Schlagwort: zeitstrahl frauen in der wissenschaft

Kathy Vivas

* 1972

Kathy Vivas (Link Englisch) hat einen Abschluss in Physik der Universidad de los Andes und einen Doktor in Astrophysik der Yale University. Bei der Forschung für ihre Dissertation entdeckte sie neue RR-Lyrae-Sterne – eine Art pulsationsveränderlicher Sterne. Eine ausführliche und sehr gemütliche Erläuterung dieser Sternenart findet sich im Clip unten von Herrn Gaßner für den Kanal von Urknall, Weltall und das Leben – der auch auf Henrietta Swan Leavitt als eine der Entdeckerinnen von Pulsaren und Lise Meitner als Opfer des Matilda-Effekts Bezug nimmt.

Pulsationsveränderliche Sterne, erklärt von Josef Gaßner; Urknall, Weltall und das Leben

Mit der Kombination eines Wide-Field-Teleskops und einer Megapixel-Kamera entdeckte Vivas an die 100 von diesen Sternen in sehr weiter Entfernung von der Erde, zwischen 13.000 und 220.000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt und somit wohl die ältesten Sterne unserer Galaxie, der Milchstraße. Nach der aktuellen Theorie entstand zuerst der ‚Heiligenschein‘, der Galaktische Halo, vor mehr als 13 Milliarden Jahren; die Galaktische Scheibe und die Spiralarme entstanden erst in der Folgezeit. So ermöglichte Vivas‘ Entdeckung die weitere Erforschung der Struktur und Eigenschaften der äußeren Teile der Milchstraße.

Ihre Forschungsergebnisse präsentierte sie am 12. Januar 2000 beim Treffen der American Astronomical Society in Atlanta.

Leah Keshet

20. Jhdt.

Leah Keshet (Link Englisch) kam in Israel zur Welt, als sie 12 Jahre alt war, zog ihre Familie nach Kanada. An der Dalhousie University in Halifax, Nova Scotia, machte sie sowohl ihren BSc wie ihren MSc in Mathematik, einen Doktorgrad in Angewandter Mathematik erreichte sie 1982 am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot, Israel.

An der Brown University in Providence und an der Duke University in Durham, beides USA, lehrte sie in den folgenden acht Jahren, ohne eine feste Stelle angeboten zu bekommen, eine Zeit, die sie als ‚holperig‘ beschreibt und in der sie beinahe der mathematischen Biologie den Rücken zu wandte (Quelle: s.u.). 1989 konnte sie endlich eine Stelle als Außerordentliche Professorin an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, antreten. Seit 1995 hat sie dort eine volle Professur inne.

frauenfiguren leah keshet cytoskelett
3-dimensionale Darstellung zweier Tochter-Mauszelle in einem späten Stadium der Zellteilung (Telophase). Zu sehen ist der Spindelapparat (anti-Tubulin-Immunfärbung; orange), Aktin-Zytoskelett (Phalloidinfärbung; grün) und das Chromatin (DAPI-Färbung; cyan).
Von Lothar Schermelleh – Lothar Schermelleh, CC BY-SA 3.0

Keshets Fachgebiete ist die mathematische (oder theoretische) Biologie – die damit befasst ist, mathematische Modelle von biologischen Vorgängen zu erstellen – und die Biophysik. Ihren Fokus richtet sie insbesondere auf die Zellmigration und das Cytoskelett, ein Netzwerk aus Proteinen innerhalb eukaryotischer Zellen (Zellen mit einem Zellkern, der die DNA enthält). Ebenso erstellt sie mathematische Modelle zu Physiologie und Krankheiten sowie zum Schwarm- und Ballungsverhalten sozialer Organismen.

Sie ist Autorin dreier Bücher, darunter Mathematical Models in Biology (Mathematische Modelle in der Biologie), das als eine der wichtigsten Arbeitn auf dem Gebiet der theoretischen Biologie gilt. Im gleichen Jahr, in dem sie ihre volle Professur erhielt, war sie auch die erste weibliche Präsidentin der Society for Mathematical Biology. 2003 war sie die Preisträgerin des Krieger-Nelson-Preises, einem kanadischen Preis für Frauen in der Mathematik. Die Society for Industrial and Applied Mathematics nahm sie 2014 als Mitglied auf.

