Als Celine Fariala Mangaza 1967 in Bukavu zur Welt kam, war ihr Heimatland die ‚Republik Kongo‘ unter der Diktatur Mobutus (der im immerhin im Mai des gleichen Jahres das Wahlrecht für alle – faktisch das Frauenwahlrecht – eingeführt hatte). In ihrem dritten Lebensjahr erkrankte sie an Poliomyelitis, was zu Lähmungen führte; trotz ihrer körperlichen Einschränkungen und obwohl es für Mädchen in den 1970ern in (dann) Zaire nicht üblich war, besuchte sie bis zur 6. Klasse eine Schule. Danach machte sie eine Ausbildung zur Schneiderin und arbeitete in diesem Beruf. Mit 27 heiratete sie und hatte in dieser Ehe vier Kinder.
Das Elend von behinderten Frauen in der (inzwischen) Demokratischen Republik Kongo führte dazu, dass sie eine Nähwerkstatt eröffnete. Sie sei es müde gewesen, Geschichten von Frauen zu hören, die zu Hause sexuelle und allgemeine Gewalt erleben oder auf der Straße betteln mussten. Um gegen die Isolation, Armut und Diskriminierung etwas zu tun, gründete sie die ‚Association d’Encadrement pour la Promotion Integrale des Femmes Vivant Handicap‚, den ‚Aufsichtsverband zur ganzheitlichen Lebensförderung von Frauen mit Behinderung‘. Die Frauen und Kinder vor allem mit Spätfolgen von Pliomyelitits oder Meningitis, die in ihre Räume kamen und nähten, fanden dort Gemeinschaft, Respekt und Verdienst, aus dem Verkauf der Puppen, Taschen und Kleider, die sie nähten.
Celine Fariala Mangaza erlangte in ihrer Gemeinschaft große Anerkennung. Sie wurde ‚Mama Leki‚ genannt, wobei ‚leki‚ soviel wie Tante heißt, was nicht einen Verwandtschaftsgrad bezeichnet, sondern als respektvolle Anrede gilt.
Am 28. Mai 2020 starb Mama Leki vermutlich an COVID-19, während der Anfangsphase der Pandemie in der DR Kongo. Ihre Testmaterialien waren mit etwa vierzig anderen von Bukavu in die Hauptstadt Kinshasa gesendet worden, doch Mangaza starb bereits am Tag nach ihrer Aufnahme im Krankenhaus.
Als Kleinkind wurde Laura Hershey, erstes von zwei Kindern einer Familie in Littleton, Colorado, mit Spinaler Muskelatrophie diagnostiziert, einem durch Gendefekte ausgelösten fortschreitenden Muskelschwund. Sie nutzte daher schon bald Rollstühle, ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter förderte jedoch ihre schulische Bildung, trotz des erschwerten Zugangs zu Schulen für Menschen mit Behinderung. An der Highschool zeigten sich bereits ihre Talete, so war sie Mitglied des Debattierclubs und Redakteurin der Schülerzeitung.(1)
Als Hershey 11 Jahre alt war, wurde sie als das ‚Posterkind‘ von Colorado für die Muscular Dystrophy Association (Link Englisch), ausgewählt und so von Jerry Lewis‚ für seine (von 1966 bis 2014) alljährlichen MDA Labor Day Telethon (Link Englisch) bekannt gemacht. Mit den Bildern der Kinder mit SMA sollte bei den Zuschauern Mitleid erweckt und die Spendenwilligkeit gesteigert werden; Jerry Lewis bezeichnete die Kinder als ‚Jerry’s Kids‘. Zu dieser Zeit empfand sie die Herangehensweise und den Umgang mit ihr als Betroffene wohl schon als verstörend, konnte dies als Kind jedoch nicht klar erkennen und formulieren.(siehe YouTube It’s Our Story)
Nach dem Studium der Geschichte am Colorado College, das sie 1983 mit einem Bachelor-Grad abschloss, erhielt sie ein Stipendium der Watson Foundation (Link Englisch). Dieses ermöglichte ihr, für einige Zeit in Großbritannien zu leben. Hier begegneten ihr erstmals andere Menschen mit Behinderung, die sich künstlerisch und politisch für die Wahrnehmung und die Rechte von behinderten Menschen einsetzten und Hershey in den Menschenrechtsaktvismus einführten. Zwar hatte sich schon 1978 in der Haupststadt ihres Heimatstaates, Denver, Colorado, die Organisation ADAPT (Link Englisch) gegründet, hershey schloss sich dort jedoch erst nach ihrer Rückkehr aus Großbritannien 1985 an.
