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Anna Coble

* 1936 • † 3. März 2009

Anna Coble (Link Englisch) war die Tochter eines Dozenten an der St. Augustine’s University (Link Englisch) in Raleigh, North Carolina, einer Hochschule für PoC (Afro–Amerikaner). Anna interessierte sich früh für Mathematik und Physik, daher studierte sie schließlich Mathematik an der Howard University, ebenfalls eine für PoC gegründete Hochschule. Sie erreichte dort mit 22 Jahren ihren Bachelor of Science und drei Jahre später ihren Master of Science. Nach diesem Abschluss im Jahr 1961 unterrichtete sie zunächst für vier Jahre Physik an der North Carolina Agricultural and Technical State University.

1965 begann sie dann ein postgraduales Studium an der University of Illinois at Urbana-Champaign. Sie wurde hier eine Fürsprecherin für Studierende, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder als Frauen benachteiligt waren. Als Anna Coble hier 1973 schließlich ihren Doktortitel erlangte, war sie die erste WoC (Afro-Amerikanerin), die diesen akademischen Grad in Biophysik erhielt. Sie erforschte anschließend an der Washington University in St. Louis die Auswirkungen von hochintensivem Ultraschall auf Frösche.

Als Coble an die Howard University zurückkehrte, dieses Mal als Dozentin, war sie die erste WoC, die dort eingestellt wurde – Mitte der 1970er Jahre. In ihrem ersten Sommer dort stellte sie ihre eigenen Forschungen zunächst zurück, um für die etwa 200 Studenten of Color Wohnungen zu organisieren. Sie fand auch für sich selbst eher suboptimale Voraussetzungen vor, in ihrer Zeit an der Howard University wurden die staatlichen Förderungen für die Forschung dort um an die 40% gekürzt. Coble wurde schließlich im Lauf ihrer Karriere zur Associate Professor berufen.

Sie war neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auch sozial engagiert. So gehörte sie zum Vorstand einer Organisation, die Wohnheime für vernachlässigte weibliche Teenager leitete. Da politische und soziale Diskriminierung auch in ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet eine Rolle spielte, gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der National Society of Black Physicists (Link Englisch). Mit der National Academy of Sciences und dem National Research Council entwickelte sie Lehrmaterialien, bei der American Association for the Advancement of Science setzte sie sich für die stärkere Unterstützung unterrepräsentierter Gruppierungen ein, namentlich der Frauen und ethnischer Minderheiten.

Anna Coble starb am 3. März 2009 im Alter von 73 Jahren.

33/2020: Gerty Cori, 15. August 1896

frauenfiguren gerty cori
By National Library of Medicine, Images from the History of Medicine, B05353, Public Domain

Gerty Cori kam in Prag als Gerty Radnitz zur Welt; ihr Vater, Otto Radnitz, war ein Chemiker, der eine Methode zur Raffination von Zucker erfunden hatte und nun eine eigene Zuckerfabrik leitete, ihre Mutter, Martha geborene Neustadt, war eine kulturell interessierte Frau, die mit Franz Kafka befreundet war. Gerty und ihre beiden jüngeren Schwestern erhielten zunächst Privatunterricht, bevor sie mit zehn Jahren auf das Lyzeum gingen.

Mit 16 Jahren wusste Gerty, dass sie Medizin studieren wollte, ihr fehlten bis dahin jedoch noch einige schulische Kenntnisse. Um diese einzuholen, lernte sie innerhalb eines Jahres die Inhalte von acht Schuljahren Latein und fünf Schuljahren Physik, Chemie und Mathematik. So bestand sie mit 18 Jahren die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium an der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag.

