Schlagwort: trans* frau

51/2023: Gila Goldstein, 18. Dezember 1947

Grabstein von Gila Goldstein, by Danny-w – Own work, CC BY-SA 3.0

Gila Goldstein kam in Turin, Italien, auf die Welt, immigrierte in früher Kindheit mit ihrer Familie nach Israel und wuchs in Haifa auf. Mit 13 Jahren verstand sie, dass sie trans* war, und begann in ihrer weiblichen Identität unter dem Namen Gila zu leben. Sie musste survival sex praktizieren – sexuelle Handlungen gegen Unterkunft, Verpflegung und Sicherheit –, überlebte auf diese Weise jedoch, bis sie 1965, mit 18 Jahren, eine geschlechtsangleichende Operation in Belgien vornehmen lassen konnte – sie war damit die erste israelische trans* Frau, die diese Operation hatte durchführen lassen, doch bereits die zweite israelische Frau, die offen trans* lebte, nach Rina Natan (Link Englisch).

Goldstein blieb in Europa und trat als (Strip-Tease-)Tänzerin auf. Erst Mitte der 1970er Jahre kehrte sie nach Israel zurück, wo sie ebenfalls als Tänzerin arbeitete, unter anderem in der Bar 51. Amos Guttman, ein schwuler israelischer Regisseur, basierte die Figur der Stripperin Apolonia Goldstein in seinem Film ‚Bar 51‚ auf Gila.

1975 war Goldstein an der Gründung der Agudah – damals noch unter dem Namen ‚Gesellschaft für den Schutz persönlicher Rechte‘ – der nationalen Organisation der LGBTQIA+Community Israels. Für ihre Arbeit im Kampf für die Rechte queerer Menschen sollte sie 2003 einen Preis gewinnen.

In den 1990er Jahren begann Goldstein ihre Karriere als Sängerin, so war sie im Club Allenby 58 fest engagiert und nahm auch einige Platten auf; zum Jahrtausendwechsel fing sie auch mit der Schauspielerei an und gewann 2005 für ihre Rolle in ‚Yeladim Tovim (Good Boys)‚ eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin beim Miami LGBT Film Festival. Fünf Jahre später erschien ein Dokumentarfilm über sie selbst: ‚That’s Gila, that’s me‚.

The Gila Project‚, eine israelische Organisation zur Unterstützung von trans* Jugendlichen, die 2011 gegründet wurde, ist nach ihr benannt; 2015 führte Goldstein die Tel Aviv Pride Parade an. Zwei Jahre später verstarb sie 70-jährig nach einem Schlaganfall, die Meldungen zu ihrem Tod bezeichneten sie teilweise mit dem männlichen Namen ‚Ilan Ronen‘ – nicht ihr deadname, sondern ein erfundener Name, den Gila sich für bürokratische Probleme ausgedacht und in den Ausweis eingetragen hatte. Ihre Familie stellte jedoch sicher, dass ihr richtiger Name – Gila Goldstein – auf ihrem Grabstein stand.

Am 4. Juni dieses Jahre widmete Google ihr ein Doodle für Zugriffe aus Israel, um an ihren bahnbrechenden Aktivismus für die LGBTQIA+Community in Israel zu erinnern.


Quelle Biografie: Wiki englisch

47/2023: Erica Malunguinho, 20. November 1981

Die Region Brasiliens, in der Erica Malunguinho geboren wurde und aufwuchs, ist geprägt von der Kultur aus Afrika nach Südamerika verschleppter Sklaven. In Recife, Hauptstadt der Provinz Pernambuco im Nordosten des Landes, machen PoC einen Großteil der Bevölkerung aus; Água Fria, der Stadtteil, in dem Malunguinhos Familie lebte, ist eine vornehmlich von Schwarzen bewohnte Nachbarschaft. Ihre Mutter war gebildet und arbeitete als Krankenpflegerin, sie sorgte auch für Ericas gute Ausbildung. Die Musik und Ästhetik des Jurema Sagrada* hatte starken Einfluss auf Malunguinhos künstlerische Entwicklung. Gleichzeitig erlebte sie nicht nur Rassismus, sondern auch Colorismus – hierarische Abwertung innerhalb der Schwarzen Gemeinschaft aufgrund dunklerer Haut.


*Jurema ist eine in Brasilien heimische Akazienart, die in diesem Kult als heilig (‚sagrada‚) gilt; der Baum liefert mit Holz und Blättern Baumaterialien, und Getränke, Aufgüsse und Salben aus seinen Bestandteilen werden für rituelle Handlungen verwendet. Die Religion vereint den Naturglauben der indigenen brasilianischen Bevölkerung mit der afrikanischen Religion der Yoruba sowie dem Katholizismus.


