frauenfiguren

43/2023: Leyla Hussein, 27. Oktober 1980

Geboren als Kind gut ausgebildeter Eltern, lebte Leyla Hussein relativ privilegiert in ihrem Geburtsland Somalia. Dennoch wurde sie mit sieben Jahren Opfer der traditionellen Genitalverstümmelung.

Als sie zwölf Jahre alt war, emigrierte die Familie in das Vereinigte Königreich, wobei sie ihren gehobenen Lebensstandard aufgeben und in der neuen Heimat unter wesentlich schlechteren Umständen leben mussten.(1)

Während ihrer Schwangerschaft erlitt sie immer wieder Ohnmachtsanfälle bei vaginalen Untersuchungen, doch weder ihre Hebamme noch ihre Frauenärzty sprach sie auf die Narben der Exzision (CN gewaltvoller Umgang mit Genitalien, Bilder) an. Erst nach der Geburt fragte eine Krankenpflegerin sie, ob sie eventuell FGM erlitten hatte, und äußerte die Vermutung, dass ihre ‚Ohnmachtsanfälle‘ Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund dieses Erlebnisses seien. Mit der Erkenntnis dieser Realität begann Husseins Aktivismus.(2)

Sie machte ihr Diplom in Psychologie an der Thames Valley University. 2010 gründete sie die gemeinnützige Organisation Daughters of Eve (Link Englisch), die die FGM-Problematik in der (britischen) Gesellschaft sichtbarer machte, betroffenen Mädchen und Frauen Unterstützung bot und sich für das weltweite Verbot der weiblichen Genitalverstümmlung einsetzte. Drei Jahre später bewirkte sie mit dem Dokumentarfilm The Cruel Cut ein weitreichendes Bewusstsein in der britischen Bevölkerung für FGM, das auch zu Gesetzesveränderungen führte. Die Dokumentation erhielt im Folgejahr eine BAFTA-Nominierung.

Ebenfalls 2013 rief Hussein das Dahlia-Projekt ins Leben, das eine Hotline für Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung anbot sowie Gruppen- und Einzeltherapien. Außerdem vermittelt das Projekt Betroffene an Kliniken, die wiederherstellende Operationen anbieten.

Leyla Hussein war 2018 auch eine der Protagonistinnen des Dokumentarfilms #FemalePleasure. Sie gehört zu den Begründerinnen des Projekts The Girl Generation, das in zehn afrikanischen Ländern aktiv ist und sich zum Ziel gesetzt hat, FGM innerhalb einer Generation vollständig abzuschaffen. In Somalia ist Hussein eine der Leiterinnen von Hawa’s Haven, einer Organisation, die sich für mehr Bewusstsein für geschlechterspezifische Gewalt einsetzt.

Für ihre Arbeit wurde Hussein 2019 mit einem OBE ausgezeichnet. 2020 wurde sie Rektorin der University of St. Andrews – als dritte Frau in der Geschichte der Hochschule und als erste Woman of Colour.

Sie schreibt außerdem seit zehn Jahren regelmäßig für unterschiedliche Magazin wie etwa die Cosmopolitan, im Guardian oder die Huffington Post, wie etwa diese sehr nachvollziehbare Erklärung, warum ihre Arbeit sich auf die weibliche Genitalverstümmelung konzentriert – statt auch die männliche Beschneidung zu thematisieren.


Quelle Biografie: Wiki deutsch | englisch
außerdem:
(1) The Guardian: Letter to my daughter
(2) Global Citizen


42/2023: Gertrude Sandmann, 16. Oktober 1893

Über Gertrude Sandmanns Kindheit ist nicht viel zu finden; geboren in Berlin, muss ihr Vater zumindest recht wohlhabend gewesen sein, da sie später von seinem Erbe leben konnte. Als sie alt genug für ein Kunststudium war, ließ die Akademie der Künste in Berlin noch keine Frauen zu, also machte Sandmann einen Zeichen- und Malkurs beim Verein der Berliner Künstlerinnen, bei dem schon Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker gelernt hatten und zu diesem Zeitpunkt auch unterrichteten. 1917 ging sie für eine weitere Kunstausbildung nach München, zwei Jahre später jedoch konnte sie an die Akademie der Künste in Berlin wechseln – diese hatte inzwischen Käthe Kollwitz als Professorin eingestellt, womit auch das Studium für Frauen möglich wurde. Mit Kollwitz und ihrer Familie sollte Sandmann eine langjährige Freundschaft verbinden.(1)

1923 erhielt Gertrude Sandmann ihre erste Einzelausstellung in Berlin. Sie arbeitete während der 1920er Jahre wie viele Künstlerinnen als Illustratorin für Modezeitschriften, außerdem nahm sie an verschiedenen Gruppenausstellungen teil, wurde Mitglied im Reichsverband bildender Künstler und der GEDOK (Gemeinschaft deutscher und oesterreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen). Das Erbe ihres Vaters ermöglichte ihr ein eigenes Atelier in Berlin und verschiedene Reisen und Studienaufenthalte im Ausland. Die finanzielle Freiheit bedeutete auch, dass sie offen homosexuell leben konnte. Dass die jüdische Gemeinschaft diese Orientierung als verwerflich und ‚widernatürlich‘ ablehnt, führte zu ihrer Lossagung von der Religion.(1)

Wie viele säkulare Juden wurde sie mit der Machterlangung der Nationalsozialisten dennoch für ihre jüdische Herkunft verfolgt. In den frühen 1930er Jahren wurde sie deswegen vom Reichsverband ausgeschlossenn, von 1934 (oder 1935) an unterlag sie dem Berufsverbot. Ein Auslandsvisum ließ Sandmann verfallen, weil sie zum Einen nicht im Ausland leben und zum Anderen ihre Mutter nicht alleine lassen wollte. Als diese kurz darauf verstarb, war ihr Visum ungültig. Mit Hilfe ihrer Lebensgefährtin Hedwig Koslowski, genannt Johnny, konnte sie untertauchen und längere Zeit unbemerkt bleiben. Am 21. November 1942 jedoch musste sie noch weiter gehen: Sie schrieb einen Abschiedsbrief, um die Gestapo zu täuschen, ließ all ihr Habe zurück und täuschte den Selbstmord vor. Sie überlebte die folgenden zwei Jahre in einem Unterschlupf bei der Familie Großmann, wo sie weiterhin zeichnete und malte. Koslowski und die Familie Großmann wurden später von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern anerkannt.

Nach dem Krieg nahm Gertrude Sandmann noch an wenigen Ausstellungen teil, im Jahr 1949 an der Grafischen Ausstellung im Schöneberger Rathaus und der Weihnachtsausstellung im Schloss Charlottenburg. Später jedoch ist nur noch ihre Teilnahme an der Großen Berliner Kunstausstellung 1958 bekannt sowie eine Einzelausstellung in Düsseldorf im Jahr 1974. In diesem Jahr war Sandmann auch an der Gründung der Gruppe L 74 – für Lesbos 1974 – beteiligt, der ersten lesbischen Künstlerinnengruppe der Nachkriegszeit.(2) Eine ihrer Zeichnungen war jahrelang das Titelbild der Vereinszeitung UKZ (‚Unsere Kleine Zeitung‘). Sie unterstützte auch andere lesbische Organisationen und die erste reine Frauengalerie ‚Andere Zeichen‘.

