Schlagwort: geleiteter zufall

KW 52/2015: Renate Welsh, 22. Dezember 1937

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Passend so kurz vor Weihnachten mit zwei Kindern bin ich mit Renate Welsh auf eine Kindheitserinnerung gestoßen: Das Vamperl gehörte zu meinem ersten Lesestoff. Das Vamperl ist ein kleiner Vampir, der kein Blut saugt, sondern wütenden Menschen die Galle abtrinkt. Wer bis jetzt noch kein Weihnachtsgeschenk für Kinder zwischen 7-10 hat, dem lege ich das Buch ans Herz (lehrer-online.de empfiehlt es als Unterrichtsmaterial für die 3. Klasse). Vielleicht kann damit das kommende Jahr etwas weniger toxisch gelingen… Frohes Fest!

KW 51/2015: Annemie Fontana, 14. Dezember 1925

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Weil ich gerade einen Run habe und man ja nicht weiß, was bis Jahresende noch dazwischenkommt, mache ich es mir diese Woche mit einer visuell ansprechenden Künsterin leicht.
Fontanas Werk umfasst Siebdrucke sowie Skulpturen aus Metall und Polyester.

Google-Ergebnisse Annemie Fontana

Google-Ergebnisse Annemie Fontana

KW 50/2015: Gerlinde Kaltenbrunner, 13. Dezember 1970

Gerlinde Kaltenbrunner

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Unter Bergsteigern sind die Achttausender die Goldmedaillen; 14 sind es an der Zahl: Mount Everest, K2, Kangchendzonga, Lhotse, Makalu, Cho Oyu, Dhaulagiri, Manaslu, Nanga Prabat, Annapurna, Hidden Peak (Gasherbrum I), Broad Peak, Gasherbrum II und Shishapangma.

Der erste, der alle 14 Achttausender bestieg, war Reinhold Messner (1986). Erst 2010 schlossen auch zwei Frauen die Reihe ab, und 2011 war Gerlinde Kaltenbrunner die erste Frau, die alle Achttausender sämtlich ohne Zuhilfenahme von Sauerstoffzufuhr bestieg. Sie begann die Serie mit 23 auf dem Broad Peak, erarbeitete sich 11 Gipfel zum Teil in mehreren Anläufen über die folgenden Jahre, meisterte mit dem Mount Everest den höchsten Achttausender im Jahr 2010 und schloss die Reihe 2011 mit dem K2.
Auf ihrer Webseite kann man diverse Expeditionsberichte nachlesen.

Bild: Von Franz Johann Morgenbesser from Vienna, Austria – Kaltenbrunner_Gerlinde,Bergsteigerin-3266, CC BY-SA 2.0

KW 49/2015: E. Marlitt, 5. Dezember 1825

E. Marlitt

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E. Marlitt (Pseudonym, eigentlich Friederike Henriette Christiane Eugenie John) gilt als erste Bestsellerautorin der Welt. Ihre Romane, deren Handlung sich in der adligen Gesellschaftsklasse abspielte, waren bei Frauen des gehobenen Bürgertums sehr beliebt; so beliebt, dass Theodor Fontane sich in einem Brief an seine Frau darüber beschwerte, dass sie zahlreiche Auflagen und Übersetzungen erreichte, „um mich kümmert sich keine Katze“.

Ihr Roman „Reichsgräfin Gisela“ von 1869 wurde 1918 das erste Mal verfilmt.

Bild: Von Verschiedene – Scan des Originals, Gemeinfrei

KW 48/2015: Mary Gerold, 27. November 1898

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Kurt Tucholsky liebte Frauen, und er liebte besonders kluge, freie und starke Frauen. Leider mehrere und manchmal gleichzeitig.

Seine Liebe zu Else Weil, die er in „Rheinsberg“ als Claire verewigte, prägte das Frauenbild der 1920er Jahre – selbstbewusst, gebildet, selbständig, ja unabhängig: so durften Frauen sein, weil sie von ihm so verliebt beschrieben wurden.

