Schlagwort: biophysik

Leah Keshet

20. Jhdt.

Leah Keshet (Link Englisch) kam in Israel zur Welt, als sie 12 Jahre alt war, zog ihre Familie nach Kanada. An der Dalhousie University in Halifax, Nova Scotia, machte sie sowohl ihren BSc wie ihren MSc in Mathematik, einen Doktorgrad in Angewandter Mathematik erreichte sie 1982 am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot, Israel.

An der Brown University in Providence und an der Duke University in Durham, beides USA, lehrte sie in den folgenden acht Jahren, ohne eine feste Stelle angeboten zu bekommen, eine Zeit, die sie als ‚holperig‘ beschreibt und in der sie beinahe der mathematischen Biologie den Rücken zu wandte (Quelle: s.u.). 1989 konnte sie endlich eine Stelle als Außerordentliche Professorin an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, antreten. Seit 1995 hat sie dort eine volle Professur inne.

frauenfiguren leah keshet cytoskelett
3-dimensionale Darstellung zweier Tochter-Mauszelle in einem späten Stadium der Zellteilung (Telophase). Zu sehen ist der Spindelapparat (anti-Tubulin-Immunfärbung; orange), Aktin-Zytoskelett (Phalloidinfärbung; grün) und das Chromatin (DAPI-Färbung; cyan).
Von Lothar Schermelleh – Lothar Schermelleh, CC BY-SA 3.0

Keshets Fachgebiete ist die mathematische (oder theoretische) Biologie – die damit befasst ist, mathematische Modelle von biologischen Vorgängen zu erstellen – und die Biophysik. Ihren Fokus richtet sie insbesondere auf die Zellmigration und das Cytoskelett, ein Netzwerk aus Proteinen innerhalb eukaryotischer Zellen (Zellen mit einem Zellkern, der die DNA enthält). Ebenso erstellt sie mathematische Modelle zu Physiologie und Krankheiten sowie zum Schwarm- und Ballungsverhalten sozialer Organismen.

Sie ist Autorin dreier Bücher, darunter Mathematical Models in Biology (Mathematische Modelle in der Biologie), das als eine der wichtigsten Arbeitn auf dem Gebiet der theoretischen Biologie gilt. Im gleichen Jahr, in dem sie ihre volle Professur erhielt, war sie auch die erste weibliche Präsidentin der Society for Mathematical Biology. 2003 war sie die Preisträgerin des Krieger-Nelson-Preises, einem kanadischen Preis für Frauen in der Mathematik. Die Society for Industrial and Applied Mathematics nahm sie 2014 als Mitglied auf.

In diesem Artikel im sciencemag.com (Link Englisch) beschreibt Keshet ihren Lebensweg in eigenen Worten. Hier spricht sie von ihrer Zeit der beruflichen Unsicherheit, ihren Zweifeln und menschlichen Enttäuschungen, aber auch davon, wie sich ihr Leben schließlich so drehte, dass sie heute glücklich ist. Ihr Text spricht auf einer sehr persönlichen Ebene zu mir.

Anna Coble

* 1936 • † 3. März 2009

Anna Coble (Link Englisch) war die Tochter eines Dozenten an der St. Augustine’s University (Link Englisch) in Raleigh, North Carolina, einer Hochschule für PoC (Afro–Amerikaner). Anna interessierte sich früh für Mathematik und Physik, daher studierte sie schließlich Mathematik an der Howard University, ebenfalls eine für PoC gegründete Hochschule. Sie erreichte dort mit 22 Jahren ihren Bachelor of Science und drei Jahre später ihren Master of Science. Nach diesem Abschluss im Jahr 1961 unterrichtete sie zunächst für vier Jahre Physik an der North Carolina Agricultural and Technical State University.