Gertrude Sandmann lebte bis zu ihrem Lebensende am 6. Januar 1981 in Berlin, viele Jahre davon mit ihrer Lebensgefährting Tamara Streck.


Quelle Biografie: Wiki deutsch | englisch
außerdem:
(1) Fembio
(2) Berlinische Galerie

41/2023: Maddie Blaustein, 9. Oktober 1960

Maddie Blaustein kam in New York als eines von fünf Kindern zur Welt. Sie begann ihre Karriere 1980 als Redakteurin und Autorin bei Marvel Comics, 1990 schribe sie Comics für DC Comics (wer sich nicht so richtig auskennt mit Comic-Verlagen: das ist ein bisschen so wie Coca-Cola und Pepsi oder Adidas und Puma).

1994 wurde sie Production Manager und Autorin bei Milestone Media (Link Englisch), einer Tochterfirma von DC, gegründet von einer Gruppe afro-amerikanischer Comickünstler, die die Unterrepräsentation von Minderheiten in Comics beheben wollten. Hier produzierte sie, manchmal mit ihrem Partner Yves Fezzani unter dem Namen „Adam & Yves“ verzeichnet, eigene Comics, unter anderem eine limitierte Reihe namens Deathwish, in der Marisa Rahm die Hauptrolle spielt, die erste trans* Heldin in einem ‚Mainstream‘-Comic. Sie schrieb hier bald unter dem Namen ‚Addie‘ Blaustein. Von Milestone Media ging Blaustein zu Weekly World News, einer Art Satiremagazin.

Von (ca.) 2004 an war Maddie Blaustein die Stimme von Meowth/Mauzi in der animierten Pokémon-Serie, neben verschiedenen anderen Charakteren. Sie war eine Voiceover-Künstlerin, betrachtete diese Arbeit jedoch nur als eine Nebentätigkeit.(1)

Ebenfalls ab 2004 war sie als Kendra Bancroft in Second Life aktiv; insbesondere in der Democratic Republic of Neualtenburg (Link Englisch) war sie am Aufbau sowohl der virtuellen Gebäude wie auch der demokratischen Regierung beteiligt.

Maddie Blaustein starb 48-jährig nach einer kurzen Krankheit im Schlaf.


An Maddie Blaustein zeigt sich, wie wichtig die Suche nach richtigen Quellen ist. Meine erste Recherche findet immer auf Wikipedia statt; nachdem ich mich für eine Frau der Woche entschieden habe, suche ich über die Links von Wikipedia und über eine Suchmaschine weitere, tiefgehendere oder genauere Information sowie gerne Video, eigene Texte der Protagonistin etc.
Maddie Blaustein ist auf Wikipedia als inter* und trans*gender Person aufgeführt, wenn ich allerdings die Quellen durchforste, finde ich dafür keinerlei Beweise: Eine Stelle(2) behauptet es ohne Quellenangabe, eine(3) verlinkt auf einen Eintrag, in dem die verschiedenen Vornamen-Variationen von Maddie Blaustein gelistet werden – aber nichts zu einer körperlichen Grundlage für die Behauptung. In einem Q&A (das sich leider nicht verlinken lässt) bezeichnet sich Maddie selbst als trans* Frau – die Aussage, sie sei inter* lässt sich in keiner Weise verifizieren.
Da inter* Personen in der Liste stark unterrepräsentiert sind, fiel meine Wahl auf Blaustein, auch wenn ich herzlich wenig von dem verstehe, was sie in ihrer Laufbahn gemacht hat – das hat mich ja sonst auch noch nie aufgehalten. Mir ging es um die Repräsentation von inter* Menschen, die nun nach der tieferen Recherche doch nicht stattfindet. Vielleicht ein ehrlicher Fehler an irgendeiner Stelle (looking at you Wikipedia), aber Intergeschlechtlichkeit (körperliche, biologische und/oder chromosomale Merkmale sind nicht übereinstimmend) ist etwas anderes als Transgeschlechtlichkeit (körperliche, biologische und /oder chromosomale Merkmale weisen auf eine binär-geschlechtliche Zuordnung hin, die Identität – kognitiv – stimmt damit jedoch nicht überein).
Ohne ordentliche Quellenangabe werde ich Maddie Blaustein nicht als inter* verschlagworten. Für eine neue Recherche fehlen mir gerade die Ressourcen. So ist das manchmal.


Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) IMDb
(2) TV Tropes
(3) Trans Resource

Eren

Filmposter: EREN in Großbuchstaben über einem Portrait von Eren Keskin, im Pop-Art-Stil entfremdet, mit gelbem Lidschatten, grünen Ohrringen und roten Lippen, die aus dem ansonsten sepiafarbenen Bild herausstechen. Eren Keskin trägt ein schwarze Neckholder-Oberteil.
D 2023, Regie: Maria Binder, mit Eren Keskin, Fatma Sevgi Keskin, Leman Yurtsever

Bei der Recherche für die Kurzrezension in der Stadt Revue musste ich nachschlagen, als was ich die Türkei treffend und korrekt bezeichnen kann. Wikipedia sagt: „In den Politikwissenschaften wurde das politische System der Türkei oft auch als „defekte Demokratie“ und als „hybrides Regime“ summiert.“ Das heißt, die Türkei hat alle Bausteine einer Demokratie, funktioniert jedoch nicht in der Tat als solche. Menschen werden für ihre Meinungsäußerungen etwa zur Frage der Kurden und zum Völkermord an den Armeniern verhaftet und in den Gefängnissen gefoltert, Frauen in Haft vergewaltigt.

Maria Binder, die Regisseurin, erzählt in den ersten wenigen Minuten zu Bildern aus der damaligen Zeit, wie sie Eren Keskin vor zwanzig Jahren kennenlernte, als ‚Anwältin einer Freundin, die von türkischen Soldaten ermordet wurde‘. Sie beschreibt Keskin als eine, die ’nach dem unsichtbar Gemachten [gräbt], nach dem, was verschwiegen, verfälscht, vernichtet wird‘. Der ganze Rest des Filmes zeigt Keskin heute in ihrem Alltag als Anwältin, als Menschrechtsaktivistin, als Freundin und Tochter, gänzlich ohne weiteren Kommentar. Eren Keskin ist Vorsitzende des Menschenrechtsvereins IHD und wurde für ihren Einsatz für die kurdische und armenische Bevölkerung selbst inhaftiert und in der Haft gefoltert. Als Anwältin setzt sie sich insbesondere für Frauen und queere Menschen ein, die von Sicherheitsbehörden gefoltert wurden. Die kurzen Einblicke in ihre Fälle, die der Film bietet, genügen, um die Notwendigkeit ihrer Arbeit zu erkennen.