In diesem Artikel im sciencemag.com (Link Englisch) beschreibt Keshet ihren Lebensweg in eigenen Worten. Hier spricht sie von ihrer Zeit der beruflichen Unsicherheit, ihren Zweifeln und menschlichen Enttäuschungen, aber auch davon, wie sich ihr Leben schließlich so drehte, dass sie heute glücklich ist. Ihr Text spricht auf einer sehr persönlichen Ebene zu mir.

Sudipta Sengupta

* 1946

Der Wikipedia-Eintrag von Sudipta Sengupta (Link Englisch) ist inzwischen (seit ich meine Planung für dieses Jahr abgeschlossen habe) mit einem genauen Geburtsdatum versehen, aber… meine Planung steht nun mal.

Sudipta Sengupta kam als jüngste von drei Töchtern eines Meteorologen in Kalkutta, Indien, zur Welt. Die Familie reiste viel, für einige Jahre lebten sie auch in Nepal, wo der Vater stationiert war. Dort machte Sengupta ein Bergsteiger-Training bei Tenzing Norgay, Begleiter von Edmund Hillary und damit einer der ersten Menschen auf dem Mount Everest. Auch Sengupta machte zwei Expeditionen in den Himalaya.

Ihre Eltern, beide Akademiker, förderten ihre Bildung. Zunächst wollte Sudipta Physik studieren wie ihr Vater, doch sie hörte, dass es mit einem Abschluss in Geologie möglich wäre, wissenschaftlich zu arbeiten und gleichzeitig an abgelegene Orte zu reisen, und so entschied sie sich für dieses Fach. An der Jadavpur University (Link Englisch) in Kalkutta machte sie ihren B. Sc. und bald darauf ihren M. Sc. Mit 26 Jahren schließlich schloss sie 1972 ihr Studium mit einem PhD in Geologie ab. Bereits seit 1970 war sie beim Geological Survey of India beschäftigt, diese Tätigkeit gab sie 1973 auf, um ein Stipendium wahrzunehmen, das ihr eine dreijährige Postdoc-Stelle am Imperial College London ermöglichte. Im Anschluss daran verschlug es sie nach Uppsala in Schweden, wo sie zunächst als Dozentin an der Universität arbeitete und später als auswärtige Forschungsassistentin am Internationalen Geodynamik-Projekt von Hans Ramberg teilnahm.

Ihrer Rückkehr nach Indien 1979 war auch eine Rückkehr zum Geological Survey of India, nun als leitende Geologin. Drei Jahre später trat sie eine Dozentenstelle an der Jadavpur University an, wobei sie als Frau in einem Fachbereich, der Aufenthalte ‚im Feld‘ notwendig macht, auf einige Schwierigkeiten stieß. Die Universität war nach ihren Worten nicht ausgestattet für weibliche Expeditionsteilnehmer, ein Zustand, der sich bis in die Mitte der 1990er Jahre nicht verbesserte. 1982 bewarb sie sich auch zum ersten Mal dafür, an der indischen Antarktis-Mission beteiligt zu sein, wurde aber aufgrund ihres Geschlechtes zunächst abgelehnt.

Doch schon ein Jahr später wurde Sudipta Sengupta ausgewählt, Mitglied der dritten indischen Expedition in die Antarktis zu werden. Sie war damit, gemeinsam mit Aditi Pant, eine der ersten beiden indischen Frauen in der Südpolregion. Sengupta war beteiligt an den geologischen Studien der Schirmacher Oase, ihre Untersuchungen legten dabei den Grundstein für die weitere Erforschung der Gegend. Sie blieb von Dezember 1983 bis März 1984 und war wie Pant am Aufbau der Dakshin-Gangotri-Station beteiligt. Fünf Jahre später sollte sie noch an einer weiteren Antarktis-Expedition beteiligt sein.