Als 1990 die Kritik an Jerry Lewis, seinen Telethons und seinem Umgang mit Kindern und Erwachsenen mit SMA laut wurde, zählte Laura Hershey zu den Stimmen. Nicht nur, wie das Leben mit Kindern mit SMA als bemitleidenswert und schrecklich dargestellt wurde, sondern auch die dröhnende Missachtung von Erwachsenen mit SMA waren Kritikpunkte vor allem ehemaliger ‚Jerry’s Kids‚. Lewis hatte einen Artikel darüber geschrieben, wie er sich selbst in einen Rollstuhl gesetzt habe und feststellen musste, dass ’sein Leben so nur halb zu leben wäre‘; als Protestreaktion darauf gründeten sich ‚Jerry’s Orphans‚ Die inhärente Vorstellung, dass ein Leben mit SMA oder anderer Behinderung nicht lebenswert wäre, stieß bei Hershey und ihren Mitstreiterys auf Widerspruch; sie verlangten, nicht als Objekt für Mitleid oder als abschreckendes Beispiel dargestellt zu werden, sondern als Menschen mit erfülltem Leben und vor allem mit allen Bürgerrechten. Die Kinder seien nur für ihren Schauwert eingesetzt worden, die Spendensammlung richtete sich jedoch viel mehr darauf aus, eine ‚Heilung‘ für den Gendefekt zu finden und habe zu wenig in Hilfe für die bereits mit SMA lebenden Erwachsenen – damalige und inzwischen herangewachsene – resultiert. (Der Abschnitt über Criticism am MDA Telethon (Link Englisch) ist ausgesprochen lesenswert, wenn auch lange nicht erschöpfend. Jerry Lewis‘ Reaktion auf die berechtigte Kritik von Betroffenen war suboptimal. Clip unten nur empfohlen für Menschen mit großer Gelassenheit.) Bei ihren Protesten gegen die Veranstaltung wurde Hershey mehrfach verhaftet.
Ihren politischen Aktivismus setzte Laura Hershey auch als Autorin und Lyrikerin um; sie verfolgte ein weiteres Studium in Kreativem Schreiben, schrieb Bücher und Gedichte sowie eine regelmäßige Kolumne für die Webseite der Christopher and Dana Reeves Foundation (Link Englisch); auch auf ihrer eigenen Seite ‚Crip Commentary‚ (inaktiv) veröffentlichte sie ihre Texte. Zur Anthologie ‚Sisterhood Is Forever‚ trug sie das Kapitel ‚Rights, Realities, and Issues of Women with Disabilities‚ bei. Als lesbische Frau setzte sie sich auch insbesondere für die Rechte homosexueller Menschen mit Behinderung ein; mit ihrer Partnerin adoptierte sie ein Kind. Sie besuchte die UN Konferenzen für Frauenrechte in Nairobi 1985 und in Peking 1995. Noch 2008 machte sie ihren Master of Fine Arts an der Antioch University (Link Englisch) und leitete 2009 einen Workshop zu queer disabled bodies bei der Creating Change Conference.(2) Im November 2010 starb sie unerwartet nach einer kurzen Erkrankung.
Als sie sechs Jahre alt war, erhielt Curtis „Kitty“ Cone eine erste Fehldiagnose. Die Lehrerin hatte bemerkt, dass sie immer auf den Zehenspitzen lief, die Ärzte hielten ihre Erkrankung für Zerebralparese und verordneten zunächst keinerlei Maßnahmen. Da ihr Vater beim Militär war, wechselte die Familie Cone häufig den Wohnsitz, und somit auch die Ärzte, also folgten später dann doch Schienen und Operationen, um ihre Sehnen zu verlängern. Während einer Zeit in Japan wurde sie – ebenfalls fehlerhaft – mit Kinderlähmung diagnostiziert und an beiden Hüften operiert; die langen postoperativen Wochen, in denen sie liegen musste, trugen zur Verschlechterung ihrer Symptome bei. Erst als sie fünfzehn war, erfolgte die richtige Diagnose: Cone lebte mit progressiver Muskeldystrophie, eine genetisch bedingte Behinderung, bei der Betroffene im Verlauf ihre Muskelkräfte verlieren.