Nach der weiterführenden Schule ging Malunguinho nach São Paulo. Die räumliche Veränderung und das Studium der Kunstgeschichte und der Ästhetik gehörten zu einer Befreiung, bei der sie auch ihre Genderidentität erkannte und akzeptierte. Sie begann ihre Transition und wählte ihren Namen: ‚Malungo‘ ist ein Bantu-Wort, das eine*n Reisegefährt*in bezeichnet, ‚-inho‚ ist die portugiesische Verniedlichungsform.

Bereits während ihres Studiums bezog Malunguinho ein Studio im Stadtbezirk Campos Eliseos, von dem aus sie als Künstlerin in vielen Kunstformen tätig ist; im Laufe der Zeit baute sie ihr Studio zu dem Kulturzentrum ‚Aparelha Luzia‚* aus, in dem vornehmlich Schwarze Kunst, Unterhaltung und Politik zusammenkommen. Es dient als safe space für von Diskriminierung Betroffene, sowohl aufgrund der Hautfarbe wie auch der Orientierung und Identität – ein Knotenpunkt für Bildung, Austausch und gegenseitige Unterstützung, frei zugänglich für alle.


*Aparelho waren Zellen des zivilen Widerstand gegen die Militärdiktatur von 1964 bis in die 1980er Jahre; Malunguinhos Kulturzentrum versteht sich als ein solches Zentrum des zivilen Widerstands mit einer weiblichen Basis, weshalb es ‚aparelha‘ heißt. Luzia ist der Name eines der ältesten Skelette, die audf dem Kontinent gefunden wurden, ein Fossil der frühesten Einwohner Südamerikas. Den Brand des Nationalmuseums 2018 überstand zumindest der Schädel und einige Teile ihrer weiteren Überreste.(1)

Malunguinho bezeichnet das ‚Aparelha Luzia‚ auch als ein ‚quilombo‚: Dies waren, zum Teil wehrhafte, Siedlungen geflohener Sklaven in Brasilien, in denen sich eben solche Kulturen wie die der Jurema Sagrada entwickeln konnten. Malunguinho nimmt damit Bezug auf die Fähigkeit und den Willen der maroons, ihre eigene Gesellschaft nach ihrer Tradition und ihren Vorstellungen aufzubauen.


Es war die Ermordung der Politikerin Marielle Franco, die Erica Malunguinho dazu bewegte, sich aktiv politisch zu betätigen. Für die Partido Socialismo e Liberdade (Partei für Sozialismus und Freiheit) trat sie 2018, unterstützt vom Kollektiv des ‚Aparelha Luzia‚, für die Parlamentswahlen für den Bundesstaat São Paulo an und gewann einen Platz, am gleichen Tag, an dem Jair Bolsonaro zum Präsidenten des Landes gewählt wurde. (1) Sie war die erste trans* Frau, die in Brasilien in ein Parlament gewählt wurde. Ihr politisches Programm richtet sich vor allem gegen Rassismus und die Diskriminierung von Menschen in der LGBTQIA+Gemeinschaft, außerdem hat sie es sich zum Ziel gesetzt, Obdachlosigkeit zu bekämpfen, Opfern von sexueller Gewalt eine bessere Versorgung in Krankenhäusern zu ermöglichen und den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erleichtern. Malunguinho möchte dem Publikum in ihrem quilombo auch verdeutlichen, dass das Private politisch ist und dass die Bevölkerung die Politik mitgestalten kann.(1)

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Interview mit Erica Malunguinho „Queer sein in Brasilien ist ein Akt der Rebellion“

Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) The Nation

41/2023: Maddie Blaustein, 9. Oktober 1960

Maddie Blaustein kam in New York als eines von fünf Kindern zur Welt. Sie begann ihre Karriere 1980 als Redakteurin und Autorin bei Marvel Comics, 1990 schribe sie Comics für DC Comics (wer sich nicht so richtig auskennt mit Comic-Verlagen: das ist ein bisschen so wie Coca-Cola und Pepsi oder Adidas und Puma).

1994 wurde sie Production Manager und Autorin bei Milestone Media (Link Englisch), einer Tochterfirma von DC, gegründet von einer Gruppe afro-amerikanischer Comickünstler, die die Unterrepräsentation von Minderheiten in Comics beheben wollten. Hier produzierte sie, manchmal mit ihrem Partner Yves Fezzani unter dem Namen „Adam & Yves“ verzeichnet, eigene Comics, unter anderem eine limitierte Reihe namens Deathwish, in der Marisa Rahm die Hauptrolle spielt, die erste trans* Heldin in einem ‚Mainstream‘-Comic. Sie schrieb hier bald unter dem Namen ‚Addie‘ Blaustein. Von Milestone Media ging Blaustein zu Weekly World News, einer Art Satiremagazin.