In ihrer Laufbahn veröffentlichte sie zahlreiche wissenschaftliche Artikel und Büchern, ihre autobiografischer Rückblick auf ihre Zeit in der Antarktis wurde ein Bestseller in Indien. 1995 wurde sie zum Mitglied der Indian National Science Academy (Link Englisch) gewählt, die indische Regierung zeichnete sie mit mehreren Preisen aus. Inzwischen hat sie sich als Professorin zur Ruhe gesetzt und lebt in Kalkutta.

Am 31. Oktober 2019 war sie an der Diskussionsrunde Women in Science and Technology in Neu Delhi beteiligt. Dabei sprach sie von ihren Erfahrungen im Feld als junge Wissenschaftlerin und wie sie die Situation heute einschätzt. Außerdem offenbarte sie ihre Überzeugung von der Kraft der Frauen: „Ich komme aus dem Land von Durga. (Eine beliebte Göttin im Hinduismus, die Kraft, Wissen, Handeln und Weisheit repräsentiert und auch kriegerisch auftritt.) Wir beten Durga an und als Kind glaubte ich, sie lebe im Kailash (ein Berg im Transhimalaya). Inzwischen weiß ich, dass Durga in uns lebt, in allen Frauen.“ (Quelle: The Wire)

Einige biografische Details können in diesem Interview in ihren eigenen Worten gelesen werden.

Aditi Pant

20. – 21. Jhdt.

Aditi Pant (Link Englisch) wurde in Nagpur, Indien, in eine Familie ländlicher Brahmanen geboren; dies bedeutete einen hohen gesellschaftlichen Status über die Kaste, doch wohlhabend war Pants Familie nicht. Ihre wirtschaftlichen Umstände sowie die vernachlässigte Bildung junger Mädchen ließen Aditi in ihrer Jugend nicht an eine Chance auf höhere Bildung glauben.

Dennoch machte sie ihren BSc an der University of Pune. Sie studierte Meereskunde, nachdem ein Freund der Familie ihr The Open Sea von Alister Hardy zu lesen gab. Ein Stipendium der US-Regierung ermöglichte es Aditi Pant, an der University of Hawai’i ihr Studium bis zum MSc weiterzuverfolgen. Ihre Masterarbeit schrieb sie über die Photosynthese in Plankton-Lebensgemeinschaften, genauer: Über die Auswirkung tropischer Lichtintensität auf die Photosynthese in Plankton-Lebensgemeinschaften und die Gegebenheiten des Kohlenstoff-Austausches zwischen Phytoplankton und Bakterien. Nachdem sich ihre Studien auf offener See als sehr herausfordernd und anstrengend herausgestellt hatten, konzentrierte sich Pant nach Absprache mit ihrem Doktorvater auf ein Modell mit einer Bakterienart.

Nach ihrem Masterabschluss auf Hawai’i verfolgte Aditi Pant schließlich auch noch das Doktorandenstudium und machte ihren PhD in Meereskunde zur Physiologie von Meeresalgen. Um die Zeit ihrer Promotion lernte sie Professor N.K. Panikkar kennen, den Gründer des National Institute of Oceanography (NIO, Link Englisch) in Goa. Dort nahm Pant am Antarktis-Projekt teil, das insgesamt über zehn Jahre lief. Gemeinsam mit Sudipta Sengupta war Aditi Pant 1983 eine der ersten beiden indischen Frauen in der Antarktis, sie erforschten dort die Abläufe von Nahrungsketten sowie chemische und biologische Vorgänge im Südlichen Ozean. Außerdem waren die beiden Wissenschaftlerinnen am Bau der ersten indischen Forschungsstation in der Nähe des Südpols, Dakshin Gangotri, 2.500km entfernt vom Pol. Pant und Sengupta blieben von Dezember 1983 bis März 1984, Pant kehrte später im Jahr 1984 noch einmal in die Antarktis zurück.

Insgesamt 17 Jahre arbeitete Pant am NIO, dann wechselte sie 1990 an das National Chemical Laboratory (Link Englisch) in Pune. Hier erforschte sie die Enzymologie (die biochemischen Vorgänge) von salztoleranten und salzliebenden Mikroben in der marinen Nahrungskette.

