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41/2017: Mary Kingsley, 13.10.1862

Mary Kingsley

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Mary Kingsley wuchs in eher unglücklichen Verhältnissen auf: Sie war das Ergebnis einer unstandesgemäßen Affäre eines Arztes mit seiner Köchin, die vier Tage vor Marys Geburt mit einer Eheschließung amtlich gemacht wurde. Es folgte ihr noch ein Bruder, doch ihre Mutter und sie wurden von der Familie ihres Vater nicht akzeptiert.

Mary Kingsley lernte autodidaktisch mit der Bibliothek ihres Vaters, der fast nie zu Hause war, und pflegte ihre kranke Mutter; eine weitere Bildung oder soziale Kontakte blieben ihr zunächst fast gänzlich verwehrt. Nur Deutschunterricht erhielt sie, damit sie ihrem Vater bei seinem Hobby, der Ethnologie, unterstützen konnte. Erst mit 26 Jahren trat sie nach einem Umzug von Islington nach Cambridge in der Gesellschaft um ihren Vater in Erscheinung, indem sie die kranke Mutter als Gastgeberin vertrat. Vier Jahre später verlor sie innerhalb kürzester Zeit beide Eltern und war schlagartig wohlhabend und frei von Pflichten, Zwängen und Beschränkungen.

Sofort begann sie, ihr Leben in völlig andere Bahnen zu lenken – sie machte eine Ausbildung zur Krankenpflegerin in Kaiserswerth und reiste dann, inspiriert von ihrer bisherigen Lektüre und eventuell dem Hobby ihres Vaters, nach Westafrika.

In der Folge wurde aus ihr eine erfolgreiche und berühmte Reiseautorin; ihre Rolle in der Geschichte der Kolonialismus und auch des Feminismus ist zwiespältig. Sie sah sich in keiner Weise als Frauenrechtlerin, sondern war von der generellen Überlegenheit „des Mannes“ überzeugt, ebenso von der Überlegenheit der „Weißen“ über die Afrikaner. Dennoch ließ sie sich von der Erwartung an die Frau als solche nicht an ihrer Reisetätigkeit und ihrem kolonialpolitischen Auftritt hindern. Sie wurde eine lautstarke Fürsprecherin für die Einwohner des afrikanischen Kontinents, brachte ein wesentlich differenzierteres Bild der „Wilden“ zurück in ihre Heimat als es bisher galt, und verteidigte die „unzivilisierten“ kulturellen Praktiken der afrikanischen Stämme gegen die Missionsarbeit der Kirche. Trotz kontroverser Überzeugungen waren ihre Reiseberichte erfolgreich, dank eines bildreichen und lakonisch selbstironischen Stils, der ihre gewagten Thesen mit Humor vermittelte.

Bei Ausbruch des zweiten Burenkrieges in Südafrika sagte sie eine Reise nach Westafrika ab, reiste nach Kapstadt und arbeitete dort als Krankenschwester. Sie starb ebenda 37jährig an Typhus (Warnung: Bildmaterial).

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Mary Kingsley grew up in rather unhappy circumstances: She was the result of an unbefitting affair of doctor with his cook, which was made official by marriage four days before her birth. A brother followed later in the marriage, but she and her mother were never accepted by her father’s family.

Mary Kingsley taught herself autodidactically with the help of her father’s library, while he was almost never home and she nursed her invalid mother; further education or social interactions were almost completely denied to her. She only received German lessons so she could support her father in his pastime, ethnology. At last at 26 years old, she made an appearance in society surrounding her father after a move from Islington to Cambridge, where she replaced her ill mother as a hostess. Four years later she lost both parents in a very short time and was precipitously wealthy and free of duties and constraints.

At once she began steering her life into an utterly different path – she trained as a nurse in Kaiserswert by Duesseldorf and then, inspired by her former reading and maybe her father’s pastime, travelled to West Africa.
In the following years she became a successful and popular author of travelogues; her role in the history of colonialism and feminism is ambivalent. In no respect did she see herself as a womens‘ rights activist, but was convinced of the general superiority of „man“, much the same the superiority of the „whites“ over Africans. Still, she did not let herself be constricted by the expectations towards women in her travels and her appearance in colonial politics. She turned out a vocal advocate for the African population, brought back home with her a far more differentiated image of the „savages“ as was common and defended the „uncivilised“ cultural practices of the African tribes against the Church’s missionary work. Despite her controversial convictions, her travelogues were successful, thanks to a flowery and laconically self-depricating style which conveyed her daring presumptions with humour.

