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Matilda und die verschwundenen Frauen

Dieser Text ist als Beitrag zur Blogparade der Münchner Stadtbibliothek entstanden, in der es um Frauen und Erinnerungskultur geht. Während die Frage eigentlich in die Richtung der Literatur- und Kunst-Blogger:innen ging, trieb mich in diesem Jahr eben besonders dieser Begriff um, der wie die Hand in die Stulpe passt. Nur wenige Tage zuvor hat auch Melanie Jahreis über die scheinbar fehlenden Forscherinnen und Erfinderinnen geschrieben!

Wenn im Weiteren von Frauen und Wissenschaftlerinnen gesprochen wird, möchte ich voranstellen, dass Gage und Rossiter ihren Blick auf Frauen allgemein richten, wir aber natürlich alle wissen, dass der Effekt zwar für weiße Frauen ein Problem ist, Womxn of Colour aber in der Intersektion von Sexismus und Rassismus wesentlich härter getroffen werden. Sie tauchten sozusagen noch gar nicht am Platz auf, als weiße Frauen immerhin schon auf der Ersatzbank sitzen durften.

„Keine Aussage über die Frau ist gebräuchlicher, als dass sie keinen erfinderischen oder mechanischen Schöpfergeist habe“, schreibt Matilda Joslyn Gage 1870 in ihrem Essay Woman as Inventor. Die amerikanische Suffragette, die sich auch für die Abschaffung der Sklaverei und die Rechte amerikanischer Ureinwohner einsetzte, schlägt in ihrem Text den Bogen von den schöpferischen Gottheiten Ägyptens – Isis – und Griechenlands – Pallas Athene und Ceres – zu Leizu, die in China als die Erfinderin der Serikultur verehrt wird, und weiter zu zahlreichen Patenten der Neuzeit, die auf Ideen von Frauen zurückgehen. Sie nennt klarsichtig die Gründe, warum Namen von Frauen seltener auf Patenten erscheinen und warum Erfinderinnen der Allgemeinheit meist weniger bekannt sind: „Während, wie aufgezeigt wurde, viele der wichtigsten Erfindungen der Welt der Frau zu verdanken sind, ist der Anteil der weiblichen Erfinderinnen viel kleiner als der männlichen, welches aus der Tatsache entsteht, dass die Frau nicht die gleiche Fülle an Freiheit besitzt wie der Mann. Eingeschränkt in Bildung, gewerblichen Chancen und politischer Macht, ist dies eines der vielen Beispiele, bei denen sich ihre Herabwürdigung schädlich auf die ganze menschliche Rasse auswirkt. […] Der politischen Macht entzogen, wie die Frau ist, sieht sie sich der Verachtung für ihr Geschlecht, offener und verborgener Verachtung der Weiblichkeit, herablassender Anspielungen über ihre intellektuellen Fähigkeiten gegenüber – alles dient dazu, den Ausdruck ihres erfinderischen Schöpfergeistes zu verhindern.“ So sind die Patente für Erfindungen von Frauen oftmals im Namen ihres Ehemannes als ‚Eigentümer‘ oder Vormunde der Frauen eingetragen – denn als Eigentümer der Frauen sind sie auch Eigentümer derer geistigen Produkte.

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Egreniermaschine, gebaut von Eli Whitney, vermutlich nach einer Idee von Catharine Greene Miller
By Tom Murphy VII – Taken by uploader, user:brighterorange., Public Domain

Neben der männlichen Ablehnung einer grundsätzlichen weiblichen Befähigung nennt sie auch die strukturelle Gewalt der partriarchalischen Gesellschaft, die unter anderem durch soziale Ächtung geschäftstüchtiger Frauen ausgeübt wurde; dies insbesondere anhand der Erfinderin der Egreniermaschine, die der Ingenieur Eli Whitney nur nach der Idee von Catharine Greene Miller (Link Englisch) habe bauen können. Greene Miller habe ihren Namen nicht auf das Patent gesetzt, da derlei Unternehmergeist an einer Dame ungebührlich gewesen wäre. (Diese Anekdote ist allerdings umstritten.)

