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39/2023: Lilli Vincenz, 26. September 1937

Lilli Vincenz kam in Hamburg zur Welt, ihr Vater starb zwei Jahre später. Als sie zwölf war, heiratete ihre Mutter einen US-Amerikaner und emigrierte mit ihm in die USA.

Mit 22 Jahren machte sie ihren Bachelor in Französisch und Deutsch, ein Jahr später den Master in Englisch an der Columbia University. Danach schrieb sie sich im Women’s Army Corps ein, der damaligen Frauenabteilung der United States Army (inzwischen in den Corps integriert) und arbeitete am Walter-Reed Militärkrankenhaus. Sie wurde jedoch für ihre Homosexualität denunziert und nach nur neun Monaten Dienst entlassen.(1,2)

1963 wurde sie das erste weibliche, lesbische Mitglied der Mattachine Society. Sie war die einzige offen lebende lesbische Frau, die an der zweiten Demonstration der Homosexuellen-Bewegung vor dem Weißen Haus 1965 teilnahm, als eine von zehn Demonstrant*innen. Diese picket lines wiederholte die Mattachine Society bis 1969 jährlich am 4. Juli vor der Independence Hall und der Liberty Bell in Philadelphia – diese öffentlichen Auftritte gelten als der Beginn der modernen LGBTQIA+-Bewegung. Die Annual Reminders (Link Englisch) endeten nach den Stonewall riots oder wurden vielmehr im Folgejahr durch die Demonstrationen in deren Gedenken, später Pride Parade oder Christopher Street Day, ersetzt. Vincenz erschien 1966 mit ihrem Namen auf dem Titelbild des lesbischen Magazins The Ladder und war damit die erste Frau, die sich so outete; sie arbeitete auch als Redakteurin des Rundbriefs der Society. 1969 gründete sie gemeinsam mit Nancy Tucker eine unabhängige Zeitschrift der Homosexuellen-Bewegung, die Gay Blade, die noch immer als Washington Blade erscheint.

In den 1970ern trat Lilli Vincenz immer wieder als politisch aktive, lesbische Frau öffentlich in Erscheinung; so sprach 1970 sie gemeinsam mit Barbara Gittings über die Forderungen der Homosexuellen-Bewegung in der Phil Donahue Show, 1971 diskutierte sie Stereotype und Vorurteile gegenüber Lesben mit sechs anderen Frauen, darunter wiederum Barbara Gittings, in der David Susskind Show. Sie unterstützte Frank Kamenys Kampagne, als dieser 1971 als erster offen schwuler Mann für den District of Columbia für den Kongress der Vereinigten Staaten kandidierte und engagierte sich mit ihm im Folgejahr in der Spendensammlung für die Kampagne Gay Citizens for McGovern.

Ebenfalls in den gesamten 1970ern führte Lilli Vincenz bei sich zuhause ein Open House für lesbische Frauen, womit sie einen sicheren Raum bot, in dem sich die Frauen austauschen, vernetzen und unterstützen konnten. Aus dieser Institution wurde die Gay Women’s Alternative (Link Englisch), die als kulturelle und soziale Einrichtung noch bis 1993 Bestand hatte.

1990, mit 63 Jahren, machte sie noch ihren Doktortitel in Human Development (vermutlich: Bildungsforschung?). Sie starb erst in diesem Jahr am 27. Juli mit 86 Jahren.

Neben all diesen Errungenschaften als Aktivistin der Lesbenbewegung war sie auch, laut Kay Tobin-Lahusen, die erste lesbische Videofilmerin(2). Wir verdanken ihr die Eindrücke, die heute noch in der Library of Congress von den Annual Reminders und der ersten Pride Parade, ein Jahr nach Stonewall, erzählen.

The Second Largest Minority (1968, Englisch) – Dokumentation des vorletzten Annual Reminders
Gay and Proud (1970, Englisch) – Dokumentation der ersten Gay Pride Parade

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) LGBT History Month
(2) Them

41/2020: María Teresa Ferrari, 11. Oktober 1887

María Teresa Ferrari (Link Englisch) wurde in eine wohlhabende und prominente Familie Argentiniens geboren: Beide Großväter, väterlicher- wie mütterlicherseits waren am Kampf um die Unabhängigkeit Argentiniens von Spanien und der Gründung des Staates beteiligt. Als ‚höhere‘ Tochter hätte sie keine lange Schulkarriere oder eine Berufsausbildung gebraucht, es lag ihr jedoch möglicherweise im Blut, größere Ziele als die Ehe zu verfolgen.

Mit 16 Jahren erlangte sie ihr Zertifikat, um als Lehrerin zu arbeiten. Sofort im Anschluss begann sie, am Colegio William Morris sowie an der Schule ‚N° 3 Bernadino Rivadavia‚ zu unterrichten. Dabei wandte sie Erkenntnisse der experimentellen Psychologie an, die sie in ihrer Schulzeit erlernt hatte, was die Behörden zunächst misstrauisch machte. Da sie aber gute Lernerfolge mit ihren Motivationstechniken bei den Schüler:innen erzielte, durfte sie damit fortfahren.

Nur ein Jahr später, 1904, schrieb sie sich mit 17 Jahren für das Studienfach Medizin an der Universidad de Buenos Aires ein. Dies hatten bis dahin nur fünf andere Frauen Argentiniens unternommen, und tatsächlich waren Frauen im Studium und im Beruf nicht gern gesehen. Ferrari sollte es noch des Öfteren erleben, dass ihr aufgrund ihres Geschlechtes Steine in den Weg gelegt wurden. Sie wurde jedoch auch bereits im ersten Studienjahr Assistentin in der pathologischen Forschung, eine prägende Erfahrung, die sich als Inspiration für ihre Zukunft in der Forschung herausstellen sollte. Nach sieben Jahren schloss sie die Universität mit Dokrotgrad ab und heiratete (aus der Ehe sollte weitere sieben Jahre später, 1918, ein Kind hervorgehen).