When the Second Boer War broke out in South Africa, she cancelled a trip to West Africa, went to Capetown and worked as a nurse there. She died of typhus (CW: graphic images) near Capetown at the age of 37.

Bild: By Unknown, Public Domain

40/2017: Florence B. Seibert, 6.10.1897

Florence B. Seibert

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Auf Florence B. Seibert geht das noch heute von der Weltgesundheitsorganisation als Standardtest anerkannte Diagnosemittel für Tuberkuloseinfektion zurück.

Das 1890 von Robert Koch gefundene und 1907 von Clemens von Pirquet als Tuberkulose-Haut-Test eingeführte Tuberkulin ließ sich nicht rein heranzüchten und führte daher unverhältnismäßig häufig zu falsch-negativen Ergebnissen. Seibert, als Assistentin von Esmond R. Long an der University of Chicago und der University of Pennsylvania tätig, verbesserte die Qualität des Proteinextraktes mit Ammoniumsulfat und veränderten Filtern über einige Jahre mehrfach, bis sie schließlich 1940 eine Charge des Stoffes herstellte, der unter der Bezeichnung PPD-S heute noch als internationaler Referenzstandard für das Diagnosemittel verwendet wird.

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Florence B. Seibert developed the means of diagnosing tuberculosis that is still today recognised by the WHO as a standardised test.

The form of tuberculin discovered by Robert Koch in 1890 and introduced as a skin test by Clemens von Pirquet in 1907 could not be cultured with pure results and led to a disproportionate number of false negatives. Seibert, working as an assistant to Esmond R. Long at the University of Chicago and the University of Pennsylvania, improved the quality of the purified proteins several times over a few years by use of ammonium sulfate and different filters, until in 1940 she finally generated a batch of the protein isolate which is still the international standard reference for the diagnostic substance.

Bild: By Smithsonian Institution – Flickr: Florence Barbara Seibert (1897-1991), Public Domain

39/2017: Charlotte Wolff, 30.9.1897

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Charlotte Wolff war eine jüdische Medizinerin, die sich auch mit Psychologie befasste. Schon im Studium lebte sie offen homosexuell und trug bevorzugt Männerkleidung. 1938 wurde sie stellvertretende Direktorin am Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin, ein Jahr später konnte sie diese Position aufgrund der Verfolgung durch die Nazis nicht mehr halten.

Sie lebte zunächst in Frankreich, dann in England und arbeitete als Chirologin, unter anderem für Thomas Mann und Aldous Huxley. Sie legte die deutsche Staatsbürgerschaft ab und nannte sich, nachdem sie Jahre später die britische angenommen hatte, „internationale Jüdin mit britischem Pass“.

In den 1960er Jahren war sie dann die erste, die sich sexualwissenschaftlich mit der Homosexualität der Frau auseinandersetzte. Sie veröffentlichte die Ergebnisse ihrer empirischen Studie zum Lesbianismus 1971 und zur Bisexualität 1977. Es waren diese Forschungen, die dazu führten, dass sie 1978 zum ersten Mal seit seit ihrer Vertreibung deutschen Boden betrat. Ihr letztes und wichtigstes Werk war eine Biografie des Sexualforschers Magnus Hirschfeld.

Sie starb mit 89 Jahren in London.
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Charlotte Wolff was a Jewish doctor who also worked in psychology. Even during her time at university she lived her homosexuality openly and preferred men’s clothing. In 1938 she was appointed deputy director at the Rudolf-Virchow-hospital in Berlin, a year later she already could not hold that position due to prosecution by the Nazis.

She lived in France at first, then in England and worked as a chirologist, for Thomas Mann and Aldous Huxley among others. She gave up her German citizenship and called herself, after taking on the British citizenship, an „international Jew with a British passport“.

During the 1960s she was the first to adress homosexuality of women as a field of sexology. She published the findings of her empirical studes on lesbianism in 1971 and on bisexuality in 1977. It was this research that led to her putting foot on German soil again for the first time after her expulsion in 1978. Her last and most important work was the biography of sexologist Magnus Hirschfeld.

She died in London at the age of 89.

