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49/2020: Christine Ladd-Franklin, 1. Dezember 1847

Christine Ladd-Franklin wuchs in einem Haushalt auf, in dem auf Bildung und Frauenrechte Wert gelegt wurde. Ihr Vater war Akademiker, die Mutter nahm die fünfjährige Christine bereits zu einer Lesung von Elizabeth Oakes Smith (Link Englisch) mit, einer Schriftstellerin, die sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts für Frauenrechte einsetzte. Christine wuchs in Connecticut auf, bis ihre Mutter 1860 an Lungenentzündung starb und die 13-jährige zu ihrer Tante nach New Hampshire zog. Dort besuchte sie die Schule und entwickelte großen Ehrgeiz, ihre Bildung über die weiterführende Schule hinaus zu verfolgen. Der Vater unterstützte sie darin und schrieb sie bei einem zweijährigen Programm an einer Schule in Massachusetts ein, in dem ansonsten Jungen auf ein Collegestudium vorbereitet wurden. Christine Ladd schloss dieses Programm mit 18 Jahren als Klassenbeste ab.

Im nächsten Jahr, 1866, konnte sie mit der finanziellen Unterstützung ihrer Tante ein Studium am Vassar College beginnen. Leider ging nach einem Jahr das Geld zunächst aus, sodass Ladd erst einmal als Lehrerin arbeitete. Sobald ihre Tante das Geld wieder aufbringen konnte, kehrte sie ans College zurück und machte schließlich 1869 ihren Abschluss. Während ihrer Zeit am Vassar College begegnete sie auch Maria Mitchell, einer Physikerin und Astronomin, die sich ebenfalls für Frauenrechte einsetzte. Unter ihrer Ägide entfaltete sich Ladd zu einer kämpferischen Natur.

Nach ihrem Abschluss hätte Christine Ladd am liebsten Physik studiert, doch Frauen waren in den Universitätslaboren nicht zugelassen, in denen ein großer Teil des Studiums absolviert wurde. So unterrichtete sie für die nächsten neun Jahre Mathematik und Naturwissenschaftenan einer weiterführenden Schule in Washington, Pennsylvania. In dieser Zeit reichte sie insgesamt 77 mathematische Probleme und ihre Lösungen bei der Educational Times in London ein, außerdem sechs Beiträge bei The Analyst: A Journal of Pure and Applied Mathematics sowie drei beim American Journal of Mathematics.

Schließlich gelang es Christine Ladd, sich an der Johns Hopkins University einzuschreiben, zugegebenermaßen mit einer Art unterlassener Information. Als die Universität 1876 ihr Stipendiatsprogramm eröffnete, bewarb sich Ladd mit ihren Unterlagen unter `C. Ladd´– und ihre Unterlagen waren so überzeugend, dass der Universitätsvorstand ohne weitere Überprüfung `C. Ladd´ein Stipendium gewährleistete. Als den Herren im Vorstand klar wurde, dass es sich bei `C.´um eine Christine handelte, wollten sie ihr das Stipendium zunächst wieder entziehen: Sie habe es sich mit einem Trickbetrug erschlichen. Ladd hatte jedoch in James J. Sylvester einen mächtigen Fürsprecher. Der Professor war vor kurzem von der Encyclopædia Britannica als größter lebender Mathematiker bezeichnet worden und ein wichtiger Imagefaktor für die um finanzielle Mittel kämpfende Schule. Sylvester beharrte darauf, die vielversprechende Studentin Ladd unterrichten zu dürfen, und setzte sich durch; ein Mitglied des Vorstands trat über den Konflikt sogar zurück. Da Johns Hopkins an sich keine `gemischte´Universität war, durfte Ladd zunächst nur seine Kurse besuchen; als sie darin jedoch überdurchschnittliche Leistungen erbrachte, durfte sie schließlich auch die Vorlesungen und Kurse anderer Professoren besuchen. Ihr Stipendium sollte von 1878 an für drei Jahre laufen, doch sie wurde in keinem Rundschreiben der Universität in dieser Zeit erwähnt, um nur ja keinen Präzendenzfall zu schaffen.

In den Jahren 1879/1880 besuchte Ladd auch Kurse bei Charles Sanders Peirce, einem Mathematiker, Logiker und Semiotiker. In diesen Bereichen stößt die Mathematik über die Logik an die Philosophie ebenso wie an die Psychologie, was in Christine Ladds Fall zu einer späteren Beschäftigung mit der Farbsichtigkeit des Menschen führen sollte. Bei Peirce schrieb Ladd ihre Dissertation `Über die Algebra der Logik´. Sie befasste sich darin mit der Reduktion von Syllogismen in der Aristotelischen Logik – im Prinzip mit mathematischer `Auflösung nach x´ von logischen Schlussfolgerungen. Sie entwickelte darin eine Methode, die Gültigkeit dieser Schlussfolgerungen festzustellen, die sie Inconcistent Triad oder `Antilogismus´nannte. Ihre Arbeit wurde 1883 in Studies in Logic veröffentlicht – inzwischen hatte Christine Ladd ihren Kommilitonen Fabian Franklin (Link Englisch) geheiratet und hieß nun Ladd-Franklin. Obwohl sie alle Bedingungen für eine Promotion erfüllt hatte, verlieh ihr die Universität nicht den Doktortitel, weil Frauen dafür nicht zugelassen waren. Mit ihrem abgeschlossenen Studium war Ladd-Franklin die erste Frau mit einer Universitätsausbildung in gleichzeitig Mathematik und symbolischer Logik.