1965 begann sie dann ein postgraduales Studium an der University of Illinois at Urbana-Champaign. Sie wurde hier eine Fürsprecherin für Studierende, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder als Frauen benachteiligt waren. Als Anna Coble hier 1973 schließlich ihren Doktortitel erlangte, war sie die erste WoC (Afro-Amerikanerin), die diesen akademischen Grad in Biophysik erhielt. Sie erforschte anschließend an der Washington University in St. Louis die Auswirkungen von hochintensivem Ultraschall auf Frösche.

Als Coble an die Howard University zurückkehrte, dieses Mal als Dozentin, war sie die erste WoC, die dort eingestellt wurde – Mitte der 1970er Jahre. In ihrem ersten Sommer dort stellte sie ihre eigenen Forschungen zunächst zurück, um für die etwa 200 Studenten of Color Wohnungen zu organisieren. Sie fand auch für sich selbst eher suboptimale Voraussetzungen vor, in ihrer Zeit an der Howard University wurden die staatlichen Förderungen für die Forschung dort um an die 40% gekürzt. Coble wurde schließlich im Lauf ihrer Karriere zur Associate Professor berufen.

Sie war neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auch sozial engagiert. So gehörte sie zum Vorstand einer Organisation, die Wohnheime für vernachlässigte weibliche Teenager leitete. Da politische und soziale Diskriminierung auch in ihrem wissenschaftlichen Fachgebiet eine Rolle spielte, gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der National Society of Black Physicists (Link Englisch). Mit der National Academy of Sciences und dem National Research Council entwickelte sie Lehrmaterialien, bei der American Association for the Advancement of Science setzte sie sich für die stärkere Unterstützung unterrepräsentierter Gruppierungen ein, namentlich der Frauen und ethnischer Minderheiten.

Anna Coble starb am 3. März 2009 im Alter von 73 Jahren.

28/2020: Nettie Stevens, 7. Juli 1861

frauenfiguren nettie stevens
Nettie Stevens at work at the Naples Zoological Station in 1909.
By Bryn Mawr College Special Collections – source, Public Domain

Der Vater von Nettie Stevens war Zimmermann, der nach dem frühen Tod seiner Ehefrau – sie starb, als Nettie drei Jahre alt war, kurz nach der Geburt der jüngeren Schwester – sein zwei überlebenden Kinder alleine versorgen musste. Nach einem Umzug von Vermont nach Massachusetts wurde er allerdings mit seinem Handwerksunternehmen so erfolgreich, dass er beiden Töchtern zumindest die High School finanzieren konnte. 1880 machte Nettie dort ihren Abschluss, dann arbeitete sie in New Hampshire als Lehrerin für Zoologie, Physiologie, Mathematik, Englisch und Latein. Nach drei Jahren in diesem Beruf hatte sie geng Geld gespart, um an die Universität zurückzukehren. An der Westfield Normal School (heute Westfield State University) absolvierte sie ein Studienprogramm, das eigentlich auf vier Jahre ausgelegt war, innerhalb von zwei Jahren; im Anschluss daran arbeitete sie wieder als Lehrerin.

Erst ein gutes Jahrzehnt später konnte Nette Stevens sich von gespartem Geld ein tiefergehendes Studium leisten. 1896 schrieb sie sich an der Stanford University ein und erreichte 1899 einen Bachelor-, ein Jahr später einen Master-Abschluss in Biologie. Im Laufe ihrer Studien hatte sie begonnen, sich mit Histologie zu befassen, für ihr Doktorandenstudium in diesem Fach wechselte sie 1900 an das Bryn Mawr College, denn dort war Edmund Beecher Wilson Leiter der biologischen Fakultät gewesen, den Stevens bewunderte, und auch zu seinem Nachfolger Thomas Hunt Morgan schaute sie auf. Sie konnte dank eines Stipendiums im Rahmen ihres Studiums in Neapel und Würzburg Forschung betreiben, bevor sie mit Morgan als Doktorvater ihre Dissertation einreichte. Das Thema ihrer Arbeit war die Zellregeneration in einfachen Mehrzellern, die Entwicklung von Spermien und Eiern, Urkeimzellen von Insekten und die Zellteilung in Seeigeln und Würmern, sie erlangte damit 1903 ihren Doktortitel. Bryn Mawr bleib für ihr weiteres restliches Leben ihre Wirkungsstätte – ihr Ziel war es, an ihre Alma Mater als Professorin fest angestellt zu werden. Zunächst blieb sie als Lehrkraft für experimentelle Morphologie, 1904 begann sie einjähriges ihr Postdoc am Carnegie Institute of Science in Washington, Edmund B. Wilson und Thomas H. Morgan schrieben ihr für diese Position die benötigten Empfehlungen. Stevens erhielt ein Stipendium für ihre Erforschung der Vererbung, insbesondere wollte sie die Mendelschen Regeln (damals noch ‚Gesetze‘) überprüfen hinsichtlich ihrer Gültigkeit für die Geschlechtsdetermination.

