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Louise Bourgeois Boursier

* 1563 • † 1636

Louise (oder Louyse) Bourgeois kam als Kind wohlhabender Eltern in der Nähe von Paris zur Welt und erhielt eine standesgemäße Bildung. Mit 21 Jahren heiratete sie Martin Boursier, einen Barbier, der bei Ambroise Paré zum Militärchirurg ausgebildet wurde.

Während des Achten Hugenottenkrieges arbeitete ihr Mann als Feldchirurg, Bourgeois Boursier blieb mit ihren drei Kindern allein. Als nun Heinrich IV. 1589 Paris angriff, zog sie aus dem Vorort in die durch Mauern gesichterte Stadt. Sie hatte sich einige Zeit mit dem Nähen von Spitze über Wasser gehalten, doch davon konnte sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern. Bei der Geburt ihres dritten Kindes hatte ihre Hebamme ihr vorgeschlagen, ebenfalls in diesem Beruf zu arbeiten, und das tat sie. Ihre medizinischen Kenntnisse bezog sie von ihrem Mann und dessen Mentor Paré, außerdem hatte sie als dreifache Mutter eigene Erfahrungen mit Schwangerschaft und Geburt; das Hôtel-Dieu in Paris bot allerdings auch Kurse für werdende Hebammen an und es ist möglich, das Bourgeois Boursier diese besuchte. In jedem Fall bestand sie 1598 die Diplom-Prüfungen, die sie für eine Lizenz als Hebamme benötigte. Die Prüfungskommission bestand zu dieser Zeit aus zwei praktischen Ärzten, zwei Chirurgen und zwei erfahrenen Hebammen.

Nachdem sie drei Jahre erfolgreich als Hebamme für Pariser Bürgerinnen gearbeitet hatte, verlangte die von der französischen Königin Maria de’Medici nach ihrem Dienst: Die Hofhebamme, Madame Dupois, hatte auch die Mätresse des Königs bei der Geburt begleitet, was die Königin ihr nicht verzieh. Bourgeois Boursier hatte bereits anderen Frauen am Hof als Hebamme zur Seite gestanden, von 1601 an war sie nun die offizielle Hebamme der Königin und half dem späteren König Ludwig XIII. auf die Welt. Bis 1610 folgten fünf weitere Kinder der Königin, deren Geburten Bourgeois Boursier begleitete, wobei sie für jeden Sohn 500 Livres und für jede Tochter 300 Livres Prämie erhielt – das durchschnittliche Einkommen einer Hebamme zu dieser Zeit waren 50 Livres pro Geburt. Nach dem Kronprinzen Ludwig 1601 gebar Marie de‘ Medici zwei Töchter, Elisabeth 1603 und Christina 1606, anschließend zwei Söhne in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, Nicolas Henri 1607 und Gaston 1608, und schließlich 1609 eine weitere Tochter, Henrietta Maria. Bereits 1608, nach dem dritten Sohn, erhielt Bourgeois Boursier eine Prämie von 6.000 Livres für ihre Dienste, nach dem letzten Kind bat sie um eine Pension von jährlich 600 Livres, der König gestand ihr 300 Livres jährlich zu, was ihr bereits einen ruhigen Lebensabend ermöglichte.