38/2017: Hedwig Dohm, 20.9.1831

Hedwig Dohm

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Hedwig Dohm war eine self-made woman. Nachdem sie zunächst nur die für Mädchen dieser Zeit typische geringe Schulausbildung genießen konnte, um mit 15 Jahren gänzlich auf den Haushalt im Elternhaus beschränkt zu werden, besuchte sie drei Jahre später ein Lehrerinnenseminar und heiratete mit 22 Jahren den intellektuellen Satiriker Ernst Dohm.

In der Ehe gebar sie zunächst fünf Kinder und nahm dann, als das jüngste „aus dem Gröbsten heraus“ war, ihre schriftstellerische Tätigkeit auf. In kürzester Zeit machte sie sich mit vier Essays in den frühen 1870ern zu einer bekannten Vertreterin des frühen Feminismus – sie wollte nicht nur im Kleinen die Verhältnisse für einzelne Personengruppen verbessern, sie wollte grundsätzlich die Rolle der Frau in der Gesellschaft verändern. Dazu gehörte, schon 1873 das Frauenwahlrecht zu fordern und das Recht auf die gleiche Bildung und Erwerbstätigkeit wie die Männer, um die Frauen aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit in der Ehe zu lösen.

Nach dem ersten Aufruhr beschränkte sie sich in der Folge auf Lustspiele und, nach dem Tod ihres Mannes, Novellen und Romane. Mit dem Erstarken des Feminismus in den 1880er Jahren wurde auch Hedwig Dohm wieder zu diesem Thema aktiv – sie beteiligte sich rege an der politischen Debatte in der Gesellschaft, forderte das Studienrecht für Frauen und gehörte zu den ersten, die die Begründung der traditionellen Geschlechterrollen in der „Natur“ in Frage stellte. Während des Ersten Weltkrieges bekannte sie sich vollständig zum Pazifismus.

Sie erlebte in ihrem letzten Lebensjahr noch die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland, bevor sie mit 87 Jahren in Berlin starb.
Auf der Seite Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern findet man eine Kostprobe ihres scharfzüngigen Witzes und ihrer fortschrittlichen Denkweise, im Pamphlet „Was die Pastoren von den Frauen denken“ von 1872.

Bild: Von unbekannt, PD-alt-100

Eine der Frauen, die mich zweimal begeistern konnten.

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Hedwig Dohm was a self-made woman. After she was only allowed the typical restricted education for girl in those days, to be reduced to household chores in her family home at age 15, she visited a teachers‘ seminar three years later and married the intellctual satirist Ernst Dohm at age 22.

In this marriage she started out with giving birth to five children and then, when the youngest was „out of the woods“, picked up writing. In a short time she made herself one of the most notorious icon of early feminism over the first half of the 1870s – she not only wanted to improve the conditions for certain peer groups, she wanted to fundamentally change the role of women in society. That meant demanding the right to vote in 1873 already as well as the same rights to education and employment as men, to free women from economic dependence in marriage.

After the first uproar, she consequently limited herself to plays and, after her husband’s death, short stories and novels. With the rise of feminism in the 1880s, Hedwig Dohm became active on that behalf again – she participated briskly in the political debate in society, demanded the right to university studies for women and was one of the first to question the foundation of the traditional gender roles in „nature“. During the First World War she avowed herself completely to pacifism.

She saw women’s suffrage come into action in Germany during her last year, before dying in Berlin at age 87. On the website German History in Documents and Images a sample of her sharp wit and progressive thinking can be found, in the pamphlet „What The Pastors Think Of Women“ from 1872.

37/2017: Miriam Benjamin, 16.9.1861

Gong and Signal Chair von Miriam Benjamin

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{kein deutsches Wiki}
Miriam Benjamin war die frei geborene Tochter eines jüdischen Vaters und einer afro-amerikanischen Mutter in Charleston. Sie besuchte die weiterführende Schule in Boston und wurde zunächst Lehrerin.

Mit 27 Jahren erhielt sie dann in Washington D.C. das Patent für den „Gong-und-Signal-Stuhl für Hotels“ – ein Sitzmöbel mit Kingelknopf und Licht, der es dem Hotelgast ermöglichte, einen Kellner oder Pagen zu seinem Platz zu rufen, ohne winken, klatschen oder rufen zu müssen. Für das Hotel bedeutete dies, dass sie ihre Kosten reduzieren konnten, da durch das klare System weniger Angestellte benötigt wurden. Die Erfindung wurde vom Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten übernommen und ist noch heute in seiner weiterentwickelten Form jedem bekannt, der schon mal mit einem Flugzeug geflogen ist: aus dem Stuhl mit Gong und Signal wurde der Knopf, mit dem man die Flugbegleiter zum Platz rufen kann.