Eren Keskin (rechts) mit ihrer Mutter (links) im Gespräch

Allein aus der Intimität der Bilder – wie weit Binder Keskin auch in ihren privaten Momenten begleiten darf – wird klar, wie nah sich die Frauen stehen. Doch unangemessene Lobhudelei bleibt aus, dafür ist Keskins Leben zu intensiv, zu spannungsreich und zu gefährlich. Der türkische Staat hat Anklagen gegen sie im zweistelligen Bereich, besonders für die ‚Beleidigung des Türkentums‚, für die sie bei Verurteilung viele Jahre in Haft gehen müsste. Dennoch spricht sie furchtlos und ohne Rückhalt ihre Kritik am Staat aus. In anderen Szenen sehen wir sie weich und liebevoll mit ihrer Mutter reden, über ihre Familie und die verschwiegene Tatsache, dass sie Kurden sind, über Politik und Frauenrechte. Sie weint über den Tod ihres Kollegen und Freundes Tahir Elçi und erzählt von der Gewalt – durch ‚Unbekannte‘ oder den Staat – die sie seit Jahren begleitet. Mit ihrer Kollegin und Freundin Leman besucht sie ehemalige armenische Dörfer und bespricht, wie die Kanzlei weiterarbeiten kann, wenn sie tatsächlich verhaftet würde und ins Gefängnis müsste.

EREN ist kein Film, der die Fakten – die er liefert – in den Vordergrund stellt, sondern das Gefühl. Wie es ist, als Frau, als Kurdin, als politisch aktive Person in der Türkei zu leben. Der Satz, der mir angesichts Eren Keskins Familien- und Lebensgeschichte durch den Kopf ging, war: Das Private ist politisch. Eren Keskins Leben ist durch die Politik der Türkei geprägt, und ihr ganzes Leben ist dem politischen Kampf für mehr Gerechtigkeit und Demokratie gewidmet.


2019 habe ich übrigens auch einen kurzen Beitrag über Eren Keskin geschrieben.


40/2023: Anna Euphemia Morgan, 7. Oktober 1874

CW: historische, rassistische englische Begriffe

Es war eine Missionsstation der Herrnhuter Brüdergemeinde, auf der Anna Euphemia Bowden als Tochter zweier australischer Indigener – Nathan und Margaret Bowden – zur Welt kam, im Nordwesten des Bundesstaates Victoria. Mit elf Jahren begann sie, als Hausmädchen zu arbeiten; mit zwanzig siedelte sie in den nördlicheren Bundesstaat New South Wales um, nach Cummeragunja. Den Bewohnern der Siedlung waren von der australischen Regierung 1888 Landstücke zugeteilt worden, sodass sie sich selbst versorgen konnten. Anna Euphemia heiratete 1899, mit 25 Jahren, Caleb Morgan, der 12ha Land besaß; das Paar bekam drei Kinder zusammen.

1907 rief das Aboriginal Protection Board von New South Wales diese Landzuteilung zurück und zog die Profite der nun ehemaligen indigenen Landbesitzer ein. Das APB ist unter anderem auch dafür bekannt geworden, indigene Kinder, aber auch und vor allem Kinder aus weißen und indigenen Verbindungen aus ihren Familien zu reißen und sie zur ‚Assimilation‚ in weiße Familie oder in christliche, weiße Heime und Missionsstationen zu versetzen. Diese Maßnahme, die von 1909 bis 1969 andauerte und zehn bis dreißig Prozent aller indigener Kinder Australiens betraf, wurde 1997 als ‚Gestohlene Generation‘ bekannt. Am 26. Mai 1998 wurde erstmals der australische National Sorry Day begangen, 2007 wurde erstmals einem Australier eine Entschädigung für das Erlittene zugesprochen.

Gegen den Landraub durch das APB protestierte Caleb Morgan, was ihn in den Augen der kolonialen Regierung zum Agitator machte; außerdem galten alle, die nicht ihr Land verließen, als unbefugte Eindringlinge.(2) Anna Morgan floh mit ihrem Mann und ihren Kindern und ließ dabei das meiste ihres Besitzes zurück. Als sie einige Monate später ihr Hab und Gut holen wollten, wurde Caleb festgenommen und verbrachte zwei Wochen im Gefängnis. Die Familie zog anschließend nach Wagga Wagga, wo Caleb Anstellung auf einer Farm fand.

Zwanzig Jahre später, inzwischen 53 Jahre alt, kehrte das Ehepaar Morgan nach Victoria zurück, drei Jahre später beantragten sie Unterstützung beim APB, wurden jedoch abgewiesen aufgrund ihres Status als ‚half-castes‘. Sie stellten daraufhin Antrag auf eine Rente von der Kolonialregierung, dem Commonwealth, und wurden wiederum abgewiesen – weil sie Aborigines waren.

Daraufhin begann Anna Euphemia Morgan, politisch aktiv zu werden. Sie schrieb einen Artikel, ‚Under The Black Flag‚, über ihr Leben, das von den Einschränkungen durch die Kolonialregierung geprägt war, und forderte Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für die indigenen Australier. Bei einer Radiostation in Melbourne durfte sie regelmäßig Geschichten erzählen, die ihre Großmutter ihr als Kind erzählt hatte; so erlangte sie eine gewisse Bekanntheit und konnte für ihre politischen Ziele mehr Aufmerksamkeit erregen.

1933 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Caleb sowie Margaret Tucker und William Cooper die Australian Aborigines League, als deren Delegierte sie im Januar 1935 das australische Innenministerium besuchte. Sie brachte dort ihre Forderung nach Bildung für vor allem die indigenen Frauen Australiens vor: „If we get the same education as the white girl, we could stand alongside white people.“ – „Wenn wir die gleiche Bildung bekommen wie die weißen Mädchen, können wir neben den weißen Leuten bestehen.“(1,3) Im selben Monat noch nahm sie an einer Versammlung des International Committee on Women’s Day teil.

Am 1. August 1935 starb sie an einer Niereninfektion.


Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) Indigenous Australia
(2) AustLit: Discover Australian Stories
(3) Australian Dictionary of Biography

39/2023: Lilli Vincenz, 26. September 1937

Lilli Vincenz kam in Hamburg zur Welt, ihr Vater starb zwei Jahre später. Als sie zwölf war, heiratete ihre Mutter einen US-Amerikaner und emigrierte mit ihm in die USA.

