Schlagwort: neue sachlichkeit

49/2019: Elfriede Lohse-Wächtler, 4. Dezember 1899

Elfriede Lohse-Wächtler kam in Dresden auf die Welt, sie wurde eigentlich auf den Namen Anna Frieda getauft, den Namen Elfriede wählte sie später selbst. Mit 16 Jahren zog sie aus dem Elternhaus aus und begann ihre dreijährige Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Dresden, zuerst im Fachbereich Mode, nach dem ersten Jahr wechselte sie jedoch in den Fachbereich Angewandte Graphik und nahm zusätzliche Zeichen- und Malkurse.

Sie wurde Mitglied der Dresdner Sezessions Gruppe 1919 und arbeitete als freie Künstlerin. Sie heiratete einen Maler und Opernsänger, mit dem es sie schließlich bis 1926 nach Hamburg verschlug. Auch dort wurde sie Teil mehrerer Künstlervereinigungen und sie war an verschiedenen Ausstellungen der Neuen Sachlichkeit beteiligt.

Ihre Ehe war unglücklich und der Verdienst als Künstlerin gering; unter den schwierigen Lebensumständen erlitt Lohse-Wächtler mit 30 Jahren einen Nervenzusammenbruch, mit dem sie in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg (heute Schön Klinik Hamburg Eilbek) eingeliefert wurde. Dort blieb sie zwei Monate, in ihrer Zeit dort zeichnete sie die Friedrichsberger Köpfe, eine Werkserie mit sechzig Bildern, darunter Selbstportraits und Portraits von anderen Patienten.

Als sie die Krise überwunden hatte, trennte sie sich endgültg von ihrem Mann und erreichte ihren Schaffenshöhepunkt. Sie malte Selbstbildnisse und Eindrücke ihrer Umgebung, der Hamburger Hafengegend mit ihrem Milieu.

Doch leben konnte sie von ihrer Kunst noch immer nicht und sie fand auch keinen sozialen Anschluss, weshalb sie 1931 zu ihren Eltern nach Dresden zurückkehrte. Ihre psychische Gesundheit verbesserte sich dadurch aber nicht, im Gegenteil: Im Folgejahr ließ ihr Vater sie in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf einweisen, wo sie mit Schizophrenie diagnostiziert wurde. Sie blieb die folgenden drei Jahre als Künstlerin tätig, doch 1935 beendeten die politischen Umstände ihre Karriere. Nachdem die Scheidung von ihrem Ehemann abgeschlossen war, wurde sie wegen „unheilbarer Geisteskrankheit“ für unmündig erklärt.

Im Jahr zuvor war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft getreten, das neben anderen die Eugenik des Nationalsozialismus gesetzlich legitimierte. Lohse-Wächtler verweigerte die Einwilligung zu ihrer Sterilisation, woraufhin ihr zunächst verboten wurde, die Pflegeanstalt zu verlassen. Im Dezember 1935 unterzog man sie auf Anweisung der Erbgesundheitsgerichte einer Zwangsterilisation. Mit diesem Eingriff in ihre Selbstbestimmung verlor Lohse-Wächtler völlig ihre kreative Energie, sie malte kein weiteres Bild mehr. Fünf Jahre lebte sie noch in der Pflegeanstalt in Arnsdorf, 1940 wurde sie dann, mit zahlreichen anderen Patienten dort, in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert.

Schon 1939 hatte der nationalsozialistische Staat die Vorbereitungen begonnen, die Ermordung psychisch Kranker – und der Menschen, die zu dieser Zeit als solche diagnostiziert wurden – zu planen. Unter solchen Euphemismen wie Aktion Gnadentod errichtete das medizinische System, unter Leitung des Reichsgesundheitsführers Leonardo Conti, eine Mordmaschinerie, in der insgesamt 200.000 Menschen getötet wurden. Heute ist die systematische Tötung von 70.000 Patienten von Heil- und Pflegeanstalten, in den Jahren 1940/41 unter dem Namen Aktion T4 bekannt, da sich die Zentraldienststelle der Aktion in der Tiergartenstraße 4 in Berlin befand.

