Als 1806 Braunschweig von Napoleon besetzt wurde, war Germain um den dort lebenden Gauß besorgt und nutzte ihre gesellschaftliche Stellung, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Der französische Kommandant Penetry war ein Freund der Familie, ihn bat sie, Gauß vor einem archimedischen Schicksal zu schützen. Als er dies gegenüber dem Schützling Gauß erwähnte, konnte dieser mit dem Namen Sophie Germain nichts anfangen, da er sie als Antoine-Auguste LeBlanc kannte. Erst drei Monate später offenbarte Germain Gauß ihre Identität, dessen Anerkennung daraufhin wuchs, denn schließlich hätten Frauen weit größere Hürden zu überwinden bei der Verfolgung ihrer wissenschaftlichen Ziele. Doch obwohl er ihre Arbeit schätzte, war die Korrespondenz meist einseitig, Gauß erwähnte keine von Germains Schriften in seinen Arbeiten und auch der Briefwechsel endete kurze Zeit nach Germains Offenbarung.

Stattdessen wandte sich Germain zunächst dem Thema der Elastizität zu, anlässlich einer Preisausschreibung der Académie des sciences, angeregt von Ernst Florens Friedrich Chladnis Experimenten mit schwingenden elastischen Platten. Die Herausforderung war, zu diesen Schwingungen eine mathematische Theorie zu entwickeln. 1809 begann Sophie Germain an diesem Problem zu arbeiten, zunächst mit nur einem Konkurrenten um den Preis, Siméon Denis Poisson, der jedoch noch vor dem Ablauf des Wettbewerbs in die Académe aufgenommen wurde und somit vom Mitstreiter zum Preisrichter aufstieg. Germains Einreichung 1811 war die einzige, doch die Jury empfand ihre Gleichungen als nicht hinreichend begründet und verlieh den Preis nicht; Joseph-Louis Lagrange war allerdings auf der Basis von Germains Berechnungen in der Lage, eine Gleichung zu erstellen, die ‚unter bestimmten Voraussetzungen‘ gültig war.

Der Wettbewerb wurde um zwei Jahre verlängert und Germain machte sich gleich an eine Überarbeitung ihrer Schrift. Während sie in der ersten Runde noch die Unterstützung von Adrien-Marie Legendre gehabt hatte, war sie nun auf sich allein gestellt, und ihre zweite Einreichung 1813 war voller Berechnungsfehler. Sie erhielt eine ehrenhafte Erwähnung, doch der Wettbewerb wurde ein weiteres Mal um zwei Jahre verlängert.

Dieses dritte Mal ließ sie sich zunächst von Poisson beraten, doch dieser veröffentlichte 1814 eine eigene Arbeit zum Thema, in der er mit keinem Wort erwähnte, dass seine Berechnungen in Zusammenarbeit mit Germain zustande gekommen waren und er als Mitglied der Académie Zugang zu ihren Vorarbeiten gehabt hatte. Sophie Germain sollte ihren dritten Versuch 1815 schließlich auch unter ihrem eigenen Namen einreichen und endlich 1816 als erste Frau in der Geschichte einen Preis der Académie des sciences gewinnen. Aus Protest gegen die Behinderung und Herabsetzung, die sie von einigen der Preisrichter hatte hinnehmen müssen, blieb Germain der Preisverleihung fern. Und einen Zugang zu den Versammlungen der Académie verschaffte ihr der gewonnene Preis auch nicht – den hatten nur die ausschließlich männlichen Mitglieder und deren Ehefrauen. Erst sieben Jahre später konnte die preisgekrönte Mathematikerin an den Sitzungen teilnehmen, weil Joseph Fourier, mit dem sie sich angefreundet hatte, ihr Eintrittskarten organisierte.

Ihre gekürte Arbeit zur Elastizität veröffentlichte sie 1821 auf eigene Kosten, um ihre Beteiligung an Poissons Schrift von 1814 zu verdeutlichen, eine überarbeitete Fassung erschien fünf Jahre später.