Von (ca.) 2004 an war Maddie Blaustein die Stimme von Meowth/Mauzi in der animierten Pokémon-Serie, neben verschiedenen anderen Charakteren. Sie war eine Voiceover-Künstlerin, betrachtete diese Arbeit jedoch nur als eine Nebentätigkeit.(1)

Ebenfalls ab 2004 war sie als Kendra Bancroft in Second Life aktiv; insbesondere in der Democratic Republic of Neualtenburg (Link Englisch) war sie am Aufbau sowohl der virtuellen Gebäude wie auch der demokratischen Regierung beteiligt.

Maddie Blaustein starb 48-jährig nach einer kurzen Krankheit im Schlaf.


An Maddie Blaustein zeigt sich, wie wichtig die Suche nach richtigen Quellen ist. Meine erste Recherche findet immer auf Wikipedia statt; nachdem ich mich für eine Frau der Woche entschieden habe, suche ich über die Links von Wikipedia und über eine Suchmaschine weitere, tiefgehendere oder genauere Information sowie gerne Video, eigene Texte der Protagonistin etc.
Maddie Blaustein ist auf Wikipedia als inter* und trans*gender Person aufgeführt, wenn ich allerdings die Quellen durchforste, finde ich dafür keinerlei Beweise: Eine Stelle(2) behauptet es ohne Quellenangabe, eine(3) verlinkt auf einen Eintrag, in dem die verschiedenen Vornamen-Variationen von Maddie Blaustein gelistet werden – aber nichts zu einer körperlichen Grundlage für die Behauptung. In einem Q&A (das sich leider nicht verlinken lässt) bezeichnet sich Maddie selbst als trans* Frau – die Aussage, sie sei inter* lässt sich in keiner Weise verifizieren.
Da inter* Personen in der Liste stark unterrepräsentiert sind, fiel meine Wahl auf Blaustein, auch wenn ich herzlich wenig von dem verstehe, was sie in ihrer Laufbahn gemacht hat – das hat mich ja sonst auch noch nie aufgehalten. Mir ging es um die Repräsentation von inter* Menschen, die nun nach der tieferen Recherche doch nicht stattfindet. Vielleicht ein ehrlicher Fehler an irgendeiner Stelle (looking at you Wikipedia), aber Intergeschlechtlichkeit (körperliche, biologische und/oder chromosomale Merkmale sind nicht übereinstimmend) ist etwas anderes als Transgeschlechtlichkeit (körperliche, biologische und /oder chromosomale Merkmale weisen auf eine binär-geschlechtliche Zuordnung hin, die Identität – kognitiv – stimmt damit jedoch nicht überein).
Ohne ordentliche Quellenangabe werde ich Maddie Blaustein nicht als inter* verschlagworten. Für eine neue Recherche fehlen mir gerade die Ressourcen. So ist das manchmal.


Quelle Biografie: Wiki englisch
außerdem:
(1) IMDb
(2) TV Tropes
(3) Trans Resource

17/2023: April Ashley, 29. April 1935

Content Note: körperliche, sexuelle und emotionale Gewalt, Erwähnung von Suizid

„Lieber Gott, segne meinen Vater, segne meine Mutter, segne meine Geschwister und lass mich morgen als Mädchen aufwachen.“ So beschreibt April Ashley ihr allabendliches Gebet schon als Kind. Sie war eines von sechs überlebenden Kinder eines katholischen Vaters und einer protestantischen Mutter, sie hatte drei leibliche Brüder, zwei Schwestern und einen aus Bombay adoptierten Bruder. Nur ihr Vater liebte sie, doch war als Seeman wenig zugegen; ihre Geschwister lehnten sie ab und ihre Mutter ‚verabscheute‘ sie geradezu, weil sie so anders war.(Quelle: YouTube unten) Sie wurde auch von anderen Kindern in ihrer Heimatstadt Liverpool gehänselt und verprügelt.

Mit 16 Jahren konnte sie mit Hilfe einer Kundin, der sie Einkäufe auslieferte, bei der Handelsmarine anheuern. Doch dort wurde sie von ihrem Zimmergenossen schwer misshandelt und vergewaltigt; sie unternahm einen Suizidversuch und wurde daraufhin unehrenhaft entlassen, ein weiterer Versuch brachte sie in ein Psychiatrisches Krankenhaus, in dem sie Elektroschocktherapie erhielt und ihr Testosteron verabreicht wurde.