Mit 22 Jahren machte sie ihren Bachelor in Französisch und Deutsch, ein Jahr später den Master in Englisch an der Columbia University. Danach schrieb sie sich im Women’s Army Corps ein, der damaligen Frauenabteilung der United States Army (inzwischen in den Corps integriert) und arbeitete am Walter-Reed Militärkrankenhaus. Sie wurde jedoch für ihre Homosexualität denunziert und nach nur neun Monaten Dienst entlassen.(1,2)

1963 wurde sie das erste weibliche, lesbische Mitglied der Mattachine Society. Sie war die einzige offen lebende lesbische Frau, die an der zweiten Demonstration der Homosexuellen-Bewegung vor dem Weißen Haus 1965 teilnahm, als eine von zehn Demonstrant*innen. Diese picket lines wiederholte die Mattachine Society bis 1969 jährlich am 4. Juli vor der Independence Hall und der Liberty Bell in Philadelphia – diese öffentlichen Auftritte gelten als der Beginn der modernen LGBTQIA+-Bewegung. Die Annual Reminders (Link Englisch) endeten nach den Stonewall riots oder wurden vielmehr im Folgejahr durch die Demonstrationen in deren Gedenken, später Pride Parade oder Christopher Street Day, ersetzt. Vincenz erschien 1966 mit ihrem Namen auf dem Titelbild des lesbischen Magazins The Ladder und war damit die erste Frau, die sich so outete; sie arbeitete auch als Redakteurin des Rundbriefs der Society. 1969 gründete sie gemeinsam mit Nancy Tucker eine unabhängige Zeitschrift der Homosexuellen-Bewegung, die Gay Blade, die noch immer als Washington Blade erscheint.

In den 1970ern trat Lilli Vincenz immer wieder als politisch aktive, lesbische Frau öffentlich in Erscheinung; so sprach 1970 sie gemeinsam mit Barbara Gittings über die Forderungen der Homosexuellen-Bewegung in der Phil Donahue Show, 1971 diskutierte sie Stereotype und Vorurteile gegenüber Lesben mit sechs anderen Frauen, darunter wiederum Barbara Gittings, in der David Susskind Show. Sie unterstützte Frank Kamenys Kampagne, als dieser 1971 als erster offen schwuler Mann für den District of Columbia für den Kongress der Vereinigten Staaten kandidierte und engagierte sich mit ihm im Folgejahr in der Spendensammlung für die Kampagne Gay Citizens for McGovern.

Ebenfalls in den gesamten 1970ern führte Lilli Vincenz bei sich zuhause ein Open House für lesbische Frauen, womit sie einen sicheren Raum bot, in dem sich die Frauen austauschen, vernetzen und unterstützen konnten. Aus dieser Institution wurde die Gay Women’s Alternative (Link Englisch), die als kulturelle und soziale Einrichtung noch bis 1993 Bestand hatte.

1990, mit 63 Jahren, machte sie noch ihren Doktortitel in Human Development (vermutlich: Bildungsforschung?). Sie starb erst in diesem Jahr am 27. Juli mit 86 Jahren.

Neben all diesen Errungenschaften als Aktivistin der Lesbenbewegung war sie auch, laut Kay Tobin-Lahusen, die erste lesbische Videofilmerin(2). Wir verdanken ihr die Eindrücke, die heute noch in der Library of Congress von den Annual Reminders und der ersten Pride Parade, ein Jahr nach Stonewall, erzählen.

The Second Largest Minority (1968, Englisch) – Dokumentation des vorletzten Annual Reminders
Gay and Proud (1970, Englisch) – Dokumentation der ersten Gay Pride Parade

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) LGBT History Month
(2) Them

38/2023: Jamie Lee Hamilton, 20. September 1955

Die Eltern von Jamie Lee Hamilton waren beide politisch aktiv: Ihre Mutter Alice, eine Metis-Cree aus der Rocky Boy Reservation in Montana, hatte 1954 das Vancouver Aboriginal Friendship Centre mitgegründet. Ihr Vater, ein irischer Immigrant aus Washington, sprach sich für die Einheit von Irland und Nord-Irland aus und war Gewerkschafter. Gemeinsam waren sie 1967 an der Gründung des Unemployed Welfare Improvement Councils beteiligt.

Hamilton kam in Vancouver zur Welt und besuchte dort die Grundschule und eine weiterführende Schule. Allerdings begann sie ihre Transition zur Frau mit 14 Jahren und wurde dafür gemobbt; sie verließ die Schule und begann als Sexarbeiterin im Vancouver West End zu arbeiten.(1) Später studierte sie an der Capilano University.

Sie war 1970 mit 15 Jahren eine der ersten Jugendlichen in Kanada, die für die damals so bezeichnete gender identity disorder behandelt wurde; mit 28 Jahren unterzog sie sich 1983 geschlechtsangleichenden Operationen. Sie setzte sich von ihrer Jugend an für die Rechte von Homosexuellen, trans* Personen, Sexarbeitenden und Indigenen ein und war in diesen Gemeinschaften sichtbar: 1973 war sie am ersten Pride March in Vancouver beteiligt(1), später war sie Vorstandsmitglied der Greater Vancouver Native Cultural Society, die two-spirit Indigene unterstützt.

1996 kandidierte sie – als erste trans* Person in Kanada – für ein Amt im Stadtrat von Vancouver, jedoch erfolglos. Im Folgejahr öffnete sie Grandma’s House, einen Ort, an dem Sexarbeitende in sicherer Umgebung arbeiten konnten und sie Essen und medizinische Versorgung erhielten; sie berechnete einen kleinen Betrag pro Besuch für Unkosten. Das Haus wurde im Jahr 2000 als ‚Bordell‘ geschlossen und sie für Zuhälterei angeklagt, das Verfahren wurde jedoch ausgesetzt. Im gleichen Jahr erhielt sie mit anderen Aktivistys in Montreal und Toronto ein Stipendium, um eine Erhebung (oder Untersuchung) zu den Zahlen und Folgen von HIV/AIDS unter trans*gender Sexarbeitenden durchzuführen.(1)

Im Jahr nach ihrer ersten Kandidatur machte sie mit einer Aktion vor dem Rathaus auf die große Zahl unklärter Fälle vermisster indigener Frauen aus der Downtown Eastside (Link Englisch) aufmerksam, indem sie 67 Paar hochhackiger Schuhe auf der Treppe zum Eingang niederlegte. Fünf Jahre später wurde ein Serienmörder verhaftet, der zahlreiche Sexarbeitende und Drogensüchtige aus der Downtown Eastside entführt und umgebracht hatte(1,2) (der Fall inspirierte mindestens eine Folge von Criminal Minds)*. Die Tatsache, dass indigene Frauen aufgrund der historischen und soziologischen Umstände noch immer besonders gefährdet sind, entführt und ermordet zu werden – aufgrund sozialer und faktischer Heimatlosigkeit, hohen Drogenabhängigkeitsraten unter Indigenen und ihrer generellen Marginalisierung in der Gesellschaft – und diese unverhältnismäßig vielen Fälle unverhältnismäßig schlecht aufgeklärt werden, hat sich in den vergangenen 30 Jahren leider kaum geändert, wie hier zum Beispiel nachzulesen ist.