Nachdem der Preis zum Thema Elastizität verliehen war, schrieb die Académie einen Preis aus für den Beweis des Satzes von Fermat. Damit wandte sich auch Germain diesem Bereich der Zahlentheorie zu und sie nahm nach zehn Jahren des Schweigens die Korrespondenz zu Gauß wieder auf. In ihrem Brief an ihn beschrieb sie eine Strategie für den Beweis des Satzes, der zeigt, dass sie einer Lösung für das Problem auf der Spur war; doch Gauß antwortete nie auf ihren Brief. Germain schrieb stattdessen ein Manuskript, das jedoch nie veröffentlicht wurde; darin bewies sie, dass der 1. Fall des Fermat’schen Satzes für bestimmte Primzahlen zutraf. Ihre Beweisführung wurde nur dadurch überhaupt bekannt, dass Legendre diesen Beweis in einer Fußnote seiner eigenen Arbeit erwähnte. Diese Primzahlen, mit denen Germain ihren Beweis erbrachte, heißen heute Sophie-Germain-Primzahlen.

Sophie Germain arbeitete noch einige Jahre an diesem und anderen mathematischen Themen, ebenso beschäftigte sie sich mit Philosophie und Psychologie. Ihr Anliegen war es, mathematische Methoden auch auf diese Bereiche anwendbar zu machen. 1829 erhielt sie eine Brustkrebsdiagnose und 1831 starb sie mit 55 Jahren an der Krankheit. Trotz seiner Zurückhaltung im Briefwechsel mit ihr klagte Gauß sechs Jahre nach ihrem Tod, dass sie eine Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen verdient hätte: „Sie bewies der Welt, dass sogar eine Frau etwas erwähnenswertes erreichen kann in der exaktesten und abstraktesten Form der Wissenschaft.“ (Quelle: Wiki)

*

Ebenfalls diese Woche

2. April 1647: Maria Sybilla Merian
Über die „Mutter der Entomologie“ schrieb ich 2016.

3. April 1943: Jane Goodall
Mit dem Jane-Goodall-Institut setzt sich die britische Verhaltensforscherin für den Schutz von Primaten und der Erhalt ihrer Habitate ein.

4. April 1868: Philippa Fawcett
Die britische Mathematikerin war 1890 die erste Frau, die beim Mathematical Tripos von Cambridge die höchste Punktzahl erreichte; siehe auch Hertha Ayrton.

KW 13/2016: Maria Sybilla Merian, 2. April 1647

Maria Sybilla Merian

Wiki deutsch Wiki englisch
Die „Mutter der Entomologie“ hatte ihre künstlerische Ausbildung und Karriere vor allem ihrem Stiefvater zu verdanken. Sie wurde als Tochter des Kupferstechers und Verlegers Matthäus Merian dem Älteren und seiner zweiten Frau Johanna Catharina Sybilla geboren; als sie drei Jahre alt war, starb ihr Vater, der bei ihrer Geburt bereits 53 Jahre alt gewesen war. Die Mutter heiratete erneut, dieses Mal den Blumenmaler Jacob Marrel, der zu Maria Sybillas Glück ihr Talent erkannte und ungeachtet der weniger fortschrittlichen Ambitionen der Mutter sie unterrichtete bzw. unterrichten ließ und förderte. Neben ihrem Erfolg als Kupferstecherin und Malerin frönte sie ihrem zugleich wissenschaftlichen wie ästhetischen Interesse an Insekten und Pflanzen.