1955, mit zwanzig Jahren, konnte sie nach London ziehen und begann dort, als ‚cross dresser‚ zu leben. Einige Zeit später ging sie weiter nach Paris, wo sie unter dem Namen Toni April lebte und im Drag Cabarat ‚Le Carousel‚ auftrat, neben anderen trans*gender Künstlerinnen wie Coccinelle und Bambi. Sie bekam dort Östrogene und sah auch die Ergebnisse von Coccinelles geschlechtsangleichender Operation (CN: Fotos), woraufhin sie ihr Geld für eine eigene Operation ansparte. 1960 hatte sie die nötigen £3.000 zusammen und reiste nach Casablanca in Marokko zu Dr. Georges Burou. Dieser führte dort die von ihm entwickelte Vaginoplastik (Kolpopoese) bereits seit 1956 durch – Ashley sei seine neunte Patientin gewesen, schrieb sie später.

Die Operation war in Marokko verboten, Dr. Burou lebte und arbeitete dort diskret, seine Patientinnen kamen durch persönliche Kontakte mit anderen Patientinnen zu ihm. Zur Einschätzung der Lage (von Wikipedia): Im Jahr 1969 musste eine deutsche Patientin 10.000,-DM im Voraus zahlen, durfte dann zehn Tage später anreisen und erhielt bei der Aufklärung auch die Erklärung, wenn es tödliche Komplikationen gäbe, würe ihr Leichnam im Meer versenkt und ihr Ausweis verbrannt. (Laut DM-Euro-Rechner entspricht der Preis heutigen etwa 21.400,- €)

Ashley beschreibt die Operation als schmerzhaft, sie habe auch alle Haare verloren, doch habe sie niemals Reue gespürt, denn ‚wenn die Operation nicht gelungen wäre, hätte ich nicht weiterleben wollen‘.(Quelle: YouTube unten)

Nach der erfolgreichen Operation kehrte Ashley nach England zurück und lebte von nun an unter dem Namen April Ashley. Sie arbeitete als Mannequin und Model, unter anderem wurde sie von David Bailey für die British Vogue fotografiert. In dieser Zeit lernte sie auch ihren späteren ersten Ehemann, den ‚Honourable‚ Arthur Corbett, später 3. Baron Rowallan, kennen. Sie machte wie viele Fotomodelle auch erste Schritte in die Filmindustrie, mit einer kleinen Rolle in der Komödie ‚Der Weg nach Hong Kong‚, in der Bing Corsby, Bob Hope und Joan Collins die Hauptrollen spielten. Die Dreharbeiten wurden 1961 abgeschlossen, 1962 sollte der Film in die Kinos kommen. Kurz nach dem Dreh verkaufte jedoch ein*e ‚Freund*in‘ Ashleys Geschichte an die Presse und das Klatschmagazin ‚The Sunday People‚ outete sie noch 1961 als trans*gender. Daraufhin verlor Ashley ihre Angebote als Model und wurde aus dem Film herausgeschnitten. Zwei Jahre später heiratete sie Arthur Corbett, doch die Ehe hielt nicht lang. Getrennt und als Protagonistin eines ‚Skandals‘ konnte sie anschließend längere Zeit nicht seßhaft werden – immer, wenn ihre Geschichte in ihrem Umfeld bekannt wurde, verlor sie ihre Anstellung – unter anderem als Kellnerin und im Kunsthandel – und sie musste umziehen. Ihr Anwalt schrieb 1967 eine Unterhaltsforderung an Arthur Corbett, woraufhin dieser eine Klage einreichte, die Ehe annullieren zu lassen; dieser Fall wurde als Corbett v. Corbett zum traurigen Präzendenzfall. Dem Annullierungsantrag wurde 1970 stattgegeben, aufgrund der Tatsache, dass Ashley legal, nach ihren eingetragenen Angaben, noch als Mann galt – eine Tatsache, die Arthur Corbett bei der Eheschließung durchaus bewusst war.

April Ashley arbeitete in den 1970er Jahren als Empfangsdame in einem Londoner Restaurant, das sich von ihrer Geschichte mehr Zulauf von Gästen erhoffte. Die Situation führte dazu, dass Ashley vermehrt Alkohol trank, was auf lange Sicht zu gesundheitlichen Problemen bis hin zum Herzinfarkt führte. Sie heiratete ein weiteres Mal, doch auch diese Ehe endete in Scheidung, wenn auch freundschaftlich. 1982 schrieb sie gemeinsam mit einem britischen Journalisten ihre Autobiografie.

In den 1990er und 2000er Jahren versuchte Ashley mehrfach vergeblich, eine Änderung ihres Geschlechtseintrages zu erreichen und somit auch legal als Frau anerkannt zu werden, doch dies gelang ihr erst 2005 – mit 70 Jahren, 45 Jahre nach ihrer geschlechtsangleichenden Operation – nachdem das Vereinigte Königreich den Gender Recognition Act (Link Englisch) umgesetzt hatte. Sie erhielt daraufhin eine geänderte Geburtsurkunde und einen korrigierten Geschlechtseintrag in ihren persönlichen Daten. Im Folgejahr veröffentlichte Ashley eine Neuauflage ihrer Autobiografie mit einigen neuen Anekdoten, doch diese wurde wegen zu großer Übereinstimmung mit ihrer ersten Biografie – an der ein anderer Autor mitgewirkt hatte – aufgrund von Plagiarismus zurückgezogen.

