Monat: Oktober 2015

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2004

KW 44/2015: Leta Semanedi, 26. Oktober 1944

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Leta Semanedi schreibt Gedichte auf Deutsch und Vallander, einem rätoromanischen Dialekt – was das ist, was mich an ihr interessiert.

So wie Pflanzen und Tiere durch Abschottung vom Rest der Welt ihre eigenen Entwicklungswege gehen, so machen Sprachen das auch. Rätoromanisch bzw. seine verschiedenen Formen sind Vermischung einer wahrscheinlich nicht indogermanischen Sprache – der Räter, die zu den Kelten gezählt werden – und des Latein ihrer römischen Eroberer. Tatsächlich finden sich in diesen Dialekten lateinische Formen mit den weichen Nuschellauten, die man aus dem „gewöhnlichen“ Schwyzerdüütsch kennt, was eine faszinierende Mischung aus Fremdem und Vertrautem ergibt.

So etwas kann sich niemand ausdenken.

KW 43/2015: Beate Uhse, 25. Oktober 1919

Beate Uhse

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Der Name Beate Uhse ist durch ihr bekanntes Unternehmen „für Ehehygiene“ natürlich untrennbar mit Sexspielzeug verbunden. Noch in meiner Jugend hatte der Name den Klang von verschämtem Papiertütenrascheln, in denen Kataloge oder unaussprechliche Gegenstände, gleichzeitig abstoßend und faszinierend, verhüllt wurden.

In der heutigen Zeit macht man sich gar kein Bild mehr davon, was für eine Chuzpe dazu gehörte, als Frau in der Nachkriegszeit Frauen mit Wissen und Handwerkszeug für sexuelle Freiheit zu versorgen. Das Sexspielzeug folgte schließlich erst mit der Befreiung einer ganzen Generation, an der Freigeist Uhse maßgeblich beiteiligt war. Dildos und Plüschhandschellen dienen im weitesten Sinne zwar auch einer „Ehehygiene“ – begonnen hat es aber mit der Belehrung der Frauen über die Knaus-Ogino-Methode. Diese Kenntnis über den eigenen Körper war in den 1950er Jahren revolutionär; Kondome für unverheiratete oder verwitwete Frauen unerreichbar.

Beate Uhse half der weiblichen deutschen Bevölkerung, sexuell aktiv zu bleiben, ohne schwanger zu werden, in aufgewühlten Zeiten, in denen ein Großteil der männlichen Bevölkerung verstorben oder in Gefangenschaft war, Beziehungen zerbrachen und nur flüchtig neu eingegangen wurden. Ohne sie gäbe es die anderen Sexspielzeugläden nicht, zumindest nicht in dieser Form.

Die Sache ist, dass die Geschichte ihres Unternehmens nur ein Ausdruck ihrer willensstarken und kompromisslosen Wesensart ist. Bevor sie die sexuelle Revolution vorbereitete, war sie vor dem und im Zweiten Weltkrieg Pilotin, unter anderem im Rang eines Hauptmanns. Als Pilotin rettete sie ihren Sohn, ihr Kindermädchen und vier weitere Personen vor den einmarschierenden Russen in Gatow.

Und nachdem sie ihr Unternehmen aufgebaut, ein weiteres Kind bekommen und Magenkrebs überlebt hatte, machte sie mit 75 Jahren noch ihren Tauchschein.

Respekt, Beate Uhse. Respekt.

Bild: Von Rob C. Croes / Anefo – Nationaal Archief, CC BY-SA 3.0 nl

KW 42/2015: Alexandrine Tinné, 17. Oktober 1835

Alexandrine Tinné

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Alexandrine Tinné ist ein Beispiel dafür, was die Freiheit von sozialen Normen für einen Unterscheid in den Entfaltungsmöglichkeiten machen. Mit 10 Jahren wurde sie durch den Tod ihres sehr alten Vaters (er war 63 bei ihrer Geburt) zur reichsten Erbin der Niederlande – und konnte sich so über die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen hinwegsetzen.

Schon ihre Mutter – die ebenfalls forsch gewesen sein muss – war mit ihr viel gereist. Mit 26 ließ sich Alexandrine mit Familie und Gefolge in Kairo nieder und verfolgte von dort ihren Jugendtraum, die Quellen des Nils zu entdecken. Mehrere Forschungsreisen unternahm sie, bei denen sie unter anderem ihre Mutter verlor, wofür sie sich lange die Schuld gab.

Als sie sich 1869 wieder auf eine Expedition zur Durchquerung der Sahara begab, geriet sie schließlich selbst – nach der wahrscheinlichsten Erklärung – zwischen die Fronten in einer politischen Intrige der Tuareg. Sie wurde wohl mit zwei Männern aus ihrem Gefolge ermordet, um den Tuareg-Fürsten zu diskreditieren, unter dessen Schutz sie stand.

Von ihren Forschungsreisen sind in Liverpool, Den Haag und Stuttgart verschiedene Dokumente und Sammlungen zurückgeblieben, wenn auch zum Teil durch den Zweiten Weltkrieg zerstört.

Bild: By Robert Jefferson Bingham – Digitaal Vrouwenlexicon van NederlandRKDimages, Art-work number 182409., Public Domain

fremdbild

dein bild von mir
zerreiss es
mal es weiss

so fahl

dein bild von mir
zerreiss es
mal es rot

so grell

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zerreiss es
mal es schwarz

so finster

dein bild von mir
zerreiss es
mal es nicht

KW 41/2015: Agnes von Krusenstjerna, 9. Oktober 1894

Agnes von Krusenstjerna

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Wieder mal ein Eintrag auf mener Leseliste für bisher noch nicht absehbare freie Tage.

Agnes von Krusenstjerna scheint die Hauptverantwortliche für die weltbekannte schwedische Freizügigkeit in der Kunst zu sein. In den 1920er Jahren schrieb sie Romane über das Heranwachsen eines jungen Mädchen in der Adelsgesellschaft, die in ihrer Beschreibung von Geisteskrankheit und vor allem der Sexualität bahnbrechend waren. Sie löste damit die Krusenstjerna-Fehde aus, in der es zwischen liberalen Künstlern und Konservativen, unter anderem Nazi-Sympathisanten, zum Streit um die ewige Frage „Was darf die Kunst“ kam.

Detailreiche Beschreibung von Geschlechtsverkehr in der Literatur war natürlich unerhört, noch dazu von einer Frau. Vieles, auch die Anteile ihrer Romane, die sich mit Geisteskrankheit befassten, war wohl autobiografisch – sie starb mit 46 Jahren an einem Gehirntumor, der ihr schon in der Jugend Anfälle verursachte. In ihrer kurzen Lebenszeit durchstieß sie jedoch in Schweden die bisher geltenden Grenzen der Moral in der Kunst.

Zitate aus Fröknerna von Pahlen lassen sich hier bestaunen.

Bild: By Unknown – Ewert Wrangel (red.): Svenska folket genom tiderna 12 De senaste årtiondena. Malmö 1940, Allhem., Public Domain

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