Das erste Tier, das sich Stevens für ihre Untersuchungen vornahm, war der Mehlkäfer (von dem die Mehlwürmer gelegt werden) Tenebrio molitor. In den Zellen dieser Insekt entdeckte Stevens zum ersten Mal das Chromosom, das sich nach ihren Beobachtungen auf die unterschiedlichen Geschlechter der erwachsenen Tiere auswirkte (sie nannte es jedoch damals noch nicht das Y-Chromosom). Sie weitete ihre Forschung auf andere Insekten aus, unter anderem auf die Taufliege Drosphila melanogaster, die sie fortan in ihren Labors züchtete. Nettie Stevens war es, die erkannte, wie gut diese Art aufgrund der kurzen Lebenszyklen, einem kleinen Chromosomensatz und einer großen Anzahl Nachkommen pro Befruchtung für genetische Untersuchungen geeignet war, und tatsächlich war sie es auch, die Thomas H. Morgan ebenfalls davon überzeugte. Noch heute gilt Drosophila als ideales Forschungsobjekt und Morgan wird zumeist als Begründer dieser Praxis geführt.

Zur Zeit von Stevens‘ Forschungen herrschte noch die Ansicht, dass das Geschlecht eines Kindes im Mutterleib von der Umwelt oder dem Verhalten der Mutter beeinflusst wurde – in jedem Fall lag es in der „Verantwortung“ der Mutter, mit welchem Geschlecht ein Kind auf die Welt käme. Clarence Erwin McClung hatte kurze Zeit vor Nettie Stevens die Vermutung geäußert, dass das Geschlecht eines Lebewesens durch das X-Chromosom in den Keimzellen bestimmte würde, doch Thomas H. Morgan und auch Edmund B. Wilson bestritten dies zunächst. Während Stevens bei ihrer Erforschung der Entstehung des chromosomalen Geschlechtes die Keimzellen beider Geschlechter untersuchte, erforschte Wilson allein an Spermien die Spermatogenese; er sollte das damit begründen, dass Eizellen zu fetthaltig für den Färbeprozess seien und deswegen nicht untersucht werden könnten. Nettie Stevens fand hingegen in den Zellen ihrer Taufliegen Paare mit einem großen und einem kleinen Chromosom, Paare mit zwei großen Chromosomen und einzelne große Chromosomen (XO), dass jedoch nur die Individuen mit einem Groß-Klein-Paar den männlichen Phänotyp aufwiesen. Sie schloss daraus, dass es das heute so genannte Y-Chromosom war, dass den geschlechtlichen Phänotyp bestimmte (was Stevens noch nicht wissen konnte: dass dieser Phänotyp dann auch noch anderen genetischen Einflüssen unterliegt, siehe Intergeschlechtlichkeit). Der Artikel, den sie darüber schrieb, brachte ihr einen Preis von $1.000,- ein für den „besten wissenschaftlichen Artikel von einer Frau geschrieben“, und das Carnegie Institute veröffentlichte ihre Arbeit in den „Studien zur Spermatogenese“. Doch weder von ihren männlichen Vorbilden noch von der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde sie als Forscherin und Entdeckerin anerkannt, noch weniger gewürdigt. Edmund B. Wilson überarbeitete, nachdem er Stevens Forschungsergebnisse gelesen hatte, seine eigene Arbeit dahingehend, dass sie zu Stevens Ergebnissen passen, und kam ihr dann mit der Veröffentlichung seiner Ergebnisse zuvor – er dankte ihr für ihre Entdeckung in einer Fußnote. 1906 wurden Wilson und Thomas H. Morgan eine Einladung, auf einer Konferenz über ihre Entdeckungen der Geschlechtsdetermination zu sprechen, doch Nettie Stevens wurde übersehen.