Im Studium lernte sie Carl Cori kennen. Die beiden verliebten sich und schlossen 1920 gemeinsam – nachdem Carl zwischenzeitlich im Ersten Weltkrieg eingezogen worden war – ihr Medizinstudium ab. Im gleichen Jahr heirateten sie, wofür Gerty vom Judentum zum Katholizismus konvertierte, und zogen nach Wien. Dort arbeitete Gerty als Assistenzärztin im Karolinen-Kinderspital und erforschte die Funktion der Schilddrüse bei der Regulation der Körpertemperatur. Außerdem schrieb sie mehrere Aufsätze zu Blutkrankheiten. Die Lebensumstände nach dem Krieg waren schwierig, oftmals fehlte es an Lebensmitteln, sodass Gerty sogar Augenprobleme entwickelte, die auf einen Vitamin-A-Mangel zurückzuführen waren. Zur gleichen Zeit wurde der Antisemitismus im Land immer offensichtlicher, sodass das Ehepaar Cori 1922 in die USA auswanderte.

Carl fand eine Anstellung beim State Institute for the Study of Malignant Diseases (heute Roswell Park Cancer Institute, Link Englisch), während Gerty zunächst weitere sechs Monate in Wien blieb, weil sie keine Anstellung fand. Sie zog jedoch schließlich nach und arbeitete mit ihrem Mann im Labor, obwohl der Leiter des Insituts sogar drohte, Carl Cori zu entlassen, wenn Gerty nicht aufhörte. Die beiden ließen sich nicht beirren und erforschten gemeinsam, wie Glucose mit Hilfe von Hormonen im menschlichen Körper verstoffwechselt wird. Das Ehepaar veröffentlichte in der Zeit in Roswell insgesamt 50 Aufsätze gemeinsam – wobei die- oder derjenige zuerst als Autor:in genannt wurde, der oder die die meiste Arbeit geleistet hatte – und Gerty Cori veröffentlichte noch elf weitere Schriften als alleinige Autorin.

1928 nahmen die Coris die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Im Folgejahr stellten sie ihre Theorie vor, die ihnen schließlich den Nobelpreis einbringen sollte: den Cori-Zyklus. Dieser beschreibt den biochemischen Kreislauf im menschlichen Körper, mit dem Glucose in den Muskeln zu Lactat umgewandelt wird – Glykolyse genannt – , während gleichzeitig Lactat kurzzeitig in der Leber zu Glucose zurückgebildet wird – Gluconeogenese genannt. Diese Erkenntnis, wie die Verwertung von Zucker in den Muskeln funktioniert, sowie der Rolle der Leber dabei war eine wichtige Grundlage für das Verständnis und somit der Behandlung von Diabetes mellitus.

Diese junge Frau erklärt auf dem Kanal FitfürBiochemie den Cori-Zyklus für halbwegs in die Chemie Eingeweihte

Zwei Jahre, nachdem sie diese Theorie veröffentlicht hatten, verließen sie das Insitut in Roswell. Carl wurden mehrere Stellen ohne Gerty angeboten, eine Position in Buffalo lehnte er ab, weil sie ihm durchaus nicht erlauben wollten, mit seiner Frau zu arbeiten. Gerty wurde sogar ausdrücklich vorgeworfen, sie schade der Karriere ihres Mannes, wenn sie weiter mit ihm arbeite. Schließlich ging das Ehepaar Cori gemeinsam an die Washington University in St. Louis, Missouri, wo ihnen beiden Stellungen angeboten worden waren, allerdings in Gertys Fall in einer niedrigeren Position, mit folgerichtig schlechterer Bezahlung: Sie verdiente als Forschungsassistentin nur ein Zehntel von Carls Gehalt. Arthur Compton, zu dieser Zeit Rektor der Universität, machte für die Coris eine Ausnahme von der Nepotismus-Regel, mit der auch Maria Goeppert-Mayer Schwierigkeiten hatte. Bei ihrer gemeinsamen Arbeit an der Washington University entdeckten Gerty und Carl Cori das Glucose-1-phosphat, eine Form von Glucose, das in vielen Stoffwechselvorgängen eine Rolle spielt und auch nach ihnen Cori-Ester heißt. Sie beschrieben seine Struktur, identifizierten das Enzym, das den Cori-Ester katalysiert und bewiesen, dass Glucose-1-phosphat der erste Schritt in der Umwandlung des Kohlehydrats Glykogen zu Glucose ist, welche im Körper als Energie verwertet werden kann.

