Monat: November 2015

KW 49/2015: E. Marlitt, 5. Dezember 1825

E. Marlitt

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E. Marlitt (Pseudonym, eigentlich Friederike Henriette Christiane Eugenie John) gilt als erste Bestsellerautorin der Welt. Ihre Romane, deren Handlung sich in der adligen Gesellschaftsklasse abspielte, waren bei Frauen des gehobenen Bürgertums sehr beliebt; so beliebt, dass Theodor Fontane sich in einem Brief an seine Frau darüber beschwerte, dass sie zahlreiche Auflagen und Übersetzungen erreichte, „um mich kümmert sich keine Katze“.

Ihr Roman „Reichsgräfin Gisela“ von 1869 wurde 1918 das erste Mal verfilmt.

Bild: Von Verschiedene – Scan des Originals, Gemeinfrei

KW 48/2015: Mary Gerold, 27. November 1898

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Kurt Tucholsky liebte Frauen, und er liebte besonders kluge, freie und starke Frauen. Leider mehrere und manchmal gleichzeitig.

Seine Liebe zu Else Weil, die er in „Rheinsberg“ als Claire verewigte, prägte das Frauenbild der 1920er Jahre – selbstbewusst, gebildet, selbständig, ja unabhängig: so durften Frauen sein, weil sie von ihm so verliebt beschrieben wurden.

Mary Gerold war vor, zeitgleich und nach Else Weil eine Liebe Kurt Tucholskys, und ihr widmete er in seinem letzten Brief an sie, kurz vor seinem Selbstmord, den schönsten Satz, den ein bindungsgestörter, bekanntermaßen der Treue Unfähiger einer Frau, die er betrogen und verlassen hat, schreiben kann: „Hat einen Goldklumpen in der Hand gehabt und sich nach Rechenpfennigen gebückt; hat nicht verstanden und hat Dummheiten gemacht, hat zwar nicht verraten, aber betrogen, und hat nicht verstanden.“

Mary Gerold war Tucholskys Alleinerbin und Gründerin des Tucholsky-Archivs.

KW 47/2015: Dolly Shepherd, 19. November 1886

Dolly Shepherd

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Freier Fall und gewagte Sprünge sind derzeit ein Thema in meinem Leben, daher passt Dolly Shepherd gerade sehr schön. Dolly hatte einige Male Glück in ihrem Leben und war auch Retterin: sie vollführte die allererste Mid-Air Luftrettung, als bei einem Doppelsprung aus einem Heißluftballon der Schirm ihrer Kollegin nicht öffnete. Dolly ließ sie die Arme und Beine um sich schlingen und rettete ihr so das Leben – nicht ohne Konsequenzen natürlich. Da die beiden zu schwer für einen Ein-Mann-Schirm waren, war Dolly einige Wochen nach dem Ereignis gelähmt.
Sie überlebte alle ihre Sprünge und zwei Weltkriege und sprang noch einmal mit über 90 Jahren mit den Red Devils.

Bild: Von Unbekannt – This is photograph Q 98454 from the collections of the Imperial War Museums., Gemeinfrei

KW 46/2015: Mena Schemm-Gregory, 11. November 1976

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Mena Schemm-Gregorys Fachgebiet waren die Brachyopoden, Armfüßer, von denen ich zugegebenermaßen gerade mal weiß, dass es sie gab und gibt.

Dazu, diese junge Paläontologien als Frau der Woche zu wählen, haben mich drei Dinge bewogen: Erstens der Umfang ihrer Bildung und Arbeit. Neben Geologie und Paläontologie studierte sie auch italienische, spanische und portugiesische Philologie und arbeitete früh bereits im Forschungsinstitut Senckenberg. Sie galt mit ihren vielzähligen Forschungsarbeiten als Königin der Brachyopoden. Zweitens studierte sie z. T. zeitgleich mit mir in Marburg, was sie mir – obwohl ich ihr tatsächlich nie begegnet bin – gefühlsmäßig nahe brachte. Drittens schließlich die Tragik, dass sie bereits 2013 mit 36 Jahren verstarb. Sie hat ein kurzes Leben reichhaltig gefüllt.