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Mehr als 100 Jahre später machte die Wissenschaftshistorikerin Margaret W. Rossiter (Link Englisch) eine ähnliche, immer noch aktuelle Beobachtung. Rossiter hatte während ihres Studiums in Yale bei einem formlosen Treffen von Lehrenden und Studierenden gefragt, ob es jemals weibliche Wissenschaftlerinnen gegeben habe. Die Antwort: „Nein, gab es nicht, jede Frau, die als solche in Frage käme, arbeitete nur einem männlichen Wissenschaftler zu.“ Dies Mitte der 1970er Jahre, wohlgemerkt. Mit dieser Antwort verständlicherweise mehr als unzufrieden, konzentrierte sich Rossiter auf die Rolle der Frauen in der amerikanischen Wissenschaftsgeschichte – und fand in ihrer Arbeit als Postdoktorandin die Biografien hunderter Wissenschaftlerinnen unter anderem im Nachschlagewerk American Men of Science (sic!, inzwischen heißt das Werk American Men and Women of Science, nächster Schritt hoffentlich: American Persons of Science). Sie schrieb darüber in einem Artikel, der von den Magazinen Science und Scientific American abgelehnt wurde, aber schließlich von American Scientist veröffentlicht wurde.

Obwohl ihr nur lauwarmes Interesse aus Wissenschaftler- wie Historiker-Kreisen entgegenschlug und sogar einige Wissenschaftlerinnen meinten, es gäbe in dieser Hinsicht nichts zu entdecken, betrieb Rossiter ihre Forschung weiter. Die Suche nach „verschwundenen“ weiblichen Wissenschaftlerinnen erbrachte immer weitere Funde, sodass Rossiter schließlich nicht nur ein Buch, sondern ganze drei Bände zum Thema Frauen in der Wissenschaft schreiben sollte. 1981 erhielt sie ein Guggenheim-Stipendium, das ihre Arbeit zum Teil finanzierte. Die drei Bände ihrer Arbeit heißen Women Scientists in America, Struggles and Strategies to 1940 (1982), Women Scientists in America: Before Affirmative Action, 1940-1972 (1995) und Women Scientists in American Volume 3: Forging a New World Since 1972 – letzteres wurde 2012 veröffentlicht.

Rossiters eigene akademische Karriere selbst blieb auch nicht unberührt von misogynen Hindernissen, sodass sie sich zeitweise so fühlte wie die Frauen, über die sie schrieb: „Ich nehme an, ich bin eine 78rpm-Schallplatte in einer 33rpm-Welt.“ (Quelle: Wiki) Sie hatte Schwierigkeiten, eine feste Stelle an einer Universität zu erlangen, weil sie als Wissenschaftshistorikerin angeblich keinem Fachbereich richtig angehöre. Eine ursprünglich einjährige Anstellung an der Cornell University wurde zwar auf drei Jahre ausgedehnt, jedoch nur unter finanziellen Einschränkungen. Erst als eine andere Universität ihr eine volle Professur anbot, riss sich ihr Arbeitgeber zusammen und schuf einen Fachbereich für Wissenschaftsgeschichte, in dem sie fest angestellt wurde. Danach konnte sie auch den zweiten Band ihrer Buchreihe herausbringen.