Gerty Cori erforschte zur gleichen Zeit auch Glykogenspeicherkrankheiten und identifzierte mindestens vier davon, die jeweils mit individuellen Enyzymdefekten zusammenhängen; die verhältnismäßig harmlose Typ III-Glykogen-Speicherkrankheit heißt nach ihr auch Cori-Krankheit. Sie war die erste Person, die nachwies, dass eine vererbte Krankheit mit einem Enzymdefekt zusammenhängen kann.

Nach 13 Jahren an der Washington University wurde Gerty Cori endlich außerordentliche Professorin und vier Jahre später, 1947, auch volle Professorin. Im gleichen Jahr erfuhr sie, dass sie an Myelosklerose litt, und wenige Monate später wurde ihr gemeinsam mit ihrem Mann und dem argentinischen Physiologen Bernardo Alberto Houssay der Nobelpreis für für Physiologie oder Medizin verliehen. Sie war insgesamt erst die dritte Frau mit einem Nobelpreis – Marie Curie und deren Tochter Irène Joliot-Curie waren die ersten beiden, die diesen Preis für Physik respektive Chemie erhalten hatten. Gerty Cori hingegen war nun die erste Frau, die in der Kategorie Physiologie und Medizin ausgezeichnet wurde.

Im Anschluss an diesen Erfolg wurde sie Fellow der American Academy of Arts and Sciences, als viertes weibliches Mitglied in die National Academy of Sciences gewählt sowie von mehreren anderen Societies aufgenommen, von Harry S. Truman wurde sie zum Ratsmitglied der National Science Foundation ernannt. Nachdem sie jahrzentelang gegen den Widerstand von Entscheidern unbeirrt mit ihrem Mann zusammengearbeitet hatte, wurde ihr nun zwischen 1948 und 1955 die Ehrendoktorwürde an fünf Universitäten verliehen – an der Boston University, am Smith College, an der Yale University, an der Columbia University und an der University of Rochester. Insgesamt gewann sie, zum Teil gemeinsam mit ihrem Mann, sechs hochdotierte wissenschaftliche Preise. Sie arbeitete noch weitere zehn mit immer schlechterer Gesundheit, bis sie am 26. Oktober 1957 an der Myelosklerose verstarb.

1998 wurde Gerty Cori in die National Women’s Hall of Fame aufgenommen. Das Labor an der Washington University, in dem sie gearbeitet hatte, wurde 2004 von der American Chemical Society (deren Mitglied sie war) zur Historic Landmark erklärt. Vier Jahre später brachte der US Postal Service eine 41-cent-Briefmarke ihr zu Ehren heraus. Krater auf dem Mond und der Venus sind nach ihr benannt und noch 2015 taufte das US Department of Energy den Hochleistungrechner im Berkeley Lab nach ihr, der als fünfter in der Liste der 500 leistungsfähigsten Computer rangiert.

Die Website des Nobelpreises führt selbstverständlich ihre Biografie (Link Englisch).

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Ebenfalls diese Woche

12. August 1898: Maria Klenova (Link Englisch)
Als Begründerin der russischen Meeresgeologie erforschte sie beinahe dreißig Jahre lang die Polarregionen und war die erste Frau, die vor Ort in der Antarktis arbeitete.

12. August 1919: Margaret Burbidge
Diese amerikanische Astronomin tauchte bereits im Beitrag über Vera Rubin auf; die erste weibliche Direktorin des Royal Greenwich Observatory forschte zu Quasaren und wie Rubin zur Rotation von Galaxien.

15. August 1892: Kathleen Curtis (Link Englisch)
Die neuseeländische Mykologin begründete die Pflanzenpathologie in ihrer Heimat; ihre Doktorarbeit schrieb sie über Kartoffelkrebs und sie beschrieb 1926 erstmalig einen Bovisten, der endemisch in Tasmanien und Neuseeland auftritt und heute vom Aussterben bedroht ist, den Claustula fischeri (Link Englisch).