1914 begann sie, am Hospital Ramos Mejía in Buenos Aires in der Geburtshilfe-Abteilung zu arbeiten. Ihr Wunsch war es, diese Fachrichtung auch an der Universität zu unterrichten, sie wurde jedoch vom Aufsichtsrat abgelehnt: „Ungeachtet ihrer Qualifiktionen erfüllen Frauen aus physiologischen und psychologischen Gründen nicht die Bedingungen, um als Professorinnen der Medizin eingestellt zu werden.“ (Quelle: Wiki Englisch) Im Folgejahr wurde ihr die bescheidenere, weit weniger prestigeträchtige Stelle als Dozentin an der Hebammenschule gestattet, Ferrari bewarb sich 1919 auf eine wiederum freigewordene Professorenstelle und kämpfte in den kommenden sechs Jahren darum, während der Aufsichtsrat die Entscheidung über diese ganze Zeit hinauszögerte. Während die Herren an der Universität schlicht keine Sitzungen einberiefen, Dokumente fälschten, Empfehlungen ignorierten und Entscheidungen vermieden, blieb Ferrari allerdings nicht untätig.

Zwischen 1921 und 1923 besuchte die Medizinerin verschiedene Krankenhäuser in Europa, so zum Beispiel das Radiuminstitut von Marie Curie und das Columbia Hospital for Women in Washington, D.C.

1924 entwickelte Ferrari ein Vaginoskop, ein Instrument zur Untersuchung der Vagina und des Gebärmutterhalses, das sich besser als die bisherigen Instrumente sterilisieren ließ und mit unterschiedlichen Spekula kompatibel war. In Brasilien verbesserte sich die gesundheitliche Versorgung der Frauen durch ihre Erfindung entscheidend, und Ferrari gewann damit Preise und Anerkennung. Als sie 1925 zur Gattin eines Mitgleides der Armee in das Hospital Militar Central in Buenos Aires gerufen wurde, um ihr bei der Geburt zu helfen, bestand in dem Krankenhaus noch keine gynäkologische Station, also baute Ferrari kurzerhand selbst eine auf. Was mit einem Bett und von ihr selbst gespendeter Ausstattung begann, wuchs im Lauf der kommenden fünf Jahre zu einer Frauenheilkunde-Abteilung an, die sich über zwei Stockwerke erstreckte, mit zwei Kreißsälen und der Möglichkeit, Instrumente zu sterilisieren. In 40 Betten konnten Wöchnerinnen und andere Patientinnen nach Behandlungen untergebracht werden. Ferrari richtete hier außerdem den ersten Brutkasten für Frühgeborene in Argentinien ein.

Dennoch musste sie nach sieben Jahren in der laufenden Bewerbung als Universitätsprofessorin 1926 erneut eine Liste ihrer Qualifikationen einreichen: 20 Jahre Erfahrung als Pädagogin, 15 Jahre medizinische Tätigekeit, neun Jahre eigenes Studium an der Universität. Einer der Berater der Universität, der diese Liste zu Gesicht bekam, schrieb nun eine dringende Bitte an den Dekan, Ferrari endlich einzustellen, und 1927 wurde sie mit 13 zu 2 Stimmen als Professorin zugelassen. Im gleichen Jahr wurde sie am Militärkrankenhaus zur Leiterin der Gynäkologie und Geburtshilfe ernannt; die allgemeine Stimmung im Haus blieb jedoch eher feindselig gegenüber einer weiblichen Ärztin. So wurde sie in ihren Bestrebungen, die Radiologie als Heilmethode für Gebärmutterkrebs einzuführen, eher behindert. Die argentinische Medizin hatte für diese neuartige Therapie keine Fachleute und griff daher lieber auf die altbewährten, invasiven Operationen zurück, doch Ferrari ließ nicht locker und setzte Bestrahlung schließlich als Krebstherapie durch.

In den späten 1920er Jahren bereiste sie noch einmal Mittel- und Nordamerika, vertrat Argentinien in verschiedenen internationalen Veranstaltungen, half an der Columbia University bei einem Kaiserschnitt (das geborene Kind wurde ihr zu Ehren daraufhin ‚Argentina‘ genannt) und veröffentlichte diverse wissenschaftliche Schriften. Nach einem Militärputsch 1930 wurde Argentinien zunehmend konservativer, was auf lange Sicht auch Folgen für Ferrari haben sollte. 1936 gründete sie zunächst noch Federació Argentina de Dones Universitàries (FAMU), den Verband argentinischer Frauen an Universitäten, inspiriert von der International Federation of University Women (IFUW). Mit diesem Verband wollte sie die juristische und soziale Situation von Frauen insbesondere im akademischen Umfeld verbessern und Hürden in Bildungskarrieren aus dem Weg räumen. Dafür schloss sie sich mit anderen berufstätigen Frauen zusammen und organisierte Schulungen für die an die 100 Mitglieder. Zwei Jahre nach ihrer Gründung schloss sich die FAMU der IFUW an.

Schließlich musste sie 1939 dem konservativen Druck nachgeben und ihre Stelle am Hospital Militar Central aufgeben. Immerhin wurde sie an der Universtität dafür endlich als volle Professorin eingesetzt und erhielt den Titel ‚Profesor Extraordinario‚ in ihrem Fachbereich, der Geburtshilfe. Si eblieb also als Lehrende tätig, bereiste auch weiterhin und schrieb. 1946 setzte sie sich als Präsidentin der FAMU zur Ruhe.

Mit dem Aufkommen des Peronismus Anfang der 1940er Jahre geriet sie jedoch wieder ins Kreuzfeuer der Politik. Weil sie kein Geld für politische Zwecke spenden wollte, zwang das Bildungsministerium sie dazu, als Lehrerin an der Schule ‚N° 3 Bernadino Rivadavia‚ und auch als Psychologie-Professorin am Colegio William Morris, wo sie ihre Karriere begonnen hatte, zurückzutreten. Wenige Jahre später, 1952, verweigerte sie erneut eine Verbindung zu Peróns Politik und setzte sich mit ihren inzwischen 65 Jahren lieber vollständig zur Ruhe.

Ein Jahr, nachdem Perón abgesetzt worden war, starb María Teresa Ferrari mit 69 Jahren.

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Ebenfall diese Woche

8. Oktober 1872: Kristine Bonnevie
Als Norwegens erste Professorin konzentrierte sich die Biologin auf die Zytologie, Genetik und Embryologie.

11. Oktober 1969: Merieme Chadid
Die marokkanisch-französische Astronomin installierte das Observatorium Dome Charlie in der Antarktis und war entscheidend am Very Large Telescope in der Atacama-Wüste in Chile beteiligt.