Miriam Benjamin besuchte daraufhin die Universität, zunächst um Medizin zu studieren. Als sie eine Prüfung zum Staatsdienst bestand, wendete sie sich dem Jurastudium zu und wurde schließlich Anwältin für Patentrecht. Als solche arbeitete sie in Boston mit ihrem Bruder zusammen, der ebenfalls als Patentanwalt und Erfinder tätig war. Sie starb dort 1947.

Afro-amerikanische Frauen erleiden den Matilda-Effekt potenziert, da sie nicht nur wegen ihres Geschlechts, sondern auch wegen ihrer Hautfarbe marginalisiert werden. Unten ein Link zu einer Liste mit immerhin fünf afro-amerikanischen Frauen, die als Gründerin oder Erfinderin in der Geschichte viel sichtbarer sein sollten. Außerdem ein etwas ausführlicherer Artikel zu Miriam Benjamin auf Thoughtco.

Bild: By Benjamin, Kaiser, Wood [1], Public Domain

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Miriam Benjamin was the free born daughter of a Jewish father and an Afro-American mother in Charleston, SC. She went to highschool in Boston and worked as a teacher to begin with.

At age 27 she obtained a patent in Washington D.C. for the Gong and Signal Chair for Hotels – a seat with a bell button and a light, which enabled a hotel guest to call for a bellhop or a waiter to their place without having to wave, clap or call. For hotels this meant reduced costs, since less employees were needed thanks to the simple system. The invention was adapted by the United States House of Representatives and in its advanced form is still today known to anyone who has ever flown in an airplane: the chair with a gong and a signal became the button with which flight attendants are called to the seat.

Miriam Benjamin went on to university, at first to study medicine. When she passed a civil service examination, she turned to studying law and became a solicitor of patents. As such she worked in Boston with her brother, who was also working as an attorney for patents and an inventor. She died there in 1947.

Afro-American women endure the Matilda effect in potentiated form, since they are marginalised for their gender and the colour of their skin. Below a link to a list of as many as five Afro-American women who should be more visible in history as founders and inventors. Also a more detailed article on Miriam Benjamin on Thoughtco.

5 Black Women Founders and Inventors You Should Know
The Life and Inventions of Miriam Benjamin

35/2017: Hilda Rix Nicholas, 1.9.1884

Hilda Rix Nicholas

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{kein deutsches Wiki}
Die Australierin war bereits vor dem Ersten Weltkrieg in Europa als Künstlerin erfolgreich. Wegen des Krieges emigrierte sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester von Frankreich nach England – wo ihre Schwester und kurz darauf ihre Mutter an Ruhr erkrankten und starben. Zwei Jahre später fand ein junger australischer Offizier die schwer niedergeschlagene Frau, der von ihr gehört und ihre Bilder bewundert hatte, die beiden heirateten während seines Fronturlaubs und verlebten drei Tage als Ehepaar, dann kehrte er nach Frankreich zurück und wurde fünf Wochen später im Gefecht getötet.

Nach einer Phase der Depression brachte sie ihre Verzweiflung und Trauer in einer Triade von Bildern zum Ausdruck, die leider in den 1930ern bei einem Brand zerstört wurden. Es existieren nur noch Skizzen oder Abbildungen der Originale. Die Bilder und mehr Details zu ihrer Biografie sind unter dem Link unten zu finden.

Hilda Rix Nicholas malte noch viele Jahre, heiratete wieder und hatte einen Sohn, der ebenfalls Künstler wurde. Sie starb mit 77 Jahren in ihrem Geburtsland.