Mit 18 heiratete sie ihren ehemaligen Lehrer Johann Andreas Graff. Das Paar ließ sich in Nürnberg nieder und arbeitete künstlerisch und kaufmännisch, im Handel mit Malerutensilien. Maria Sybilla musste hier mit eingeschränkten Möglichkeiten – es war Frauen nicht erlaubt, mit Öl auf Leinwand zu malen – zum gemeinsamen Einkommen beitragen. Sie betätigte sich im Handel sowie in Stickerei, Stoffmalerei und dem Unterricht höherer Töchter. Schließlich brachte sie ihr erstes Buch heraus, das eigentlich als Andachtsbuch gedacht war: Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung. In der Kontemplation der niedersten Tiere sollten die Leser die Schönheit und Kraft von Gottes Schöpfung erfahren. Heute gilt das Buch als erster Beitrag zur Entomologie.
Nach 20 Jahren Ehe – Maria Sybilla war 38 – trennte sie sich von ihrem Mann und zog mit ihrer Mutter und ihren beiden Töchtern in eine Labadisten-Kolonie in den Niederlanden; weniger aus eigener religiöser Motivation als um Abstand vom vorherigen Leben zu gewinnen. Sie bildete sich fort und verfolgte weiterhin ihre Forschungen zu Insekten. Nachdem ihr dort lebender Stiefbruder und ihre Mutter gestorben waren, zog sie 6 Jahre später mit ihren beiden Töchtern nach Amsterdam und begann, ihre Reise nach Surinam vorzubereiten. Die Idee hierzu kam ihr durch die Besuche im Botanischen Garten der Stadt, in dem die Vielfalt der südamerikanischen Insektenwelt zwar angedeutet, aber nicht in ihrer vollen Entwicklungsbandbreite dargestellt wurde.

Mit 52 Jahren schließlich machte sie Nägel mit Köpfen, veräußerte ihr Hab und Gut und ließ ihre beiden Töchter für den Fall ihres Todes testamentarisch als Universalerben einsetzen. Dann reiste sie per Schiff mit ihrer jüngeren Tochter Dorothea Maria nach Surinam, wo sie zwei Jahre lang zunächst von der Hauptstadt Paramarimbo, dann von einer weiter außerhalb gelegenen Labadistenkolonie aus Exkursionen in den Urwald unternahm, bei denen sie zahlreiche Insektenarten in unterschiedlichen Stadien zeichnete und sammelte. Von Malaria geschwächt reiste sie mit ihrer Tochter zurück nach Amsterdam, wo ihre Sammlung und Forschungsergebnisse zwar im allgemeinen begrüßt wurden, die Erträge aus Drucken jedoch nicht so weit gingen, dass sie ihren Unterhalt davon bestreiten konnte. Sie musste bis zum Ende ihres Lebens Malunterricht geben und mit Malutensilien und Tierpräparaten Handel betreiben. Als sie 69jährig starb, war sie so arm, dass sie in einem namenlosen Armengrab beerdigt wurde.

Ihre Beobachtungen und Bebilderungen legten den Grundstein zur Insektenforschung, die heute nicht nur biologisch, sondern auch kriminalistisch von Interesse ist.

Bild: By Unknown – Unknown, Public Domain,

*

Von 187 (Wikipedia) relevanten Persönlichkeiten vor dem 19. Jahrhundert sind diese 17 (inklusive Maria Sybilla Merian) Frauen:
31.3.1360 Philippa of Lancaster
28.3.1515 Teresa von Ávila
2.4.1545 Elisabeth von Valois
2.4.1587 Virginia Centurione Bracelli
29.3.1590 Agnes Magdalene von Anhalt-Dessau
2.4.1602 María von Ágreda
1.4.1607 Marie Eleonore von Brandenburg
2.4.1614 Jahanara Begum
2.4.1619 Anna Sophia von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld
1.4.1624 Marija Iljinitschna Miloslawskaja
30.3.1697 Faustina Bordoni
31.3.1718 Maria Anna Viktoria von Spanien
2.4.1735 Ernestine Christine Reiske
2.4.1788 Wilhelmine Reichard
3.4.1795 Anna Schödl
30.3.1798 Luise Hensel

WEG MIT
§218!