1993 veröffentlichte Rossiter den Artikel, in dem sie den Begriff Matilda-Effekt (hier lohnt sich, wie des Öfteren, auch der Blick auf den englischen Beitrag) prägte: The Matthew Matilda Effect in Science. Sie greift darin auf einen anderen Effekt zurück, der 1968 vom amerikanischen Soziologen Robert K. Merton als Matthäus-Effekt beschrieben wurde. Bezugnehmend auf die Bibelstelle Matthäus 13:12 – „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er eine Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ – bezeichnet er die Tatsache, dass sich bei Personen, die bereits einen Erfolg zu verzeichnen haben, weitere Erfolge anschließen. In der wissenschaftlichen Welt bedeutet dies, dass, wenn ein Wissenschaftler durch ein aufsehenerregendes Forschungsergebnis Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit erlangt, er mehr zitiert wird und sich dadurch mehr Chancen für weitere prestigeträchtige Arbeiten auftun. Gleichzeitig verschwinden andere Wissenschaftler mit ihren Ergebnissen hinter dem Glanz dieses „Genies“, ja zum Teil werden deren Erfolge fälschlicherweise auch einem bereits bekannten, erfolgreichen Wissenschaftler zugeordnet. Ironischerweise wird die Beschreibung und Untersuchung dieses Effekts zwar Robert K. Merton zugeschrieben, er stützte seine Arbeit jedoch in hohem Maß auf die Dissertation seiner zweiten Frau, Harriet Zuckerman.

Rossiter führt vor dem Hintergrund ihrer beträchtlichen Recherche für die `Women Scientists in America´-Trilogie einige Beispiele an und erläutert die unterschiedlichen Wege, wie diese Verdrängung in besonderem Maße Frauen in der Wissenschaft betrifft. So verweist sie auf die Nepotismus-Regelung an amerikanischen Universitäten (der auch ich mit ungläubigem Staunen begegnet bin), die es untersagte, dass bei einem Ehepaar beide fest bzw. mit voller Professur an einer Universität arbeiten durften; damit sollte ‚Vetternwirtschaft‘ verhindert werden, was es jedoch tatsächlich vereitelte, war die angemessene Anstellung und Bezahlung wissenschaftlich arbeitender Ehefrauen. Wissenschaftlerinnen waren auch in Gefahr, ‚für ihre Forschung‘ geheiratet zu werden, da ihre Arbeitsergebnisse dann häufig als gemeinschaftlicher Erfolg unter dem Namen des Mannes veröffentlicht werden konnten.

Unter den Beispielen für den Matilda-Effekt, die Rossiter anführt, sind mehrere, die ich auch hier auf frauenfiguren besprochen habe:

Maria Goeppert-Mayer sei ja wie Marie Curie noch recht gut weggekommen, da sie ebenbürtig mit ihren männlichen Kollegen den Nobelpreis für Physik gewonnen habe (vorher war sie jedoch von der fragwürdigen Nepotismus-Regel betroffen gewesen und hatte einen Großteil ihrer Arbeit schlecht oder unbezahlt geleistet). Andere Beispiele sind
• die Pathologin Frieda Robscheit-Robbins (Link Englisch), der 1934 Anteile des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin zugestanden hätten
Candace Pert (Link Englisch), die an der Entdeckung der Opioidrezeptoren beteiligt war
Ruth Hubbard, deren sämtliche Forschungsarbeiten zur Biochemie des Sehens nach ihrer Eheschließung mit George Wald unter seinem Namen erfasst wurden
Isabella Karle, die noch 1985 feststellen musste, dass ihre fünfzigjährige Zusammenarbeit mit ihrem Mann an Kristallstrukturanalysen sie weniger für den Nobelpreis für Chemie qualifizierten als einen männlichen Kollegen

Nach diesen zahlreichen namentlichen, jedoch keinesfalls alleinstehenden Beispielen dafür, wie die wissenschaftliche Arbeit von Frauen von Männern angeeignet oder ihnen zugeschrieben wurde, schließt Rossiter den Artikel mit der Darlegung, warum sie sich für Matilda Joslyn Gage als Namenspatin für den Effekt entschieden hat, statt für eine der zwei biblischen Alternativen, Priszilla und Martha (die als Äquivalent zum Evangelist Matthäus nahe lägen). Sie fühlt sich der amerikanischen Menschenrechtsaktivistin am meisten verbunden, aufgrund der eingangs beschriebenen Beobachtung, und wünscht, dass diese ebenfalls in den Schatten der patriarchalen Geschichtsschreibung getauchte Aktivistin durch eine Anerkennung des Matilda-Effektes mehr Aufmerksamkeit erfahren soll.