Ashley verlebte den Rest ihres Lebens in Fulham als trans*gender Ikone der britischen LGBTQIA+-Community, sie verstarb im Dezember 2021 mit 86 Jahren.


Interview mit April Ashley in ‚Good Afternoon‘ (CN: Biologismus, Diskussion der ‚Toilettenfrage‘, Gefahren der Inhaftierung, körperliche und sexualisierte Gewalt u.a. gegen Kinder, Suizid – in leichtem Konversationston)
Sequenz über April Ashley in ‚What Am I?‘ (CN: verbale Transphobie)
Ausschnitt aus April Ashleys Auftritt bei ‚Loose Women‘ (CN: Deannaming, Fotografie von Ashley als Jugendliche/misgendert, emotionale Gewalt gegen Kinder, Suizidalität)

Quelle: Wiki deutsch | Wiki englisch

13/2023: Mykki Blanco, 2. April 1986

Mykki Blanko kam als ein Kind der Quattelbaum-Familie zur Welt, ihr Vater, ein afroamerikanischer Jude, beendete seine Tätigkeit als IT-Spezialist, um als Medium zu arbeiten, ihre Mutter war eine Rechtsanwaltsfachangestellte; die Eltern trennten sich, als Mykki zwei Jahre alt war, und sie lebte anschließend bei ihren Großeltern väterlicherseits in Kalifornien. Nach einem Umzug nach North Carolina floh sie mit 16 Jahren aus dem Familienheim nach New York City. Es folgte eine Zeit wechselnder Wohnsitze und zweier begonnener Ausbildungen. Für ein Studium an der School of the Art Institute Chicago erhielt Blanko ein Stipendium, beendete es jedoch nach zwei Semestern, auch ein Studium an der Parsons School of Design beendete sie nicht.

Ihre heutige Karriere begann mit der Veröffentlichung ihres Gedichtbandes From the Silence of Duchamp to the Noise of the Boy 2011, im Folgejahr erschien ihr erstes musikalisches Werk, die EP Mykki Blanko and the Mutant Angels. Bis zu ihrem ersten ausgewachsenen Album im Jahr 2016 – Mykki – war sie auf diversen Mixtapes und anderen Kooperationen vertreten, unter anderem mit Kanye West auf dessen unveröffentlichten Album Yandhi.

Den Namen Mykki Blanko wählte die geborene Quattelbaum zum ersten Mal 2010 für eine Persona, die sie für YouTube-Clips annahm. Der Name ist inspiriert von Lil‘ Kims Alter Ego Kimmy Blanko, die Blanko auch als künstlerischen Einfluss nennt; weiter nennt sie so unterschiedliche andere Einflüsse wie GG Allin, Jean Cocteau, Kathleen Hanna, Lauryn Hill, Rihanna, Marilyn Manson und Anaïs Nin. Auch wenn sie als Mykki Blanko anfangs vor allem in Hiphop-Videos auftrat, in denen sie auch in ihrer männlichen Persona zu sehen war, wollte sie nie als ‚Drag artist‘ oder ‚transvestite rapper‚ wahrgenommen werden. Auch auf ‚gay/queer rap‚ wollte sie sich nicht festlegen, da sie ihren künstlerischen Hintergrund vielmehr im Dadismus und dem Riot Grrrl Punk verortet. In einer Titelstory der Village Voice über sie mit der Überschrift ‚GenderNinja‚ von 2013 positioniert sie sich als Feministin, jedoch noch nicht als trans* Frau – sie spricht stattdessen über die Fluidität von Gender und über die Möglichkeit, mittels Accessoirs und Kleidung Gender zu performen.

Nach ihren frühen Erfolgen als Musikerin ging sie 2015 bewusst das Risiko ein, ihren HIV-positiven Status auf FaceBook zu veröffentlichen. Für den Fall, dass dies ihre Musikkarriere beenden würde, hatte sie bereits einen Wechsel in den Journalismus ins Auge gefasst, doch die Reaktion ihrer Fans war so unterstützend, dass sie doch ihre künstlerische Arbeit fortsetzte.