Bild: By Unknown, Public Domain

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The Australian was already successful as a painter before World War I. Because of the war, she emigrated from France to England with her mother and sister – where her sister and shortly after also her mother fell ill with dysentery and succumbed to it. Two years later a young Australian officer found the heavily beaten-down woman, who had heard about her and admired her paintings, the two married and lived three days as a couple, then he went back to France and was killed in battle five weeks later.
After a phase of depression she expressed her despair and grief in a triad of paintings, which unfortunately were destroyed in a fire in the 1930s. Only sketches and reproductions of the originals exist. Those and more details on Rix Nicholas‘ biography can be found at the link below.
Hilda Rix Nicholas kept on painting for many years, married again and had a son who also became an artist. She died at 77 years of age in her birth country.
Meditations on loss

34/2017: Lydia Rabinowitsch-Kempner, 22.8.1871

Lydia Rabinowitsch-Kempner

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Die im heutigen Litauen geborene jüdische Russin genoss die Bildung wohlhabender Familien, doch für ein Studium musste sie als Frau am Ende des 19. Jahrhunderts noch in die Schweiz gehen.
Sie arbeitete nach dem Abschluss zunächst als unbezahlte Assistentin mit Robert Koch an dessen Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten in Berlin, ging dann nach Amerika und wurde dort Professorin für Bakteriologie – dieser Titel wurde jedoch nur in den USA anerkannt.

Sie lernte Walter Kempner kennen und heiratete ihn, ihre Zusammenarbeit am Robert-Koch-Institut endete jedoch bald. Rabinowitsch arbeitete in den folgenden Jahren im Pathologischen Institut und konnte dort als wissenschaftliche Assistentin noch vor Robert Koch selbst Tuberkelbazillen in Rohmilch nachweisen. Dank dieser Forschung und ihrer zahlreichen Publikationen wurde ihr 1912 endlich auch der Professorentitel verliehen. Damit war sie die erste Frau in Berlin und die zweite in Preußen mit diesem Status. Eine Habilitation sollte allerdings erst nach dem Ersten Weltkrieg möglich werden.

Während des Ersten Weltkrieges übernahm sie die Leitung der Zeitschrift für Tuberkulose und arbeitete für das Militär in der Seuchenvorbeugung. 1920 wurde sie mit 49 Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben für eine Tätigkeit so bezahlt, wie es ihrem Bildungsgrad angemessen war, als sie am Städtischen Krankenhaus Moabit die Leitung des Bakteriologischen Instituts übernahm. Sie verlor ihren Mann in diesem Jahr an eine Tuberkuloseform und zwölf Jahre später eines ihrer drei Kinder ebenfalls.
1934 wurde sie zwangspensioniert, ermöglichte ihren Kindern noch die Emigration aus Nazi-Deutschland und starb dann 1935 selbst an ungeklärten Ursachen in Berlin.

Bild: By George Grantham Bain Collection (Library of Congress) – This image is available from the United States Library of Congress’s Prints and Photographs division under the digital ID ggbain.06697.This tag does not indicate the copyright status of the attached work. A normal copyright tag is still required. See Commons:Licensing for more information., Public Domain

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The Jewish Russian, born in the region that is Lithuania today, enjoyed the education common for prosperous families, but to continue studies, as a woman at the end of the 19th century, she had to move to Switzerland.
After her studies, she worked as an unpaid assistant to Robert Koch at his Prussian Institute for Infectuous Deseases at first, then went to America and became a professor of bacteriology – the title alas was only accepted in the US.
She met Walter Kempner and married him, their cooperation at the Robert Koch Institute though ended soon after. Rabinowitsch worked at the Pathological Institute and was able, before Robert Koch himself was, to detect the tuberculosis bacillus in raw milk. Thanks to her research and her numerous publications, she was awarded the title of professor in 1912. She was only the first woman in Berlin and the second in Prussia to reach this status. Habilitation though was made possible only after World War I.
During Wolrd War I she was chief editor of the Journal for Tuberculosis and worked in disease prevention for the military. It was 1920 when at 49 years old she was paid a salary appropriate for her education for the first time, as head of the Bacteriological Institute at the Moabit hospital. She lost her husband to tuberculosis in that year and one of her three children as well, twelve years later.
She was forced to retire in 1934, helped her children to emigrate from Nazi Germany and died 1935 in Berlin under unknown circumstances.

28/2017: Elsa von Freytag-Loringhoven, 12.7.1874

Elsa von Freytag-Loringhoven Frauenfiguren

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Elsa von Freytag-Loringhoven hatte bereits ein bewegtes romantisches Leben hinter sich, bevor sie die Mutter des Dadaismus wurde. In Swindemünde als Elsa Hildegard Plötz geboren, strebte sie offensichtlich schon immer ein freieres und künstlerisches Leben an als das ihrer einfachen Eltern. Mit 27 Jahren heiratete sie den Architekten August Endell und ging mit ihm nach Berlin. Die Ehe öffnete sich für eine Beziehung Elsas mit Endells Freund Felix Paul Greve – das Trio lebte in Palermo zusammen, doch die Ehe überstand diese moderne Beziehungsform nicht. Die Endells ließen sich scheiden und Elsa heiratete Greve. Nachdem er in Deutschland einen Selbstmord vorgetäuscht hatte, ging er in die USA, nannte sich Frederick Philip Grove und entkam so seinen Schulden. Elsa folgte ihm und die beiden lebten eine Zeit von der Bewirtschaftung einer Farm. Dann ließ Greve sie sitzen und Elsa begann, als Model zu arbeiten.