Bis zu ihrer späten Jugend besuchte Cone insgesamt dreizehn Schulen, darunter auch im US-amerikanischen Süden. Dort machte sie schon früh und nachhaltige Erfahrungen mit der Segregation (CN Begriff für Segregation), der Diskriminierung ihrer afroamerikanischen Mitmenschen; diese Erlebnisse prägten auch ihren politischen Aktivismus. Sie selbst traf immer wieder auf Einschränkungen an Schulen; zeitweise trugen ihre Cousins und Cousinen sie in die Klassenräume, weil sie die Treppen nicht mehr nehmen konnte – Rampen oder Aufzüge gab es selbstverständlich keine. In einem Internat erlegte ihr die Schulleiterin so uneinhaltbare Regeln auf, dass sie bald wieder ins Elternhaus zurückkehrte. Ihre schulischen Leistungen waren trotz dieser Umstände immer gut und auch, wenn sie in ihrer späteren Jugend mit Stützen gehen musste, machte sie ihren Highschool-Abschluss und ging auf ein College der University of Illinois at Urbana-Champaign. Die Schule hatte ein Programm für körperlich behinderte Studierende, hielt diese jedoch dazu an, nicht um Hilfe zu bitten und sogar angebotene Hilfe auszuschlagen, damit diese nicht schwach und hilfsbedürftig wirkten und damit für potentielle Arbeitgeber unattraktiv.
Cone war für ein Semester nach Hause zurückgekehrt, da ihre Mutter plötzlich an Krebs verstorben war – ebenfalls aufgrund einer Fehldiagnose, ihr Leiden wurde auf die Nerven geschoben. Als sie ans College zurückkehrte, begann sie, sich stark in der Bürgerrechtsbewegung, der NAACP und der Friedensbewegung zu engagieren und verbrachte viel ihrer freien Zeit bei Protesten. Zu dieser Zeit nutzte sie bereits einen Rollstuhl. Als sie spürte, dass ihre Muskulatur schwächer wurde und sie möglicherweise bald auf noch mehr Hilfe angewiesen sein würde, wollte sie sich eine Wohnung außerhalb des Universitätscampus suchen. Zum Einen ging es ihr darum, unabhängig zu leben, bevor dies nicht mehr möglich sein sollte, zum Anderen fiel es ihr meist schwer, die Schließzeiten der Schlafräume einzuhalten, da sie viel und mit dem Rollstuhl unterwegs war. Sie benötigte dafür eine Erlaubnis vom Leiter des Programms, der jedoch vermutete, sie werde nicht aufgrund ihrer Erkrankung schwächer, sondern weil sie so viel bei Protesten aktiv war. Außerdem unterstellte er ihr, dass es ihr darum ging, sexuelle Kontakte zu pflegen. Cone war schließlich so unzufrieden mit ihrem Leben im Rahmen der Universität und dem Programm, das sie im Studium dort unterstützen sollte, dass sie keinen Abschluss dort machte. Stattdessen zog sie nach New York und fokussierte sich auf die politische Arbeit.
1974 wurde sie in Oakland, Kalifornien, bei dem dortigen Center of Independent Living eingestellt, um Lobbyarbeit für die Rechte behinderter Menschen zu betreiben, politische Aktionen auf lokaler und nationaler Ebene zu planen und dazu beitragen, Barrieren für Menschen mit Behinderung zu senken. In dieser Rolle war sie maßgeblich an der Planung und Durchführung des 504 Sit-In (Link Englisch) beiteiligt.
‚504‘ bezieht sich auf Abschnitt 504 des Rehabilitation Act von 1973, ein nationales Gesetz gegen die Diskriminierung behinderter Menschen. Der Abschnitt weitete die Menschenrechte bei Bildung, Arbeit und ‚anderen Teilen des gesellschaftlichen Lebens‘ aus und schrieb vor, dass jede Einrichtung, jedes Unternehmen, die oder das Staatsgelder bezog, verpflichtet sei, Menschen mit Behinderung zugänglich zu sein und mit den nötigen Hilfsmitteln aufzurüsten, bzw. Barrieren abzuschaffen. Mit der Absegnung dieses Abschnittes sollte es auch möglich werden, diese Zugänglichkeit zur Not gerichtlich einklagen zu können. Der Gesetzesentwurf war zuvor schon mehrfach von US-Präsident Richard Nixon abgelehnt worden, die Sit-Ins sollten den damaligen US-Gesundheitsminister Joseph Califano dazu bewegen, die Änderungen im Sinne behinderter Menschen zu unterzeichnen. In zehn US-Städten kam es zu konzertierten Protesten; angeführt von Kitty Cone und Judith Heumann bezogen am 5. April 1977 mehrere Demonstrierende, davon zahlreiche im Rollstuhl und anderweitig körperlich behindert, Stellung im Sitz des Gesundheitsministeriums in San Francisco. Zwischen diesem Tag und dem 4. Mai, insgesamt 28 volle Tage, waren mehr als 150 Menschen für dieses Sit-In anwesend. Califano unterzeichnete die Änderungen am 28. April und setzte damit das Gesetz in Kraft. Aus dem Rehabilitation Act wurde später das US-Bundesgesetz Americans with Disabilities Act (ADA).