Ladd-Franklin bemühte sich immer wieder darum, an der Johns Hopkins University unterrichten zu dürfen, wurde aber ebenso oft abgeschmettert. In der Zwischenzeit besuchte sie 1884 Kelvins Master Class (Link Englisch) und begann sich 1886 mit der Farbwahrnehmung des menschlichen Auges zu beschäftigen. Während eines Sabbaticals ihres Mannes konnte sie dazu in Deutschland mit zwei Wissenschaftlern arbeiten: In Göttingen holte sie sich das Einverständnis von Georg Elias Müller ein, in seinem Labor zu forschen (auch an der Georg-August-Universität waren Frauen zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht zugelassen), anschließend suchte sie in Berlin das Labor von Hermann von Helmholtz auf und hörte Vorlesungen von Arthur König. Aus ihren Ergebnissen und den Theorien von Müller, der die Gegenfarbtheorie von Ewald Hering weiterentwickelt hatte, sowie der Dreifarbentheorie von Helmholtz und König entwickelte sie ihre eigene Theorie über die Entwicklung der Farbwahrnehmung. Sie postulierte, dass sich zuerst das Schwarz-Weiß-Sehen entwickelt habe (was auch das tiefsitzende Bedürfnis der Menschen erklären könnte, die Dinge in binäre Kategorien einzuteilen), dann das Sehen der komplimentären Blau und Gelb und erst zuletzt das Sehen von Rot und Grün, weshalb auch die Rot-Grün-Sehschwäche die häufigste Farbfehlsichtigkeit sei. Diese Theorie präsentierte Ladd-Franklin 1892 bereits auf dem International Congress of Psychology in London.

Christine Ladd-Franklin durfte noch immer nicht an ihrer Alma Mater unterrichten, wurde jedoch 1893 zum Mitglied der American Psychological Association gewählt und präsentierte als solches bis 1925 insgesamt 10 wissenschaftliche Arbeiten bei der Vereinigung. 1895 gab ihr Mann Fabian seine Professur und Universitätskarriere auf und wurde Journalist; Christine Ladd-Franklin gab von 1901 bis 1905 das Dictionary of Philosophy and Psychology mit heraus. 1904 durfte sie schließlich endlich – für fünf Jahre – an der Johns Hopkins University lehren. Nachdem ihr Vertrag dort 1909 auslief, zogen die Ladd-Franklins 1910 nach New York, wo Fabian Mitherausgeber der New York Evening Post wurde. Christine arbeitete weiter im Bereich der Farbwahrnehmung und lehrte in mehreren Jahren an ebenso vielen Universitäten, so 1912 bis 1913 an der Columbia University, 1913 in Harvard und 1914 an der University of Chicago.

44 Jahre, nachdem sie die Voraussetzungen dafür erfüllt hatte und ihre Dissertation eingereicht hatte, verlieh ihr die Johns Hopkins University 1927 schließlich ihren Doktortitel. Zwei Jahre später veröffentlichte Ladd-Franklin ihr Werk zur Farbwahrnehmung, Color and Color Theory. Am 5. März 1930 starb sie mit 83 an einer Lungenentzündung. Der Psychologe Robert S. Woodworth schrieb einen Nachruf für Science, in dem er ihre wissenschaftlichen Errungenschaften hervorhob.

Meine Lieblingsanekdote, die ich leider nicht zeitlich einordnen kann, ist die, wie Christine Ladd-Franklin vom Experimentalpsychologen Edward Bradford Titchener forderte, dass sie (und andere Frauen) in seinem Seminar dozieren können sollten; Titchener lehnte dies ab – obwohl er selbst mit Margaret Floy Washburn (Link Englisch) eine Studentin unterrichtete (oder unterrichtet hatte), die als erste Frau einen Doktortitel in Psychologie ablegte. Titcheners Begründung war unter anderem, dass in den Seminaren stark geraucht würde, worauf Ladd-Franklin erwiderte, das störe sie nicht, sie würde in Gesellschaft sogar selbst rauchen (was sich natürlich eigentlich für Frauen nicht ziemte).

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Ebenfalls diese Woche

2. Dezember 1842: Ellen Swallow Richards
Über die erste Frau, die am MIT studierte, schrieb ich (kurz) 2013, als es um Grenzgängerinnen ging.

3. Dezember 1797: Margaretta Morris (Link Englisch)
Die US-amerikanische Entemologin war mit Maria Mitchell die erste Frau, die 1850 als Mitglied in die American Association for the Advancement of Science gewählt wurde.

Ma Chung-pei

*1967

Der Wikipedia-Beitrag von Ma Chung-pei (Link Englisch) gibt ihr Geburtsjahr zwar nicht an, erwähnt aber, dass sie 1983 die National Violin Competition gewann, und weiter unten, dass sie dies im Alter von 16 Jahren tat.

Chung-pei kam in Taiwan zur Welt und besuchte eine Highschool in Taipeh. Sie besuchte anschließend das Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo sie 1987 ihren BSc in Physik machte. Sie setzte ihr Studium dort fort, bis sie 1993 ihren PhD machte, mit Alan Guth als Doktorvater; ihre Doktorarbeit schrieb sie zu theoretischer Kosmologie und Teilchenphysik. Im Anschluss an ihre Promotion nahm sie ein postdoktorales Stipendium am California Institute of Technology (Caltech) wahr, bis sie 1996 zunächst als Assistenz-Professorin und später als außerordentliche Professorin an der University of Pennsylvania unterrichtete und forschte. Seit 2001 ist sie Professorin für Astronomie an der University of California, Berkeley. Ihr Forschungsschwerpunkt ist hier die large-scale structure (Link Englisch) des beobachtbaren Universums, Dunkle Materie und die kosmische Hintergrundstrahlung.