Mit dieser Tätigkeit arbeitete sie sich aus dem ländlichen Kentucky bis nach New York vor, wo sie – zwar noch nicht geschieden von Grove, aber die Ehe war faktisch nicht mehr existent – schließlich ihren dritten und letzten Mann, Leopold von Freytag-Loringhoven, heiratete.

In New York avancierte sie, während sie sich finanziell mit der Arbeit in einer Zigarettendreherei über Wasser hielt, als Model, Lyrikerin und Künstlerin, zur Dadaistin. Lange Zeit von der männlichen Dominanz in der Kunstszene an die Seite gedrängt, stellt sich inzwischen heraus, dass einige wichtige Werke der Ready-made Kunst eigentlich ihr Schaffen sind. Unter anderem „God„, das bisher Morton Livingstone Schamberg zugeschrieben wurde, und der Inbegriff des Ready-made, „Fountain„, von (bisher) Marcel Duchamp – von Freytag-Loringhoven hatte das Urinal mit R. Mutt unterzeichnet und ihm als Skulptur vorgestellt. Sie war in dieser Zeit auch (mindestens) befreundet mit Djuna Barnes und Peggy Guggenheim.
Ohne Zweifel von ihr ist die unten abgebildete Installation Portrait of Marcel Duchamp.

In der Hoffnung auf wirtschaftliche Besserung ging Freytag-Loringhoven kurz nach dem Ersten Weltkrieg zurück nach Berlin, wo sie jedoch in Armut und schlechter geistiger Verfassung lebte. Sie hielt sich einige Zeit mit der Hilfe von Freunden und ehemaligen LiebhaberInnen über Wasser und zog dann nach Paris, wo sich ihre Lage kurzfristig verbesserte. Dann jedoch erstickte sie in ihrer Wohnung, weil jemand die Gasleitung offen gelassen hatte.

Bild: By uncredited photographer for Bain Photos. – This image is available from the United States Library of Congress’s Prints and Photographs division under the digital ID ggbain.33940.This tag does not indicate the copyright status of the attached work. A normal copyright tag is still required. See Commons:Licensing for more information., Public Domain

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Elsa von Freytag-Loringhoven had already lived an eventful romantic life before becoming the mother of Dada. Born in Swinemünde as Elsa Hildegard Plötz, early on she obviously strove for a more free and artistic life than the one of her parents. At 27 years she married the architect August Endell and lived in Berlin with him. The marriage opened for an affair Elsa’s with Endell’s friend Felix Paul Greve – the trio lived together in Palermo, but the marriage did not survive this modern approach to relationship. The Endells divorced and Elsa married Greve. After staging his suicide in Germany, he went to the US, called himself Frederick Philip Grove and thus escaped his debts. Elsa followed him there and the two lived off the maintenance of a farm for a while. At last, Greve left her as well and she began working as a model.

In this capacity she worked her way from rural Kentucky to New York, where – not yet divorced, but the marriage had factually ceased to exist – she married her third and final husband, Leopold von Freytag-Loringhoven.

In New York she rose as model, poet and artist, all the while supporting herself financially by working in a cigarette factory, to becoming a dadaist. For the longest time eclipsed by the male dominance in the artistic scene, it turns out that some of the most important pieces of ready-made art were her creation. Among others ‚God‚, which used to be assigned to Morton Livingstone Schamberg, and the epitome of ready-made, ‚Fountain‚ by (hitherto) Marcel Duchamp – von Freitag-Loringhoven had signed the urinal with R. Mutt and send it to him as a sculpture. She was also friends, if not more, with Djuna Barnes and Peggy Guggenheim.
There is no doubt the installation pictured below, Portrait of Marcel Duchamp, is her work.

Hoping for economic improvement, von Freytag-Loringhoven went back to Berlin shortly after World War I, where she lived however in poverty and poor mental health. She was supported by some old friends and lovers and finally moved to Paris, where her situation improved shortly. Alas, she soon died of gas suffocation in her flat because someone had left open the gas pipe.