Nachdem sie dieses große Ziel erreicht hatte, führte sie ihren EInsatz auf anderen Ebenen fort, so war sie an der Organisation des Disabeled People’s Civil Rights Day 1979 in San Francisco beteiligt.
Aufgrund der restriktiven Ehegesetze der damaligen Zeit in den USA konnte sie ihre langjährige Lebensgefährtin nicht heiraten und kein Kind adoptieren. Daher verlegte sie ihren Wohnsitz 1981 nach Mexiko, wo es ihr möglich war, ihren Sohn zu adoptieren. Ab 1990 arbeitete sie für den Disability Rights Education and Defense Fund (Link Englisch). 2015 starb sie kurz vor ihrem 71. Geburtstag an Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Das US-amerikanische Militär hatte in der Gegend um Tucson, Arizona seit Mitte des 20. Jahrhunderts toxischen Müll seiner Flugzeugherstellung abgelassen, darunter Trichlorethen. Sunaura Taylor kam dort 1982 mit Arthrogryposis multiplex congenita auf die Welt, einer Gelenkversteifung meist der Extremitäten, die eine lebenslange körperliche Beeinträchtigung nach sich zieht. In Taylors Fall wird die Ursache in der Grundwasservergiftung mit Trichlorethen vermutet; ihre Eltern schlossen sich einer Sammelklage mehrerer betroffener Familien an, denen 1995 Recht und monetäre Entschädigung zugesprochen wurde.
Sunaura Taylor wuchs in einer Familie von Künstlern und Friedensaktivist*innen auf und begann mit zwölf Jahren zu malen(1). Sie wurde zu Hause beschult und war auch künstlerisch eine Autodidaktin, studierte jedoch später am Goddard College und an der University of California, Berkeley, wo sie ihren Bachelor of Arts machte.
Im März 2004 veröffentlichte die Monthly Review ein Essay von Taylor: The Right Not To Work: Power And Disability (Link Englisch). Sie spricht darin über das gesellschaftliche Phänomen, den ‚Wert‘ eines Menschen in seiner Produktivität zu bemessen, und welche Folgen dies für alle Menschen hat, insbesondere aber die, deren Körper nicht – ohne weiteres – für industrielle Produktivität eingesetzt werden können. Sie erläutert den Unterschied von impairment, am ehesten übersetzt mit ‚Beeinträchtigung‘, als die körperlichen Eigenschaften, die nicht der statistischen Norm entsprechen, und disability, Behinderung, als die soziale, kulturelle Folge einer Beeinträchtigung in unserer Welt; kurz, das soziale Modell von Behinderung, in der der Mensch beeinträchtigt ist, aber von der Umwelt behindert wird. Das Magazin druckte auch ihr Selfportrait with Trichlorethene (TCE) ab, auf dem sie sich selbst als Akt portraitiert. Das Bild und einige andere sind auf ihrer Galerieseite der Wynn Newhouse Awards (Link Englisch) zu sehen; sie war 2011 Empfängerin des Preises.
Ihre Schwester, Astra Taylor (Link Englisch), drehte 2008 den Dokumentarfilm Examined Life (Link Englisch), mit einem Segment, in dem sie ihre Schwester Sunaura bei einem Spaziergang mit Judith Butler begleitet. Die Künstlerin und die Philosophin sprechen auch hier über die gesellschftliche Wahrnehmung von Körpern, die normativen Erwartungen an Körper und die Bedrohung von Ausgrenzung und Gewalt, wenn Körper diesen gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen.