Aditi Pant ist Inhaberin von fünf Patenten und Autorin oder Ko-Autorin von mehr als 67 wissenschaftlichen Publikationen. Von der indischen Regierung wurde sie gemeinsam mit Sengupta und zwei weiteren Kolleginnen mit dem Antarctica Award ausgezeichnet.

Ihren Lebenslauf in eigenen, persönlicheren Worten schildert Aditi Pant in diesem Beitrag zu An Oceanographer’s Life.

Deborah Ajakaiye

* 1940

Deborah Ajakaiye (Link Englisch) kam im nigerianischen Bundesstaat Plateau als fünftes von sechs Kindern zur Welt. Die Eltern befürworteten die Gleichberechtigung der Geschlechter und verteilten die anfallenden Hausarbeiten auf die Jungen und Mädchen gleichermaßen. Sie förderten auch die Schulbildung ihrer Kinder.

Mit 22 Jahren machte Ajakaiye ihren ersten Universiätsabschluss in Physik, an der University of Idaban. Sie schloss einen M.Sc. an der University of Birmingham an und beendete ihre akademische Ausbildung 1970, mit 30 Jahren, mit einem Ph.D. in Geophysik an der Ahmadu Bello University. Während ihr wissenschaftliches Interesse ursprünglich der Mathematik gegolten hatte, hoffte sie, mit ihrer Arbeit in Geowissenschaften ihrem Heimatland besser helfen zu können.

1980 wurde Deborah Ajakaiye die erste weibliche Physik-Professorin auf dem afrikanischen Kontinent. Sie unterrichtete an der Ahmadu Bello University und an der University of Jos, wo sie auch als Dekanin für Naturwissenschaften wirkte.

Ihre Arbeit zur Geovisualisierung diente in Nigeria zur Lokalisierung von Mineralien und Grundwasser unter der Oberfläche. Außerdem legte sie gemeinsam mit Studentinnen eine Karte der Schwerkraft von Nigeria an. Seitdem sie als Professorin im Ruhestand ist, widmet sie ihre Zeit vollständig der wohltätigen Organisation, die sie ins Leben gerufen hat, der CCWA, der Christian Care for Widows, Widowers, Aged and Orphans.

Deborah Ajakaiye war die erste Frau, die von der Nigerianischen Gesellschaft für Bergbau und Geowissenschaften mit einem Preis ausgezeichnet wurde; außerdem war sie die erste Schwarze Frau afrikanischer Herkunft, die als Fellow in der Geological Society of London aufgenommen wurde – leider konnte ich nicht ermitteln, in welchem Jahr das war.

Dieser Artikel auf African Women in Leadership Stories scheint leider der letzte überhaup auf diesem Blog zu sein, mit einem Veröffentlichungsdatum am 17. März 2019. Vielleicht nimmt das Blog ja seine Arbeit wieder auf, wenn die Corona-Krise vorüber ist.

Veronica Dahl

* 1951

Veronica Dahl (Link Englisch) kam in Buenos Aires zur Welt* und machte dort 1974 auch ihren ersten Universitätsabschluss in Informatik. Zu diesem Zeitpunkt waren laut dieses Artikels über sie auf medium.com 75% der Informatikstudierenden in Argentinien bzw. an der Universidad de Buenos Aires Frauen, während die Zahl sich heute auf nur 11% beläuft. Auf eine damals bestehende Gleichberechtigung verweise dies aber durchaus nicht.