Mary Gerold war vor, zeitgleich und nach Else Weil eine Liebe Kurt Tucholskys, und ihr widmete er in seinem letzten Brief an sie, kurz vor seinem Selbstmord, den schönsten Satz, den ein bindungsgestörter, bekanntermaßen der Treue Unfähiger einer Frau, die er betrogen und verlassen hat, schreiben kann: „Hat einen Goldklumpen in der Hand gehabt und sich nach Rechenpfennigen gebückt; hat nicht verstanden und hat Dummheiten gemacht, hat zwar nicht verraten, aber betrogen, und hat nicht verstanden.“

Mary Gerold war Tucholskys Alleinerbin und Gründerin des Tucholsky-Archivs.

KW 47/2015: Dolly Shepherd, 19. November 1886

Dolly Shepherd

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Freier Fall und gewagte Sprünge sind derzeit ein Thema in meinem Leben, daher passt Dolly Shepherd gerade sehr schön. Dolly hatte einige Male Glück in ihrem Leben und war auch Retterin: sie vollführte die allererste Mid-Air Luftrettung, als bei einem Doppelsprung aus einem Heißluftballon der Schirm ihrer Kollegin nicht öffnete. Dolly ließ sie die Arme und Beine um sich schlingen und rettete ihr so das Leben – nicht ohne Konsequenzen natürlich. Da die beiden zu schwer für einen Ein-Mann-Schirm waren, war Dolly einige Wochen nach dem Ereignis gelähmt.
Sie überlebte alle ihre Sprünge und zwei Weltkriege und sprang noch einmal mit über 90 Jahren mit den Red Devils.

Bild: Von Unbekannt – This is photograph Q 98454 from the collections of the Imperial War Museums., Gemeinfrei

KW 46/2015: Mena Schemm-Gregory, 11. November 1976

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Mena Schemm-Gregorys Fachgebiet waren die Brachyopoden, Armfüßer, von denen ich zugegebenermaßen gerade mal weiß, dass es sie gab und gibt.

Dazu, diese junge Paläontologien als Frau der Woche zu wählen, haben mich drei Dinge bewogen: Erstens der Umfang ihrer Bildung und Arbeit. Neben Geologie und Paläontologie studierte sie auch italienische, spanische und portugiesische Philologie und arbeitete früh bereits im Forschungsinstitut Senckenberg. Sie galt mit ihren vielzähligen Forschungsarbeiten als Königin der Brachyopoden. Zweitens studierte sie z. T. zeitgleich mit mir in Marburg, was sie mir – obwohl ich ihr tatsächlich nie begegnet bin – gefühlsmäßig nahe brachte. Drittens schließlich die Tragik, dass sie bereits 2013 mit 36 Jahren verstarb. Sie hat ein kurzes Leben reichhaltig gefüllt.

KW 45/2015: Erika Abels d’Albert, 3. November 1896

Erika Abels d'Albert

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In meinem Wunsch, die Frauen sichtbar zu machen, die in der Geschichte gewirkt und unter den Massen berühmter Männer unsichtbar geworden sind, helfen mir natürlich eigentlich diejenigen Figuren, über die möglichst viel bekannt ist. Je klarer ein Profil zu zeichnen ist, desto deutlicher scheint es hervor.

Gleichzeitig sind natürlich die Frauen, von denen wir wenig wissen können, nur, dass es sie gab und sie in irgendeiner Form einen Abdruck hinterlassen haben, in ihrer mysteriösen Ungreifbarkeit spannend und wecken die Neugier. Je weniger diese befriedigt werden kann, desto nachhaltiger ihre Faszination – wie ein Rätsel, das man nicht lösen kann und zu dem man deshalb immer wieder zurückkehren muss.

Erika Abels d’Albert war eine Künstlerin, die in den 1920er Jahren arbeitete und ausstellte. Von ihren Werken sind heute noch drei in gesicherter Originalität in Museen vorhanden – Fotos davon sucht man im Netz vergeblich.