Taylor denkt darin auch laut über die Grenzen nach, wann Körper – gesellschaftlich betrachtet – als ‚menschlich‘ betrachtet werden, und wo die Grenze zwischen Mensch und Tier gezogen wird bzw. werden kann. Sie entwickelte diesen Gedanken weiter und formulierte 2009 ihre Begründung, warum sie als abolitionistische Veganerin lebt: Is it possible to be a conscientious meat eater? (Link Englisch) Sie argumentiert darin unter anderem, dass unsere Unterscheidung von Mensch und Tier auch auf den Fähigkeiten beruht, die wir Menschen, aber nicht Tieren zusprechen, dass aber etwa die Fähigkeit, sich eine Zukunft vorzustellen, oder ein Verständnis des eigenen Ichs zu haben, auch Säuglinge nicht aufweisen, wir diese aber dennoch nicht schlachten und essen. Sie weist auf die Überschneidungen zwischen dem Kampf für die Rechte behinderter Menschen und dem Kampf für Tierrechte hin, und darauf, dass Speziesismus Gemeinsamkeit hat mit der Diskriminierung aufgrund körperlicher Beeinträchtigung – wo Körper nicht einer normativer Erwartung an ‚Mensch‘ entspricht.
Sunaura Taylor unterrichtet inzwischen als Assistenzprofessorin an der University of California, Berkeley. Sie ist aktiv in der Society for Disability Studies, 2017 brachte sie das Buch Beasts Of Burden heraus, eine ausführliche philosophische Auseinandersetzung mit den Gedanken, die sie im obigen Artikel begonnen hatte.
Als Malvika Iyer dreizehn Jahre alt war, fand sie vor ihrem Haus in Bikaner, Rajastan, eine vermeintlich entschärfte Handgranate. Bei der Explosion verlor sie beide Hände und erlitt schwere Verletzungen an den Beinen. Sie verbrachte achtzehn Monate in einem Krankenhaus in Chennai, Tamil Nadu, nahe ihrer Geburtstadt Kumbakonam. Nach zahlreichen Operationen erhielt sie ihre Handprothesen und begann auch wieder, mit der Hilfe von Krücken, zu laufen.
Da sie die Schule regulär nicht besuchen konnte, schrieb sie sich in Chennai privat für die Abschlussprüfung nach der 10. Klasse, das Secondary School Leaving Certificate, ein. Sie legte die Prüfung mit Hilfe eines Schreibassistenten ab und bestand als eine der Besten ihres Bundesstaates. Ihre Geschichte erregte Aufmerksamkeit, so sehr, dass sie vom damaligen Präsidenten Indiens, APJ Abdul Kalam, in den Regierungspalast Rashtrapati Bhavan eingeladen wurde.
Mit dem Schulabschluss in der Tasche, zog Iyer nach Neu-Delhi und studierte zunächst Wirtschaftskunde, danach Sozialarbeit. Sie machte ihren Master of Social Work und anschließend ihren M.Phil im selben Fach. Sie erhielt den Rolling Cup für die beste Masterabschlussarbeit 2012.
Im Folgejahr wurde die 24-jährige eingeladen, in Chennai einen Vortrag für TEDxYouth in Chennai zu halten, bei dem das Video unten entstand. Sie erzählt von ihrem Werdegang und betont, wie wichtig es sei, bei ihrer schulischen Karriere unterstützt worden zu sein.
Nach diesem TED-Talk beschloss Iyer, eine Karriere als öffentliche Rednerin zu beginnen. Es folgten Reden unter anderem vor den Vereinten Nationen in New York und dem IIM Khozikode (Link englisch), Iyers Hauptthema dabei blieb die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Sie führt außerdem Sensibilisierungskurse an Schulen, Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Jugendeinrichtungen durch; sie moderierte auch den India Inclusion Summit. Neben der Inklusion setzt sie sich für Body Positivity und ‚accessible fashion‘ ein, also Mode, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen eingeht. So trat sie auch schon als Modell bei Modenschauen indischer Hochschulen und Organisationen auf. 2016 erhielt sie für ihren Beitrag zur Ermächtigung von Frauen den Women in the World (Link englisch) Emerging Leaders Award, 2018 erhielt sie den höchsten Bürgerorden Indiens, den Nari Shakti Puraskar des Ministeriums für Frauen und Kinder.
Dr. Malvika Iyer hat eine eigene Webseite und ist in den Sozialen Medien aktiv; sie arbeitet weiterhin in ihrer Tätigkeit als öffentliche Sprecherin für Inklusion.