Auch Veronica Dahls Biografie wurde von der politischen Unsicherheit ihres Landes geprägt, die sich nach dem Tode Peróns fortsetzte (der zuletzt María Teresa Ferrari das Leben schwer gemacht hatte). In den Unruhen wurde eine:r ihrer ältesten Freund:innen vor ihren Augen durch Maschinengewehrfeuer ermordet. Dahl ging für ihr weiteres Studium nach Frankreich und wurde 1977 an der Universität Aix-Marseille eine der ersten Doktorandinnen im Fach Künstliche Intelligenz.

frauenfiguren veronica dahl cobol
Beispiel für eine Programmierung in COBOL
By Cody Logan – Own work, CC BY-SA 4.0

Sie konzentrierte sich während ihres Studiums auf Logische Programmierung, die auf einer Bibliothek an Axiomen (Grundsätzen) basiert, statt auf einer Reihe von Befehlen wie die imperativen Programmierungen Fortran und Cobol, zum Beispiel. Sie erstellte ein Programm, das die logische Programmierung anwandte, um Anfragen und Befehle, in menschlicher Sprache gegeben, zu verarbeiten. (Ich bitte um Entschuldigung, wenn dies nicht klar nachvollziehbar ist; ich bin begeistert, aber leider hier völlig ahnungslos.) Ihre Forschungsgebiete und Methoden erstreckten sich über so unterschiedliche Fachbereiche wie Künstliche Intelligenz, Computerlinguistik und Molekularbiologie. So trugen die Erkenntnisse, die sie in ihrem Buch Logic Grammar von 1989 veröffentlichte, zur Entzifferung des menschlichen Genoms bei.

1982 wurde sie außerordentliche Professorin an der Simon Fraser University in British Columbia, Kanada. Ihrer Bestrebung, ordentliche Professorin zu werden, stand auch akademischer Sexismus im Weg, so wurde ihr einmal gesagt, sie habe dafür noch nicht genug Publikationen vorzuweisen. Das, nachdem kurz zuvor ein männlicher Kollege mit weniger Publikationen befördert worden war. 1991 wurde sie schließlich doch ordentliche Professorin und blieb es bis zu ihrer Emeritierung 2013.

Neben ihrer Forschungstätigkeit in ihrem ‚eigenen‘ Fach hatte sie auch Kraft für feministischen Einsatz. Als sich die Universität weigerte, ihre die Kinderbetreuungskosten (von $17!) zu erstatten, die angefallen waren, weil sie eine Lesung in einer anderen Stadt hatte halten müssen, ging sie bis nationalen Forschungsrat Kanadas. Dieser schrieb es nach ihrer Beschwerde fest, dass Kinderbetreuungskosten von Forschenden mit Stipendium ersetzt werden müssen. Dahl veranlasste an ihrer Universität auch eine fakultätsübergreifende Untersuchung zur niedrigeren Bezahlung von Frauen.

Veronica Dahl trat auch als Beraterin für verschiedene Unternehmen und Organisationen in Erscheinung; ihr Vertrag mit IBM soll den bis dahin bestehenden Rekord in Vergütungshöhe gebrochen haben.

Und schließlich schreibt sie auch noch wortwörtlich ausgezeichnete Prosa und Lyrik, wie diesen wunderbaren Text ‚Love to hide – love to invent‘, in dem sie zwei Erlebnisse mit Polizeigewalt und Liebe gegenüberstellt.

*Sie ist auf Twitter aktiv, ich hätte sie evtl. nach ihrem genauen Geburtsdatum fragen können, habe mich aber nicht getraut zu fragen…

Anna Coble

* 1936 • † 3. März 2009

Anna Coble (Link Englisch) war die Tochter eines Dozenten an der St. Augustine’s University (Link Englisch) in Raleigh, North Carolina, einer Hochschule für PoC (Afro–Amerikaner). Anna interessierte sich früh für Mathematik und Physik, daher studierte sie schließlich Mathematik an der Howard University, ebenfalls eine für PoC gegründete Hochschule. Sie erreichte dort mit 22 Jahren ihren Bachelor of Science und drei Jahre später ihren Master of Science. Nach diesem Abschluss im Jahr 1961 unterrichtete sie zunächst für vier Jahre Physik an der North Carolina Agricultural and Technical State University.

1965 begann sie dann ein postgraduales Studium an der University of Illinois at Urbana-Champaign. Sie wurde hier eine Fürsprecherin für Studierende, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder als Frauen benachteiligt waren. Als Anna Coble hier 1973 schließlich ihren Doktortitel erlangte, war sie die erste WoC (Afro-Amerikanerin), die diesen akademischen Grad in Biophysik erhielt. Sie erforschte anschließend an der Washington University in St. Louis die Auswirkungen von hochintensivem Ultraschall auf Frösche.