Tsai-Fan Yu

* 1911 • † 2. März 2007

Der deutsche Wikipedia-Eintrag von Tsai-Fan Yu nennt unbekümmert ein genaues Datum ihrer Geburt nach einer Quelle, die ich leider nicht verifizieren kann. Dieses Datum ( 24. Oktober) wird an keiner anderen Stelle genannt, also lasse ich es derzeit mit Fragezeichen versehen (außerdem wirft es den Ablauf des Zeitstrahls um, wenn ich Yu in den herkömmlichen Kalender übernehme).

Geboren wurde sie in Shanghai; als sie 13 Jahre alt war, starb ihre Mutter, der alleinerziehende Vater arbeitete zeitweise in drei Jobs, um der Tochter die schulische Laufbahn zu ermöglichen, zu der sie offenbar befähigt war. Ihr Studium der Medizin nahm sie am Ginling College (Link Englisch) auf, doch bereits im zweiten Studienjahr (möglicherweise nach einem Bachelor-Abschluss) erhielt sie ein Stipendium für ein weiteres Studium am Peking Union Medical College (Link Englisch), das nach dem Beispiel der Johns Hopkins Universität unterrichtete. Yu machte dort 1939 mit 28 Jahren ihren Doktor mit Bestnoten und im gleichen Jahr sofort als Chief Medical Resident (in etwa Chefärztin) für Innere Medizin.

Während sie in China arbeitete, erforschte sie auch Pflanzenkrankheiten von Zitrusfrüchten und Bohnen. 1947 kam sie nach New York, um am College of Physicians and Surgeons der Columbia University zu unterrichten. Drei Jahre später erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Zehn Jahre nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten fand sie am Mount Sinai Hospital ihre berufliche Heimat, hier sollte sie 1973 die erste Frau in den USA werden, die eine volle Professur erhielt.

Ihr Lebenswerk war die Erforschung und Behandlung von Stoffwechselkrankheiten. Nachdem sie sich anfangs mit Morbus Wilson befasst hatte, einer Erbkrankheit, die den Kupferstoffwechsel der Leber beeinträchtigt, konzentrierte sie sich den Großteil ihres beruflichen Lebens am Mount Sinai Hospital auf die Gicht. Diese wird ausgelöst durch erhöhte Harnsäurekonzentration im Blut, der eine Nierenfehlfunktion zugrunde liegt. Neben den Schüben mit schmerzhaften Entzündungen der Gelenke und anderen Geweben wirkt sich dieser gestörte Stoffwechsel auch wiederum nachteilig auf die Nieren aus.

Tsai-Fan Yu stellte in ihrer Forschung die Verbindung her zwischen den Harnsäurewerten im Blut und dem Ausmaß der Gelenkschmerzen von Gichtpatienten. Sie klassifizierte die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gicht und untersuchte die Zusammenhänge der Gicht mit anderen Erkrankungen. So stellte sie fest, dass etwa die Hälfte aller Gichtpatienten auch an anderen metabolischen Krankheiten leidet, wie Bluthochdruck, Proteinurie (erhöhte Ausscheidung von Proteinen durch den Urin), Diabetes oder Hyperlipoproteinämie (u.a. erhöhter Cholesterinspiegel).

In den 1950er Jahren trug Yu entscheidend zur Entwicklung von Medikamenten gegen die Gicht und ihre Symptome bei; sie entdeckte die Wirkstoffe Probenecid, Colchicin und Phenylbutazon zumindest für akute Gichtanfälle. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Alexander B. Gutman trug sie in diesen Jahren auch zur Einrichtung einer spezialisierten Gichtklinik am Mount Sinai Hospital bei. In den 1960er Jahren entwickelte sie dank ihrer weiteren Erforschung der Krankheitsmechanismen den Wirkstoff Allopurinol, der 1977 in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der WHO aufgenommen wurde.

Sie veröffentlichte in ihrer Laufbahn 220 wissenschaftliche Artikel sowie zwei Bücher, Gout and Uric Acid Metabolism (‚Gicht und der Harnsäurestoffwechsel‘) 1972 und zehn Jahre später The Kidney in Gout and Hyperurecimia (Die Nieren bei Gicht und Hyperurikämie).

Sie emeritierte 1992 mit 81 Jahren, bis dahin hatte sie mehr als 4.000 Gichtpatienten untersucht und behandelt. Noch 12 Jahre später, 2004, war sie an der Gründung der gemeinnützigen Tsai-Fan Yu Foundation beteiligt. Sie starb 95-jährig im Mount Sinai Medical Center in New York.

In dieser Übersicht über asiatische Wissenschaftler:innen der Asia Research News wird auch Tsai-Fan Yu erwähnt.

37/2020: Idelisa Bonnelly, 10. September 1931

Idelisa Bonnelly (Link Englisch) kam in Santiago de los Caballeros, der zweitgrößten Stadt der Dominikanischen Republik, zur Welt. Mit 22 Jahren schrieb sie sich an der Columbia University in New York ein und machte dort drei Jahre später ihre Bachelor of Science in Meeresbiologie. Anschließend studierte sie bis zu ihrem Mastertitel 1961 an der New York University, danach arbeitete sie als Forschungsassistentin am New York Aquarium (Link Englisch). Bereits im Folgejahr kehrte sie in ihre Heimat in der Karibik zurück, um an der Universidad Autónoma de Santo Domingo den ersten Fachbereich ihres Heimatlandes für das Fach Biologie zu gründen.

1966 gründete Idelisa Bonnelly das Institut für Meeresbiologie an der Universität in Santo Domingo, aus dem später das Forschungszentrum für Meeresbiologie (Centro de Investigación de Biología Marina, CIBIMA) hervorgehen sollte. Dort lehrte sie von 1967 bis 1986, im Anschluss war sie weitere sechs Jahre als Studienkoordinatorin dort tätig.

