lars von trier, deutschland 2009
es ist schon interessant (und meiner meinung nach das merkmal eines wertvollen films), wie unterschiedlich die geschehnisse seiner handlung von unterschiedlichen zuschauern interpretiert werden. antichrist eine abrechnung von triers mit der (katholischen) religion? eine expression freudscher analysemethoden? es gibt schon einige verschiedene ansätze in den IMDb-Reviews.
ich bemühe mich während der sichtung egal welchen films zunächst mal, einfach nur aufzunehmen. schließlich kann alles, was ich im moment sehe, durch spätere noch nicht gesehene ereignisse umgekehrt, beeinflusst, verbessert werden. besonders mit analytischen deutungen halte ich mich gerne bis zum abspann zurück.
so saß ich nach Antichrist erstmal geplättet von sex&gewalt im sessel und musste überlegen, was ich da jetzt eben gesehen hatte. aber relativ schnell klackerten die murmeln an ihre plätze und war für mich glasklar: Antichrist ist ein film über das dilemma von mutter und frau in der menschlichen natur. sie veräußert zunächst ihren kampf und fürchtet die natur, aber tatsächlich ringt sie mit der unvereinbarkeit der mütterlichen fürsorge mit der mächtigen sexualität in der person, die sie vorher war und noch immer ist: eine frau, vollständig auch ohne kind. dabei jedoch erschüttert von der verlustangst, das kind wegen der sexualität und den mann wegen der mütterlichkeit zu verlieren. denn im kern braucht sie für jede ihrer zwei naturen eine bezugsperson.
so gesehen, konnte ich dem film im nachhinein einiges abgewinnen. wie immer, ist diese meine sichtweise hauptsächlich meinem eigenen empfinden und meiner eigenen biografie geschuldet. aber das schöne am film ist: er ist offen für diese interpretation und nicht mal lars von trier kann verhindern, dass ich seinen film so sehe.
übrigens: der titelgebende Antichrist ist auch nicht sie – von wegen der teufel im weibe und so. der Antichrist ist ihr sohn, nämlich von einer frau geboren, die ganz gar nicht unbefleckt ist. es geht nicht um den teufel als gegensatz zu jesus, sondern um die natürliche frau als gegensatz zu der idealen heiligen mutter, die keinerlei dilemma solcher art in sich spürt.