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Marlyn Meltzer

* 1922 • † 7. Dezember 2008

Marlyn Meltzer machte mit 20 Jahren 1942 einen Universitätsabschluss an der Temple University in Philadelphia. Direkt im Anschluss fand sie eine Anstellung an der Moore School of Engineering (Link Englisch); sie konnte eine Rechenmaschine bedienen, was sie dafür qualifizierte, Berechnungen für die Wettervorhersage anzustellen. Im folgenden Jahr wechselte sie in ein Team, das für die Berechnung ballistischer Flugbahnen verantwortlich war: Meltzer wurde eine ‚Computor‘, gemeinsam mit Frances Spence, Betty Holberton, Kay McNulty, Jean Bartik und Ruth Teitelbaum; Informatikerinnen, die den ersten elektronischen turingmächtigen Universalrechner ENIAC programmierten.

Für zwei Jahre stellten die sechs Frauen alle nötigen Berechnungen von Hand an, die für die Programmierung des ENIAC nötig waren, anschließend waren sie es, die die Programmierung vornahmen; sie blieben unerwähnt, als der Computer 1946 an der University of Pennsylvania vorgestellt wurde. Marlyn Meltzer verließ kurz darauf das Projekt und heiratete, der Computer wurde zum Aberdeen Proving Ground umgezogen, wo unter anderem Maria Goeppert-Mayer mit weiterer Programmierung beauftragt wurde.

Marlyn Meltzer wurde 1997 in die Women in Technology International Hall of Fame eingeführt. Sie war ehrenamtlich tätig, unter anderem strickte sie in ihren letzten vier Lebensjahren noch mehr als 500 Chemomützen, für Menschen, die unter der Chemotherapie ihre Haare verloren haben. Sie starb am 4. Dezember 2008.

Im Dokumentarfilm Top Secret Rosies: The Female ‚Computers‘ of WWII von 2010 wird die Arbeit der Mathematikerinnen und Programmiererinnen des ENIAC gewürdigt. Dieser Artikel über die ‚Invisible Women‘ auf lifehacker.com.au befasst sich ebenfalls mit den übersehenen Frauen.

Kleopatra die Alchemistin

etwa 300 bis 400 n. Chr.

Auch diese spätantike Alchemistin lebte in Alexandria – wobei Kleopatra wahrscheinlich ein Pseudonym war, möglicherweise sogar für mehrere Autoren der Texte, die ihr zugeschrieben werden. Die Zeit und der Ort, zu denen sie wahrscheinlich lebte, machen sie mindestens zu einer Zeitgenossin von Hypatia, sie war ebenso eine Zeitgenossin oder Vorgängerin des Zosimos aus Panopolis. In ihrem Metier wird sie der Schule der Maria Prophitessa zugeschrieben. Wie letztere erwähnt Ibn an Nadīm Kleopatra als Alchemistin mit großem Respekt und Michael Maier, Autor des Atalanta fugiens von 1618, zählt die beiden zu den vier Personen, die den ‚Stein der Weisen‚ herstellen konnten – einen mythischen Stein, mit dem unter anderem unedle in edle Metalle, vor allem Gold, verwandelt werden könnten.

Drei Texte stehen in Bezug zu Kleopatra der Alchemistin – Über Gewichte und Maße, Ein Dialog der Philosophen und Kleopatra und Chrysopoeia Cleopatras. Beim Dialog handelt es sich jedoch nicht um eine von ihr geschriebenes Werk, sie kommt darin lediglich als Person vor.

Die Chrysopoeia wird bei der deutschen Wikipedia als „Handschrift“ bezeichnet, bei der englischen als „single sheet document„. In jedem Fall ist ein einzelnes Exemplar in der Biblioteca Marciana in Venedig erhalten, ein weiteres in der Bibliothek der Universität Leiden in den Niederlanden. Der griechische Titel bedeutet übersetzt „Das Gold-machen der Kleopatra“. Die Alchemistin vergleicht darin die Herstellung von Metallen mit Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt, die Beziehung der Alchemist:innen zu ihren Werken mit der einer Mutter zu ihrem Kind. Die Erneuerung und Veränderung des Lebendigen ist symbolisiert in dem Bild des Oroubouros, der Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt.