Auch die Akademie der Wissenschaft der Dominikanischen Republik gründete Bonnelly, im Jahr 1974. Sie veröffentlichte zahlreiche Arbeiten, die großen Einfluss auf den Erhalt der Meeresressourcen hatten und zur Grundlage von Umweltrecht hinsichtlich der Küste und des Meeres der Dominikanischen Republik wurden. In den 1980er Jahren war sie entscheidend beteiligt an der Schaffung eines Schutzgebiets für Buckelwale vor der Küste von Hispaniola. Dafür erhielt sie 1986 den Verdienstorden für Frauen in der Wissenschaft von der Regierung der Republik. Im folgenden Jahr wurde ihr der National Science Prize von der Akademie der Wissenschaften verliehen, die UN nahm sie in die Global 500 Roll of Honour des UNEP auf.

Ihre Universität verlieh ihr 1990 die Ehrendoktorwürde. Kurz darauf gründete sie die Dominikanische Stiftung der Meeresforschung (Fundación Dominicana de Estudios Marinos, FUNDEMAR), die auch ein Reservat für Meeressäuger betreibt. Sie schloss sich auch der Organization for Women in Science for the Developing World (TWOWS, Link Englisch) an.

Neben anderen Auszeichungen erhielt sie auch 2009 die Marie Curie Medaille der UNESCO, die BBC nannte sie 2013 eine der zehn wichtigsten weiblichen Wissenschaftlerinnen von Lateinamerika.

Ebenfalls diese Woche

7. September 1830: Mary Treat (Link Englisch)
Die amerikanische Naturkundlerin schrieb in 28 Jahren 76 Artikel zu diversen Themen, von Insektenkunde über Ornithologie bis hin zur Botanik, in der zweiten Hälfte ihres Lebens verdiente sie damit ihren Lebensunterhalt nach der Trennung von ihrem Ehemann. Über fünf Jahre, beginnend 1871, korrespondierte sie mit Charles Darwin über fleischfressende Pflanzen.

10. September 1859: Marcia Keith (Link Englisch)
Von dieser amerikanischen Physikerin wird angenommen, dass sie die individuelle Laborarbeit von Schülern der Naturwissenschaften einführte. Sie unterrichtete Mathematik und Physik und war Gründungsmitglied der American Physical Society.

10. September 1907: Dorothy Hill (Link Englisch)
Die australische Paläontologin war Australiens erste weibliche Universitätsprofessorin und die erste weibliche Präsidentin der Australian Academy of Sciences.

11. September 1845: Mary Anne Stebbing (Link Englisch)
Viele der Zeichnungen dieser botanischen Illustratorin verbrannten 1881, doch einige befinden sich noch im Archiv der Royal Botanic Gardens in Kew.

12. September 1897: Irène Joliot-Curie
Als Tochter der ersten Nobelpreisträgerin überhaupt war sie prädestiniert für große wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Chemikerin und Physikerin erhielt 1935 selbst den Nobelpreis in Chemie, gemeinsam mit ihrem Mann Frédéric Joliot-Curie, für die Entdeckung der künstlichen Radioaktivität.

33/2020: Gerty Cori, 15. August 1896

frauenfiguren gerty cori
By National Library of Medicine, Images from the History of Medicine, B05353, Public Domain

Gerty Cori kam in Prag als Gerty Radnitz zur Welt; ihr Vater, Otto Radnitz, war ein Chemiker, der eine Methode zur Raffination von Zucker erfunden hatte und nun eine eigene Zuckerfabrik leitete, ihre Mutter, Martha geborene Neustadt, war eine kulturell interessierte Frau, die mit Franz Kafka befreundet war. Gerty und ihre beiden jüngeren Schwestern erhielten zunächst Privatunterricht, bevor sie mit zehn Jahren auf das Lyzeum gingen.

Mit 16 Jahren wusste Gerty, dass sie Medizin studieren wollte, ihr fehlten bis dahin jedoch noch einige schulische Kenntnisse. Um diese einzuholen, lernte sie innerhalb eines Jahres die Inhalte von acht Schuljahren Latein und fünf Schuljahren Physik, Chemie und Mathematik. So bestand sie mit 18 Jahren die Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium an der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag.

Im Studium lernte sie Carl Cori kennen. Die beiden verliebten sich und schlossen 1920 gemeinsam – nachdem Carl zwischenzeitlich im Ersten Weltkrieg eingezogen worden war – ihr Medizinstudium ab. Im gleichen Jahr heirateten sie, wofür Gerty vom Judentum zum Katholizismus konvertierte, und zogen nach Wien. Dort arbeitete Gerty als Assistenzärztin im Karolinen-Kinderspital und erforschte die Funktion der Schilddrüse bei der Regulation der Körpertemperatur. Außerdem schrieb sie mehrere Aufsätze zu Blutkrankheiten. Die Lebensumstände nach dem Krieg waren schwierig, oftmals fehlte es an Lebensmitteln, sodass Gerty sogar Augenprobleme entwickelte, die auf einen Vitamin-A-Mangel zurückzuführen waren. Zur gleichen Zeit wurde der Antisemitismus im Land immer offensichtlicher, sodass das Ehepaar Cori 1922 in die USA auswanderte.

Carl fand eine Anstellung beim State Institute for the Study of Malignant Diseases (heute Roswell Park Cancer Institute, Link Englisch), während Gerty zunächst weitere sechs Monate in Wien blieb, weil sie keine Anstellung fand. Sie zog jedoch schließlich nach und arbeitete mit ihrem Mann im Labor, obwohl der Leiter des Insituts sogar drohte, Carl Cori zu entlassen, wenn Gerty nicht aufhörte. Die beiden ließen sich nicht beirren und erforschten gemeinsam, wie Glucose mit Hilfe von Hormonen im menschlichen Körper verstoffwechselt wird. Das Ehepaar veröffentlichte in der Zeit in Roswell insgesamt 50 Aufsätze gemeinsam – wobei die- oder derjenige zuerst als Autor:in genannt wurde, der oder die die meiste Arbeit geleistet hatte – und Gerty Cori veröffentlichte noch elf weitere Schriften als alleinige Autorin.

1928 nahmen die Coris die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Im Folgejahr stellten sie ihre Theorie vor, die ihnen schließlich den Nobelpreis einbringen sollte: den Cori-Zyklus. Dieser beschreibt den biochemischen Kreislauf im menschlichen Körper, mit dem Glucose in den Muskeln zu Lactat umgewandelt wird – Glykolyse genannt – , während gleichzeitig Lactat kurzzeitig in der Leber zu Glucose zurückgebildet wird – Gluconeogenese genannt. Diese Erkenntnis, wie die Verwertung von Zucker in den Muskeln funktioniert, sowie der Rolle der Leber dabei war eine wichtige Grundlage für das Verständnis und somit der Behandlung von Diabetes mellitus.