Als Coble an die Howard University zurückkehrte, dieses Mal als Dozentin, war sie die erste WoC, die dort eingestellt wurde – Mitte der 1970er Jahre. In ihrem ersten Sommer dort stellte sie ihre eigenen Forschungen zunächst zurück, um für die etwa 200 Studenten of Color Wohnungen zu organisieren. Sie fand auch für sich selbst eher suboptimale Voraussetzungen vor, in ihrer Zeit an der Howard University wurden die staatlichen Förderungen für die Forschung dort um an die 40% gekürzt. Coble wurde schließlich im Lauf ihrer Karriere zur Associate Professor berufen.

Sie war neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auch sozial engagiert. So gehörte sie zum Vorstand einer Organisation, die Wohnheime für vernachlässigte weibliche Teenager leitete. Da politische und soziale Diskriminierung auch in ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet eine Rolle spielte, gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der National Society of Black Physicists (Link Englisch). Mit der National Academy of Sciences und dem National Research Council entwickelte sie Lehrmaterialien, bei der American Association for the Advancement of Science setzte sie sich für die stärkere Unterstützung unterrepräsentierter Gruppierungen ein, namentlich der Frauen und ethnischer Minderheiten.

Anna Coble starb am 3. März 2009 im Alter von 73 Jahren.

Flossie Cohen

* 1925 • † 2004

Flossie Cohen (Link Englisch) kam in Kalkutta zur Welt, über ihr Leben vor dem Studium ist weiter nichts bekannt. Spätestens in den 1940er Jahren kam sie in die USA, zum Studium der Medizin an der University at Buffalo. Hier schloss sie 1950 (mit einem MD?) ab und absolvierte ein praktisches Jahr (bzw. ein Jahr residency, Link Englisch) in der Kinderheilkunde am Brooklyn Jewish Hospital (Link Englisch).

1953 ging sie an das Children’s Hospital of Michigan (Link Englisch) in Detroit. Hier arbeitete sie in der Forschung zur Kinder- und Neugeborenen-Immunologie, sie richtete hierfür das Labor an der Klinik ein sowie den klinischen Dienst für Immunologie und Rheumatologie. Beide Bereiche leitete sie bis zu ihrer Pensionierung. Sie war auch eine Professorin an der Wayne State University School of Medicine (Link Englisch).

Sie war eine Ko-Autorin einer bahnbrechenden Studie, die 1972 veröffentlicht wurde, in der erstmals die biochemischen Hintergründe der Erkrankungen dargestellt wurden, die unter SCID – Severe Combined Immunodeficiency fallen. Dies sind genetisch bedingte Störungen des Immunsystems, bei der verschiedene Lymphozyten, vor allem die T-Lymphotzyten, nur fehlhaft funktionieren oder gar nicht produziert werden. Da dieser Defekt in den blutbildenden Stammzellen vorliegt, ist eine Heilung nur möglich durch eine Stammzellenstransplantation, wie etwa das Knochenmarks. Eine solche wurde ebenfalls von Flossie Cohen erstmals erfolgreich an einem Kind durchgeführt, nur drei Jahre nach der Studie, im Jahr 1975.

Als in den 1980er Jahren die AIDS-Epidemie in den USA um sich griff, befasste sich die Immunologin auch mit dieser Erkrankung. Sie ergriff praktische Schritte, indem sie an ihrem Kinderkrankenhaus eine HIV-Klinik für Betroffene eröffnete, und sie arbeitete an der klinischen Erforschung der Übertragung des HI-Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind.

Zwei Jahre, nachdem sie sich 1992 zur Ruhe gesetzt hatte, wurde sie in die Michigan Women’s Hall of Fame (Link Englisch) aufgenommen. Sie starb 2004 mit 79 Jahren.