Bei dieser Zeichnung des Oroubouros im ersten Bild stehen die Worte hen to pan, Eins ist Alles. Das zweite Bild zeigt das alchemistische Gerät namens kerotakis (dessen Erfindung Maria Prophitessa zugeschrieben wird). Im Doppelring des dritten Bildes wird dieses alchemistische Axiom ausgeführt:

Eins ist die Schlange, die ihr Gift nach zwei Zusammensetzungen führt, und Eins ist Alles und durch es ist Alles, und mit ihm ist Alles, und wenn du nicht Alles hast, ist Alles Nichts.

freie Übersetzung nach dem Zitat des englischen Wikipedia-Beitrags

Darunter ist ein weiteres alchemistisches Gerät namens dibikos abgebildet. Im vierten Bild erscheint mehrfach der achtstrahlige Stern, der gemeinsam mit den Sichelformen darüber möglicherweise die Verwandlung von Blei in Gold darstellt.

Aufgrund der Inhalte der Chrysopoeia wird Kleopatra die Erfindung des Alembik zugeschrieben, einem Aufsatz für Gefäße, in dem sich bei der Erhotzung von Substanzen das Kondensat sammelt. Alchemisten verwendeten es zur Destillation, weshalb es auch Destillierhelm genannt wird. Ähnliche Aufsätze werden noch heute bei der Herstellung von alkoholischen Getränken und ätherischen Ölen verwendet.

Kleopatra die Alchemistin ist nicht zu verwechseln mit Kleopatra der Ärztin, die von Hippokrates erwähnt wird.

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Kleine Exkursion zu meiner Strickleidenschaft: Ich habe für Garne mit kurzem Farbverlauf anno dazumal ein Schalmuster entworfen, das ich Oroubouros getauft habe, denn dabei kann auch das eine Ende das andere verschlingen.

frauenfiguren oroubouros schal

41/2019: Carolee Schneemann, 12. Oktober 1939

Die New Yorker Künstlerin Carolee Schneemann setzte sich schon im College mit der unterschiedlichen wechselseitigen Wahrnehmung des männlichen und weiblichen Körpers auseinander. Vor allem die unterschiedliche Wertung der weiblichen Eigenwahrnehmung und -betrachtung durchzieht als Thema ihre Werke: Wie der weibliche Körper als Objekt (männlicher) künstlerischer Betrachtung geschätzt, aber als Subjekt der (weiblichen) künstlerischen Wahrnehmung verpönt ist – diese Diskrepanz begegnete ihr in ihrer Ausbildung und wurde zu einem Thema ihres Schaffens. (In diesem Artikel vom Observer wird dieser Sexismus der Kunst anhand eines Memes sehr schön dargestellt; die darin erwähnte Analyse von John Berger – Ways of Seeing, Episode 2 – habe ich auch gefunden und empfehle die Sichtung!)

„Eine Malerin, die Leinwand verlassen habe, um den Raum der Gegenwart und gelebte Zeit zu aktivieren“ (Quelle: Wikipedia) nannte Schneemann sich selbst. Der Wikipedia-Eintrag ist ausführlich und lädt zu einer weiteren Beschäftigung mit ihrer Kunst (und der ihrer Kollaborateure und Beeinflusser) ein. Ich möchte mich auf nur vier Werke beschränken, die mich persönlich besonders interessieren oder berühren.

Fuses (explizit) ist eine filmische Collage, in der Schneemann Bilder ihrer selbst und ihres damaligen Partners James Tenney nackt und bei sexuellen Handlungen, in nicht-chronologischem Schnitt und mit künstlerischer, analoger Bildbearbeitung – immer wieder erscheint auch ihre Katze wie ein neutraler Beobachter des Gezeigten. Angestoßen zur filmischen Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper in der Kunst und beim Sex wurde Schneemann von Stan Brakhage und dessen Window Water Baby Moving (explizit), welcher künstlerisch bearbeitet eine Geburt zeigt. Mit Fuses setzte sich Schneemann mit der Frage auseinander, ob die Darstellung des eigenen sexuellen Aktes sich von Prongraphie und klassischer Kunst unterscheidet. Obwohl das Video nicht ausgesprochen „pornographisch“ ist, wurden ihr Zügellosigkeit und narzisstischer Exhibitionismus vorgeworfen. Schneemann selbst merkte an, dass die künstlerische Bearbeitung für viele Betrachter hinter dem expliziten sexuellen Inhalt zurücktritt.

Ein Malerei-Happening, bei dem sich Schneemann in ein Geschirr hängte, um sie umgebende Wände mit Wachsmalstiften zu bemalen, ist Up to and Including Her Limits. Auch hier die Beschäftigung mit den Begrenzungen und Beschränkungen des weiblichen Körpers in der Kunst.

