Kategorie: Film

KW 39/2015: Silvia Seidel, 23. September 1969

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Silvia Seidel macht mich traurig. Ich hatte meine Ballerina-Phase mit 6 und war dementsprechend 1987 schon etwas zu alt für die Anna-Begeisterung (aber um das 100% zu versichern, müsste ich meine Mutter fragen). Ich war aber im Bravo-Alter und kannte sie daher (und war natürlich in Patrick Bach verliebt).

Silvia Seidel war das Anständige Mädchen von Nebenan, das sich ihr Glück erarbeitete – wir alle wollten wie sie sein, hübsch, dünn, blond, geliebt. Aber als Silvia Seidel nicht mehr Anna sein konnte, konnte sie niemand sonst mehr sein – und wir fanden die nächste Medienfigur, die uns ein Idealbild reflektierte.

Silvia Seidels Karriere erreichte ihren Höhepunkt, bevor sie es überhaupt begreifen konnte; und danach konnte sie nie wieder so hoch hinaus. Man kann seinen Frieden damit schließen, aber es kostet viel Kraft und Arbeit, diese Gelassenheit zu erringen. Und vielleicht auch eine innere Haltung zum eigenen Erfolg, die dem Zufall (realistischerweise?) mehr Einfluss einräumt als der eigenen Disziplin – und selbst dann kann es zerstörerisch sein, eine Wut auf diesen Zufall zu entwickeln, der einmal für einen arbeitet und einen dann im Stich lässt.

Was auch immer die inneren Beweggründe für Silvia Seidels Selbstmord vor 3 Jahren waren – als Medienkonsumentin fühle ich ein wenig Schuld, dass sie nie die Chance bekam, Anna loszuwerden und etwas neues Großes zu entwickeln. Sie wäre diese Woche 46 Jahre alt geworden.

KW 23/2015: Marilyn Monroe, 1. Juni 1926

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Nach einem Jahr (53 Wochen) fast kompletter Abstinenz nehme ich mir jetzt fest vor, trotz weiterer beruflicher „Abstinenz“, dort direkt anzuknüpfen, wo ich letztes Jahr aufgehört habe.

Nun ist Marilyn Monroe eine Wahl, die mir nur sehr viele oder sehr wenige Worte möglich macht. Ich entscheide mich für letzteres: MM ist als Sexsymbol, aber auch als traurige Galionsfigur der auf ihr Aussehen Reduzierten zum Klischee geworden. Wenn ich sie sehe, in ihren schönen, leichten Rollen, die sie mit so sympathischer Unschuld darstellt, und ich an ihre Sehnsucht denke, ernstere Rollen zu spielen, an ihren Schauspielunterricht, ihre Ehe mit dem Intellektuellen Arthur Miller, blutet mir das Herz. Leider habe ich ihren letzten Film, mit dem sie in das Charakterfach wechseln wollte, immer noch nicht gesehen.

Bild: By Macfadden Publications page 1 – File:Marilyn Monroe 1961.jpg, Public Domain

mad max: fury road

george miller, australien/usa 2015
seht diesen film. fragt nicht, geht einfach ins kino und seht ihn.
die gründe dafür können vielfältig sein. ist MM:FR der neue maßstab für actionfilme, visuell wie inhaltlich? ja. der film geht nach vorne ohne jemals zu bremsen, er flemmst euch die stoppeln vom sehnerv, bläst das kondenswasser aus den ventrikeln, brennt sein markenzeichen in die schaulust. er legt eine post-apokalyptische welt dar, die aus pop-kultur-wahnwitz und phallozentrischer technik-verehrung gebastelt wurde, lässt den erklärbär aber wunderbar gelassen im winterschlaf.
ist MM:FR auch die „feministische propaganda“, die in manchen finsteren winkeln des internets gewittert wurde? die meinungen gehen auseinander, ich aber sage laut und mit strahlendem lächeln: ja. wobei man heute eben ruhig von „feministischer propaganda“ sprechen darf, wenn männer und frauen schlicht mengenmäßig und in ihren handlungsmöglichkeiten gleichberechtigt eingesetzt werden. wenn der bechdeltest ohne die geringste schwäche bestanden wird. wenn ein actionfilm eine frau und einen mann als hauptpersonen einsetzt und diese beiden keine liebesbeziehung eingehen. wenn männer und frauen kooperieren, um ein system zu stürzen, das beide geschlechter in enge, erniedrigende und tödliche korsette zwängt.
mein neuer absoluter lieblingsfilm – er hat natürlich wieder tom hardy und er hat vor allem charlize theron. geht, seht, liebt.
The Mary Sue: MM:FR is a lovely orgasm for your eyes
We All Agree that Mad Max: Fury Road is Great. Here’s Why It’s Also Important.
7 ways ‘Mad Max: Fury Road’ sublimely subverts movie sexism
hey girl feminist mad max tumblr