2011 entdeckte das Team unter Ma Chung-peis Leitung zwei der größten bekannten Schwarzen Löcher. Sie liegen in den Zentren weit entfernter Galaxien und sind in etwa 2.500 Mal so groß wie das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie. (Quelle: phys.org)

48/2020: Johanna Döbereiner, 28. November 1924

Johanna Döbereiner kam unter dem Namen Johanna Kubelka in Ústí nad Labem in Nordböhmen zur Welt, im heutigen Tschechien. Sie wuchs in Prag auf, da ihr Vater dort an der DeutschenHochschule lehrte.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie von ihren Eltern getrennt und musste zunächst in der Kinderbetreuung arbeiten, später half sie in landwirtschaftlichen Betrieben. Nach dem Ende des Krieges wurde Johanna zwar mit ihrer Familie vereint, als Sudetendeutsche wurden sie jedoch von der neuen Regierung der Tschechoslowakei vertrieben. Johanna arbeitete in Deutschland wieder in der Landwirtschaft, mit 23 Jahren begann sie schließlich 1947 an der Ludwig-Maximilians-Universität München Agrarwissenschaft. Ihre Mutter, die sehr unter den Umständen während des Krieges gelitten hatte und auch in einem Konzentrationslager gewesen war, starb, ihr Vater und Bruder konnten 1948 durch Kontakte mit anderen Lehrenden nach Brasilien auswandern. Johanna heiratete den Veterinär Jürgen Döbereiner und machte 1950 ihr Diplom als Agraringenieurin; im gleichen Jahr wanderte das Ehepaar Döbereiner ebenfalls nach Brasilien aus.

Bereits im Fogejahr 1951 trat Johanna Döbereiner eine Stelle in der Forschungsabteilung des brasilianischen Ministeriums für Agrarkultur (heute EMBRAPA) an, wo sie sich mit der Mikrobiologie von Böden befasste. Sie veröffentlichte ihre erste wissenschaftliche Publikation darüber, wie sich das Abdecken von angebautem Gemüse auf die Bakterienpopulation im Erdreich darunter auswirkt. 1956 nahm sie die brasilianische Staatsbürgerschaft an.

Mit ihrem Team entdeckte Johanna Döbereiner 1958 ein Bakterium, das im Wurzelbereich von Pflanzen lebt – ein Rhizosphärenbakterium, das sie Beijerinckia flumensis nannten. Es zählt zu den Proteobakterien, die Stickstoff im Boden binden.

1963 machte Döbereiner einen Abschluss als MSc an der University of Wisconsin und setzte ihre Forschungen zu Stickstofffixierern fort. So entdeckte sie 1966 das Bakterium Azotobacter paspali an der Wurzeloberfläche einer Grasart, das dazu beitrug, dass dieses Gras stets grün und gut mit Nährstoffen versorgt war.

Stickstoffbindende Bakterien, die Böden und Wurzelräume besiedeln, wie Azospirillum und Azotobacter, können den elementaren Stickstoff im Boden, den die Pflanzen nicht für sich nutzen können, umwandeln in Stickstoffverbindungen, die die Pflanzen als natürlichen Dünger verwerten können. Werden diese Bakterien also, gemeinsam mit anderen aktivierenden Nährstoffen wie Kohle und Bioabfall, in den Boden eingebracht, werden die darauf wachsenden Nutzpflanzen auf natürliche Weise mit Nährstoffen versorgt und müssen somit kaum oder gar nicht gedüngt werden; außerdem werden die Pflanzen resistenter und unabhängiger von der Witterung.

Es gelang Johanna Döbereiner, die Verantwortlichen für die wachsende Sojazucht in Brasilien davon zu überzeugen, sich vornehmlich auf Sojabohnenarten zu konzentrieren, die für diese Art der biotischen Düngung geeignet sind. Nicht nur sorgte ihr Einfluss dafür, dass Brasilien zum zweitgrößten Soja-Produzenten der Welt wurde (nach den USA), sondern dass dabei pro Jahr $2,5 Milliarden eingespart wurden, die für Stickstoffdünger ausgegeben worden wären. Dies bedeutete auch eine wesentlich geringere Belastung des Grundwassers mit überschüssigem Stickstoff. Die Bakterien werden heute auch dazu eingesetzt, den Boden der Tropen in Terra preta umzuwandeln. Die bereits vorhandene Terra preta an den Ufern des Amazonas weist darauf hin, dass die südamerikansichen Ureinwohner schon lange vor der Ankunft der Kolonialmächte Siedlungen erbauten und Ackerbau betrieben.

Döbereiner wurde 1977 Mitglied der Brasilianischen Akademie der Wissenschaften (1995 saß sie dieser sogar als Präsidentin vor), ein Jahr später wurde sie auch Mitglied (Link Englisch) der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Sie war Gründungsmitglied der Academy of Sciences for the Developing World (ehemals Third World Academy of Sciences, TWAS). Insgesamt veröffentlichte die Agrarwissenschaftlerin mehr als 370 wissenschaftliche Artiel, war nach einer Untersuchung der Tageszeitung Folha de S. Paulo die am häufigsten zitierte weibliche Wissenschaftlerin Brasiliens und eine der 10% am häufigsten zitierten brasilianischen Wissenschaftler:innen überhaupt.

Mit 76 Jahren verstarb Johanna Döbereiner an den Folgen einer Alzheimererkrankung.

Science in Drops – Ciência em Gotas: Johanna Döbereiner, Kanal von Fiocruz (Link Englisch)

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Ebenfalls diese Woche

23. November 1937: Roseli Ocampo-Friedman (Link Englisch)
Die US-amerikanische Mikrobiologin und Botanikerin philippinischer Herkunft war auf Cyanobakterien und extremophile Lebensformen spezialisiert; ihre Arbeit ist interessant für das Terraforming bei einer möglichen Marskolonisation.

27. November 1932: Elsa G. Vilmundardóttir (Link Englisch)
Als erste Isländerin mit einem Universitätsabschluss in Geologie war sie auch Islands erste weibliche Geologin.

Ibtesam Badhrees

20. Jhdt.

Ibtesam Badhrees (Link Englisch) kam in Dschidda, Saudi-Arabien, zur Welt. 1990 machte sie ihren BSc in Physik an der König-Abdulaziz-Universität, setzte ihr Studium fort bis zu einem MSc in Angewandter Physik (Laser) an der Farleigh Dickinson University in New Jersey, USA und schloss 2011 mit einem Doktor (PhD) in Teilchenphysik an der Universität Bern ab. Sie hat außerdem einen Doktortitel für Internationale Beziehungen der Geneva School of Diplomacy and International Relations.

