Monat: August 2013

married women find it difficult to carry out worthwhile careers

1961 bewarb sich phyllis richman auf einen studienplatz für stadtplanung an der harvard universität. aufgrund ihres geschlechts und der tatsache, dass sie gerade geheiratet hatte, bat die univeristät sie um eine beschreibung, wie sie ihr ehe- und hausfrauenleben mit einer karriere in der stadtplanung vereinen wolle.
phyllis richman hat damals nicht geantwortet, sondern sich für eine andere karriere entschieden. beim ausmisten fand sie kürzlich das schreiben aus harvard und entschloss sich, doch noch einmal schriftlich zu antworten.
der tolle text in der washington post, dem man entnehmen kann, dass ein wille zum guten leben seinen weg auf die eine oder andere weise findet, enthält ganz am ende auch die antwort des empfängers.

drive

worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schreiben.
zwischen februar 2012 und august 2013 habe ich refns Drive viermal gesehen. dass ich so lange für eine rezension brauchen würde und was ich darin würde schreiben müssen, habe ich bis zur dritten sichtung nicht geahnt. jetzt durfte ich bei Hard Sensations meine schriftliche trauerbewältigung veröffentlichen. nirgends täte ich es lieber.

be natural

über upworthy komme ich gerade auf ein kickstarter-projekt, das genau meine kragenweite hat: ein dokumentarfilm über Alice Guy-Blaché, die frau, die die damals brandneue technologie des kinos zum ersten mal narrativ nutzte. durch viele verschiedene umstände ist sie in der geschichte vergessen gegangen. dieser dokumentarfilm will das ändern, deshalb unterstütze ich ihn.
tut es mir gleich!!!

KW 34/2013: Christine Chubbuck, 24. August 1944

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Während für Nachrichtenmedien – im Fernsehen besonders – gilt „bad news are good news“, sich also Tragödien, Dramen und spektakuläres Scheitern als Inhalte besonders gut verkaufen lassen, gehört zu der Faszination des Zuschauers auch ein gewisses Gefühl der Sicherheit; zumindest beim Betrachten von Kriegsbildern oder Verbrechensszenarien ist dem Zuschauer der TV-Nachrichten hierzulande seine physische Unversehrtheit gewiss. (Die beständige und geschürte Unsicherheit einer wirtschaftlichen Sicherheit will ich bei dieser These mal außen vor lassen.)

Das heißt: Nachrichten lassen sich betrachten wie Unterhaltungsmedien, mit dem Thrill, dass es sich um „wahre Begebenheiten“ handelt. Und selbst in den geschmacklosesten Fällen bleibt ein Unterschied zum snuff, zur ungekürzten und auf die niedersten emotionalen Reaktionen des Publikums abzielenden Darstellung real ausgeübter Gewalt. Man sieht Lebende, Verletzte und Tote – doch der Moment des Sterbens gehört (dankenswerterweise) in der westlichen Welt konsequent in die innerste Privatsphäre der Menschen.

Christine Chubbuck übertrat willentlich und überlegt diese Grenze. Ihre Gründe dafür sind zu suchen in einer unergründlichen Mischung aus Depression und Frustration mit der Medienwelt, in der sie arbeitete. Persönliche Schwierigkeiten, einen Partner zu finden – gar einen Vater für zukünftige Kinder, denn nach einer Eierstockoperation war ihr die zeitliche Dringlichkeit vor Augen geführt worden – sowie berufliche Stagnation führten in Kombination mit ihrer exponierten Tätigkeit als Talkshow-Moderatorin zu einem einzigartigen Moment amerikanischer Fernsehgeschichte, als Christine Chubbuck sich vor laufender Kamera in den Hinterkopf schoss.

Mit ihrer Tat überschritt sie nicht nur die Grenze vom Privaten ins die Öffentlichkeit. Die Methode ihres Freitodes ist auch ungewöhnlich für eine Frau, die statistisch gesehen eher zu „milden“ Mitteln wie Selbstvergiftung tendieren. Ein ausführlicher zeitgenössischer Artikel der Washington Post (vom 4. August 1974) gibt tiefere Einblicke in die möglichen Gründe für ihre Tat.

