Schlagwort: würfelverdopplung

Pandrosion

ca. 300 n. Chr.

An der tatsächlichen Existenz von Pandrosion (Link Englisch) besteht keinerlei Zweifel, dennoch ist oder war sie lange Zeit obskur, denn im 19. Jahrhundert wurde sie von einem Übersetzer kurzerhand zum Mann gemacht.

Der griechische Mathematiker Pappos von Alexandria spricht in seiner Mathematischen Sammlung von Pandrosion, insbesondere ihre Lösung für die Würfelverdopplung. Dies ist eines der klassischen Probleme der antiken Mathematik, neben der berühmten Quadratur des Kreises und der Dreiteilung des Winkels. Das eigentliche Problem dieser drei geometrischen Aufgaben im klassischen Griechenland lag an den eingeschränkten Mitteln: In nur einer begrenzten Anzahl von Schritten sollten diese Probleme mit den Euklidischen Werkzeugen Lineal und Zirkel gelöst werden. Bei allen dreien wurde erst im 19. Jahrhundert bewiesen, dass dies im Grunde gar nicht möglich ist.

Für die Würfelverdopplung hatte Archytas von Tarent 800 Jahre vor Pandrosion bereits eine rechnerische Lösung gefunden, an deren Visualisierung sich auch mathematisch unbewanderte Menschen (wie ich) ästhetisch erfreuen können: Mithilfe der Oberflächen eines Torus, eines Zylinders und eines Konus – die Beschränkung der Hilfsmittel auf Lineal und Zirkel galten zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Doch zurück aus der Abschweifung zu Pandrosion. Laut Pappos sei sie einer Lösung dieses Problems unter den inzwischen strengeren Regeln nahe gekommen, habe dafür aber nicht ausreichend mathematische Beweise erbracht. In seiner Sammlung widmet er eine Sektion der Korrektur von Pandrosions Fehlern; an anderer Stelle schließt er eine Methode ein, das geometrische Mittel zu exakt errechnen, die indirekt ebenfalls auf Pandrosion zurückging.

Bei seiner Übersetzung der Sammlung vom Griechischen ins Lateinische konnte sich Friedrich Hultsch 1878 schlicht nicht vorstellen, dass Pandrosion eine Frau gewesen sein könnte, und unterstellte Pappos, sich bei der weiblichen Anrede an sie geirrt zu haben. Kurzerhand „korrigierte“ er in einem Akt, der dem Matilda-Effekt ähnelt, die Anrede und so wurde Pandrosion lange Zeit männlich gelesen. Es sollte 110 Jahre dauern, bis sich ein englischer Übersetzer namens Alexander Raymond Jones 1988 für eine direkte Übersetzung ins Englische mit den griechischen Originalen befasste, und überzeugend darlegte, dass Pappos durchaus keinen Fehler gemacht hatte.

Aufgrund dieser Tatsache wissen wir heute, dass Pandrosion eine noch ältere Mathematikerin als Hypatia – möglicherweise sogar deren Lehrerin – gewesen ist. Über diese folgt der nächste Beitrag auf dem Zeitstrahl.

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