Da auch die Seite Jewish Women’s Archive Flossie Cohen einen Eintrag widmet, gehe ich davon aus, dass sie einer jüdischen Familien aus Kalkutta entstammt. Die Geschichte der Juden in Indien, speziell Kalkutta, wird in diesem englischen Wikipedia-Beitrag beleuchtet; die erste jüdische Familie, die sich in Kalkutta ansiedelte, trug den Namen Cohen.

Samira Islam

20. Jhdt.

Samira Islam (Link Englisch) kam in Hofuf, dem städtischen Zentrum der al-Hasa-Oase in Saudi-Arabien, zur Welt. Nachdem sie die weiterführende Schule im Heimatland beendet hatte, ging für das Studium nach Ägypten. Dort studierte sie an der Universität Alexandria zunächst Medizin, wechselte jedoch nach einem Jahr zum Fachbereich Pharmazie. Darin sowie in pharmazeutischer Forschung machte sie 1964 zunächst ihren Bachelor of Science, zwei Jahre später einen Master of Science und schließlich, 1970, einen Doktortitel (in Pharmakologie). Sie war damit die erste Frau in Saudi-Arabien, die diesen akademischen Grad erlangte.

Bereits im folgenden Jahr begann sie, an der König-Abdulaziz-Universität in Dschidda zu unterrichten. Weitere zwei Jahre später wurde sie die offizielle Studienberaterin für Mädchen mit Interesse an wissenschaftlicher Karriere in Dschidda und die gesamte Provinz Mekka. Sie setzte sich stets für die Frauenbildung in Saudi-Araben ein, auch als sie 1974 Vizepräsidentin der Universität wurde. Sie gründete 1976 an der Hochschule den 1. Fachbereich für Krankenpflege und befasste sich mit der Verstoffwechslung von Medikamenten speziell in der saudi-arabischen Bevölkerung (Link Englisch, über die mögliche Auswirkung ethnischer Zugehörigkeit auf die Wirksamkeit oder Verträglichkeit von Medikamenten).

Sie gründete und leitet bis heute die Drug Monitoring Unit des King Fahd Medical Research Center der Universität.

Susan Ofori-Atta

* 1917 • † Juli 1985

Susan Ofori-Atta (Link Englisch) kam in Ghana zur Welt, zu dieser Zeit britische Kronkolonie Goldküste. Ihr Vater war Okyenhene (Link Englisch) Ofori Atta I. (Link Englisch) – er war der König von Akyem Abuakwa (Link Englisch), eines der vier Akim-Staaten, somit war Susan Ofori-Atta eine Adlige ihres Volkes.

Nach dem Abschluss der Grundschule besuchte sie mit etwa 12 Jahren die Achimota School (Link Englisch) (die geneigte Leser:innen unter anderem von Esther Afua Ocloo kennen), wo sie abschließend die GCSE-Prüfung bestand, das britische Äquivalent zur deutschen mittleren Reife. Sie machte anschließend eine Ausbildung zur Hebamme an der Korle-Bu Midwifery Training School in Accra, die von Agnes Yewande Savage mitbegründet wurde. Nach ihrem Abschluss dort ging sie 1935, mit ungefähr 18 Jahren, für eine weitere Hebammenausbildung nach Schottland. Dort studierte sie später auch an der University of Edinburgh Medical School, wo sie 1947 den Bachelor of Medicine (MBChB, Link Englisch) machte. Sie war Diplomatin des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists und des Royal College of Paediatrics and Child Health. Mit ihrem MBChB war sie die erste Ghanaerin – und vierte Frau west-afrikansicher Herkunft – mit einem Universitätsabschluss und die dritte Ärztin west-afrikanischer Herkunft nach Agnes Yewande Savage und Elizabeth Abimbola Awoliyi.

Nachdem sie ihr Studium beendet hatte, arbeitete sie zunächst als Hebamme am Korle-Bu Teaching Hospital in Accra, einige Zeit, bevor auch Matilda J. Clerk dort arbeiten sollte. 1960 arbeitete sie einige Zeit als Freiwillige in einem kongolesischen Krankenhaus (Quelle: Wiki – Seite 44). Im Princess Marie Louise Hospital in Accra war sie Amtsärztin, von dort wechselte sie zur University of Ghana Medical School (Link Englisch), wo sie die pädiatrische Abteilung mitbegründete. Schließlich eröffnete sie eine Privatpraxis für die Versorgung von Frauen und Kindern, die Accra Clinic.