Zwei Jahre später gewann Sidney Lumets Network 4 Oscars, in welchem sich Peter Finchs Rolle angekündigt und live vor der Kamera das Leben nimmt. Die Aussagen damaliger Kollegen von Christine Chubbuck in einem 10-minütigen „Boulevard of Broken Dreams“-Beitrag lassen einen dann auch noch mal ganz ernsthaft an Will Ferrells grandiosen Anchorman denken.

goldmarie

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diese schnörkellose dame steht neben der düsseldorfer tonhalle

KW 33/2013: Gladys Bentley, 12. August 1907

Gladys Bentley

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Die Wilden 20er haben in mancher Hinsicht einen Geist der unbegrenzten Möglichkeiten vorgelebt, der zum Teil fortschrittlicher war als die Sexuelle Revolution der 60er. Dies gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Deutschland und Europa – auch hier war die Emanzipation der Frau als finanziell und sexuell selbstbestimmtes Wesen schon weit gereift. Die wirtschaftliche Lage nach dem Ersten Weltkrieg zwang die Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantik dazu, die verfügbare Bevölkerung mit Privilegien wie beruflicher Tätigkeit  auszustatten – und aus der wirtschaftlichen Eigenständigkeit erwuchs ein Selbstbewusstsein der Frauen, das dazu führte, dass manche straffen moralischen Regeln (die zumeist aus patriarchalisch-christlichen Werten erwachsen waren) über Bord geworfen wurden.

Das heißt nicht, dass alles ohne Schwierigkeiten machbar war – aber es gab einen Rahmen, in dem ausprobiert werden konnte. Eine lebendige, aktive Musik- und Künstlerszene, in der auch „Randgruppen“ und anders orientierte Lebensstile akzeptiert waren. Gladys Bentley trat in dieser Szene als drag king, als Frau in Männerkleidung, in Homosexuellen-Bars auf und flirtete während ihrer Auftritte hemmungslos mit dem weiblichen Publikum. Es gab auch Anfeindungen gegen sie, doch überwog – zu dieser Zeit – offenbar der Spaß und die Akzeptanz innerhalb ihrer peer group. Zu dieser Zeit hatte sie musikalisch und äußerlich mehr gemein mit Louis Armstrong als mit Josephine Baker.

Schnellvorlauf 30 Jahre später: In der McCarthy-Ära gibt Gladys Bentley dem sozialen Druck nach, trägt Frauenkleider und behauptet mit Hilfe der Einnahme von weiblichen Hormonen ihre Homosexualität „besiegt“ zu haben. Ihren Mutterwitz hat sie darüber nicht verloren.

Bild: By Unknown – en.wikipedia (Unknown), Public Domain

KW 32/2013: Phoolan Devi, 10. August 1963

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Phoolan Devi ist eine dieser Frauen, deren Existenz mich zugleich in Erstaunen wie in Begeisterung versetzt, denn: Wie kommen sie zu ihrem Mut, zu ihrem Feuer?

Phoolan Devi, geboren auf dem indischen Land, wo die Traditionen noch immer am stärksten gelebt werden. Mit Sicherheit nicht aufgezogen im Sinne der europäischen Frauenemanzipation, im Gegenteil: Als Mädchen wird sie wohl eher beständig dem Gefühl ausgesetzt gewesen sein, nicht nur überflüssig, sondern ihrer Familie eine Last zu sein – was sie nur durch harte körperliche Arbeit und eine erfolgreiche Verheiratung wiedergutmachen könnte. Wo holt eine Person entgegen dieser expliziten Unterdrückung den Widerspruchsgeist, die Renitenz her, die ihr auf dem Bild geradezu aus den Augen sprüht?

Zugegeben, meine Kenntnis des Lebens auf dem Land in Indien beschränkt sich auf das Jugendbuch „Wie Spucke im Sand“ von Klaus Kordon (für das ich ausdrücklich eine Leseempfehlung aussprechen möchte). Was man jedoch in letzter Zeit aus Indien vernommen hat, rückt dieses Bild nicht gerade in eine positive Richtung. Ich bin außerdem ziemlich sicher, dass Phoolan Devi das Vorbild für die Figur der Meera in Kordons Buch ist.

Die Erkenntnis, dass auch unter widrigen Umständen das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Freiheit erblühen kann, bestätigt mich in der Überzeugung, dass es keine sprachlichen Begriffe für die elementaren Dinge im Leben braucht, damit Menschen einen Drang zu ihnen entwickeln können. In einer Diskussion vor Jahren in einem Englisch-Seminar – zu Orwells 1984 – konnte ich diese Intuition nicht mit Fakten belegen: Auch wenn die Menschen kein Wort für Freiheit haben, sehnen sie sich danach. Auch wenn Mädchen nicht dazu erzogen werden, für sich selbst einzustehen: Sie werden es unter den entsprechenden Umständen gegen alle Wahrscheinlichkeit dennoch tun.

WEG MIT
§218!