Gemeinsam mit der Soziologin Becki Ross rief Hamilton 2008 ein Komittee ins Leben, das die Einrichtung einer Erinnerungsstätte erreichen wollte für die Sexarbeitenden, die in den 1980er Jahren im Zuge der Gentrifizierung aus dem West End von Vancouver vertrieben wurden (Link Englisch) – Hamilton selbst war eine davon gewesen. Diese Vertreibung hatte schlussendlich dazu geführt, dass die Szene in der Downtown Eastside landete. Acht Jahre später konnte schließlich tatsächlich eine Stele enthüllt werden. In einer Fachvorlage des Komittees beschrieb Hamilton die Szene im West End als eine Kultur, in der Sexarbeit nicht zum reinen Überleben ausgeübt wurde; außerdem sei die Gegend eine ‚zuhälterfreie Zone‘ gewesen. „Wenn ein Lude zu uns kam, sagten wir ihm, er solle sich Lippenstift auftragen und Schw*nze lutschen wie wir anderen.“(2, freie Übersetzung von mir) Für ihre Arbeit wurden Hamilton und Ross 2019 mit einem Preis der Canadian Sociological Association ausgezeichnet.

Mitte des Jahres 2019 gelang es Hamilton schließlich, wieder im West End zu leben. Leider starb sie im Dezember desselben Jahres an Krebs.

Jamie Lee Hamilton: Moving Trans History Forward 2016 – Founders Panel (englisch)

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) The Canadian Encyclopedia
(2) Straight

37/2023: Barbara Macdonald, 11. September 1913

Als Barbara Macdonald vor 110 Jahren in Pomona, Kalifornien, zur Welt kam, war die Homosexuellenbewegung noch in den Kinderschuhen. Mit 15 Jahren verließ Macdonald ihr Elternhaus und arbeitete als Hausangestellte; sie heiratete 1930 mit 17 ein erstes Mal und besuchte 1931 ein Jahr lang das Long Beach Junior College, im Anschluss daran studierte sie bis 1937 am Santa Ana Junior College. Ihre Ehe endete 1935; vom Santa Ana wurde sie beinahe ausgeschlossen wegen Lesbianismus. Nach dem College setzte sie ihr Studium an der University of California, Berkeley fort und verdiente ihren Lebensunterhalt und die Studiengebühren als fallschirmspringende Stuntfrau. Nach ihrem Abschluss in Berkeley 1940 arbeitete sie als Sozialarbeiterin in einem Wohnungsamt, 1941 machte sie noch einen sehr kurzen Versuch in der Ehe mit einem Mann, von der sie den Nachnamen Macdonald behielt. Zehn Jahre später besuchte sie noch einmal die University of Washington und machte dort sowohl ihren Bachelor wie ihren Master in Sozialarbeit. Sie zog nach Wenatchee, Washington, und arbeitete dort bis zu ihrer Pensionierung 1974 als Leiterin und Supervisorin beim Jugendamt.

In dem Jahr, in dem sie sich zur Ruhe setzte, lernte sie in einem feministischen Workshop Cynthia Rich kennen – ihre Partnerin für den Rest ihres Lebens. Sie setzte sich – als Frau über 50 bzw. 60 – bereits seit einigen Jahren mit Ageism auseinander. Als 1978 mit 65 Jahren bei einem Marsch für Homosexuellenrechte nicht mehr so schnell mitkam, wurde ihr angetragen, sich an anderer Stelle einzureihen, weil sie nicht mithalten konnte. In diesem Moment beschloss sie, sich gegen Alterdiskriminierung insbesondere in der lesbischen Gemeinschaft einzusetzen.

Macdonald betrachtete Ageism als ein zentrales Thema im Feminismus(1). Die Ablehnung, die alte Frauen durch junge Frauen erfahren, erkannte sie, findet ihre Ursachen in der sexistischen bzw. misogynen Konsumkultur, die die Jugend glorifiziert und das Alter mit Machtverlust gleichsetzt. Dabei halten junge Frauen umso mehr Macht, je weiter sie sich vom Alter und alten Frauen distanzieren können; gleichzeitig wird die Schwelle, was ‚alt‘ ist, beständig nach unten gesenkt. Ageism treibt somit einen Keil in die feministische Bewegung, dabei sind Altersarmut von Frauen, Gewalterfahrung und patriarchale Medizin Themen, die alle Frauen betreffen. Außerdem liegt der Altersdiskriminierung die Definition der Frau über ihre Rolle in der Familie zugrunde: Eine alte Frau erfüllt – nach patriarchalem Bild – keine Funktion mehr; noch mehr als junge Frauen, die über ihre Rolle als Partnerin und Mutter definiert werden, werden alte Frauen allein als Mutterfigur wahrgenommen, die keine eigenen Bedürfnisse haben oder diese hinter die ihrer Schützlinge stellen.

Über die Angst vor dem Alter kann Macht über junge Frauen ausgeübt werden, weshalb es Macdonalds Ziel war, das Alter zu entstigmatisieren und alte Frauen als Personen und Protagonistinnen sichtbar zu machen. Sie fürchtete dabei nicht, sich in ihrer Gemeinschaft unbeliebt zu machen, wenn sie als alte Frau die Rolle der Fürsorgenden ablehnte, die notgedrungen nur eine Nebenrolle spielt: „What’s more, Barbara saw exactly where this exploitation came from. Her analysis of family as the source of ageism is one of her most important contributions to feminist thought. In the patriarchal family, mother is defined as the servant to youth. By extension, old women are mothers to us all, there to serve everyone. (The fact that so many old women cling to this role as a shelter from the disgust and hatred that would otherwise be directed towards them makes it no less oppressive.) „Let me say it clearly,“ Barbara declared, „we are not your grandmothers, your mothers, your aunts.“ It’s only by shedding these family roles, she insisted, that old and young can begin to build relationships of integrity and equality.“(1) – „Mehr noch, Barbara sah genau, wo diese Ausnutzung herrührte. Ihre Analyse der Familie als die Ursache für Altersdiskriminierung ist einer ihrer wichtigsten Beiträge zum feministischen Gedankengut. In der partriarchalen Familie ist die Mutter definiert als die Dienerin der Jugend. In der Verlängerung sind alte Frauen Mütter für uns alle, da, um uns allen zu dienen. (Die Tatsache, dass so viele alte Frauen an dieser Rolle festhalten, als Schutz für die Abscheu und den Hass, der sich sonst gegen sie richten würde, macht dies nicht weniger bedrückend.) ‚Lasst es mich klar sagen‘, verkündete Barbara, „wir sind nicht eure Großmütter, Mütter, Tanten.‘ Nur, indem wir diese familiären Rollen ablegten, beharrte sie, könnten die Alten und die Jungen integere und gleichberechtigte Beziehungen aufbauen.“