Ihre Forschungsgebiete sind Experimentelle Elementarteilchenphysik, Astrophysik, Medizinische Physik und Kernphysik.

Badhrees war die erste saudi-arabische Frau am CERN und die erste saudi-arabische Frau mit einem Doktortitel, die am National Center for Mathematics and Physics der König-Abdulaziz-Universität arbeitet. Sie ist außerdem Privatdozentin an der Carleton University in Ottawa, Kanada.

Sie erhielt 1996, 1997 und 2007 Preise für ihre wissenschaftliche Arbeit von der saudi-arabischen Regierung, und die American Physical Society wählte sie als Physikerin des Monates im August 2014.

Eman Ghoneim

20. Jhdt.

Eman Ghoneim (Link Englisch) machte ihren MSc in Geografie 1997 an der Tanta University (Link Englisch) und erlangte 2002 ihren Doktortitel im gleichen Fachbereich an der University of Southampton.

In ihrer Postdoktoranden-Stelle 2003 im Center for Remote Sensing (Zentrum für Fernerkundung) an der Boston University gehörte sie zum Team, das den Kebira-Krater entdeckte und die Vermutung aufstellte, dass es sich dabei um den Krater eines Meteoriteneinschlags handele.

frauenfiguren eman ghoneim kebira krater
Kebira-Krater
Gemeinfrei

Ghoneim und ihr Kollege Farouk El-Baz entdeckten die Struktur auf der Grenze von Ägypten zu Libyen durch Aufnahmen des Radarsat-1 und der Analyse von SRTM-Daten. Der Name ist dem südöstlich davon gelegenen Hochplateau entliehen, dem Gilf el-Kebir, was `Die Große Barriere´bedeutet (kabir/kebir: groß auf Arabisch). Ghoneim und El-Baz zufolge weist der Krater drei Merkmale eines Meteoriteneinschlags auf: Einen Gipfel im Zentrum, einen inneren Ring und einen durchbrochenen äußeren Ring. Er wäre also ein `komplexer´ Krater mit einem Durchmesser von 31 Kilometern am äußersten Ring und damit doppelt so groß wie der bestätigte Oasis-Krater in der libyschen Wüste, der nur 18 Kilometer Durchmesser hat. Der Meteor, der diesen Krater hinterlassen hätte, müsste annähernd einen Kilometer Durchmesser gehabt haben. Ghoneim und El-Baz vermuteten weiter, dass der entsprechende Meteoriteneinschlag mit seiner Hitze auch Urheber des Libyschen Wüstenglases ist.

Die Vermutung der beiden Wissenschaftler:innen gilt jedoch als unbestätigt. Ihre These beruht allein auf Fernerkundung, die einige Details nicht in Betracht zieht. Die Impact Field Studies Group (Link Englisch), eine wissenschaftliche Organisation, die sich mit der detaillierten Untersuchung und Prüfung vermuteter Einschlagskrater befasst, hält die Vermutung jedenfalls für `zweifelhaft´, da der Gipfel im Zentrum schon bei Ansicht auf Google Earth mit flachem Mittelteil erscheint, statt wie bei Einschlagskratern typisch mit Aufwürfen und Brüchen. Und bereits 2006 hatte eine Expedition zum Krater selbst festgehalten, dass die Erhebung im Zentrum die gleiche Struktur aufweist wie das nahegelegene Gilf, nämlich klar erkennbare, glatt horizontal verlaufende Schichten aus Sedimentgestein – sichtlich ungestört von einem Meteoriteneinschlag. Eine Entstehung des Kraters durch einen Raucher, eine hydrothermale Quelle in dem Meer, dass die Wüste einst bedeckte, wird bis zum eindeutigen Nachweis extraterrestrischen Einflusses für wahrscheinlicher gehalten.

Eman Ghoneim wurde 2010 Fakultätsmitglied im Fachbereich Erd- und Meereskunde an der University of North Carolina at Wilmington. Dort spezialisierte sie sich auf Geoinformationssysteme, Fernerkundung durch Multispektral-, Thermal- und Mikrowellenradiometer-Aufnahmen und unbemannte Lufterkundung (durch Drohnen); sie wurde schließlich Leiterin des Space and Drone Remote Sensing Lab (SDRS). Sie ist Expertin des Bildverarbeitung und hat mehr als 27 wissenschaftliche Arbeiten sowie 48 Artikel geschrieben. Sie unterrichtet auch an Schulen und war eine von 30 emigrierter Ägypterinnen, die 2017 als Sprecherinnen zur Taa-Marbouta-Konferenz (Link Englisch) eingeladen wurden. Diese Konferenz gehörte zu einer Kampagne der ägyptischen Regierung, um die Frauen in Ägypten sozial, politisch und wirtschaftlich zu stärken.

frauenfiguren eman ghoneim libysches wüstenglas Brustschmuck Tut-Ench-Amun mit einem Skarabaäus aus Lybischem Wüstenglas, hellgelb
Pectoral of Tutankhamun, JE 61884, Egyptian Museum of Cairo, Egypt
By Roland Unger, CC BY-SA 3.0

Und weil es mich so fasziniert: Libysches Wüstenglas ist zwar möglicherweise durch einen Meteoriteneinschlag entstanden, doch wahrscheinlich nicht durch diesen vermuteten – der Einschlag, der den Oasis-Krater schuf, kommt eher in Frage. Eine andere mögliche Erklärung für die Herkunft des Glases ist auch hier eine hydrovulkanische Eruption. Es ist in jedem Fall ein Lechatelierit, also ein Glasgebilde, das durch das Schmelzen von Quarzsand entsteht. Schon in der Jungsteinzeit wurde es als Werkzeug, Pfeil- oder Speerspitze verwendet, bei archäologischen Untersuchungen aber oft mit gewöhnlichem Glas verwechselt, wie z.B. der Skarabäus im Brustschmuck des Tutanchamun.