Diese junge Frau erklärt auf dem Kanal FitfürBiochemie den Cori-Zyklus für halbwegs in die Chemie Eingeweihte

Zwei Jahre, nachdem sie diese Theorie veröffentlicht hatten, verließen sie das Insitut in Roswell. Carl wurden mehrere Stellen ohne Gerty angeboten, eine Position in Buffalo lehnte er ab, weil sie ihm durchaus nicht erlauben wollten, mit seiner Frau zu arbeiten. Gerty wurde sogar ausdrücklich vorgeworfen, sie schade der Karriere ihres Mannes, wenn sie weiter mit ihm arbeite. Schließlich ging das Ehepaar Cori gemeinsam an die Washington University in St. Louis, Missouri, wo ihnen beiden Stellungen angeboten worden waren, allerdings in Gertys Fall in einer niedrigeren Position, mit folgerichtig schlechterer Bezahlung: Sie verdiente als Forschungsassistentin nur ein Zehntel von Carls Gehalt. Arthur Compton, zu dieser Zeit Rektor der Universität, machte für die Coris eine Ausnahme von der Nepotismus-Regel, mit der auch Maria Goeppert-Mayer Schwierigkeiten hatte. Bei ihrer gemeinsamen Arbeit an der Washington University entdeckten Gerty und Carl Cori das Glucose-1-phosphat, eine Form von Glucose, das in vielen Stoffwechselvorgängen eine Rolle spielt und auch nach ihnen Cori-Ester heißt. Sie beschrieben seine Struktur, identifizierten das Enzym, das den Cori-Ester katalysiert und bewiesen, dass Glucose-1-phosphat der erste Schritt in der Umwandlung des Kohlehydrats Glykogen zu Glucose ist, welche im Körper als Energie verwertet werden kann.

Gerty Cori erforschte zur gleichen Zeit auch Glykogenspeicherkrankheiten und identifzierte mindestens vier davon, die jeweils mit individuellen Enyzymdefekten zusammenhängen; die verhältnismäßig harmlose Typ III-Glykogen-Speicherkrankheit heißt nach ihr auch Cori-Krankheit. Sie war die erste Person, die nachwies, dass eine vererbte Krankheit mit einem Enzymdefekt zusammenhängen kann.

Nach 13 Jahren an der Washington University wurde Gerty Cori endlich außerordentliche Professorin und vier Jahre später, 1947, auch volle Professorin. Im gleichen Jahr erfuhr sie, dass sie an Myelosklerose litt, und wenige Monate später wurde ihr gemeinsam mit ihrem Mann und dem argentinischen Physiologen Bernardo Alberto Houssay der Nobelpreis für für Physiologie oder Medizin verliehen. Sie war insgesamt erst die dritte Frau mit einem Nobelpreis – Marie Curie und deren Tochter Irène Joliot-Curie waren die ersten beiden, die diesen Preis für Physik respektive Chemie erhalten hatten. Gerty Cori hingegen war nun die erste Frau, die in der Kategorie Physiologie und Medizin ausgezeichnet wurde.

Im Anschluss an diesen Erfolg wurde sie Fellow der American Academy of Arts and Sciences, als viertes weibliches Mitglied in die National Academy of Sciences gewählt sowie von mehreren anderen Societies aufgenommen, von Harry S. Truman wurde sie zum Ratsmitglied der National Science Foundation ernannt. Nachdem sie jahrzentelang gegen den Widerstand von Entscheidern unbeirrt mit ihrem Mann zusammengearbeitet hatte, wurde ihr nun zwischen 1948 und 1955 die Ehrendoktorwürde an fünf Universitäten verliehen – an der Boston University, am Smith College, an der Yale University, an der Columbia University und an der University of Rochester. Insgesamt gewann sie, zum Teil gemeinsam mit ihrem Mann, sechs hochdotierte wissenschaftliche Preise. Sie arbeitete noch weitere zehn mit immer schlechterer Gesundheit, bis sie am 26. Oktober 1957 an der Myelosklerose verstarb.

1998 wurde Gerty Cori in die National Women’s Hall of Fame aufgenommen. Das Labor an der Washington University, in dem sie gearbeitet hatte, wurde 2004 von der American Chemical Society (deren Mitglied sie war) zur Historic Landmark erklärt. Vier Jahre später brachte der US Postal Service eine 41-cent-Briefmarke ihr zu Ehren heraus. Krater auf dem Mond und der Venus sind nach ihr benannt und noch 2015 taufte das US Department of Energy den Hochleistungrechner im Berkeley Lab nach ihr, der als fünfter in der Liste der 500 leistungsfähigsten Computer rangiert.

Die Website des Nobelpreises führt selbstverständlich ihre Biografie (Link Englisch).

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Ebenfalls diese Woche

12. August 1898: Maria Klenova (Link Englisch)
Als Begründerin der russischen Meeresgeologie erforschte sie beinahe dreißig Jahre lang die Polarregionen und war die erste Frau, die vor Ort in der Antarktis arbeitete.

12. August 1919: Margaret Burbidge
Diese amerikanische Astronomin tauchte bereits im Beitrag über Vera Rubin auf; die erste weibliche Direktorin des Royal Greenwich Observatory forschte zu Quasaren und wie Rubin zur Rotation von Galaxien.

15. August 1892: Kathleen Curtis (Link Englisch)
Die neuseeländische Mykologin begründete die Pflanzenpathologie in ihrer Heimat; ihre Doktorarbeit schrieb sie über Kartoffelkrebs und sie beschrieb 1926 erstmalig einen Bovisten, der endemisch in Tasmanien und Neuseeland auftritt und heute vom Aussterben bedroht ist, den Claustula fischeri (Link Englisch).

Isabelle Stone

* 1868 • † 1944

Isabelle Stone (Link Englisch) kam in Chicago zur Welt, besuchte das Wellesley College in Masschusetts und die Columbia University in New York, ihren Doktortitel in Physik machte sie an der University of Chicago. Zu diesem Zeitpunkt war sie die erste US-amerikanische Frau mit einer Promotion in diesem Fach.