1908 erhielt Stevens noch ein Stipendium von der American Association of University Women und 1912 wurde ihr von Bryn Mawr nach einer Dekade als außerordentliche Professorin endlich eine Stelle als festangestellte Professorin ohne Lehrverpflichtung angeboten. In ihrer kurzen Zeit als Wissenschaftlerin hatte sie bis dahin 38 Publikationen veröffentlicht, doch sie konnte die lang ersehnte Stelle nicht mehr antreten: Am 4. Mai 1912 starb sie mit nur 51 Jahren an Brustkrebs.

Noch in seinem Nachruf rückte Thomas H. Morgan die eigentliche Vorreiterin seiner wissenschaftlichen Erfolge auf die Seitenlinie. In seinem Nachruf schrieb er, sie habe „Anteil an einer Entdeckung von Bedeutung“ gehabt, behauptete allerdings, sie habe McClungs Fehlannahme bestätigt, dass X-Chromosom sei für den geschlechtlichen Phänotyp verantwortlich – wohingegen sie gerade festgestellt hatte, dass es das kleinere Y-Chromosom sein musste. Edmund B. Wilson unvollständige Forschungsergebnisse seien „eine gemeinsame Entdeckung“ mit Stevens gewesen, eine Aussage, die Wilson später, wiederum in einer Fußnote, korrigierte. Auch habe es ihr „zeitweise an Inspiration gefehlt, die die reine Tatsache einer Entdeckung für eine breitere Sichtweise nutzt“ – es war ihm womöglich tatsächlich nicht bewusst, dass dieser Mangel an Inspiration darin begründet lag, dass sie vom anregenden Austausch mit Kollegen, etwa auf Konferenzen, ausgeschlossen war.

Thomas H. Morgan gewann 1933 den Nobelpreis für Medizin für Erkenntnisse zur Vererbung, die zu großen Teilen auf den intensiven Forschungen von Nettie Stevens basierte.

1994 wurde sie in die National Women’s Hall of Fame aufgenommen. 2017 benannte die Westfield State University einen Gebäudekomplex nach ihr, in dem einige MINT-Fachbereiche untergebracht sind.

FemBio und Vox sind auch verärgert über den Matilda-Effekt.

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Ebenfalls diese Woche

7. Juli 1860: Alice Johnson (Link Englisch)
1884 wurde eine Arbeit dieser britischen Zoologin als erstes Schriftstück einer Frau im Protokoll der Royal Society erwähnt. Sie beschäftigte sich auch mit Telepathie.

10. Juli 1724: Eva Ekeblad
Weil sie sich mit den Möglichkeiten des Kartoffelanbaus in Europa beschäftigte, gilt die schwedische Adlige als Agrarwissenschaftlerin. Sie entwickelte Methoden zur Gewinnung von Stärke und Alkohol aus Kartoffeln, unabhängig davon auch ein Verfahren zum Bleichen von Textilien. Sie war 1748 die erste Frau, die in der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde, und blieb die einzige bis 1910, als Marie Curie ebenfalls aufgenommen wurde.

12. Juli 1913: Mildred Cohn
Diese amerikanische Biochemikerin und Biophysikerin entwickelte Methoden und Anwendungen in der Kernspinresonanzspektroskopie, die es ermöglichten, metabolische Prozesse auf molekulaler Ebene sichtbar zu machen.

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