Bei der Gründung der Zweiten Republik Ghana Ende der 1960er Jahre war Susan Ofori-Atta Mitglied der verfassungsgebenden Vollversammlung. Sie war außerdem eine Gegnerin des traditionellen Erbrechts der Akan, das Ehefrauen und Kinder benachteiligte. Die Akan lebten (und leben z.T. noch) nach einem sozialen Regelwerk, das Matrilinearität (Link Englisch) und Patrilinearität kombiniert. Jede Familie sieht sich einer der sieben oder acht Gruppen zugehörig, die auf jeweils eine Vorfahrin berufen, den Abusua (Link Englisch). Es ist tabu, innerhalb der eigenen Abusua zu heiraten und Kinder zu bekommen. Mütter und Kinder leben in einem Haushalt mit der mütterlichen Familie, die Männer leben im Haushalt der eigenen mütterlichen Familie. Über diese mütterliche Erblinie werden Status, Eigentum, insbesondere Landbesitz, politischer Einfluss und sogar öffentliche Ämter vererbt. (Über den Vater vererbt sich das Ntoro, das wiederum Rituale, Tabus und eigene Etikette mit sich bringt, so gehört jedes Individuum zu einem Abusua und innerhalb diesen hat es das Ntoro des Vaters.) Durch dieses matrilineare Erbrecht haben aber im Falle des Todes eines Mannes seine Nichten und Neffen, die Kinder seiner Schwester, Anspruch auf sein Erbe, statt seiner Frau und seiner eigenen Kinder. Susan Ofori-Atta erreichte mit ihrer politischen Arbeit, dass im Jahr 1985 das Erbrecht Ghana dahingehend geändert wurde.

1974 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der University of Ghana für ihre Forschung zur Unterernährung von Kindern (CW Bilder), insbesondere dem Hungerödem Kwashiorkor (CW Bilder). ‚Kwashiorkor‘ heißt in der ghanaischen Ga-Sprache ‚Krankheit, die ein Kind bekommt, wenn ein neues Kind geboren wird‘, da sie auftritt, wenn ein Kind von der Muttermilch entwöhnt wird – zum Beispiel, weil ein weiteres geboren wird – und auf feste Nahrung umstellen muss, die nicht genug Eiweiß enthält. (Der Wiki-Beitrag zu Susan Ofori-Atta notiert, dass sie für die Einführung dieses Namens verantwortlich ist, sowohl der englische wie der deutsche Beitrag zum Begriff verweisen jedoch auf die jamaikanische Ärztin Cicely Williams (Link Englisch), die ihn bereits in den 1930er Jahren anwandte.) Eine andere Bezeichnung für Kinder mit ‚Kwashiorkor‘ ist ‚Biafra-Kind‘ aufgrund gehäuften Auftretens der Erkrankung – oder entsprechender Bilder – während des Biafra-Krieges Ende der 1960er Jahre, auf Deutsch heißt Kwashiorkor auch ‚Mehlnährschaden‘.

Susan Ofori-Atta gehörte zu einer politisch aktiven und einflussreichen Familie, nicht nur durch die Ehe mit E.V.C. deGraft-Johnson (unter dessen Nachnamen sie ebenfalls bekannt ist), der mit dem ghanaischen Vizepräsidenten der Jahre 1979 bis 1981, Joseph W.S. deGraft-Johnson, verwandt war. Auch ihre Geschwister waren politische Figuren, ihr Bruder William Ofori-Atta war Anfang der 1970er Ghanas Außenminister und einer der Big Six, der andere Bruder Kofi Asante Ofori-Atta war Mitte der 1960er Jahre Sprecher des ghanaischen Parlaments, ihre jüngere Schwester Adeline Akufo-Addo (Link Englisch) war Anfang der 1970er die First Lady Ghanas.

Susan Ofori-Atta starb im Juli 1985 in England.

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