etwa 355 n. Chr.
Von Hypatia liegen wieder einmal keine eigenen Schriften vor, ihr Vater Theon von Alexandria nennt sie jedoch als Lektorin eines seiner Werke.
Nachdem sie bei ihrem Vater in der Mathematik und Astronomie ausgebildet worden war, begann sie selbst zu unterrichten. Dies tat sie nach Art der Kyniker öffentlich und mit einem Philosophenmantel bekleidet in ihrer Heimatstadt Alexandria. Den Darstellungen diverser Quellen zufolge vertrat sie vermutlich eine neuplatonische Philosophie, was sie in der zu dieser Zeit vornehmlich von Christen bewohnten Stadt zum Mitglied der heidnischen Minderheit machte. Mit Pandrosion, einer noch früheren Mathematikerin, war sie nach aller Wahrscheinlichkeit zumindest bekannt.
Berühmt ist Hypatia vor allem für ihren Tod. Die Berichte über dieses Ereignis stammen aus widerstreitenden Quellen, einigen, die Hypatia verehrten, und anderen, die sie verteufelten. Tatsache ist, dass sie zwischen die Fronten einer Auseinandersetzung um die Machtverhältnisse in Alexandria geriet. Zunächst einmal waren die paganen Philosophen bei den Christen nicht beliebt, weil diese die Theurgie, ein Ritual zur Kontaktaufnahme mit den hellenischen Göttern, für Zauberei und Götzenkult hielten. Doch eigentlich waren die Neuplatoniker gar nicht an dem Konflikt in Alexandria beteiligt, dieser bestand zwischen den Christen, mit dem Patriarch Kyrill von Alexandria als Kirchenoberhaupt, den Juden und dem derzeitigen römischen Präfekten der Stadt, Orestes, zu dessen Umfeld Hypatia zählte.
Kyrill schürte über Handlanger Unruhe zwischen Christen und Juden, sodass zwischen dem Kirchenobersten und dem Präfekten ein handfester Machtkampf entstand, bei dem Kyrill schließlich Hypatia als prominente und besonders mißliebige – weibliche! – Person als angebliche Beraterin des Präfekten ins Visier nahm. Er unterstellte ihr, den Präfekten gegen die Christen aufzuwiegeln, woraufhin eine Gruppe seiner Anhänger sie überfiel, vermutlich nackt auszog und entweder in einer Kirche zerstückelte oder durch die Stadt schleifte.
Ob die Verehrung Hypatias in ihrer tatsächlichen Lebensleistung wurzelt oder in den Aspekten des Märtyrertums, den ihr Tod aufweist, lässt sich heute nur schlecht nachvollziehen. Der verlinkte Wikipedia-Beitrag liefert eine recht umfassende Schilderung der unterschiedlichen Schilderungen und Schlussfolgerungen. Durchaus meinen eigenen laienhaften Gedanken dazu entspricht allerdings die feministische Wertung der Umstände ihres Todes, nämlich, dass die Brutalität ihrer Mörder sich nicht nur auf die ihre Philosophie bezog, sondern auch auf ihr Geschlecht. Dass diese (in einigen Quellen geschilderte) Zerstückelung ihres Körpers symbolisch war für die Vernichtung ihrer Intellektualität und ihrer Existenz als Frau in der Wissenschaft. Mit ihrer Ermordung sei das Ende der antiken Mathematik und Naturwissenschaft eingeläutet worden, „der letzte Glanz heidnischer Wissenschaft erloschen„, und die christliche Wissenschaft habe den Ruhm Alexandrias nicht zu halten vermocht.
(Diese Lesart fügt sich recht nahtlos in meine Vorstellung ein, dass wir noch heute, 1500 Jahre später, mit den Folgen der systematischen Extraktion der Frau aus der Wissenschaft, Bildung und überhaupt dem öffentlichen Raum kämpfen, die die christliche Kirche organisiert betrieben hat.)