Seit 2019 identifiziert Mykki Blanko sich als trans* Frau mit den Pronomen sie/ihr und they/them; wie sie in ihrem Corona-Lockdown-Tagebuch schreibt, hat sie auch eine geschlechtsangleichende Hormontherapie begonnen. In den vergangenen zwei Jahren war sie künstlerisch sehr aktiv und brachte zwei ALben heraus: 2021 Broken Hearts and Beauty Sleep, 2022 folgte bereits Stay Close to Music, das hier im Rolling Stone besprochen wurde. Auf dem Album sind diverse Gastkünstler*innen vertreten, wie Michael Stipe von R.E.M. und Jónsi von Sigur Rós.

Mykki Blanko: Family Ties ft. Michael Stipe
Mykki Blanko: Carry On ft. Jónsi

Quelle Biografie: Wiki englisch

11/2023: Diane Marie Rodríguez Zambrano, 16. März 1982

Foto von Diane Rodríguez im Profil vor einem Regenschirm in Regenbogenfarben; sie hat langes, lockiges schwarzes Haar und trägt ein Tanktop unter einer offenen weißen Bluse
Personas transexuales en la sociedad /15 de enero del 2014 Guayaquil – Ecuador / Lissette Quezada / EXPRESO By Casitti – Own work, Public Domain

Diane Rodríguez floh mit 16 Jahren aus ihrem Elternhaus und arbeitete zunächst als Prostituierte in Guayaquil. Schon früh begann sie jedoch auch, sich in verschiedenen ecuadorianischen Organisationen für die Rechte Homosexueller einzusetzen. Eine Initiative namens „Future Community„, die sich besonders mit Geschlechtsidentität in Abgrenzung zur sexuellen Orientierung befasste, scheiterte leider 2006 nach sechs Monaten an ‚gaytriarchy‚, wie Rodríguez es später nennen sollte.

Rodríguez studierte schließlich Psychologie und arbeitete zur Finanzierung ihres Studiums in Hotels. Nachdem sie zum wiederholten Mal aus einer Stelle entlassen wurde – sie war am Tag zuvor als Frau auf einer öffentlichen Veranstaltung für die Rechte Homosexueller aufgetreten, während sie im Hotel als Mann beschäftigt wurde – klagte sie gegen ihren Arbeitgeber wegen Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. In Ecuador war schon 1998 ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Homosexuellen erlassen worden (das jedoch noch nicht unterschiedliche Geschlechtsidentitäten berücksichtigte), doch Rodríguez‘ Fall stellte einen Präzendenzfall dar als darauf basierende Klage einer Privatperson gegen ein Unternehmen. Ihr Ziel war die Wiedereinstellung – als Frau. Dem stand entgegen, dass es ihr nicht möglich war, ihren Namen und Personenstand zu ändern, obwohl sie inzwischen als Frau lebte. Aufgrund dieses Missstandes startete Rodríguez die Kampagne „Frauennamen für Frauen“ und stritt juristisch um die Möglichkeit, ihre persönlichen Daten der Realität anpassen zu dürfen. In dieser Zeit gründete sie auch ihre Organisation für die Rechte von trans*gender Personen Silueta X (Link Spanisch). Ihr wurde in der zweiten Instanz Recht gegeben, und so erhielt Ecuador 2009 eine Gesetzesänderung, die es trans* und inter* Personen ermöglichte, ihren Namen und den Geschlechtseintrag in ihren Daten ändern zu lassen.

Da es sich abzeichnete, wie erfolgreich sie politisch arbeitete, stellte sie sich 2013 als erste trans* Person zur Wahl in die ecuadorianische Nationalversammlung. In diesem Jahr wurde sie noch nicht gewählt, doch der damalige ecuadorianische Präsident Rafael Correa zeigte sich auf Twitter offen bewundernd für ihre Tätigkeit; später folgte daraus sogar ein öffentliches Treffen von Rodríguez mit dem Präsidenten, das einen großen Schritt für die Sichtbarkeit von trans* Personen in Ecuador bedeutete.

International wurde auch die Elternschaft ihres ersten Kindes beachtet, das ihr Ehemann, Fernando Machado, 2015 austrug; 2017 schließlich wurde sie als erste trans* Person in die Nationalversammlung gewählt.

Ihre Motiviation, sich für die Rechte ihrer trans* Mitmenschen einzusetzen, erklärt sie mit ihrer eigenen Erfahrung: Sie habe sich früher selbst für einen schwulen Mann gehalten, weil sie nicht wusste, dass es trans*gender Personen gibt – doch in der Gemeinschaft der schwulen Männer fühlte sie sich auch nicht ‚richtig‘, da ihr Erleben der eigenen Identität und der sexuellen Anziehung zu Männern anders war als das schwuler Männer. Ihr Ziel war und ist es, die Existenz von trans* Personen sichtbar zu machen und soziale Akzeptanz zu erreichen – und zwar soweit, dass diese ein völlig normales Leben führen können, ohne in der Gesellschaft etwas Außergewöhnliches zu sein(3). Sie setzt sich jedoch auch allgemein gegen Diskriminierung und für Menschenrechte ein, so auch für Frauenrechte wie für die Rechte ecuadorianischer Indigener und Afro-Ecuadorianer.