47/2020: Frances Gertrude McGill, 18. November 1882

Frances Gertrude McGill (Link Englisch) war die Tochter zweier Kanadier irischer Abstammung; ihre Mutter, eine Lehrerin, hatte zwischen zwei Anstellungen als Lehrerin (eine in Kanada, eine in Neuseeland) einmal die Welt umrundet. Frances hatte zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester.

Als sie 17 Jahre alt war, tranken ihre Eltern auf einer Marktveranstaltung Mitte des Jahres typhusverseuchtes Wasser und starben beide im Laufe des Septembers 1900 binnen zehn Tagen an den Folgen der Infektion. Ihr ältester Bruder musste die Farm weiterführen, bis alle McGill-Geschwister die Schule abgeschlossen hatten. Frances machte zunächst eine Ausbildung zur Lehrerin, um sich ein akademisches Studium finanzieren zu können; hatte sie anfangs ein Jurastudium ins Auge gefasst, entschied sie sich schließlich doch für die Medizin. Sie erreichte dabei so gute Noten, dass sie sich den Großteil des Studiums mit Stipendien finanzieren konnte, und machte 1915, mit 33 Jahren, ihren Doktortitel der Medizin mit mehreren Auszeichnungen an der University of Manitoba. Damit war sie unter den ersten weiblichen Studentinnen, die dort diesen Abschluss erreichten. Sie absolvierte ein Praktikum am Winnipeg General Hospital und besuchte danach ein Aufbauprogramm im Landeslabor von Manitoba, wo sie eine Ausbildung in der Pathologie machte.

Da sie eine wachsende Expertise in Bakteriologie vorweisen konnte, wurde McGill 1918 zur Bakteriologin des Gesundheitsamtes von Saskatchewan berufen. Sie zog nach Regina, der Provinzhauptstadt, und arbeitete in einem Büro mit angeschlossenem Labor im Gerichtsgebäude der Provinz Saskatchewan. In dieser Funkion war sie unter anderem verantwortlich für die dortigen Maßnahmen des Gesundheitsamtes zur Zeit der Spanischen Grippe; möglicherweise war sie an der Entwicklung von Impfstoffen (Link Englisch) beteiligt (der Wikipedia-Beitrag behauptet jedenfalls, sie habe für mehr als 60.000 Saskatchewans Impfungen bereitsgestellt – dies waren wahrscheinlich Impfungen nicht gegen den Virus selbst, sondern gegen drei verschiedene Bakterien, die den Verlauf als Sekundärinfektionen tödlicher machten). Auch das Eindämmen der Geschlechtskrankheiten, mit denen die kanadischen Soldaten des Ersten Weltkrieges in großer Zahl nach Hause zurückkehrten, waren ihre Aufgabe.

1920 wurde Frances McGill zur Leitenden Pathologin der Provinz Saskatchewan ernannt, eine Position, die sie in den folgenden 22 Jahren innehaben sollte. Zwei Jahre später übernahm sie auch die Leitung des Labors der Provinz und arbeitete in dieser Funktion nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit der nationalen Royal Canadian Mounted Police (RCMP) zusammen. In deren Auftrag untersuchte McGill Todesfälle mit ungeklärter oder verdächtiger Todesursache, und reiste dafür viel und in zum Teil extrem abgelegene Gebiete; so erreichte sie ihren Einsatzort einige Male mit dem Schneemobil dem Hundeschlitten oder Wasserflugzeugen; bis zu 43 Fälle untersuchte sie im Jahr und kam sogar bis in den nördlichen Polarkreis. Sie erarbeitete sich den Ruf einer fachkundigen und sorgfältigen Kriminologin und wurde bekannt als `Sherlock Holmes of Saskatchewan´, auch wenn sie bei der Polizei vor allem `Doc´ genannt wurde. Den grausamen und tragischen Inhalten ihrer Arbeit hielt sie mit einem unerschütterlichen Sinn für Humor stand. Ihr Motto soll gelautet haben `Denke wie ein Mann, benimm dich wie eine Dame und arbeite wie ein Tier.´(`Think like a man, act like a lady, and work like a dog.´) Quelle: Wiki Englisch)

Vor Gericht trat McGill als eindrucksvolle, sachliche Zeugin auf – wenn sie wohl auch einen Hang zur Dramatik hatte*. Mit dem damaligen Strafverteidiger und späteren Premierminister Kanadas John Diefenbaker lieferte sie sich zum Teil eindrucksvolle Wortgefechte. „Stellen Sie mir vernünftige Fragen, Mr. Diefenbaker, und ich gebe Ihnen vernünftige Antworten!“, soll sie einmal zu ihm gesagt haben. (Als grundsätzlich konservativ eingestellte Person unterstützte sie später jedoch Diefenbakers Wahlkampf und Politik.)

Während der Weltwirtschaftskrise stellte sie ihr Talent unter Beweis, mit begrenzten Mitteln effektiv zu arbeiten – sie führte Labortests im Wert von 122.000$ aus, schaffte es jedoch, die Kosten jedoch unter 17.000$ zu halten. Mit Überstunden und Mehrarbeit am Wochenende unterstützte sie in den 1930er Jahren die RCMP dabei, ein erstes eigenes Forensiklabor einzurichten. Als dieses 1937 dann offiziell eröffnet werden sollte, wurde ihr – trotz ihrer offensichtlichen Eignung dafür – nicht die Rolle der Direktorin angeboten. Da das Labor ihr jedoch stattdessen einiges an Arbeit als Pathologin und Kriminologin abnahm, widmete sie sich anderen Gebieten, etwa der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Kinderlähmung. Außerdem spezialisierte sie sich auf Allergien und eröffnete in ihrer Wohnung eine Privatklinik für Allergiker, mit Öffnungszeiten nach den regulären Arbeitszeiten (`after hours´).