Beim Internationalen Kongress der Physiker in Paris (Datum unbekannt) war sie eine von zwei Frauen unter 836 Besuchern – die andere Frau war Marie Curie. Sie gehörte außerdem zu den Gründungsmitgliedern der American Physical Society.

Isabelle Stone untersuchte den elektrischen Widerstand von dünnen Schichten. In ihrer Doktorarbeit wies sie nach, dass Dünnschichten von Metallen eine höhere elektrische Leitfähigkeit aufweisen als das gleiche Metall in massiven Körpern.

Emily Lovira Gregory

*1840/41 • † 1897

Emily Lovira Gregory (Link Englisch) wuchs auf einer Farm im Staat New York auf, wo sie auch eine kirchliche Schule besuchte. Nach dem einfachen Schulabschluss arbeitete sie zunächst als Lehrerin, um sich mit dem Lohn die Kosten für ein weiterführendes Studium zu erarbeiten. 1876, mit 36 Jahren, schrieb sie sich schließlich an der Cornell University, wo sie 1881 ihren Bachelor of Arts in Literatur und dem Nebenfach Botanik abschloss. Anschließend arbeitete sie wiederum als Lehrerin, am Smith College.

Mit ihren Ersparnissen wollte sie ihr Studium weiter fortsetzen, doch da Frauen in den USA noch nicht für die höhere Bildung zugelassen wurden, musste sie an die Universität Zürich gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Sie studierte dort Botanik unter Albert Wigand, Johannes Reinke und Simon Schwendener. Ihren Doktortitel machte sie 1886 mit einer Dissertation über ‚Comparative Anatomy of the Filz-like Hair-covering of Leaf Organs‚ (‚Vergleichende Anatomie des filzartigen Haarbewuchses von Blattorganen‘). Damit war Emily Lovira Gregory die erste US-amerikanische Frau mit einem Doktorgrad in Botanik.

Nach ihrer Promotionen begann sie als Botanikerin am Bryn Mawr College zu arbeiten; sie musste nach zwei Jahren diese Fakultät jedch verlassen, weil sie sich weigerte, ihre Kurse in Botanik dem Lehrplan der allgemeinen Biologie unterzuordnen. Sie wechselte an die University of Pennsylvania, wo sie das erste weibliche Fakultätsmitglied war. Sie gab hier Kurse in allgemeiner Botanik und Pflanzenanatomie, außerdem arbeitete sie an der Entwicklung des botanischen Labors mit. Kurz darauf wurde in New York das Barnard College für Frauen gegründet und Gregory wurde hier das erste Fakultätsmitglied überhaupt und auch die erste Dekanin.

Emily Lovira Gregory hatte Zeit ihres Lebens oft in schlecht bezahlten oder gar unbezahlten Lehrpositionen gearbeitet, dabei trug sie zu insgesamt 38 Publikationen bei, wovon 12 eigene Schriften waren. Das Barnard College verdankt ihr den Aufbau und den hervorragenden Ruf des dortigen Botanik-Fachbereichs. Dennoch musste sich Gregory 1894 erst in einem Brief an den Präsidenten der kooperierenden Columbia University darüber beschweren, dass ihr Status als „lecturer„, also Dozentin, weder vom Titel noch in der Bezahlung dem entsprach, was sie tatsächlich leistete.

1895 wurde ihr schließlich eine volle Professor mit entsprechendem Gehalt zugesprochen. Sie konnte diesen Status nicht lange genießen: Schon 1897 starb sie mit 55 Jahren an Lungenentzündung.

16/2020: Esther Afua Ocloo, 18. April 1919

Esther Afua Ocloo kam unter dem Mädchennamen Nkulenu in der Region Volta zur Welt, ihre Eltern gehörten zum Volk der Ewe. Ihr Vater war Schmied, die Mutter Töpferin und Bäuerin, beide waren Analphabeten. Die Unterstützung und Fürsorge ihrer Großmutter ermöglichte Esther den Besuch einer presbyterianischen Grundschule in der Nähe. Als weiterführende Schule bot sich nur ein Internat an, in dem Esther unter der Woche lebte, doch für die Mahlzeiten dort hatte die Familie kein Geld. Stattdessen nahm sich das Kind am Wochenende Lebensmittel mit in die Schule, die sie sich dort selbst zubereitete. Mit 17 Jahren erhielt Afua Nkulenu ein Stipendium für die Achimota School (Link Englisch) (die wir bereits von Agnes Yewande Savage und Matilda J. Clerk kennen), die sie fünf Jahre besuchte und mit einem Cambridge School Certificate abschloss.

Nachdem sie mit diesem Abschluss ein Jahr arbeitslos geblieben war, eröffnete sie 1942 ein kleines Unternehmen, in dem sie Orangenkonfitüre und Saft herstellte. Sie war damit die erste afrikanische Gründerin an der Goldküste. Die Tatsache, dass eine Absolventin einer Eliteschule nun „im Straßenverkauf“ arbeitete, wurde in der Presse missbilligend veröffentlicht, doch die Artikel über sie führten schließlich dazu, dass sie nicht nur für ihre ehemalige Schule, sondern auch für die RWAAF (Link Englisch) produzierte und somit ihren Umsatz steigern konnte. Nach sieben Jahren als Unternehmerin ermöglichten ihre eigenen Mittel sowie das Sponsoring durch die Achimota School ihr ein Studium im Vereinigten Königreich. Von 1949 bis 1951 besuchte sie zunächst das Good Housekeeping Institut in London, das sie als erste Person afrikanischer Herkunft mit einem Diplom abschloss, danach schloss sie ein Aufbaustudium an der Universität Bristol an, an der sie im Bereich der Lebensmittelkonservierung promovierte.

Nach ihrer Rückkehr nach Ghana heiratete sie unter dem Namen Ocloo, in der Ehe bekam sie vier Kinder. Vor allem aber baute sie ihr Unternehmen aus und wurde in der Organisation der ghanaischen Wirtschaft aktiv. Sie gründete eine Herstellervereinigung und beteiligte sich an einer Messe mit ghanaischen Produkten. Für zwei Jahre war sie die Präsidentin des Zusammenschlusses, der später die Federation of Ghana Industries werden sollte. In den 1960er Jahren erweiterte sie die Produktion ihres Unternehmen auf Batiktextilien, 1964 wurde sie die erste weibliche Executive Chairman des ghanaischen National Food and Nutrition Boards.