Ihre Klage auf Wiedereinstellung im Hotel wurde nie abgeschlossen. Ihr Studium der Psychologie hat sie erfolgreich abgeschlossen.

Ich entschuldige mich für alle Unklarheiten in der Chronologie oder der Sprache. Der deutsche Beitrag auf Wikipedia ist sehr kurz und der englische leider eine enthusiastische, aber sprachlich schwache Übersetzung des spanischen Beitrags. Mein Spanisch ist schlecht und eingerostet.
Front Line Defenders: Diane Rodríguez Vorstellung als Finalistin für den FLD Award 2015
Beitrag von teleSUR über Diane Rodríguez

BBC Video zur Elternschaft von Diane Zambrano und Fernando Machado (CN: deadnaming, Thematisierung der Kindzeugung und Geschlechtsorgane; Link Englisch)


Quelle Biografie: (1) Wiki deutsch | Wiki englisch
außerdem:
(2) NBC News (CN: deadnaming; Link Englisch)
(3) Frontline Defenders (CN: deadnaming; Link Englisch)

46/2019: Wendy Carlos, 14. November 1939

Wendy Carlos wurde in eine Arbeiterfamilie mit musikalischem Talent geboren, ihre Mutter spielte Klavier und sang, ein Onkel spielte Posaune. Wendy selbst lernte das Klavierspiel und kompinierte mit sechs Jahren ihr erstes Stück. Gleichzeitig interessierte sie sich für die frühe Informatik, mit vierzehn gewann sie ein Stipendium, indem sie eigenhändig einen Computer baute. Mit 23 machte sie einen ersten Abschluß in Physik und Musik an der Brown University und ging anschließend and die Columbia University, wo sie ihren Master in Komposition machte. Während des Studiums schrieb sie bereits die Musik für einige Studentenfilme und assistierte Leonard Bernstein während eines Abends für elektronische Musik in der David Geffen Hall. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete sie in einem Tonstudio.

In dieser Zeit traf sie zwei Menschen, mit denen sie erfolgreich zusammenarbeiten sollte. Robert Moog hatte sich bereits mehrere Jahre mit Thereminen und elektronischer Klangerstellung befasst (Höhepunkt seines Lebens soll es gewesen sein, das Theremin von Clara Rockmore reparieren zu dürfen). Moog hatte mit der Konstruktion seines Synthesizers begonnen, Wendy Carlos assistierte ihm und machte ihm hilfreiche Vorschläge. Sie komponierte Werbejingles und nahm Soundeffekte auf der Moog auf, für eine Veröffentlichung, in der sie die technischen Möglichkeiten des neuartigen Instruments vorstellte, wurde sie zu großen Teilen in Materialien von Moog entlohnt.

Für einen Einblick in die Geschichte und technische Komplexität des Moog Synthesizers empfehle ich das unten geteilte Video (Englisch).

Die andere langjährige Freundschaft und musikalische Partnerschaft, die Wendy Carlos während ihrer Zeit an der Columbia University begründete, war die zu Rachel Elkind. Die beiden teilten eine Wohnung, ein Studio und Geschäftsräume und arbeiteten gemeinsam an Carlos‘ Musik, bis Elkind 1980 mit ihrem Mann nach Frankreich zog. Elkind war die Stimme, die Carlos für ihre Arbeiten in ihrem Vocoder verfremdete; Carlos war stets der Ansicht, dass Elkinds Beitrag zu ihrer Musik unterschätzt wurde.

Bereits 1967 entstand die Idee, Kompositionen von Johann Sebastian Bach auf einem Synthesizer zu spielen. Dank eines Labels, das eine Verkaufskampagne unter dem Slogan „Bach to Rock“ gestartet hatte, ohne Bach in seinem Programm zu führen, kamen Carlos und Elkind mit dieser Idee zu einem Vertrag, der bis in die 1980er laufen sollte. Die Umsetzung war mit großer Mühe verbunden, da ein Moog Synthesizer stets nur einen Ton zur Zeit spielen konnte – wer erstens die Kompositionen von Bach und zweitens die Technik der Moog Synthesizer kennt (siehe Video oben), bekommt einen Begriff davon, was diese Aufgabe bedeutete. Als das Album Switched-on Bach schließlich 1968 auf den Markt kam, wurde es ein unerwarteter Erfolg. Es hielt sich auf Platz Eins der klassischen Alben in den Vereinigten Staaten von Januar 1969 bis Januas 1972. 1970 gewann es einen Grammy Award, vor allem aber rückte es den Synthesizer als ernstzunehmendes Instrument in ein neues Licht. Der Erfolg des Albums ermöglichte Carlos den Umzug in Elkinds Appartment in New York City.