17/2019: Rita Levi-Montalcini, 22. April 1909

Rita Levi-Montalcini und ihre Zwillingsschwester Paola waren die jüngsten Kinder von vieren einer sephardischen Familie. Ihr Vater Adamo Levi war Ingenieur und Mathematiker, ihre Mutter Adele Montalcini Malerin. Wie Paola, die später Künstlerin wurde, war Rita zunächst musisch interessiert, doch als ihr Kindermädchen an Magenkrebs erkrankte und starb, beschloss sie, Medizin zu studieren.

Anfänglich gegen den Willen ihres Vaters, doch später mit der Unterstützung der Familie schloss sie ihr Studium in Turin 1936 ab und verblieb an der Universität, um als wissenschaftliche Mitarbeiterin den Histologen Giuseppe Levi zu unterstützen. 1938 führte Benito Mussolini, gestützt auf das ‚Manifest der rassistischen Wissenschaftler‚, die italienischen Rassengesetze ein, die Juden unter anderem eine akademische Karriere unmöglich machten. 1938 bis 1940, bevor die Deutschen einmarschierten, arbeitete sie als Gastwissenschaftlerin an einem neurologischen Institut in Brüssel. Von dort kehrte sie zunächst nach Turin zurück, später floh sie mit ihrer Familie abermals vor den Deutschen nach Florenz.

Da sie nicht offiziell an einer Universität forschen konnte, richtete sie sich kurzerhand Labore in ihren Wohnungen ein. In diesen Behelfslaboren begann sie die Forschungsarbeit, für die sie später berühmt werden sollte. Nach dem Krieg unterstützte sie Gesundheitsorganisationen der Alliierten, um gegen Epidemien und Seuchen in Flüchtlingslagern vorzugehen. 1946 erhielt sie ein Stipendium für ein Forschungssemester an der Washington University in St. Louis. Der ebenfalls vor der Judenverfolgung geflohene deutsche Entwicklungsbiologe Victor Hamburger interessierte sich für ihre Forschungen, über die sie in zwei Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht hatte. Nachdem es ihr gelang, ihre Forschungsergebnisse in seinem Labor zu reproduzieren, bot er ihr eine Stelle als außerordentliche Professorin an der Universität, die sie für 30 Jahre lang innehaben sollte. 1962 eröffnete sie ein weiteres Labor in Rom und teilte anschließend ihre Zeit zwischen dem amerikanischen unr europäischen Standort auf.

Sie untersuchte das Wachstum von Nervenzellen an Krebstumoren, indem sie Tumorzellen in Hühnerembryonen einbrachte und beobachtete, wie sich Nerven um den Tumor herum bildeten, aber niemals in die Richtung der Blutzufuhr zum Tumor hin; sie schloss daraus, dass der Krebs selbst die Signale für das Nervenwachstum aussandte. Es gelang ihr schließlich, gemeinsam mit dem Biochemiker Stanley Cohen, das Protein zu isolieren, das NGF – nerve growth factor, Nervenwachstumsfaktor – genannt wird. Für diese Arbeit erhielten Levi-Montalcini und Cohen 1986 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.

In den 1990ern stand sie im Mittelpunkt einer Kontroverse um die beschleunigte Freigabe eines Medikaments, zugunsten eines Pharmazeutikherstellers, nachdem überdurchschnittlich viele Patienten nach der Verwendung am Guillain-Barré-Syndrom erkrankten.

In den Jahren zwischen 1966 bis 2011 erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, Medaillen und Ehrendoktortitel. Ein Asteroid wurde nach ihr benannt, 2001 wurde sie als zweite Frau zur Senatorin auf Lebenszeit im italienischen Senat ernannt. Ab 2005 war sie die älteste noch lebende Nobelpreisträgerin, ab 2008 die älteste aller Nobelpreisträger•innen überhaupt und sie wurde die erste Person, die einen Nobelpreis erhielt und über 100 Jahre alt wurde.

2012 starb sie im Alter von 103 – ein Leben, der Forschung gewidmet und gänzlich ohne Sehnsucht nach Ehe oder Kindern.



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