Louise Bourgeois Boursier setzte sich zumindest von der Arbeit mit der Königin zur Ruhe, sie betreute jedoch weiterhin gelegentlich Geburten, vor allem aber schrieb sie ein Buch über die Geburtsheilkunde. Sie nannte sich die erste Frau ihrer Profession, die „die Feder aufnahm“, was natürlich nicht vollständig der Wahrheit entspricht. Dennoch löste ihr Buch schließlich die Trotula aus dem 12. Jahrhundert als maßgebliches Werk über Hebammenwissen ab und blieb über hundert Jahre die Standardreferenz in diesem Gebiet. Doch es machte auch Wissen, zuvor von Hebamme zu Hebamme weitergegeben, nicht nur interessierten Laien, sondern auch den Ärzten zugänglich, die vor allem für Bourgeois Boursier selbst zur Konkurrenz wurden. 1627 begleitete sie die Geburt der Ehefrau von Gaston de Bourbon, den sie bereits selbst in die Welt geholt hatte, doch diese verstarb kurz darauf am Kindbettfieber. Die Hofärzte hielten in ihrem Obduktionsbericht fest, dass ein Teil der Plazenta (CW Bilder) in der Gebärmutter verblieben sei, was der Hebamme die Schuld am Tod der jungen Mutter zuwies. Bourgeois Boursiers Ruf litt selbstverständlich darunter, auch wenn sie eine öffentliche „Entschuldigung“ verfasste; in dieser bezichtigte sie jedoch wiederum die Ärzte der Unkenntnis, was genau eine Nachgeburt (CW Bilder) ausmache und was nicht, und verwies auf ihre jahrelangen Erfahrungen und ihre Veröffentlichungen. In der Folge musste sie sich dennoch mehr auf das Schreiben verlegen, so verfasste sie später Bücher mit Erinnerungen an ihre Zeit als Hebamme des Königspaares. Ihr Buch und die Rufschädigung nach dem Tod der Herzogin de Bourbon führten dazu, dass Hebammen am Hof und somit auch in der Gesellschaft an Ansehen verloren und – männliche – Ärzte diesen traditionell weiblichen Bereich der Gesundheitsfürsorge übernahmen, nicht unbedingt zum Vorteil für die Mütter.

Louise Bourgeois Boursier starb schließlich 1636 im Alter von 73 Jahren. Ihre Nachfahrin Angélique du Coudray wurde 1743 zur leitenden Hebamme des Hôtel-Dieu in Paris, nachdem sie mit einer Petition dafür gesorgt hatte, dass weiterhin Hebammen – und nicht Chirurgen – für die Hebammenausbildung verantwortlich sein sollten.

Trota von Salerno

12. Jhdt.

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„Pen and wash drawing showing a standing female healer, perhaps of Trotula, clothed in red and green with a white headdress, holding up a urine flask to which she points with her right hand.“ From: Miscellanea medica XVIII, Published: Early 14th century, Folio 65 recto (=33 recto), Collection: Archives & Manuscripts, Library reference no.: and Archives and Manuscripts MS.544

Trota von Salerno (Link Englisch) war eine der „Frauen von Salerno“; medizinische Heilkundige, die an der Medizinschule von Salerno studierten. Trota war nach heutigem Kenntnisstand Mitglied der Fakultät, also Lehrende, doch mehr ist über sie nicht bekannt.

Sie schrieb jedoch mehrere medizinische Abhandlungen und Traktate, deren Rezeptionsgeschichte, Zuordnung und Neu-Zuordnung ich versuchen will, hier übersichtlich wiederzugeben.

Das am längsten mit ihrem Namen in Verbindung stehende Werk ist ein Ensemble medizinischer Texte über Frauenheilkunde, das unter dem Namen Trotula veröffentlicht und weitergegeben wurde. Obwohl der Name des Werkes übersetzt „kleines Buch der Trota“ heißt, ist sie wohl nicht Autorin eines der drei Texte. Sie wird jedoch im mittleren Teil namens De curis mulierum (Über die Versorgung der Frauen) namentlich genannt als magistra operis, also als Meisterin, von gleichem Ansehen wie ein männlicher Mediziner. Sie wird hinzugerufen in einem Fall, in dem eine Frau „Wind im Uterus“ hat, was für Außenstehende wie eine Ruptur oder wie Darmbeschwerden aussehen könne. Dieser Teil der Trotula befasst sich außerdem mit den Hemmungen, die Frauen haben, sich über ihre weiblichen Beschwerden und intime Körperteile mit männlichen Ärzten zu unterhalten, mit verschiedenen Heilmethoden für Menstruationsbeschwerden und Unfruchtbarkeit (die sie nicht allein den Frauen zuschreibt), mit der Verhütung, der Geburtshilfe und der Säuglingsversorgung. Ein Absatz befasst sich wohl auch mit der Möglichkeit, die Vulva zu verengen, um wieder „für eine Jungfrau gehalten“ werden zu können. Nunja.