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In diesem Jahr der Wissenschaftlerinnen auf frauenfiguren ist mir der Matilda-Effekt in verschiedenen Formen und Abstufungen beinahe jede Woche mindestens einmal begegnet, und jedesmal hat es die Flamme feministischer Wut neu in mir angefacht. Zwei Dinge werden immer wieder deutlich. Erstens: In der männlich dominierten Welt – der Wissenschaft und allgemein – stehen Frauen unter dem Druck, sich als `die Beste´zu positionieren, um überhaupt gesehen zu werden und Raum zu erhalten; dabei müssen sie Heerscharen von guten, mittelmäßigen und auch vernachlässigbaren Männern im gleichen Arbeitsbereich überstrahlen. Frauen können sich nicht erlauben, mittelmäßig zu sein. Und zweitens: Sie sind von Anfang bis Ende (und auch heute noch) von der Unterstützung und dem Wohlwollen der Männer in ihrem Leben abhängig. Die Väter mussten die Ausbildung unterstützen und fördern, die Lehrer und Schulvorstände mussten sie als Schülerinnen und Studentinnen zulassen, die Kollegen mussten sie als gleichwertig betrachten und ihre Arbeit als solche wertschätzen, die Ehemänner mussten ihnen erlauben, weiter zu arbeiten und ihre Erkenntnisse unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen. Andere Frauen wiesen vielleicht den Weg, aber die Männer mussten ihn ebnen – und sie vorangehen lassen.

Gegen die patriarchale Dominanz der Männer in der Wissenschaft und der Gesellschaft insgesamt müssen Wissenschaftlerinnen und Frauen allgemein immer noch ankämpfen. Rossiters Erkenntnis und Benennung des Matilda-Effektes sollte dazu beitragen, die misogyne Mechanik zu erkennen und ihr entgegenwirken zu können. Dennoch ist er an vielen Stellen noch immer nicht behoben, denn das System schreibt sich fort, der Effekt selbst wird in Zweifel gezogen und die Bücher, aus denen wir über die Geschichte und die Wissenschaft lernen, sind noch nicht alle umgeschrieben. Als ich dieses Blog ins Leben rief, ging es mir genau darum: Die Vielzahl an unterschiedlichen Frauen aufzuzeigen, die es immer gab und immer geben wird, die in allen Bereichen des Lebens ebenso nennenswert sind wie Männer. Der Matilda-Effekt ist für mich inzwischen ein gängiger Begriff und ich schaue immer öfter einmal mehr danach, ob und wie weit Frauen an wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Errungenschaften beteiligt oder sogar federführend waren. Damit Matilda nicht mehr vergessen wird.

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Übrigens ist es selbstverständlich ganz eigennützig, wenn ich auch hier noch einmal darauf hinweisen möchte, wie wichtig und von mir sehr geschätzt die Arbeit der Wikipedianer:innen ist, die sich besonders um das Vorhandensein und die Ausführlichkeit von Wiki-Beiträgen zu Frauen bemühen; oft gegen starke misogyne Gegenwehr. Hätte ich nicht dieses Blog und zugegebenermaßen mehr mentale Ressourcen und die innere Stärke, wäre das das nächstbeste zu frauenfiguren, womit ich meine Zeit verbringen könnte. So aber möchte ich nur `Danke´sagen und noch mehr Expert:innen und Koryphäen bitten, auf Wikipedia gegen den Matilda-Effekt tätig zu werden.