1983 brachte Macdonald gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin den Essaysband Look Me In The Eye heraus, indem sie sich mit ihren Diskriminierungserfahrungen und Forderungen an die homosexuelle und feministische gemeinsachaft auseinandersetzte. Ihre Erfahrung, als alte Frau wiederum nicht ‚dazuzugehören‘, verglich sie mit ihrer Erfahrung als Lesbe in einer heteronormativen Welt: „…these essays are about growing old…but they are about difference – about otherness – and all my life I have had to deal with difference, so old age does not come to me now as a stranger…It happened that I felt my difference because I was a lesbian. […] But difference is something we have all dealt with in our lives – that struggle to follow our impulse, our own uniqueness, to know aloneness; and that desire to be like everyone else – not to stand out, to belong.“(2) – „…diese Essays handeln vom Altwerden… aber sie handeln von den Unterschieden – vom Anderssein – und mein ganzes Leben habe ich mit dem Unterschied umgehen müssen, also nähert sich das Alter jetzt nicht wie ein Fremder… Es kam vor, dass ich mein Anderssein fühlte, weil ich eine Lesbe war. […] Aber dieses Anderssein ist etwas, mit dem wir alle in unserem Leben umgehen mussten – dieser Kampf, unseren Impulsen zu folgen, unserer eigenen Einzigartigkeit, Allensein zu kennen; und dieses Verlangen, wie alle anderen zu sein – sich nicht abzuheben, sondern dazuzugehören.“

Nach vier Jahren der Bemühungen, das Thema Ageism in einer Konferenz zur Frauenforschung einzubringen, konnte Macdonald 1985 auf einer nationalen Konferenz eine entscheidende, weitgehörte Rede zu ihrer Position halten. Vier Jahre nach Erscheinen führte ihr Buch zur Gründung der Vereinigung Old Lesbians Organizing For Change.

Macdonald selbst alterte gerne und in vollem Bewusstsein; sie lehnte es ab, sich für ihr Altern zu schämen. In den letzten vier Jahren ihres Lebens litt sie an starkem Gedächtnisverlust aufgrund einer Alzheimererkrankung, an deren Folgen sie am 15. Juni 2000 im Alter von 86 Jahren starb.

Look Me In The Eye ist im Bestand des FrauenMediaTurm.


Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) Triviavoices
(2) Time goes by

36/2023: Sarah Mapps Douglass, 9. September 1806

Die Eltern von Sarah Mapps Douglass waren afroamerikanische Quäker und Abolitionisten in Philadelphia, Pennsylvania; ihr Vater Robert Douglass war Bäcker(Wiki) oder Friseur(1), die Mutter, Grace Bustill Douglass, Hutmacherin und Lehrerin. Ihr Großvater mütterlicherseits, Cyrus Bustill, war ebenfalls bereits Quäker und frühes Mitglied der Free African Society (Link Englisch). Sarah war die einzige überlebende Tochter neben vier Brüdern, einer davon der Künstler Robert Douglass, Jr. Sie wurde als Kind Zeugin der Diskriminierung ihrer Eltern als Schwarze in der weißen Quäker-Gemeinde, was später zu einem Zerwürfnis mit ihrer Religion führte. Dank einer verhältnismäßig wohlhabenden Familie wurde sie ausführlich privat unterrichtet und besuchte Anfang der 1820er auch ein College. Nach ihrem Abschluss unterrichtete sie einige Zeit als Lehrerin in New York City, 1825 kehrte sie jedoch nach Philadelphia zurück und arbeitete als Lehrerin an der Schule, die ihre Mutter 1819 gemeinsam mit James Forten gegründet hatte – nachdem eine früh verstorbene ältere Schwester Sarahs, Elizabeth, eine andere Privatschule aufgrund Beschwerden weißer Eltern hatte verlassen müssen. Diese Schule für afroamerikanische Mädchen hatte Sarah auch als Schülerin besucht.

Ihre politische Aktivität begann 1831, als sie mit 25 Jahren eine Spendensammlung für The Liberator organisierte, die Abolitionisten-Zeitung von William Lloyd Garrison. Im gleichen Jahr war Mapps Douglass Mitbegründerin der Female Literary Association (FLA), einer Gesellschaft afroamerikanischer Frauen mit literatischen Interessen. Literarische Gesellschaften von Afroamerikanern hatten sich in den 1820er und 1830er Jahren in verschiedenen Städten der Nordstaaten gegründet; sie vereinte die Haltung, das Lesen eine wichtige Art der Wissensaneignung sei, während der eigene schriftliche Ausdruck die eigene Identität stärke und auch als Stimme geltend machte. Die Frauen der FLA wollten sowohl ihre eigenen schriftstellerischen Fähigkeiten vertiefen wie auch ihre Verbindung zu ihren versklavten Schwestern verstärken. Dafür trafen sich jeden Dienstag, um gemeinsam zu Lesen und eigene wie andere Texte vorzutragen. Fast alle brachten wöchentlich eigene Texte mit, die anonym zur Kritik gestellt wurden.

Wie andere literarische Gesellschaften auch betrachtete sich die FLA als Vermittler von Information, indem sie Wissen und Texte aus der afroamerikanischen Gemeinschaft sammelte. Dabei wollten sie dieses Wissen nicht nur mit bereits Gebildeten, sondern auch denjenigen teilen, die noch im Lernprozess waren sowie den bis dahin gänzlich von Bildung Ferngehaltenen. Das Ziel der FLA war es, einen Gemeinschaftssinn zu schaffen und über die Wissensvermittlung und das Zusammenkommen in Gruppen das Gefühl einer nationalen Identität zu schaffen, an freie wie versklavte Afroamerikanerinnen gleichermaßen. Indem sie Schwarze Literatur sammelten und als Schwarze Frauen selbst als Schriftstellerinnen aktiv waren, widerlegten sie gezielt die weiße Behauptung, das Schwarze naturgemäß intellektuell unterlegen seien. Ihren Intellekt zu pflegen sei die höchste Aufgabe, da diese Fähigkeiten von Gott gegeben seien, und schließlich sei es ihre Pflicht als Afroamerikanerinnen, diese Fähigkeiten dafür einzusetzen, die Unterschiede zwischen weißen und Schwarzen Menschen zu nivellieren und Gleichberechtigung für ihre Gemeinschaft zu erringen.