Mit 60 Jahren setzt sie sich 1942 von ihrer Position als Leitender Pathologien der Provinz Saskatchewan zur Ruhe; in ihrer Laufbahn hatte sie bis dahin um die 64.000 Laboruntersuchungen durchgeführt. Sie reiste und traf sich mit Freunden, nur ihre Allergieklnik betrieb sie weiterhin. Nur wenige Monate nach ihrem Abschied vom Gesundheitsamt hob sie ein Projekt aus der Taufe, um Vorschulkinder in Saskatchewan taufen zu lassen, das in der ganzen Provinzhauptstadt Impfkliniken ins Leben rief.

Im Folgejahr starb der bisherige Direktor des Forensischen Labors der RCMP bei einem Flugzeugunglück, woraufhin die Postition nun doch an McGill herangetragen wurde. Sie akzeptierte dieses Angebot würdevoll, begrenzte ihre Arbeitszeit jedoch auf Teilzeit, um ihre Nachmittage weiterhin den Allergikern in ihrer Privatklinik zur Verfügung zu stehen. Für die RCMP untersuchte sie nun wieder ungeklärte Todesfälle in Saskatchewan, sie hielt aber auch Lesungen und Trainings für junge Polizisten und Kriminalbeamte ab. Dabei zeigte sie ihnen, wie sie Blutspuren identifizieren, Tatorte analysieren und Spuren und Beweise sammeln sowie fachgerecht lagern konnten. Sie gab ihren Trainingsteilnehmern mit: „Glauben Sie nicht alle Sterbeurkunden, die Sie sehen. Es gibt keinen Grund, warum ein herzkranker Mann nicht auch an Strychnin-Vergiftung gestorben sein kann.“

Bis Anfang 1946, sie war inzwischen 64 Jahre alt, war McGill schließlich in Pension gegangen. Im Januar dieses Jahres wurde sie von der RCMP zum Honorary Surgeon (Ehren-Chirurg) ernannt – sie war die erste Frau mit diesem Titel und die erste Ärztin, die öffentlich als Mitglied der RCMP anerkannt wurde. Sie setzte sich jedoch mitnichten gänzlich zur Ruhe, sondern blieb der RCMP als Beraterin erhalten und bot weiterhin Lesungen an und nahm Prüfungen ab. Ihre Unterrichtsunterlagen waren so wohlformuliert, dass sie 1952 als Lehrbuch herausgegeben wurden. Da ihr Ruf ihr nicht nur in Kanada, sondern auch Übersee Aufmerksamkeit eingebracht hatte, durfte sie bei einem Besuch in London im gleichen Jahr sogar die Forensischen Labors des Scotland Yard inspizieren.

Noch 1956 schrieb ein US-amerikanisches Detektiv-Magazin eine Geschichte über sie, woraufhin ein Brief aus New York sie erreichte: Eine Frau bat sie um Aufklärung des Todes ihres Bruders. McGill wurde selbst nicht mehr aktiv, half der Frau jedoch, indem sie ihr Ratschläge gab, wie sie das FBI zu einer Exhumierung des Leichnams bringen konnte.

Nach einer Brustkrebsdiagnose und einer Rippenfellentzündung starb Frances Gertrude McGill am 21. Januar 1959 mit 77 Jahren. Ein See nördlich des Athabascasees ist nach ihr benannt.

*Mit der Obduktion von Leichen ungeklärter Fälle überführte sie zahlreiche Täter, sprach jedoch auch einige Unschuldige frei. Weil ich typischerweise ein Faible für derartige Details habe, hier auch die drei Fälle, die der Wikipedia-Beitrag näher schildert.
Im `Lintlaw case´untersuchte sie den Tod eines Farmers, der mit einer Schusswunde aufgefunden worden war. Blutspuren im Raum und die Tatwaffe, die in einem Silo gefunden wurde, wiesen auf Mord hin; ein Nachbar wurde verhaftet, der Blutspuren an seiner Kleidung nicht zufriedenstellend erklären konnte. McGill untersuchte die Leiche des Farmers genauer als der städtische Arzt und stellte aufgrund des Eintrittswinkels des Geschosses fest, dass der Mann Selbstmord begangen haben könnte. Anhand seines Mageninhaltes bewies sie, dass er tatsächlich nach dem Schuss noch lange genug gelebt hatte, um Blutspuren im Haus zu verteilen und die Waffe selbst zu verstecken. Ihr Widerspruch gegen den ersten Verdacht führte dazu, dass die Polizei auch aufklärte, dass der Mann an Depressionen gelitten und Waffe und Munition kurz vor seinem Tod selbst gekauft hatte. Mit diesem Fall machte sich McGill einen Namen bei der RCMP und wurde anschließend regelmäßig zur Untersuchung rätselhafter Tode hinzugezogen.
Der `Northern Trapper case´1933 war ein umgekehrter Fall, in dem ein Trapper verschwand. In seiner Hütte fanden sich Blutspuren und eine Kugel, die in die Holzbohlen der Wand eingedrungen war. Sein ehemaliger Partner wurde eineige Zeit später verhaftet, der auch zugab, den Mann erschossen zu haben, allerdings nicht mit Absicht. Die Überreste des Toten wurden gefunden und McGill setzte den zertrümmerten Schädel wieder zusammen. Dabei fand sie heraus – anhand des Eintrittswinkels des Geschosses und schwarzer Pulverspuren am Knochen – dass der Mann im Schlaf mit aufgesetzter Waffe erschossen worden war. Den Schädel holte sie bei ihrer Aussage vor Gericht aus ihrer Handtasche, was bei den Anwesenden für einiges Aufsehen sorgte. Ein Gerichtsreporter schrieb über sie, dass sie manches Mal die Beweisstücke mit der `Dramatik eines Magiers´zum Vorschein brachte.
Im `South Poplar case´ schließlich konnte sie den Verdacht auf Mord abweisen – ein Mann war erfroren aufgefunden worden, doch auch mit eingeschlagenem Schädel. Bei ihrer Unterscuhung des Schädels fand McGill jedoch heraus, dass der Mann an Rachitis (CN Bilder) gelitten hatte. Die Aussage eines Fernfahrers, der mit dem Mann Alkohol getrunken hatte, fügte das letzte Puzzleteil ein: Der Tote war erfroren, durch den Alkoholkonsum war vor seinem Tod die Blutzufuhr zum Kopf verstärkt worden, und in der eisigen Kälte hatte sich das Blut im Schädel ausgedehnt. Der von Rachitis geschwächte Knochen hatte dem Druck nicht standhalten können, sodass der Schädel geradezu geplatzt war – nachdem der Mann bereits den Kältetod erlitten hatte.