29/2020: Eunice Newton Foote, 17. Juli 1819

Eunice Newton Foote wuchs als eines von 12 Geschwistern in Bloomfield, New York, auf; mit 17 Jahren besuchte sie für zwei Jahre das Troy Female Seminary (Link Englisch) (heute Emma Willard School). Die Schülerinnen dort durften Vorlesungen am nahegelegenen College hören, wo Newton die Grundlagen der Chemie und Biologie erlernte. Großen Einfluss auf sie hatten die Lehrbücher von Almira Hart Lincoln Phelps (Link Englisch), einer Schwester von Emma Willard, Botanikerin und drittes weibliches Mitglied der American Association for the Advancement of Science.

Newton Foote setzte sich grundsätzlich für Frauenrechte ein, so gehörte sie zu den Unterzeichnerinnen der Declaration of Sentiments auf der Seneca Falls Convention 1848, ihr Ehemann seit 1841, Elisha Foote, ebenso.

Davon abgesehen unternahm sie Experimente zur Erwärmung von Gasen. Ihre Ausstattung dafür war laienhaft, aber mit einer Luftpumpe, vier Quecksilberthermometern und zwei Glaszylindern machte sie als erste eine Entdeckung, die für uns heute relevanter denn je ist. Sie platzierte jeweils zwei Thermometer in einem der beiden Glaszylinder, aus einem pumpte sie die Luft ab, im anderen sorgte sie für erhöhten Druck. So stellte sie diese Gefäße ins Sonnenlicht und beobachtete die unterschiedliche Wärmeentwicklung und Abkühlung darin. Sie führte diese Proben auch mit unterschiedlichen Feuchtigkeitsgraden durch sowie mit Wasserstoff und Kohlendioxid. Dabei stellte Newton Foote fest, dass der Zylinder mit CO2 sich sowohl am stärksten erhitzte (auf etwa 52 Grad), wie sich auch am langsamsten wieder abkühlte. Aus dieser Entdeckung schloss sie, in dem Bericht, den sie über ihre Forschung schrieb, dass erhöhte Kohlendioxidwerte in der Atmosphäre der Erde für erhöhte Temperaturen und somit ein wärmeres Klima sorgen müssten. Eunice Newton Foote blickte selbst vor allem in die Vergangenheit, in der die Erde wahrscheinlich wärmer gewesen war, doch für uns heute ist diese Schlussfolgerung bekannt als der Treibhauseffekt – den Newton Foote somit bereits vor 1856 entdeckte.

Auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science 1856 wurde dieser Bericht vorgestellt. Warum Eunice Newton Foote in nicht selbst vortrug, ist unklar, doch statt ihrer verlas der Physiker Joseph Henry ihre Arbeit. Er stellte dem voran: „Die Wissenschaft hatte kein Land und kein Geschlecht. Die Sphäre der Frau umfasst nicht nur das Schöne und Nützliche, sondern auch das Wahre.“ (Quelle: Smithsonianmag.com)

Der Artikel wurde im gleichen Jahr noch unter ihrem Namen im American Journal of Science veröffentlicht, doch in den jährlichen Proceedings, der Sammlung von Einreichungen der AAAS-Tagungen, erschien Newton Footes Artikel nicht. Zusammenfassungen ihrer Forschung wurde zwar noch mehrfach in den Vereinigten Staaten und Europa geteilt, doch dann zum Teil ohne ihre bahnbrechende Schlussfolgerung oder gar unter dem Namen ihres Ehemanns. Nur das Magazin Scientific American erwähnte Newton Foote lobend noch einmal in seiner Ausgabe „Scientific Ladies„.

Drei Jahre später stellte John Tyndall – unter professionelleren Bedingungen – ähnliche Forschungen an, allerdings registrierte er die infrarote Wärmestrahlung, statt, wie Newton Foote es nannte, die ‚Sonneneinstrahlung‘. Im Artikel über seine Ergebnisse erwähnte Tyndall Claude Pouillet, doch nicht Eunice Newton Foote. Es ist unter den damaligen Verhältnissen durchaus möglich, dass Tyndall schlicht keine Kenntnis hatte von den Experimenten Newton Footes, denn Europa (Tyndall war Brite) wurde als Zentrum der Wissenschaft empfunden und US-amerikanische Forschungen nicht sehr beachtet. Heute gilt Tyndall allgemein als der Entdecker des Treibhauseffektes, obwohl Eunice Newton Foote diesen drei Jahre zu vor bereits beobachtet hatte.