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Karte des normannischen Herrschaftsgebietes im 12. Jahrhundert
Von Captain Blood – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Über die Motivation für die Entstehung der Trotula sowie die Gründe, warum darin von Trota in der dritten Person und mehrfach von einem unkonkreten „Wir“ die Rede ist, hat die Trota-Forscherin Monica Green (Link Englisch) eine schlüssige Theorie formuliert. Denn tatsächlich konnten die meisten Frauen, an die sich das Werk in Trotas Umkreis hätte richten können, nicht lesen. Stattdessen machte eine solche Niederschrift der medizinischen Kenntnisse nur Sinn zur Weitergabe an Fachpersonal, das sich nicht im Umkreis befand. Im Text finden sich jedoch einige Worte englischer Herkunft, und zu Lebzeiten Trotas waren sowohl Teile Englands wie auch Süditalien unter normannischer Herrschaft, was einen regen kulturellen Austausch zur Folge hatte. Es kursierte im 13. Jahrhundert auch bereits ein anglonormannischer Kosmetikratgeber namens Ornatus mulierum (Über die Ausstattung der Frau), der „Dame Trota“ als Quelle für seinen Wissensfundus angibt. Green vermutet daher, dass Trota bereits einen Ruf als Fachfrau für weibliche Gesundheitsthemen über die Grenzen Salernos hinaus hatte und eine englischsprachige Person aufgrund ihres Ruhmes einen Besuch in Salerno zum Anlass nahm, die Erkenntnisse der Medizinerin niederzuschreiben.

Bereits kurz nach seiner Erstellung gab es Kopien der Trotula, die unter dem Namen eines Johannes Platearius veröffentlicht wurden; ein Jahrhundert später nahm eine andere salernische Medizinierin Kürzungen und Änderungen am Text vor. Trotz seiner vielseitigen Erscheinungsformen galt das Ensemble bis ins 16. Jahrhundert hinein als medizinisches Standardwerk.

1544 bearbeitete der Verleger Georg Kraut die Trotula derartig, dass es erschien, als seien alle drei Texte von einer einzelnen Person, dabei entfernte er auch alle Namensnennungen von Personen vor dem 3. Jahrhundert, sodass der Text wesentliche älter erschien. Diese Fassung wurde später von einem Casper Wolf noch dazu unter dem Autorennamen Eros Julia verlegt – dem Hausarzt der Tochter Kaiser Augustus‘ aus der Zeit um Christi Geburt. Andere Verleger veränderten den Namen noch weiter zu Erotian.

Es bestand zwar stets die Theorie, dass der Text von einer Frau geschrieben sein könnte, doch genauso hartnäckig hielten sich die diversen Theorien, warum das auf keinen Fall so sein könnte. Zum Beispiel erklärte der Medizinhistoriker Karl Sudhoff 1921, dass die lehrenden Frauen von Salerno keine Ärztinnen, sondern („nur“) Hebammen und Krankenschwestern gewesen sein konnten und – logischerweise – deshalb auch keine medizinischen Abhandlung hätten schreiben können. Sein Kollege Charles Singer ging 1928 gar so weit, den Text weniger für ein wissenschaftliches Traktat als vielmehr für Pornografie zu halten – der erotische Reiz sei durch den Autor, einen Arzt namens Trottus, mit der behaupteten weiblichen Quelle gesteigert worden. Ein entscheidender Aspekt, der von Gegnern der Autorin-Theorie hervorgebracht wurde, war die direkte und klare Sprache in Bezug auf weibliche Anatomie, wie etwa der oben genannte Ratschlag zur Verengung der Vulva. Die Herren der Wissenschaft kannten das weibliche Sprechen über den weiblichen Körper vermutlich nur verschämt und verklausuliert; dass Frauen untereinander wesentlich deutlicher und weniger schamhaft sein könnten, ging über ihre Vorstellungskraft hinaus. Wie so oft machten die beschränkte Sichtweise, moralische Empörung und systematische Misogynie männlicher Wissenschaftler eine Wissenschaftlerin zum Opfer des Matilda-Effektes (dessen frühestes Opfer Pandrosion habe ich vor fast genau vier Wochen hier vorgestellt).