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Ebenfalls diese Woche

19. November 1845: Agnes Giberne (Link Englisch)
Diese Autorin des viktorianischen England schrieb 130 Bücher, darunter mehrere Kinderbücher, die in verschiedene Wissenschaften einführen sollte. Ihr bekanntestes Werk ist Sun, Moon and Stars von 1879, über Astronomie.

Yizhi Jane Tao

20. Jhdt.

Yizhi Jane Tao schloss 1988 die First Middle High School in Changsha (Hunan, China) und begann anschließend das Studium der Biologie an der Universität Peking, das sie 1992 mit einem BSc abschloss. Zwei Jahre später setzte sie ihr Studium an der Purdue University in West Lafayette, Indiana (USA) fort.

1999 erlangte Tao ihren Doktortitel in Biowissenschaften an der Purdue University mit einer Arbeit über strukturelle Virologie. Eine dreijährige Postdoc-Tätigkeit absolvierte sie an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts (USA) bei Stephen C. Harrison.

Yizhi Jane Tao leitete das Team, das erstmalig die Struktur des Nukleoproteins des Influenza-A-Virus auf atomarer Ebene darstellte. Dieser Teil des Virus ist unter anderem für die Reproduktion des Virus im erkrankten Körper zuständig, und die Darstellung auf atomarer Ebene erschloss den Aufbau, Funktionsweise und somit auch Möglichkeiten, diese Reproduktion zu verhindern. Das Team unter Taos Leitung lieferte also entscheidende Hinweise für die Entwicklung von Grippe-Medikamenten und Impfungen, da es auch nachwies, dass bereits kleinste Änderungen in der Struktur des Nukleoproteins dessen Funktion unterbrach. Die Entdeckung wurde zu ihrer Zeit sogar in den nicht-wissenschaftlichen Medien – wie hier den BBC News – besprochen. Chinesische Medien zählten Tao daraufhin zu den 10 einflussreichsten Chines:innen.

Seit 2009 ist Tao als Professorin für Biochemie und Zellbiologie an der Rice University in Houston, Texas (USA) tätig und erforscht unter anderem Influenza, Hepatitis und Birnaviridae.

46/2020: Josephine Silone Yates, 15. November 1859

CN: In den englischen Titeln aus der Zeit der Jahrhundertwende 18./19. in diesem Beitrag wird eine Form des N-Wortes verwendet.

Josephine Silone Yates (Link Englisch) kam möglicherweise auch schon 1852 zur Welt – ich richte mich mit Altersangaben in diesem Beitrag jedoch nach dem alternativen, genaueren Datum.

Josephine war die zweite Tochter von Alexander und Parthenia Reeve Silone und lebte mit ihren Eltern und ihrer Schwester bei ihrem Großvater mütterlicherseits, einem befreiten Sklaven, in Mattituck, New York. Die Mutter brachte ihr mit der Bibel das Lesen bei, in der Grundschule zeigte sich bereits ihr großes Potential. So zog sie mit 11 Jahren zu ihrem Onkel, einem Pastor in Philadelphia, um dort das Institute for Coloured Youth (Link Englisch) zu besuchen. Die Direktorin Fanny Jackson Coppin (Link Englisch) wurde dort ihre Mentorin. Allerdings musste Josephine Silone schon im nächsten Jahr umziehen, da ihr Onkel an eine Universität versetzt wurde. Mit 12 Jahren zog sie also zu ihrer Tante mütterlicherseits nach Newport, Rhode Island. Dort besuchte sie eine weiterführende Schule und anschließend die Highschool; an beiden Schulen war sie einzige Schwarze Schülerin, doch erfuhr sie von Lehrer:innen und Schüler:innen wohl Respekt. Ihr Lehrer (oder Lehrerin) in Naturwissenschaften hielt sie für eine der begabtesten Schüler:innen und ermöglichte ihr Zugang zum Chemielabor für eigenverantwortliche Arbeiten.

1877, also vermutlich mit 18 Jahren, machte sie mit Auszeichnung ihren Highschool-Abschluss, als erste Schüler:in of Colour an der Schule. Sie war die Schülerin mit dem besten Abschluss und durfte daher traditionsgemäß die Abschiedsrede des Jahrgangs halten, außerdem erhielt sie eine Medaille und ein Stipendium für ein Universitätsstudium. Statt einer Hochschul-Karriere entschied sich Silone jedoch für eine Ausbildung zur Lehrerin, die sie an der Rhode Island State Normal School in Providence antrat. Dort machte sie zwei Jahre später – wiederum als erste Person of Colour – ihren Abschluss und war damit die erste Afro-Amerikanerin mit einer Zulassung als Lehrerin an Schule in Rhode Island. Später sollte ihr die National University of Illinois einen MSc-Grad verleihen.