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portrait-of-marcel-duchamp-1919

Elsa von Freytag-Loringhoven: Portrait of Marcel Duchamp

27/2017: Henrietta Swan Leavitt, 4.7.1868

Henrietta Swan Leavitt Frauenfiguren

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Henrietta Swan Leavitt war eine der Damen, die als niedrig bezahlte ‚menschliche Rechenmaschine‘ bei Edward Charles Pickering, auch als ‚Pickerings Harem‘  bekannt, am Harvard-College-Observatorium arbeiteten. Sie war dank gehobener Abstammung nicht auf ein Einkommen angewiesen und arbeitete zunächst für Studienpunkte, später für einen Pfenniglohn. Sie war durch eine Erkrankung so gut wie taub, was jedoch keinen Einfluss auf ihre Arbeit zu haben schien; nur ihr weibliches Geschlecht machte es ihr unmöglich, selbst ein Teleskop zu handhaben.

Leavitt war beauftragt, veränderliche Sterne zu beobachten und zu katalogisieren. Dabei maß sie die Helligkeit spezieller veränderlicher Sterne, nämlich der Cepheiden, und machte dabei die Beobachtung, die der Erkenntnis und Berechnung unseres heutigen Wissens über das Weltall zugrunde liegt: Sie stellte fest, dass sich eine Beziehung herstellen ließ zwischen der Leuchtkraft und der periodischen Veränderung der absoluten Helligkeit dieser Sterne. Aus dieser Beziehung lässt sich ihre Distanz zum Beobachtungspunkt berechnen. Mithilfe Leavitts Logarithmus konnte bald darauf belegt werden, dass sich einige der katalogisierten Sterne nicht in der unseren, sondern in Lichtjahren entfernten Galaxien befanden. Die Folgen von Leavitts Erkenntnis rückte – angewandt von Harlow Shapley – nicht nur unser Sonnensystem aus dem Zentrum unserer Galaxie, sondern auch – angewandt von Edwin Hubble – unsere Galaxie aus dem Zentrum des Weltalls.

Sie starb 1921 an Krebs; vier Jahre später erst kam Gösta Mittag-Leffler, ein schwedischer Wissenschaftler, der von ihrem Tod noch nicht erfahren hatte, auf die Idee, sie für den Nobelpreis vorzuschlagen. Dieser wird nicht posthum verliehen, daher konnte Leavitt nicht nominiert werden.

Bild: By Unknown – From here. Taken before 1921 (year of death), see also [1]., Public Domain

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Henrietta Swan Leavitt was one of the ladies who worked as underpaid ‚human computers‘ for Edward Charles Pickering at Harvard College Observatory, also known as Pickering’s harem. Coming from a wealthy family, she was not reliant on an income and worked for study points at first, later for a few cents per hour. An illness had rendered her almost completely deaf, a fact that had ostensibly no influence on her work; it was only her female sex that made it impossible for her to operate a telescope herself.

Leavitt was assigned with the observation and cataloguing of variable stars. She measured the luminosity of a special kind of variable stars, namely Cepheid variables, and whilst doing so made the observation which underlies the discovery and computation of our current knowledge of the universe: She found a relationship between the luminosity and the periodical change of absolute brightness of these stars. From this relationship their distance from the viewing point can be extrapolated. Based on Leavitt’s logarithm it was soon possible to prove that some of the catalogued stars were not part of our, but other galaxies lightyears away. . The consequences of Leavitt’s finding – applied by Harlow Shapley – moved our sun from the centre of our galaxy and – applied by Edwin Hubble – our galaxy from the centre of the universe.

She died of cancer in 1921; it was only four years later that Gösta Mittag-Leffler, a Swedish scientist who hadn’t heard of her death, thought of proposing her to the Nobel Prize committee. The prize is not awarded posthumously, thus Leavitt could not be nominated.