Sarah Mapps Douglass schrieb in einer Ansprache an die FLA über ihre Motivation: „One short year ago, how different were my feelings on the subject of slavery! It is true, the wail of the captive sometimes came to my ear in the midst of my happiness, and caused my heart to bleed for his wrongs; but, alas! the impression was as evanescent as the early cloud and morning dew. I had formed a little world of my own, and cared not to move beyond its precincts. But how was the scene changed when I held the oppressor lurking on the border of my peaceful home! I saw his iron hand stretched forth to seize me as his prey, and the cause of the slave became my own. I started up, and with one mighty effort threw from me the lethargy which had covered me as a mantle for years; and determined, by the help of the Almighty, to use every exertion in my power to elevate the character of my wronged and neglected race.“ – „Wie anders waren meine Gefühle zum Thema der Sklaverei noch vor einem kurzen Jahr! Es ist wahr, das Klagen der Gefangenen drang manchmal an mein Ohr mitten in meinem Glück, und ließ mein Herz bluten für sein Unrecht; doch, ach! der Eindruck war so flüchtig wie frühe Wolken und der Tau am Morgen. Ich hatte mir eine kleine Welt für mich geschaffen, und wünschte nicht jenseits ihrer Bezirke zu wandeln. Doch wie sich die Szenerie verwandelte, als ich des Unterdrückers an der Grenzen meines friedlichen Heimes gewahr wurde! Ich sah seine eiserne Hand ausgestreckt, um mich als seine Beute zu ergreifen, und die Sache der Sklaverei wurde meine eigene. Ich schrak hoch, und mit einem gewaltigen Bemühen warf ich die Letargie von mir, die mich wie ein Mantel jahrelang bedeckt hatte; und entschlossen, mit der Hilfe des Allmächtigen, jede Anstrengung in meiner Macht anzuwenden, die Gestalt meiner benachteiligten und vernachlässigten race emporzuheben.“

Während der gesamten 1830er Jahre schrieb Douglass unter dem Pseudonymen ‚Sophanista‘ und ‚Ella‘ Lyrik, Prosa und (auch unter ihrem eigenen Namen?) Beiträge für The Liberator. Briefe verzierte sie mit selbstgemalten Aquarellen, ihre Bilder sind möglicherweise die ältesten Exemplare von Malerei von der Hand einer afroamerikanischen Frau, die mit Namen signiert wurden.

Im Jahr 1833 gründete Douglass gemeinsam mit ihrer Mutter und 16 anderen Frauen, darunter Lucretia Mott, die Grimké-Schwestern Sarah und Angelina und drei Töchter von James Forten, die erste gemischte Abolitionistinnen-Gruppierung, die Philadelphia Female Anti-Slavery Society. Deren Ziel war die vollständige Abschaffung der Sklaverei ohne Kompensation für die Sklavenhalter, sowie gleiche Bürger- und Religionsrechte für Schwarze Bürger. Der Verein bezog die Ausgaben verschiedener Abolitionisten-Zeitschriften, um sie unter seinen Mitgliedern zu verteilen und legte auch eine Bibliothek an Literatur und Flugblättern an. Douglass war im Verein für verschiedene organisatorische und administrative Leistungen verantwortlich, neben einer weiterhin beruflichen Tätigkeit als Lehrerin.

Sie hatte 1833 kurze Zeit an einer Schule für afroamerikanische Mädchen gelehrt, bald jedoch eine eigene Schule gegründet, an der sie auch Naturwissenschaften und Kunst unterrichtete. Es war ihr wichtig, den Mädchen insbesondere die MINT-Fächer nahezubringen. Leider lief die Schule wirtschaftlich nicht erfolgreich, und so bat Douglass, nachdem sie für die Society 1837 an der ersten gemischten Anti-Slavery Convention of American Women teilgenommen hatte, ihren Verein, die Schule zu übernehmen. Dies führte jedoch nicht zu der erhofften Verbesserung ihrer Lage; 1840 löste sich Douglass mit der Schule wieder vom Verein. Zwei Jahre später starb ihre Mutter und Sarah – bis dahin mit der Unterstützung der Mutter eine voll im Beruf und in ehrenamtlicher Tätigkeit beschäftigte Frau – war plötzlich auch noch unbezahlte Haushälterin für ihren Vater und ihre Brüder.(1) Sarah Grimké, die inzwischen zu einer engen Vertrauten geworden war, unterstützte sie in dieser Zeit; möglicherweise schloss Douglass aufgrunddessen auch wieder Frieden mit den Quäkern. Jedenfalls trat sie der religiösen Vereinigung 1852 wieder bei und übernahm zwei Jahre später die Leitung der Vorbereitungsstufe der Mädchen des Institute of Colored Youths(1, Wiki sagt, ihre Schule wurde mit dieser zusammengefasst) – diese Position behielt sie bis 1877 inne. Das Institut zog später innerhalb des Stadtgebiets Philadelphia auf das Grundstück der wohlhabenden Quäkerfamilie Cheyney um und wurde daraufhin zur Cheyney University of Pennsylvania.

Mit 47 Jahren begann Douglass 1853 noch ein Studium der Anatomie und Frauenheilkunde sowie eine medizinische Grundlagenausbildung am Female Medical College of Pennsylvania, als erste afroamerikanische Frau an der Hochschule. Sie gab im Sinne der FLA ihr neugewonnenes Wissen zügig in Abendkursen und Vorträgen zu weiblicher Physiologie und Hygiene an andere Schwarze Frauen weiter. Zwei Jahre später ging sie – 49-jährig – die Ehe mit einem Witwer und Vater von 9 Kindern ein, doch die Ehe war nicht glücklich; der Mann starb jedoch auch sechs Jahre später bereits. Schon während der Ehe blieb Douglass in ihrer Position an der Cheyney University, hielt Vorträge zur Frauenmedizin und setzte noch bis 1877 ihr Anatomiestudium fort. Nach dem Tode ihres Mannes setzte sie wieder ihre volle Energie in ihre politische und pädagogische Aktivität. Sie starb mit 76 Jahren 1882 in Philadelphia; ihr Grab blieb unbenannt.


Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) Women History Blog
(2) Colored Conventions

35/2023: Leslie Feinberg, 1. September 1949

Schwarzweiß-Fotografie von Leslie Feinberg, eine Person mit rasiertem Kopf, in schwarzer Kleidung, die Hände vor der Brust mit den gespreizten Finger aneinandergedrückt
Published on the phenomenelle.de, Fair use

Leslie Feinberg kam als Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie in Kansas City, Missouri, zur Welt, wuchs dann in Buffalo, New York, auf, wo zie sich wohl als Kind bereits Borreliose von einem Zeckenbiss zuzog, die nicht behandelt wurde.

Zie hörte mit 14 Jahren auf, die Schule zu besuchen (erhielt jedoch später nichtsdestotrotz ein Highschool-Abschlusszeugnis); zur gleichen Zeit begann zie, Homosexuellen-Clubs in Buffalo zu besuchen. Zis Familie war nicht offen für zis Auseinandersetzung mit sexueller Orientierung und Genderidentität, weshalb zie früh auszog und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug. Obwohl zie in zahlreichen Bereichen Erfahrungen sammelte, konnte zie keine langfristige Tätigkeit finden; als offen lebende homosexuelle/trans Person wurde zie regelmäßig in der Arbeitswelt diskriminiert.