Die beiden genannten Medizinhistoriker bezogen sich inzwischen allerdings auch nicht mehr nur auf den mitteleren Text der Trotula. 1837 wurde die Existenz einer Sammlung medizinischer Abhandlung bekannt, des Codex Salernitanus (der Salernische Kodex). Einer der sieben darin enthaltenen Texte, De egritudinum curatione (Zur Behandung von Krankheiten), sowie mehrere Anmerkungen in anderen stammten von einer mit ‚Trot.‘ verkürzt benannten Person. Die Beschreibung praktischer Eingriffe im Codex sowie die Tatsache, dass Geburtsthilfe nur am Rande vorkam, belegten nach Karl Sudhoff, dass keine Frau als Autorin in Frage kam. Er ließ einige der Texte von Studenten überarbeiten, einer davon, Conrad Hiersemann, überarbeitete den Text 1921 erneut und setzte für ‚Trot.‘ den männlichen Namen Trottus ein. Er nahm – nach heutigem Kenntnisstand – richtig an, dass ‚Trot.‘ ein Werk über Medizin und Pathologie geschrieben hat und der Text im Codex eine verkürzte Fassung der wichtigsten Abschnitte darstellte. Auch er schloss aus der Tatsache, dass die Geburtshilfe nicht das vorwiegende Thema war, eine weibliche Autorin aus. (Quelle: Virus – Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin 4)

Diese falsche Annahme von einem männlichen Arzt als Autor dieser beiden Texte hielt sich bis 1985. In diesem Jahr entdeckte der Historiker John F. Benton einen Text namens Practicam secundum Trotam (Medizinische Praxis nach Trota) in einem Manuskript in Madrid, das mit mit großer Wahrscheinlichkeit zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschrieben wurde. Ein zweite Teilkopie dieser Abhandlung fand seine Kollegin Monica Green (s.o.) später in einem Manuskript in Oxford. Anhand der Überschneidungen dieses Textes mit De egritudinum curatione konnte Benton die Existenz der weiblichen Medizinerin Trota als Autorin beider Texte eindeutig belegen; er war dennoch weiterhin der Meinung, dass die drei Texte der Trotula alle nicht von ihr, sondern, wie er nachwies, von drei unterschiedlichen männlichen Autoren stammten. Green, die nach Bentons Tod 1988 seine Forschungen fortsetzte, stellte jedoch neben der großen Übereinstimmung des Practicam secundum Trotam mit De curis mulierum in der Trotula auch Deckungsgleichheit fest mit De egritudinum curatione und den Kosmetikratgebern, in denen die ‚Dame Trota‘ erwähnt wird. Sie konnte damit beweisen, dass sich die medizinische Kenntnis der Trota von Salerno über fast alle medizinischen Gebiete erstreckte, von der praktischen Chirurgie abgesehen. Practicam secundum Trotam befasst sich zu drei Viertel seines Inhaltes mit allen möglichen anderen medizinischen Themen als der Frauenheilkunde.

Monika Green glaubt jedoch nicht, dass damit auch bewiesen ist, dass Trota von Salerno und ihre Kolleginnen wenigstens zu ihrer Zeit ein entsprechendes Ansehen an der Fakultät und in der Wissenschaft hatten. So erwähnt Trota in ihren Texten mehrfach männliche Kollegen und Referenzen, in deren Texten ist jedoch durchgängig verallgemeinernd von den „Frauen von Salerno“ die Rede. Sie mag als praktische Medizinerin einen hohen Status gehabt haben, als Fachfrau, Lehrende und Wissenschaftlerin war und wurde sie jedoch kaum anerkannt. Green führt das darauf zurück, dass sich Trota an der Schwelle zur Ausbildung der akademischen Medizin befand – und die akademische Arbeit wurde bereits damals von Männern dominiert, die die praktische Erfahrung der Frauen im theoretischen und lehrenden Kontext nicht wertschätzten.

Trota von Salerno reiht sich somit ein in die Mulieres Salernitanae (Link Englisch), die es nachweislich gab, die jedoch kaum Texte schrieben oder, wie im Fall von Abella (die eigentlich auch auf den Zeitstrahl der Frauen in der Wissenschaft gehören würde), deren Texte einfach verloren gingen. Abella schrieb mindestens zwei Texte in Versform, einen über die Schwarze Galle und einen über den menschlichen Samen. Salvatore de Renzi (Link Englisch), ein italienischer Arzt, nannte in einer Arbeit über die Medizinschule von Salerno neben Abella noch Rebecca de Guarna (Link Englisch), Mercuriade (Link Englisch) und Constance Calenda (Link Englisch).

Judy Chicago widmete Abella als Repräsentantin der Salernischen Frauen eine Bodenfliese im Heritage Floor ihrer Installation The Dinner Party, wo auch Aglaonike einen Platz hat.

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§218!