Von Interior Scroll gab es zwei Ausgaben. Eine erste fand auf einer Kunstausstellung namens Women Here and Now statt, zu Ehren des Jahres der Frau der Vereinten Nationen 1975. Schneemann stand unbekleidet bis auf ein Tuch und eine Schürze auf einem Tisch und las aus ihrem Buch Cézanne, she was a great painter, während sie wechselnde Posen einnahm, wie sie in Übungsklassen zum Aktzeichnen üblich sind. Nachdem sie die Schürze ausgezogen hatte, zog sie eine fortlaufende Papierrolle aus ihrer Vagina, von der sie einen Text vorlas, der aus einem ihrer Experimentalfilme stammte. Sie wiederholte diese Performance zwei Jahre später auf einem Filmfestival, zu dem Brakhage sie eingeladen hatte, namens The Erotic Woman. Aus Protest gegen diesen eingrenzenden Titel verlas dieses Mal von der Papierrolle eine Unterhaltung mit einem ungenannt bleibenden Filmkritiker (welchen sie später als die Filmkritikerin Annette Michelson enttarnte), in welcher sie für ihre „weibliche“ Kunst kritisiert wird. Sie wollte mit dieser Performance „die unsichtbare, marginalisierte und zutiefst unterdrückte Geschichte der Vulva [physikalisieren], diese mächtige Quelle des orgasmischen Vergnügens, der Geburten, der Transformation, der Mesntruation, der Mutterschaft, um zu zeigen, dass sie kein toter, unsichtbarer Ort ist“. (Quelle: Hyperallergic.com, Forty Years of Carolee Schneemann’s „Interior Scroll“)

Eine Variation dieser Veräußerung des vaginalen Inneren ist übrigens Casey Jenkins‘ Casting Of My Womb.

Mit einem jüngeren Werk stieß Schneemann wiederum auf Sensibilität: Die Bilder von Terminal Velocity entstanden wenige Monate nach dem 11. September 2001. Schneemann scannte Zeitungsfotos von neun Menschen, die aus dem World Trade Center in den Tod sprangen, und zoomte mit digitaler Technik soweit in die Bilder, dass diese als Individuen in einer verzweifelten Situation begreifbar wurden. Kritik erntete sie dafür aufgrund der Möglichkeit, dass diese Personen auf den Bildern von ihren Angehörigen erkannt werden könnten und damit Leid verursacht würde.

Carolee Schneemann starb am 6. März dieses Jahres. Deutschlandfunk Kultur führte anlässlich ihres Todes ein Interview mit Sabine Breitwieser, die Schneemanns Kunst 2015 für das Museum der Moderne in Salzburg kuratierte.

k2, p2, k2tog

frauen, die das stricken für ihre spionagetätigkeit im krieg nutzten – ein text (engl.), der mich glücklich macht.

KW 37/2013: Elsa Schiaparelli, 10. September 1890

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Ein reiner Lustbeitrag – als Grenzgängerin kann ich Elsa Schiaparelli höchstens geltend machen für ihren Flirt mit und ihren Einfluss auf die Kunst des Dadaismus.

So hat sie unter anderem mit Dalí an Kleidern gearbeitet, die in die Modegeschichte eingingen:

Elsa Schiaparelli Designs Google-Ergebnisse

Warum ich solche Lust auf sie hatte? Weil sie ihren Eintritt in die Modewelt hatte mit einem selbstgestrickten Pullover. Das legt sie mir näher ans Herz als alle anderen Kandidatinnen diese Woche, etwa Irène Joliot-Curie oder Laura Secord. Das hier ist der Pullover:

Else Schiaparelli Bowknot Sweater Google-Ergebnisse

Inspiriert davon habe ich sogar mal ein Wollkleid für meine Tochter (das leider nur sehr wenig getragen wurde):

Eigenes Design inspiriert von Elsa Schiaparelli (gestrickt)
Eigenes Design inspiriert von Elsa Schiaparelli (gestrickt)

Les tricoteuses

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wie sich die zeiten ändern und gleichen. in der französischen revolution machten sich starke und politisch engagierte frauen auf, ihren platz an vorderster front demonstrativ einzunehmen, und damit man sie an ihre früchten erkenne, hatten sie ihre nadeln dabei.
das freut nicht nur das feministinnen- sondern auch das strickerinnen-herz. und das lassen wir uns von kastrationsängstlichen patriarchen, die frauen mit einer meinung zu geifernden drachen dämonisieren, nicht madig machen. an die nadeln, mädels!

WEG MIT
§218!