Post Skriptum

Zwei Kinder wurden geboren, kurz nacheinander. Erst ein Junge, dann ein Mädchen.
Sie wurden gefüttert, gekleidet, gebildet, geprägt.
Sie lernten sich kennen und verliebten sich.
Zu Beginn fanden sie sich unbeschreiblich und waren entzückt von ihren Ähnlichkeiten, liebten das Eigene im Anderen und erkannten sich als ungetrübtes Spiegelbild. Sie waren das, was sie seit langem gesucht hatten.
Bald kamen sie sich näher und sahen sich deutlicher, fanden Unterschiede, die sie erfreuten. Sie ergänzten sich und fanden sich wunderbar.
Sie liebten sich und lebten zusammen, ließen sich ein auf die Andersartigkeiten, schlossen Kompromisse. Sie wollten das Gleiche.
Dann entwickelten sie sich weiter, brauchten Raum für die eigene Persönlichkeit und nahmen Veränderungen am anderen wahr. Sie waren enttäuscht und stritten sich.
Dabei machten sie sich Vorwürfe, verletzten sich und schwiegen. Sie wussten nicht mehr, was sie sagen sollten.
Später waren sie kalt und gefühllos, verhielten sich abweisend und fanden sich unerträglich. Sie waren sich fremd und hielten es nicht mehr miteinander aus.
Schließlich trennten sie sich und weinten, wollten Genugtuung oder wenigstens Erklärung, wollten sich nie wieder sehen und alles vergessen.
Irgendwann vergaben sie sich, fanden andere, die sie lieben konnten, gingen ihrer eigenen Wege und lebten ein besseres Leben ohne einander. Sie waren froh, dass es so gekommen war.
Sie schrieben sich Briefe, in denen sie in Worte zu fassen versuchten, was sie fühlten und dachten, was sie bewegte, was sie wünschten und tun wollten.
Liebesbriefe, am Anfang. Die Zeilen waren voller Begierde, Beschreibungen von Körpern und Akten der Hingabe, die Worte sollten die Sehnsucht, die Wollust beschreiben und die Ewigkeit beschwören.
Streitbriefe, Versöhnungsbriefe später, die erklären sollten, Standpunkte darlegen und Verständnis schaffen. Versuche, sich selbst zu bewahren, Suche nach Nähe und Gemeinsamkeit.
Am Ende Trennungsbriefe, in denen die Worte wie Waffen aufeinander gerichtet wurden, die Beweise führten für Fehlverhalten, Respektlosigkeiten und bewusste Verletzungen. Die Zeilen wehrten die eigene Schuld ab, wiesen sie zurück, dem anderen zu.
Sie lasen die Briefe – auch dann noch, als sie keine mehr schrieben – die alten wie die neuen, immer wieder.
Sie las in seinen Briefen. Las von dem Wunsch, bei ihr zu bleiben, und verstand, dass er davon sprach, nicht immer bei ihr zu sein. Die Worte vom Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlt, sagten ihr, dass die Ewigkeit im nächsten Moment vorüber sein kann. Die Sehnsucht zu genießen hieß, seine Freiheit zu brauchen; seine Freiheit zu brauchen hieß, sich von ihr entfernen zu wollen.
Er las in ihren Briefen. Das Versprechen, ihn für immer zu lieben, erzählte ihm von dem Versuch, ihn für immer festzuhalten. Ihre gemeinsame Zukunft, die sie beschrieb, bedeutete ihm Erwartungen, die sie an ihn stellte. Seine Schwächen auch zu schätzen hieß, auf sein Lernen zu vertrauen; auf sein Lernen zu vertrauen hieß, ihn anders zu wollen als er war.
Beide starben, Jahre später.
Ihre Briefe endeten verstaut, verstaubt, vergessen. Das Papier, auf dem sie geschrieben waren, wurde gelb und brüchig, die Tinte blich aus.
Was die Worte nicht fassen konnten, verging.
Düsseldorf, 2005

KW 45/2015: Erika Abels d’Albert, 3. November 1896

Erika Abels d'Albert

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In meinem Wunsch, die Frauen sichtbar zu machen, die in der Geschichte gewirkt und unter den Massen berühmter Männer unsichtbar geworden sind, helfen mir natürlich eigentlich diejenigen Figuren, über die möglichst viel bekannt ist. Je klarer ein Profil zu zeichnen ist, desto deutlicher scheint es hervor.

Gleichzeitig sind natürlich die Frauen, von denen wir wenig wissen können, nur, dass es sie gab und sie in irgendeiner Form einen Abdruck hinterlassen haben, in ihrer mysteriösen Ungreifbarkeit spannend und wecken die Neugier. Je weniger diese befriedigt werden kann, desto nachhaltiger ihre Faszination – wie ein Rätsel, das man nicht lösen kann und zu dem man deshalb immer wieder zurückkehren muss.

Erika Abels d’Albert war eine Künstlerin, die in den 1920er Jahren arbeitete und ausstellte. Von ihren Werken sind heute noch drei in gesicherter Originalität in Museen vorhanden – Fotos davon sucht man im Netz vergeblich.

Um einen höheren Bekanntheitsgrad für sie bemüht ist eine Webseite, auf der auf einen Blick alle sieben (!) von ihr existenten Fotografien zu sehen sind. Ich würde mich freuen, wenn sich in Zukunft mehr einfinden würde. Vor allem von ihr entworfene Mode würde mich interessieren.

Bild: Von Carl Pietzner (* 1853, † 1927) – Zeitschrift Sport und Salon, 06. 12. 1913, S. 11, Bild-PD-alt

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