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Elisabeth Selberts Sternstunde war es ohne Zweifel und Konkurrenz, 1949 den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Artikel 3 des Grundgesetz für die BRD durchzusetzen. Aus der Verfassung der Weimarer Republik sollte ursprünglich der Satz „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ übernommen werden. Elisabeth Selbert gelang es in gemeinschaftlicher Arbeit mit den anderen Müttern des Grundgesetzes (Friederike Nadig, Helene Weber und Helene Wessel) und – wie ich gerüchteweise einem anderen Blog entnommen habe – mittels eines Radioaufrufes an die Frauen Deutschlands – den entscheidenden Wortlaut gegen die Väter des Grundgesetzes zu verteidigen.
Der Gleichberechtigung, die dieser Satz gesetzlich festschrieb, stand noch bis 1957 der Gehorsamsparagraph entgegen, der dadurch, dass dem Mann in der Ehe das alleinige Entscheidungsrecht zugebilligt wurde, auch verhinderte, dass Ehefauen ohne die schriftliche Einverständniserklärung ihres Gatten eine Stelle antreten oder ein eigenes Konto eröffnen konnten. Der Widerspruch zwischen Artikel 3 und dem Gehorsamsparagraphen blieb in den Jahren zwischen 1949 und 1957 unaufgelöst, sodass in dieser Zeit eigentlich ein gesetzloser Zustand herrschte. (Ich nehme an, dies bedeutet, wenn sich Frauen gegen diese Abhängigkeit in der Ehe juristisch wehrten, war es absolut von der Haltung und dem Wohlwollen des Richters abhängig, welche Spielräume ihr gewährt wurden.) 1957 trat dann ein Gesetzesentwurf von 1952 (!) in Kraft.
Neben dem langen Weg der Entwicklung, den die gesetzliche Grundlage zum Mutterschutz, zur Empfängnisverhütung und zum eingeschränkt legalen Schwangerschaftsabbruch (§218) hinter sich bringen musste, gibt es zwei Stationen in der gesetzlichen Gleichberechtigung von Männern und Frauen, bei denen mir immer wieder die Kinnlade und der Glaube an die Menschheit herunterfällt:
1977 – in meinem Geburtsjahr – trat das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts in Kraft. Dieses regelte neuerdings (!), dass die Frau nicht mehr nur dann arbeiten durfte, wenn sie dafür ihre „hausfraulichen Pflichten“ nicht vernachlässigte, sondern dass die Vereinbarung den Eheleuten überlassen bleibt und die Haushaltsführung dem finanziellen Unterhalt gleichgestellt ist.
1997, das lasse man sich auf der Zunge zergehen: vor 15 Jahren erst, wurde die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt. Bis dahin galt: den ehelichen Beischlaf darf sich der Mann mit Gewalt erzwingen und seine Ehefrau hat keine strafrechtlichen Mittel, ihn davon abzuhalten bzw. dafür zur Verantwortung zu ziehen. Kein Wunder, dass manche Frauen lieber nicht heiraten wollten!
Einen Rückblick zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes mit Fokus auf Elisabeth Selbert kann man bei youtube sehen (3sat-Beitrag von 2009).