Die Opfer von Aktion T4 wurden in ihren heimischen Einrichtungen erfasst und auf den Transport vorbereitet, von dort wurden sie mit Bussen zu Zwischenanstalten transportiert. Diese Zwischenstationen dienten der Verschleierung, denn nur bis dort durften Begleitpersonen mitreisen, außerdem waren sie eine Art Schleuse, um eine „Überlastung“ der Tötungsanstalten zu verhindern. Von dort aus fuhren die Patienten alleine weiter zur „Aufnahme“ in der letzten Station. Dort wurde ihnen ihre Kleidung genommen, sie wurden statistisch mit Größe und Gewicht erfasst und Ärzten vorgeführt, die sie auf gesundheitliche Merkmale hin untersuchten, etwa Narben vorangegangener Operation. Dies diente ebenfalls der Verschleierung des Massenmordes, denn bei dieser Untersuchung fanden die Ärzte Hinweise auf Erkrankungen, die als Todesursache vorgegeben werden konnten. Anschließend wurden die Opfer in Gruppen um die 30 Personen in die Gaskammern geführt, in denen Brauseköpfe weiterhin vortäuschten, dass sie für einen Aufenthalt gereinigt werden sollten. Über die Brauseköpfe wurde dann Kohlenmonoxid eingelassen.

Elfriede Lohse-Wächtler war eine von über 14.500 Menschen, die in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet wurde. Als offizielle Todesursache wurde „Lungenentzündung mit Herzmuskelschwäche“ eingetragen.

Ihre Kunst galt den Nationalsozialisten – wenig überraschend – als „entartete Kunst„, viele ihrer Werke wurden in beschlagnahmt und vernichtet. In den 1990ern erfuhr ihre Kunst eine erneute Anerkennung, 1997 drehte Heide Blum einen Dokumentarfilm über die Künstlerin. Im Sächsischen Krankenhaus in Arnsdorf wurde ihr zu Ehren eine Stele errichtet, auf dem ehemaligen Krankenhausgelände in Hamburg, in dem sie sich aufgehalten hatte, wurde 2004 ein Rosengarten mit einem Gedenkstein für sie errichtet.

KW 23/2012: Mascha Kaléko, 7. Juni 1907

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Ich bin keine große Lyrikleserin und gebe auch zu, dass mein Geschmack (auch?) in dieser Sparte kein anspruchvoller ist – Experimentalismus spricht mich weniger an als eine klare Sprache, die direkt auf Emotionen abzielt. Diesem Angriff auf meine Seele setze ich mich dann gerne aus und ergebe mich der Manipulation. Das bedeutet auch, dass ich mit den Werken der bekanntesten Dichter im allgemeinen zufrieden bin. Mehr als Rilke, Hesse, Kästner, Tucholsky muss es für mich nicht sein (wenn man den alten Johann Wolfgang von G. mal als gegeben annimmt).

Aber ganz sicher nicht fehlen darf in meinem Repertoire die kesse, moderne, warmherzige und allzu-menschliche Mascha Kaléko. Das erste Gedicht, dass ich je von ihr las, ist mir direkt in Erinnerung geblieben mit seinem entwaffnenden Humor. Es war „Konsequenz des Herzens“.
Und egal, was sie über Liebe schreibt, es treibt mir Tränen des Glücks in die Augen, so schön, z. B. „Für Einen“ und „Was man so braucht…“

Ich selbst habe bisher nur „Das lyrische Stenogrammheft“ gelesen, ich liebte es aber sehr und es sollte Anlass zu weiteren Kaléko-Käufen sein. Einige ihrer Gedichte kann man sich professionell vorgetragen auf der Seite des Literaturcafés anhören.

KW 6/2012: Anita Rée, 9. Februar 1885

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Mit den Feiertagen am Ende des Jahres 2011 und einer echten Grippe habe ich leider etwas Zeit verloren, die ich aber einholen kann, indem ich die Bilder der Frau der Woche für sich selbst sprechen lasse.

Anita Rée Selbstbildnis
Anita Rée „Selbstbildnis“
Von Anita Rée – The Bridgeman Art Library, Objekt 155109, Gemeinfre

Anita Rée Junger Chinese
Anita Rée „Junger Chinese“
Reprography from art book, Public Domain
Anita Rée Farbiges Mädchen
Anita Rée „Farbiges Mädchen“
Own work ArishG, CC BY-SA 4.0
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