In den 1970er Jahren begann sie, international zu arbeiten. Für die Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Positionen der Frauen in kolonialisierten Ländern richtete sie Workshops ein, in denen Frauen lernten, ihre Lebensmittelprodukte zu konservieren, um ihren Umsatz steigern zu können. Sie übernahm beratende Rollen für die Regierung Ghanas und die Vereinten Nationen bei der Ersten Weltfrauenkonferenz in Mexiko 1975. Außerdem begann sie im Bereich der Mikrokredite zu arbeiten und gründete 1979 die Weltfrauenbank, der sie bis 1985 als Vorsitzende diente. Mit diesen Mikrokrediten wurden zahlreiche Frauen wirtschaftlich unterstützt und konnten die Lebenssituation ihrer Familien und ihre soziale Position verbessern; leider gerieten Mikrokredite in den letzten Jahren schließlich doch in die Kritik, weil ihre Wirksamkeit nicht belegbar ist und sich die Kreditinstitute schließlich nicht unterstützend, sondern aggressiv gegenüber ihren Gläubigern verhielten.

Esther Afua Ocloo erhielt 1990 noch gemeinsam mit Olusegun Obasanjo den ‚Großen Afrikapreis‘ für ihre Arbeit. Das Preisgeld, $50.000,-, investierte sie in die Sustainable End of Hunger Foundation, eine Organisation, die Nahrungsmittelspezialisten ausbildet, um das gelernte Wissen in die ländlichen Regionen zu bringen. In dieses Projekt brachte sie 1993 auch das Preisgeld ein, das ihr der Gottlieb-Duttweiler-Preis des gleichnamigen Instituts einbrachte. Zur gleichen Zeit richtete Ocloo eine Musterfarm für den biologischen Anbau von Getreide und Gemüse ein.

Zeit ihres Lebens war Esther Afua Ocloo auch in der presbyterianischen Kirche für Frauen tätig. Sie starb 2002 an einer Lungenentzündung.

Die Seite Ghana Web widmet ihr eine detaillierte Auflistung aller Positionen und Tätigkeiten. (Dort lässt sich auch die Corona-Situation für Ghana und benachbarte afrikanische Länder verfolgen.) Auch in der Encyclopedia Britannica hat sie einen eigenen Eintrag.

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frauenfiguren ida freund periodic table cupcakes
Ida Freund war die erste Person, die Periodic Table Cupcakes herstellte
Von Science History Institute, CC BY-SA 3.0

Ebenfalls diese Woche

15. April 1863: Ida Freund
In Wien geboren, wurde Ida Freund später die erste Universitätsdozentin im Vereinigten Königreich. Sie war Autorin zweier Chemielehrbücher und erfand eine Gasmessröhre, die nach ihr benannt wurde, doch heute nicht mehr in Gebrauch ist. Sie erfand auch die Periodic Table Cupcakes.

15. April 1961: Carol W. Greider
Die amerikanische Molekularbiologin erhielt für ihre Forschungen zum Enzym Telomerase 2009 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

16. April 1921: Mary Maynard Daly
Als erste Afro-Amerikanerin/WoC erlangte sie einen Doktortitel in Chemie an der Columbia University. Sie trug entscheidende Erkenntnisse bei zur Chemie der Histone, der Proteinsynthese, der Beziehung zwischen Cholesterin und Bluthochdruck und der Aufnahme von Kreatinen in Muskelzellen.

46/2019: Wendy Carlos, 14. November 1939

Wendy Carlos wurde in eine Arbeiterfamilie mit musikalischem Talent geboren, ihre Mutter spielte Klavier und sang, ein Onkel spielte Posaune. Wendy selbst lernte das Klavierspiel und kompinierte mit sechs Jahren ihr erstes Stück. Gleichzeitig interessierte sie sich für die frühe Informatik, mit vierzehn gewann sie ein Stipendium, indem sie eigenhändig einen Computer baute. Mit 23 machte sie einen ersten Abschluß in Physik und Musik an der Brown University und ging anschließend and die Columbia University, wo sie ihren Master in Komposition machte. Während des Studiums schrieb sie bereits die Musik für einige Studentenfilme und assistierte Leonard Bernstein während eines Abends für elektronische Musik in der David Geffen Hall. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete sie in einem Tonstudio.

In dieser Zeit traf sie zwei Menschen, mit denen sie erfolgreich zusammenarbeiten sollte. Robert Moog hatte sich bereits mehrere Jahre mit Thereminen und elektronischer Klangerstellung befasst (Höhepunkt seines Lebens soll es gewesen sein, das Theremin von Clara Rockmore reparieren zu dürfen). Moog hatte mit der Konstruktion seines Synthesizers begonnen, Wendy Carlos assistierte ihm und machte ihm hilfreiche Vorschläge. Sie komponierte Werbejingles und nahm Soundeffekte auf der Moog auf, für eine Veröffentlichung, in der sie die technischen Möglichkeiten des neuartigen Instruments vorstellte, wurde sie zu großen Teilen in Materialien von Moog entlohnt.

Für einen Einblick in die Geschichte und technische Komplexität des Moog Synthesizers empfehle ich das unten geteilte Video (Englisch).

Die andere langjährige Freundschaft und musikalische Partnerschaft, die Wendy Carlos während ihrer Zeit an der Columbia University begründete, war die zu Rachel Elkind. Die beiden teilten eine Wohnung, ein Studio und Geschäftsräume und arbeiteten gemeinsam an Carlos‘ Musik, bis Elkind 1980 mit ihrem Mann nach Frankreich zog. Elkind war die Stimme, die Carlos für ihre Arbeiten in ihrem Vocoder verfremdete; Carlos war stets der Ansicht, dass Elkinds Beitrag zu ihrer Musik unterschätzt wurde.