hört die scheiße niemals auf?

ich bin so naiv. ich dachte, wenn man es zu einem gewissen grad an karriere geschafft hat, hört es auf mit den geschlechter-vorurteilen, den subtilen und offenen anmachen und dem dilemma, als frau nicht zu freundlich (= nicht ernstzunehmend), aber auch nicht zu streng (= muttihaft oder unweiblich) sein zu dürfen. turns out i was wrong.
überall.

die filmlöwin

ganz schnell mal noch ein hinweis auf einen neuen link in meiner blogroll, nämlich die filmlöwin, das feministische filmmagazin. das ist natürlich ein go-to für mich.

die piratenbraut

renny harlin, USA 1995
mehr wollen wir doch gar nicht! (naja, nicht viel mehr. ein paar frauen mehr, die auch personen sind, und dialoge, die sie nicht nur auf anhängsel der männlichen protagonisten reduzieren.)
geena davis als wilde, starke, schnelle, aggressive und entschlossene piratin, die matthew modine als übersetzer rekrutiert (tatsächlich: als objekt/sklave kauft) und ihm am ende das leben rettet. was wir davon haben, wenn frauen nicht nur die hilflosen klötze am bein sind: teams, die miteinander funktionieren und doppelt so viel Action bringen.

the babadook

jennifer kent, australien 2014
wenn alles zusammenkommt – trauer, stress und ein kind, das immer mehr nähe sucht, je mehr die mutter distanz bräuchte – können schreckliche dinge passieren. ein sehr psychologischer horrorfilm über die wirklichkeit, die zum elterndasein gehört: dass man sein kind auch hassen kann, wenn man es liebt. „the more you deny it, the stronger i get“, sagt der babadook.
der film hat aus feministischer sicht viele pluspunkte, angefangen bei der tatsache, dass er eine frau zeigt, die masturbiert, ohne dass es ein zeichen seelischer derangiertheit ist – im gegenteil, dass sie keine zeit für sich hat, spitzt die situation zu. weiter die realität, wie fürchterlich eine mutter sein kann und doch mitgefühl verdient. ganz allgemein sieht der film sehr schön düster aus und ist erzählerisch rund, bewegt sich ohne unnötige längen auf seine krise hin. so nah, wie das geschehen mir war, so tröstlich ist das ende.
rezension meines mannes auf critic.de
damit uns sowas nicht passiert, hier mal der beste elternratgeber, den ich je gelesen haben: don’t kill them.

…und ewig lockt das weib

roger vadim, frankreich 1956
ganz anders als der deutsche titel vermuten lässt, ein früher protest gegen moralische fragwürdigkeit lebenslustiger frauen. juliete lebt nach dem motto „ist der ruf erst ruiniert…“, da sie schon ohne ihr zutun als waisenkind als unanständig gilt. dazu ihre ungezähmte lebens- und leibeslust ergibt ein gesellschaftliches todesurteil.
gottseidank heiratet sie den einzigen mann, der nichts will als sie glücklich zu sehen. die schicksalhafte begegnung mit seinem bruder erklärt wohl den deutschen titel, doch lässt er unerwähnt, wieviel mitschuld am tragischen verlauf auch er, der arrogante macker, trägt.
ein erstaunlich fortschrittlicher und emanzipierter film mit einer jungen, frischen und wilden brigitte bardot.

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§218!