Monat: September 2013

KW 40/2013: Ida Rubinstein, 5. Oktober 1885

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Wenn Igor Strawinski, ein Mann, der ungeachtet seiner kompositionellen Erfolge offenbar ein chauvinistisches Arschloch war, sie als „die dämlichste Frau der Kunstwelt“ bezeichnet, ist das eigentlich eine Adelung, etwas, was eine Frau wie Ida Rubinstein wie einen Orden am Revers tragen sollte.

Sie war keine ausgebildete Tänzerin, aber sie wurde in die Ballets Russes aufgenommen. Sie war groß und schlank und offenbar – typisch für eine Frau im frühen 20. Jahrhundert – künstlerisch und sexuell selbstbewusst. Sie war höchst gebildet und gleichzeitig die erste Frau, etwa 20 Jahre vor der skandalösen Josephine Baker, die fast nackt auf der Bühne unverhüllt erotisch tanzte.

Ida Rubinstein war die Tänzerin, für die Ravel den Boléro schrieb. Meine Lieblingsanekdote aus dem Wiki-Artikel: Wie Ravel auf den schockierten Ausruf einer Zuschauerin „Hilfe, ein Verrückter!“ erwiderte: „Die hat’s kapiert.“ So gut schreiben heute nicht mal mehr Drehbuchautoren.

Wer im Boléro nicht eine eindeutig sexuelle Komponente entdeckt, hat möglicherweise keinen Unterleib. Um es aber ganz deutlich zu zeigen, habe ich mich mal nach Performances des Boléro umgeschaut und bin dabei auf eine gestoßen von einer Ballerina (heißt das so oder ist das politisch inkorrekt?), die nicht nur sehr beeindruckend in ihrem Körperausdruck ist, sondern sogar, wie mir scheint, Ähnlichkeit mit Ida Rubinstein hat. Ihre Interpretation des Boléro – eine Choreographie für eine Frau und 20 (!) Männer – hat so viel Lebensenergie, Sex und Schwung. Wie ihr strenger Gesichtsausdruck höchster Konzentration sich in den letzten Minuten in einem befreiten Lachen voller Lust am Körper auflöst, das ist Glück.

Ravel Bolero Maya Plisetskaya

unter monstern

in ihrem 13. Beitrag zu Forced Entry auf Hard Sensations haben sich Maria und Silvia den französischen Irreversible, der möglicherweise einer der bekanntesten vergewaltigungsfilme – vielleicht gar mainstream? – ist, der jedenfalls für seine unerträglich lange statische aufnahme des gewaltaktes und vor allem die umgekehrte erzählweise bekannt ist. ein film, den ich mir – trotz der beinahe positiv zu nennenden erfahrung mit I Spit On Your Grave – wohl niemals ansehen werde.
Maria und Silvia kommen in ihrer besprechung jedenfalls zu dem schluss, dass die vergewaltigung „nur“ die echte, forcierte vollendung der besetzung der frau durch die sie umgebenden männer ist, während die „harmloseren“ männer, wie in einer frustration über ihre eigenen grenzen, ihre vergewaltigung zum anlass für allerlei entgrenzte gewalt und vermeintlich gerechtfertigte racheakte nehmen. eine traurige welt, die der film zeichnet, wie mir scheint.

KW 38/2013: Hedwig Dohm, 20. September 1831

Hedwig Dohm

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Hedwig Dohm war die zweite Frau in Deutschland, die – bereits 1873 – das Frauenwahlrecht forderte. Ihren „Kolleginnen“ der damaligen Frauenbewegung war sie, waren ihre Forderungen, zu radikal. Sie selbst typische von der Bildung ferngehaltene höhere Tochter, die erst durch die Heirat mit einem Zeitungsverleger aus der Dunstglocke des patriarchalischen Miefs fliehen konnte*. Und sie floh nach vorn: In humoristische, feministische Texte, Pamphlete, Lustspiele. In Salons, Frauenvereine.
*Wieder so ein Beispiel dafür, dass die Sehnsucht nach Gleichberechtigung auch in einer kulturellen Umgebung aufblühen kann, die jeden Gedanken daran verabscheut, siehe Phoolan Devi.