Anfang der 1970er traf zie bei einer Demonstration für Landrechte und die Autonomie Palästinas Mitglieder der Workers World Party (Link Englisch), einer US-amerikanischen marxistisch-leninistischen Partei, der zie sich zunächst in der Abteilung Buffalo anschloss. Bald zog zie jedoch nach New York City, wo zie bei der Workers World Party an der Organisation zahlreicher Aktionen und Kampagnen beteiligt war. So führte zie 1974 beim March Against Racism in Boston eine Gruppe von zehn Lesben an, die in einem ‚paste-up‚ rassistische Beinamen aus dem öffentlichen Raum entfernten.(1; das ist die beste Übersetzung, die mir zu dieser Beschreibung gelungen ist) In den Jahren 1983 und 1984 reiste sie durch die USA mit einem Vortrag zu AIDS als verleugnete Epidemie, 1988 war sie an der Organisation des Widerstands gegen den Ku Klux Klan in Atlanta, Georgia beteiligt, der am Martin Luther King Day die Martin-Luther-King-Avenue heruntermarschieren wollte. 1998 kehrte sie noch einmal in den Einsatz für die Partei zurück und unterstützte Homosexuellenbars und Frauenkliniken in Buffalo dabei, sich für die Selbstverteidigung aufzustellen, nachdem Dr. Barnett Slepian von einem Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen erschossen worden war und sich daraufhin die Anti-Choice-Bewegung zu Demonstrationen formierte.

1974 wurde Feinberg auch RedakteurIn der Seite über politische Gefangene in der Parteizeitung, später übernahm zie die Position des Chef vom Dienst, die zie bis 1995 innehatte. 1993 erschien ihr erster Roman, ‚Stone Butch Blues‚ (deutscher Titel war beim ersten Erscheinen ‚Träume in den erwachenden Morgen‘, inzwischen ist dies nur noch der Untertitel zum Originaltitel), der mehrere Preise queerer Literaturauszeichnungen gewann. Ab 1995 arbeitete zie als AutorIn und KünstlerIn; zie wirkte in Rosa von Praunheims Film ‚Vor Transsexuellen wird gewarnt‚ mit, veröffentlichte 1996 und 1999 Sachbücher – ‚Transgender Warriors: Making History from Joan of Arc to Dennis Rodman‚ und ‚Trans Liberation: Beyond the Pink and Blue‚ – sowie 2006 einen weiteren Roman. Zwischen 2004 und 2008 veröffentlichte das Workers World Magazin ihre Texte zu den Zusammenhängen zwischen Sozialismus und queerer Geschichte als 120-teilige Reihe unter dem Titel ‚Lavender and Red‚. In ihren Arbeiten setzte sich Feinberg generell unter den Gesichtspunkten und Anwendung der marxistischen Theorie mit der Thematik der Diskriminierung aufgrund von Genderidentität und sexueller Orientierung auseinander; nämlich indem das kapitalistische System die binären Genderausdrücke benötigt, um Profit zu generieren.(2)

1992 hatte zie bei einer Vortragsreihe die Lyrikerin Minnie Bruce Platt kennengelernt, mit der zie bis zum Ende ihres Lebens in einer Beziehung lebte. 2004 ließen sie sich in New Jersey, ihrem damaligen Heimatstaat, als ‚domestic partnership‚ (etwa: partnerschaftliche Haushaltsgemeinschaft) eintragen, 2006 als eingetragene Partnerschaft. 2011 heiratete das Paar standesamtlich in Massachusetts und New York.

Zis Borreliose und die begleitenden, von Zecken übertragenen Erkrankungen wie Babesiose wurde erst 2008 diagnostiziert; dies führte zie auf die Diskriminierung von trans Personen im Gesundheitssystem zurück.(1) Zie nahm Medikamente und erhielt Behandlungen, doch zis Zustand hatte sich inzwischen so verschlechtert, dass die Krankheiten zie von künstlerischer Arbeit zumeist abhielt. Zis Auseinandersetzung mit „Lyme +„, wie zie es nannte, dokumentierte zie auf zis Webseite Transgender Warriors. Zis letzte Worte lauteten nach Platts Eintrag auf ihrer Seite: „Hasten the revolution! Remember me as a revolutionary communist.“ – „Beschleunigt die Revolution! Erinnert mich als revolutionäreN KommunistIn.“ Zie war 2014 dabei, ‚Stone Butch Blues‚ für eine Neuerscheinung zu überarbeiten, als zie ihrer Erkrankung erlag. Die Rechte hatte zie vom Verlag zurückerstanden, heute ist die Neuauflage auf der Webseite zum Download zugänglich, mit einer Widmung für CeCe McDonald (Link Englisch), einer US-afrikanischen, Schwarzen trans Frau, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nachdem sie sich gegen einen transfeindlichen Angriff zur Wehr gesetzt hatte.

Zeitweilig in zis Leben unterzog Feinberg sich einer Hormonersatztherapie und präsentierte als Mann, vor allem aus Sicherheitsgründen; zie bezeichnete sich selbst als ‚female bodied, butch lesbian, transgender lesbian‚ – eine Butch transgender Lesbe mit einem weiblichen Körper: „[…] referring to me as „she/her“ is appropriate, particularly in a non-trans setting in which referring to me as „he“ would appear to resolve the social contradiction between my birth sex and gender expression and render my transgender expression invisible. I like the gender neutral pronoun „ze/hir“ because it makes it impossible to hold on to gender/sex/sexuality assumptions about a person you’re about to meet or you’ve just met. And in an all trans setting, referring to me as „he/him“ honors my gender expression in the same way that referring to my sister drag queens as „she/her“ does.(Wiki englisch) – „Mich mit ’sie/ihr‘ zu bezeichnen ist angemessen, insbesondere in einer nicht-trans Umgebung, in dem mich mit ‚er‘ zu bezeichnen den Eindruck machen würde, den sozialen Widerspruch zwischen meinem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht und meinem Gender-Ausdruck aufzulösen, und meinen transgender Ausdruck unsichtbar machen würde. Ich mag die genderneutralen Pronomenze/hir‚, weil sie es unmöglich machen, an Annahmen über Gender/Geschlecht/Sexualität festzuhalten bei einer Person, die du bald treffen wirst oder die du gerade getroffen hast. Und in einer reinen trans Umgebung bedeutet, mich mit ‚er/ihm‘ zu bezeichnen, dass mein Genderausdruck anerkannt wird, auf die gleiche Art, wie es bei meinen Drag Queen Schwestern bedeutet, sie mit ’sie/ihr‘ anzusprechen.“

Weiter sagte zie über die Nutzung von Pronomen: “I care which pronoun is used, but people have been respectful to me with the wrong pronoun and disrespectful with the right one. It matters whether someone is using the pronoun as a bigot, or if they are trying to demonstrate respect.”(2) – „Es ist mir wichtig, welche Pronomen benutzt werden, aber Leute waren respektvoll mir gegenüber mit den falschen Pronomen und respektlos mit den richtigen. Es spielt eine Rolle, ob jemensch die Pronomen mit Vorurteilen verwendet, oder ob sie versuchen, Respekt zu zeigen.“


Quellen Biografie: Wiki deutsch | englisch
außerdem:
(1) lesliefeinberg: self (Link Englisch)
(2) Teen Vogue (Link Englisch)

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§218!