Bereits 1967 entstand die Idee, Kompositionen von Johann Sebastian Bach auf einem Synthesizer zu spielen. Dank eines Labels, das eine Verkaufskampagne unter dem Slogan „Bach to Rock“ gestartet hatte, ohne Bach in seinem Programm zu führen, kamen Carlos und Elkind mit dieser Idee zu einem Vertrag, der bis in die 1980er laufen sollte. Die Umsetzung war mit großer Mühe verbunden, da ein Moog Synthesizer stets nur einen Ton zur Zeit spielen konnte – wer erstens die Kompositionen von Bach und zweitens die Technik der Moog Synthesizer kennt (siehe Video oben), bekommt einen Begriff davon, was diese Aufgabe bedeutete. Als das Album Switched-on Bach schließlich 1968 auf den Markt kam, wurde es ein unerwarteter Erfolg. Es hielt sich auf Platz Eins der klassischen Alben in den Vereinigten Staaten von Januar 1969 bis Januas 1972. 1970 gewann es einen Grammy Award, vor allem aber rückte es den Synthesizer als ernstzunehmendes Instrument in ein neues Licht. Der Erfolg des Albums ermöglichte Carlos den Umzug in Elkinds Appartment in New York City.

Nach dem Bach-Album erhielt Carlos zwei Angebote für Filmmusik, eines davon 1971 der Soundtrack zu Stanley Kubricks Uhrwerk Orange. Aus dieser Arbeit gingen zwei Alben hervor, das Soundtrack-Album zum Film sowie eine Veröffentlichung Carlos‘ mit von ihr komponierten Stücken, die nicht im Film verwendet wurden. 1980 arbeitete Carlos wieder mit Kubrick zusammen, für die Musik zu Shining. Obwohl Carlos hierfür einige Stücke komponierte, nutzte Kubrick nur zwei, die Carlos und Elkind zugeordnet werden können.

Nachdem Elkind nach Frankreich gegangen war, schloß sich Carlos wiederum privat und beruflich mit einer Frau zusammen, Annemarie Franklin. Mit ihr gemeinsam entstand zwischen 1980 und 1982 der Soundtrack zu Tron. Im Anschluss an diese dritte Arbeit mit großen Unternehmen ging Carlos einen Vertrag mit einem kleinen Musiklabel ein, um eigene Projekte zu verfolgen. Schon zwischen den publikumsträchtigen Arbeiten am Film hatte sie verschiedene klassische Werke als elektronische Interpretation veröffentlicht, unter anderem basierend auf Bachs Wohltemperiertem Klavier. In den 1980er Jahren experimentierte Carlos nun selbst mit Intonation, Oktaven und Stimmungen, was in in vier mikrotonalen Tonleitern resultierte, die Carlos Harmonisch, Alpha, Beta und Gamma nannte. Diese verwendete sie auf ihrem Album mit eigenen Kompositionen, The Beauty in the Beast.

Eine ziemlich atemlose, aber faszinierende Erläuterung dieses musiktheoretischen Aspekts von Wendy Carlos‘ Werk liefert das folgende Video.

1988 schuf Carlos eine Parodie von Prokofjews Peter und der Wolf in Zusammenarbeit mit Weird Al Yankovic. Auch in den 1990er Jahre und bis heute blieb Carlos in der elektronischen Musik tätig, schrieb Filmmusiken und veröffentlichte weitere Alben.

Bei ihrer Geburt wurde Wendy Carlos aufgrund der Physiognomie das männliche Geschlecht zugewiesen (AMAB) und sie wurde Walter genannt (diesen alten Namen, der das zugewiesende Geschlecht ausweist, bezeichnen trans*Personen als dead name). Schon mit sechs Jahren empfand sie diese Zuschreibung als fehlerhaft. Als sie als junger Mensch nach New York kam, hörte sie zum ersten Mal von transgender*Identität, 1968 begann sie nach einer Therapie bei Harry Benjamin mit Hormongaben zur Geschlechtsumwandlung. Doch noch bis in die 1970er Jahre litt sie unter Geschlechtsdysphorie, trat nicht gerne öffentlich auf und versuchte ihre weiblichen Merkmale bei großen Veranstaltungen zu kaschieren. Der kommerzielle Erfolg von Switched-on Bach erlaubte ihr die kostspielige chirurgische Geschlechtsangleichung. Ende der 1970 machte Carlos ihre trans*Identität in Interviews im Fernsehen und dem Playboy bekannt. Sie stellte fest, dass die Reaktion der Öffentlichkeit weniger negativ ausfiel als befürchtet, bishin zur Gleichgültigkeit – ihr „Versteckspiel“ habe sich als monströse Zeitverschwendung herausgestellt, bemerkte sie 1985 (Quelle: Wikipedia).

Wie auch die oben geteilten Clips kommentiert auch das zeitgenössische Video des BBC Two von 1989 ihre trans*Identität in keiner Weise. So einfach kann es sein.

Ihr Privileg als erfolgreiche weiße Künstlerin spielt bei dieser Erfahrung mit Sicherheit eine Rolle. Gewalttaten gegen trans Personen, insbesondere schwarze trans Frauen, werden noch immer zu häufig begangen und noch immer zu häufig werden die Opfer medial falsch gegendert und die Transphobie als Motiv verschwiegen. Dazu führt die Human Rights Campaign eine jährliche Liste und auch bei uns nehmen Gewalttaten gegen Queerfolk zu. In der Gesellschaft ist weder das Verständnis noch die Akzeptanz von trans Identität so angekommen, wie es wünschenswert wäre. Gerade saß etwa Diana O. – vom Gesetz offiziell als Frau anerkannt – bis Anfang November in einem Männergefängnis ein. Sie wurde wegen Verdachtes auf Drogenbesitz festgenommen, ihre Papier weisen sie als Frau aus, doch weil sie (noch) keine geschlechtsangleichende Operation des Unterleibs hat durchführen lassen, wurde sie in U-Haft in der Männerabteilung festgehalten.

Es war ein schöner Zufall, dass ich Wendy Carlos als Musikerin, die auch meine Kindheit mit beeinflusst hat (Switched-on Bach stand im elterlichen Plattenregal und gehörte zu meinen Favoriten), gerade während der Transgender Awareness Week vorstellen konnte. Ihr Werk als Künstlerin steht im Vordergrund, doch ist ein willkommener Anlass, auf die Tatsache hinzuweisen, dass trans Identität keine Modeerscheinung der heutigen Jugend ist, sondern zur Geschichte der Menschheit – und zur Kunstgeschichte – gehört.

WEG MIT
§218!