26/2017: Alice Guy-Blaché, 1.7.1873

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Alice Guy-Blaché war die erste Regisseurin narrativer Filme. Zunächst fähige Sekretärin von Léon Gaumont in einem Fotografiestudio, begleitete sie ihn zur Vorführung der ersten Bewegtbild-Projektion der Gebrüder Lumière. Als der gemeinsame Arbeitgeber bankrott ging, unterstützte sie Gaumont in der Gründung seines eigenen Studios. Welches Mischverhältnis ihrer eigenen Naivität und seiner Ahnungslosigkeit, oder ihrer Vision und seines Vertrauens darin es auch immer war, Guy-Blaché drehte bald die ersten erzählenden One-Reelers und war damit als einzige Frau neben Meliès und den Lumière-Brüdern die Erfinderin der Kunstform des Unterhaltungsfilms.
Sie experimentierte mit Farbfilm, Doppelbelichtung, Maskierung und synchronisierten Tonaufnahmen (Gaumonts Chronophone) und produzierte in ihren zehn Jahren bei Gaumont über 700 Filme, deren Stil auch nach ihrem Weggang die Gaumont-Produktionen prägte. Ihr größter Wurf in dieser Zeit war der lange Spielfilm „La vie du Christ“ mit 300 Statisten – eine Vorahnung späterer Monumentalwerke mit biblischem Thema.

Nachdem sie geheiratet hatte, machte sie drei Jahre Arbeitspause. Dann jedoch, ihr Mann hatte inzwischen die Leitung des Gaumont Studios in Flushing, Queens,übernommen und die beiden waren in die USA übersiedelt, gründeten die beiden ihre eigene Produktion, The Solax Company. Sie übernahm die künstlerische Leiterung, ihr Mann die geschäftliche; in den folgenden Jahren überwachte noch einmal die Produktion von mehr als 300 Filmen, auch Regie führte sie bei etwa 40 davon.

Sowohl das wirtschaftliche Scheitern der Solax, später Blaché Company durch den Oligopoldruck durch Edisons MPPC, aufgrund dessen die Blachés zunächst noch gemeinsam in Hollywood arbeiteten, wie auch seine Untreue führte zum Scheitern ihrer Ehe. Guy-Blaché kehrte nach Frankreich zurück und zog sich aus dem aktiven Filmgeschäft zurück; sie schrieb allerdings weiterhin Drehbücher und hielt Vorlesungen. Gegen Ende ihres Lebens folgte sie einer ihrer Töchter wieder in die USA und starb dort 95jährig.
Weitere biografische Details können den Links unten entnommen werden. Dort ist auch die Seite des Dokumentarfilms „Be Natural“ zu finden – „Be Natural“ war Guy-Blachés Motto für die Arbeiten im Studio – der durch Crowdfunding realisiert werden konnte und sich laut IMDb derzeit in der Postproduktion befindet.

Bild: By Apeda Studio New York – Collection Solax, Public Domain

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Alice Guy-Blaché was the first female director of narrative movies. At first a proficient secretary to Léon Gaumont in a still photography company, she accompanied him to the showing of the Lumière brothers‚ first moving picture. When their epmloyer went bankrupt, she supported Gaumont in founding his own studio. Which ever mixture of her own naivety and his cluelessness, or her vision and his trust it may have been, Guy-Blaché soon shot the first narrative one reelers and thusly was the only woman, along Meliès and the brothers Lumière, to invent the art of movie entertainment.
She experimented with colour tinting, double exposure, matte painting and synchronised sound (Gaumont’s chronophone), and produced more than 700 movies in her ten years at Gaumont, with a stlye that influenced Gaumont productions even after she had left. Her largest project was the long playing „La vie du Christ“ with 300 extras – a premonotion of later monumental productions with biblical themes.

After marrying, she took a three year break from work. Subsequently however, her husband meanwhile had taken over management of the Gaumont Studios in Flushing, Queens, and the two had moved to the United States, the Blachés established their own production, The Solax Company. She was in charge of the artistic side, her husband managed business; in the following years she oversaw the production of another more than 300 movies, directing about 40 them herself.

The economic failure of the Solax, later Blaché Company, under the pressure of the oligopoly of Edison’s MPPC, because of which the Blachés firstly continued to work together in Hollywood, as well as his infidelity broke up their marriage. Guy-Blaché returned to France and withdrew from active film-making; she however continued to wrtie scripts and gave lectures. At the end of her life, she followed one of her daughters back to the US and died there at the age of 95.

Further biographical details are found following the links below. Also below the website of the documentary „Be Natural“ – „Be Natural“ being Guy-Blachés motto for working in the studio – which has been made possible by crowndfunding and is in post-production according to IMDb.

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Women Film Pioneers Project
Amy Poehler’s Smart Girls
Be Natural The Movie

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