Die Reihe der Ersten Male für eine Afro-Amerikanerin setzte Josephine Silone fort, als sie nach ihrem Abschluss eine der ersten Lehrer:innen of Colour an der Lincoln University in Jefferson City, Missouri wurde. Diese war nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg explizit für Afro-Amerikaner:innen gegründet worden, mit weißen und oC Lehrer:innen. Der Präsident Inman E. Page (Link Englisch) fand es jedoch für den Erfolg der Schule entscheidend, weiße Lehrende mit PoC zu ersetzen, um den Schüler:innen Rollenvorbilder zu bieten.

Wie alle Lehrenden lebte Silone auf dem Campus, in den Häusern, in denen sich die Schlafräume der Student:innen befanden. Sie unterrichtete Chemie, englische Literatur und ‚elocution‘, was sowohl Rhetorik wie auch Diktion bedeuten kann. Als sie zur Leiterin des Naturwissenschaftlichen Fachbereichs ernannt wurde, war sie wiederum die erste WoC, die einem naturwissenschaftlichen Fachbereich an einem College vorstand, außerdem (möglicherweise) die erste WoC mit voller Professur an einer US-Hochschule.

Ihre Philosophie als Lehrende beschrieb sie wie folgt: „Das Ziel jeglicher wahrer Bildung ist es, Körper und Seele alle Schöheit, Kraft und Perfektion zu geben, zu denen sie fähig sind, um das Individuum für ein vollständiges Leben auszustatten.“ (Quelle: Wiki)

Nach zehn Jahren an der Universität heiratete Josephine Silone William Ward Yates, den Direktor einer Schule in Kansas City. Als verheiratete Frau musste sie ihren Beruf daraufhin aufgeben, sie wurde dafür jedoch in der afro-amerikanischen Frauenbewegung aktiv. Sie schrieb als Korrespondentin für The Woman’s Era (Link Englisch) und andere Magazine, wie The Voice of the Negro (CN N-Wort im deutschen Beitrag). Für ihre Autorinnentätigkeit verwendete sie manchmal ihren eigenen Namen, manchmal schrieb sie unter dem Pseudonym R. K. Potter. Sie war 1893 eine der Mitbegründerinnen der Women’s League of Kansas City, eine Organisation zur Selbsthilfe und Verbesserung der Lebensumstände afro-amerikanischer Frauen, und deren erste Präsidentin. Als sich die Women’s League drei Jahre später der National Association of Coloured Women anschloss, wurde Silone Yates zunächst deren Schatzmeisterin und Vizepräsidentin von 1897 bis 1901, anschließend dann für vier Jahre bis 1904 deren Präsidentin. Außerdem bekam sie 1890 eine Tochter und 1895 einen Sohn.

1902 wurde sie vom Kompendium Twentieth Century Negro Literature; or, A Cyclopedia of Thought on the Vital Topics Relating to the American Negro als eine der 100 ‚America’s Greatest Negros‘ gelistet. Die Lincoln University berief sie zurück, um die Leitung für den Fachbereich Englisch und Geschichte zu übernehmen, sodass sie schließlich doch wieder in die Lehrtätigkeit kam.

1908 wollte sie allerdings wegen Krankheit ausscheiden, doch der Verwaltungsrat gestattete ihr dies nicht, und so blieb sie als Frauenberaterin an der Hochschule tätig. Als jedoch zwei Jahre später ihr Mann starb, setzte sie sich zur Ruhe udn kehrte nach Kansas City zurück. Schon am 3. September 1912 starb sie selbst, nach kurzer Krankheit.

Auch Wednesday Women und BlackPast widmen Josephine Silone Yates einen Beitrag.

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Ebenfalls diese Woche

9. November 1871: Florence Rena Sabin
Die US-amerikanische Ärztin war 1917 die erste Frau mit einer Professur an der medizinischen Fakultät der Johns Hopkins University und die erste Frau, der die Leitung eines wissenschaftlichen Instituts, nämlich der Rockefeller University, übertragen wurde.

9. November 1914: Hedy Lamarr
Wenn es um vergessene und verborgene Fähigkeiten von schönen Frauen geht, gehört sie immer dazu. Lamarr, in Wien unter dem Namen Hedwig Eva Maria Kiesler geboren, war Schauspielerin und im nationalsozialistischen Deutschland verrufen für ihre mimische Darstellung eines Orgasmus.

Damals in Deutschland verboten, heute zwar eindeutig, aber doch zahm: Hedy Lamarrs Darstellung eines Orgasmus

Hier steht sie aber selbstverständlich für ihre Erfindung einer Funkfernteuerung für Torpedos, die selbsttätig die Frequenzen wechselte und deswegen vor Störungen durch den Feind weitgehend sicher war. Während ihre Erfindung zum damaligen Zeitpunkt zu komplex für eine massenhafte Anwendung war, basiert unter anderem das frequency hopping der Bluetooth-Technologie darauf.

11. November 1866: Martha Annie Whiteley (Link Englisch)
Die englische Chemikerin trug entscheidend dazu bei, dass Frauen in der Chemical Society aufgenommen wurden.

12. November 1957: Rihab Taha (Link Englisch)
Eine Frau auf der Schattenseite der Wissenschaft: Die irakische Mikrobiologin zeichnete für die Produktion von biologischen Waffen im Irak verantwortlich, unter anderem Anthrax und Botulinumtoxin. Sie wurde dafür von einigen auch ‚Dr. Germ‚ genannt.

Cecilia Hidalgo Tapia

20. Jhdt.

Cecilia Hidalgo Tapia machte 1965 ihren ersten Universitätsabschluss in Biochemie an der Universidad de Chile, vier Jahre später promovierte sie dort. Damit war sie die erste weibliche Doktorin einer Naturwissenschaft an dieser Universität. Ein späteres Post-doc absolvierte sie an den National Institutes of Health in den USA.

Hidalgo Tapia lehrte an verschiedenen Institutionen in Chile, von 1992 bis 1993 erhielt ein ein Guggenheim-Stipendium. Sie forscht zur Regulierung des Calciumgehalts in der Zelle.

2006 gewann sie als erste Frau den nationalen Naturwissenschaftspreis von Chile.

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