Newton Foote veröffentlichte weitere Artikel zu anderen wissenschaftlichen Themen und entwickelte mehrere Patente. Sie starb am 30. September 1888.

Zur ihrer späten Anerkennung verhalf ihr 2010 Ray Sorenson, ein pensionierter Geologe für Erdöl, der auf sie in der 1857-Jahresausgabe der Annual Scientific Discovery stieß. Er erkannte, welche Bedeutung ihre damals untergegangene Entdeckung und Schlussfolgerung für die heutige Welt hatte, dass sie seither jedoch unerwähnt blieb. Er schrieb einen Beitrag im Online-Magazin Search and Discovery der American Association of Petroleum Geologists, der mehr Aufmerksamkeit erregte als jeder Beitrag von ihm zuvor. Acht Jahre später fand an der University of California, Santa Barbara eine Ausstellung in der Bibliothek sowie eine Vorlesung zu Eunice Newton Foote statt. Inzwischen ist ihr Name als entscheidende Mitwirkende an der Klimaforschung bekannter, wenn auch noch nicht im gleichen Atemzug wie John Tyndall.

Es greifen mehrere Gründe ineinander, warum Eunice Newton Foote ein Opfer des Matilda-Effektes wurde und ihre Erkenntnis über die klimatische Bedeutung des Kohlendioxids unterging. Wie oben beschrieben, wurden US-amerikanische Forschungen und Erkenntnisse in Europa oftmals nicht wahrgenommen oder wertgeschätzt. Ebenso hatte Newton Foote eben aufgrund ihrer Vielseitigkeit keinen Status als Expertin oder Koryphäe. Doch schon ihr Unterstützer Joseph Henry erkannte, dass auch ihr Geschlecht der Anlass war, warum männliche Wissenschaftler ihren Erkenntnissen keine Bedeutung beimaßen. Ein Artikel in der New York Times aus der Reihe Overlooked befasst sich ebenfalls mit diesen Aspekten und lässt ihre Nachfahren, zum Teil selbst Wissenschaftlerinnen in der Klimaforschung, zu Wort kommen.

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Ebenfalls diese Woche

14. Juli 1862: Florence Bascom
Die amerikanische Geologin war die erste Frau, die 1924 als Mitglied der Geological Society of America zugelassen wurde, später war sie sogar Vizepräsidentin der Gesellschaft.

15. Juli 1753: Almira Hart Lincoln Phelps
Wie es der Zufall will, ist diese Pädagogin bereits oben im Text verlinkt: Sie schrieb zahlreiche naturwissenschaftliche Lehrbücher für Schülerinnen.

15. Juli 1943: Jocelyn Bell Burnell
Gemeinsam mit ihren Kollegen Antony Hewish und Martin Ryle entdeckte die britische Radioastronomin als erste einen Pulsar, der später als Neutronenstern interpretiert wurde. Ihre Kollegen erhielten 1974 den Nobelpreis für Physik, Bell Burnell hingegen wurde nicht geehrt, was sie mit einiger Gelassenheit hinnahm (Link Englisch). 2018 gewann sie den Special Breakthrough Prize in Fundamental Physics, aus dem Preisgeld gründete sie eine Stiftung, die Stipendium für Studierende der Physik vergibt, die als Frauen, ethnische Minderheiten oder Flüchtlinge in der akademischen Welt benachteiligt sind.

19. Juli 1921: Rosalyn Sussman Yalow
Über die Trägerin des Nobelpreises für Medizin schrieb ich 2015.

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