Dabei Ehefrau eines „Lebemannes“ und Mutter von 5 Kindern, davon 4 Töchter. Ebenso radikale Pazifistin wie Feministin, mit Witz und Wut.
Ihre Biografie auf Fembio ist lesenswert, besonders aber die von zwei engagierten Frauen ins Leben gerufene eigene Webseite sollte Aufmerksamkeit finden. Und noch spezieller hier die Zitateseite. Mein Liebling:

„Und hier liegt, fürchte ich, eine der Hauptquellen, aus der die Männer ihre verschrobenen Ansichten über die Frau schöpfen: Wenn sie vom „Reiz der Unwissenheit“, dem „Zauber der Naivität“ sprechen, bevölkert sich ihre Phantasie sofort mit reizenden jungen Mädchen zwischen 16-18 Jahren, während sie die Vorstellung einer wissenschaftlichen, gebildeten Frau nicht von der einer alten und hässlichen Person trennen können. Das Weib hört auf, für sie zu existieren, sobald es ihrem Vergnügen nicht mehr dient.“ In: Was die Pastoren über die Frauen denken, 1872, S.86f.

Bild: Von unbekannt, PD-alt-100

KW 37/2013: Elsa Schiaparelli, 10. September 1890

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Ein reiner Lustbeitrag – als Grenzgängerin kann ich Elsa Schiaparelli höchstens geltend machen für ihren Flirt mit und ihren Einfluss auf die Kunst des Dadaismus.

So hat sie unter anderem mit Dalí an Kleidern gearbeitet, die in die Modegeschichte eingingen:

Elsa Schiaparelli Designs Google-Ergebnisse

Warum ich solche Lust auf sie hatte? Weil sie ihren Eintritt in die Modewelt hatte mit einem selbstgestrickten Pullover. Das legt sie mir näher ans Herz als alle anderen Kandidatinnen diese Woche, etwa Irène Joliot-Curie oder Laura Secord. Das hier ist der Pullover:

Else Schiaparelli Bowknot Sweater Google-Ergebnisse

Inspiriert davon habe ich sogar mal ein Wollkleid für meine Tochter (das leider nur sehr wenig getragen wurde):

Eigenes Design inspiriert von Elsa Schiaparelli (gestrickt)
Eigenes Design inspiriert von Elsa Schiaparelli (gestrickt)

doktorspiele

ist schon wieder eine weile her, dass Maria und Silvia den 12. Beitrag zu Forced Entry auf Hard Sensations veröffentlicht haben: dieses mal geht es um das forcierte eindringen nicht nur in den jungfräulichen körper, sondern auch in den eigentlichen hort der unschuld, den geist. ich entschuldige mich für das versäumnis der aktualität und bitte trotzdem, diesen text zu lesen, der die zwiespältigkeit des porno – zwischen sinnlichkeit und ekel – wunderbar einfängt.

KW 36/2013: Neerja Bhanot, 7. September 1962

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Eine junge Frau, die im Angesicht einer außergewöhnlichen Bedrohung nicht nur die Ruhe bewahrt, sondern sich tatsächlich in einen Kugelhagel wirft, der andere Menschen treffen soll – man kann es nicht von allen Flugbegleitern verlangen, solche Musterexemplare des Krisenmanagements und der Selbstlosigkeit zu sein. Man wünscht es sich aber.

Neerja starb jung, weil sie sich nicht nur als Servicekraft verstand, sondern in einem Augenblick der Gefahr als verantwortliche Autorität. Es kostete sie das Leben und doch muss ich sagen: So sollte gehandelt werden. Wenn wir nur alle Neerjas wären…

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