Um einen höheren Bekanntheitsgrad für sie bemüht ist eine Webseite, auf der auf einen Blick alle sieben (!) von ihr existenten Fotografien zu sehen sind. Ich würde mich freuen, wenn sich in Zukunft mehr einfinden würde. Vor allem von ihr entworfene Mode würde mich interessieren.

Bild: Von Carl Pietzner (* 1853, † 1927) – Zeitschrift Sport und Salon, 06. 12. 1913, S. 11, Bild-PD-alt

KW 44/2015: Leta Semanedi, 26. Oktober 1944

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Leta Semanedi schreibt Gedichte auf Deutsch und Vallander, einem rätoromanischen Dialekt – was das ist, was mich an ihr interessiert.

So wie Pflanzen und Tiere durch Abschottung vom Rest der Welt ihre eigenen Entwicklungswege gehen, so machen Sprachen das auch. Rätoromanisch bzw. seine verschiedenen Formen sind Vermischung einer wahrscheinlich nicht indogermanischen Sprache – der Räter, die zu den Kelten gezählt werden – und des Latein ihrer römischen Eroberer. Tatsächlich finden sich in diesen Dialekten lateinische Formen mit den weichen Nuschellauten, die man aus dem „gewöhnlichen“ Schwyzerdüütsch kennt, was eine faszinierende Mischung aus Fremdem und Vertrautem ergibt.

So etwas kann sich niemand ausdenken.

KW 43/2015: Beate Uhse, 25. Oktober 1919

Beate Uhse

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Der Name Beate Uhse ist durch ihr bekanntes Unternehmen „für Ehehygiene“ natürlich untrennbar mit Sexspielzeug verbunden. Noch in meiner Jugend hatte der Name den Klang von verschämtem Papiertütenrascheln, in denen Kataloge oder unaussprechliche Gegenstände, gleichzeitig abstoßend und faszinierend, verhüllt wurden.

In der heutigen Zeit macht man sich gar kein Bild mehr davon, was für eine Chuzpe dazu gehörte, als Frau in der Nachkriegszeit Frauen mit Wissen und Handwerkszeug für sexuelle Freiheit zu versorgen. Das Sexspielzeug folgte schließlich erst mit der Befreiung einer ganzen Generation, an der Freigeist Uhse maßgeblich beiteiligt war. Dildos und Plüschhandschellen dienen im weitesten Sinne zwar auch einer „Ehehygiene“ – begonnen hat es aber mit der Belehrung der Frauen über die Knaus-Ogino-Methode. Diese Kenntnis über den eigenen Körper war in den 1950er Jahren revolutionär; Kondome für unverheiratete oder verwitwete Frauen unerreichbar.

Beate Uhse half der weiblichen deutschen Bevölkerung, sexuell aktiv zu bleiben, ohne schwanger zu werden, in aufgewühlten Zeiten, in denen ein Großteil der männlichen Bevölkerung verstorben oder in Gefangenschaft war, Beziehungen zerbrachen und nur flüchtig neu eingegangen wurden. Ohne sie gäbe es die anderen Sexspielzeugläden nicht, zumindest nicht in dieser Form.

Die Sache ist, dass die Geschichte ihres Unternehmens nur ein Ausdruck ihrer willensstarken und kompromisslosen Wesensart ist. Bevor sie die sexuelle Revolution vorbereitete, war sie vor dem und im Zweiten Weltkrieg Pilotin, unter anderem im Rang eines Hauptmanns. Als Pilotin rettete sie ihren Sohn, ihr Kindermädchen und vier weitere Personen vor den einmarschierenden Russen in Gatow.

Und nachdem sie ihr Unternehmen aufgebaut, ein weiteres Kind bekommen und Magenkrebs überlebt hatte, machte sie mit 75 Jahren noch ihren Tauchschein.

Respekt, Beate Uhse. Respekt.

Bild: Von Rob C. Croes / Anefo – Nationaal Archief, CC BY-SA 3.0 nl

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