Nach dem Bach-Album erhielt Carlos zwei Angebote für Filmmusik, eines davon 1971 der Soundtrack zu Stanley Kubricks Uhrwerk Orange. Aus dieser Arbeit gingen zwei Alben hervor, das Soundtrack-Album zum Film sowie eine Veröffentlichung Carlos‘ mit von ihr komponierten Stücken, die nicht im Film verwendet wurden. 1980 arbeitete Carlos wieder mit Kubrick zusammen, für die Musik zu Shining. Obwohl Carlos hierfür einige Stücke komponierte, nutzte Kubrick nur zwei, die Carlos und Elkind zugeordnet werden können.

Nachdem Elkind nach Frankreich gegangen war, schloß sich Carlos wiederum privat und beruflich mit einer Frau zusammen, Annemarie Franklin. Mit ihr gemeinsam entstand zwischen 1980 und 1982 der Soundtrack zu Tron. Im Anschluss an diese dritte Arbeit mit großen Unternehmen ging Carlos einen Vertrag mit einem kleinen Musiklabel ein, um eigene Projekte zu verfolgen. Schon zwischen den publikumsträchtigen Arbeiten am Film hatte sie verschiedene klassische Werke als elektronische Interpretation veröffentlicht, unter anderem basierend auf Bachs Wohltemperiertem Klavier. In den 1980er Jahren experimentierte Carlos nun selbst mit Intonation, Oktaven und Stimmungen, was in in vier mikrotonalen Tonleitern resultierte, die Carlos Harmonisch, Alpha, Beta und Gamma nannte. Diese verwendete sie auf ihrem Album mit eigenen Kompositionen, The Beauty in the Beast.

Eine ziemlich atemlose, aber faszinierende Erläuterung dieses musiktheoretischen Aspekts von Wendy Carlos‘ Werk liefert das folgende Video.

1988 schuf Carlos eine Parodie von Prokofjews Peter und der Wolf in Zusammenarbeit mit Weird Al Yankovic. Auch in den 1990er Jahre und bis heute blieb Carlos in der elektronischen Musik tätig, schrieb Filmmusiken und veröffentlichte weitere Alben.

Bei ihrer Geburt wurde Wendy Carlos aufgrund der Physiognomie das männliche Geschlecht zugewiesen (AMAB) und sie wurde Walter genannt (diesen alten Namen, der das zugewiesende Geschlecht ausweist, bezeichnen trans*Personen als dead name). Schon mit sechs Jahren empfand sie diese Zuschreibung als fehlerhaft. Als sie als junger Mensch nach New York kam, hörte sie zum ersten Mal von transgender*Identität, 1968 begann sie nach einer Therapie bei Harry Benjamin mit Hormongaben zur Geschlechtsumwandlung. Doch noch bis in die 1970er Jahre litt sie unter Geschlechtsdysphorie, trat nicht gerne öffentlich auf und versuchte ihre weiblichen Merkmale bei großen Veranstaltungen zu kaschieren. Der kommerzielle Erfolg von Switched-on Bach erlaubte ihr die kostspielige chirurgische Geschlechtsangleichung. Ende der 1970 machte Carlos ihre trans*Identität in Interviews im Fernsehen und dem Playboy bekannt. Sie stellte fest, dass die Reaktion der Öffentlichkeit weniger negativ ausfiel als befürchtet, bishin zur Gleichgültigkeit – ihr „Versteckspiel“ habe sich als monströse Zeitverschwendung herausgestellt, bemerkte sie 1985 (Quelle: Wikipedia).

Wie auch die oben geteilten Clips kommentiert auch das zeitgenössische Video des BBC Two von 1989 ihre trans*Identität in keiner Weise. So einfach kann es sein.

Ihr Privileg als erfolgreiche weiße Künstlerin spielt bei dieser Erfahrung mit Sicherheit eine Rolle. Gewalttaten gegen trans Personen, insbesondere schwarze trans Frauen, werden noch immer zu häufig begangen und noch immer zu häufig werden die Opfer medial falsch gegendert und die Transphobie als Motiv verschwiegen. Dazu führt die Human Rights Campaign eine jährliche Liste und auch bei uns nehmen Gewalttaten gegen Queerfolk zu. In der Gesellschaft ist weder das Verständnis noch die Akzeptanz von trans Identität so angekommen, wie es wünschenswert wäre. Gerade saß etwa Diana O. – vom Gesetz offiziell als Frau anerkannt – bis Anfang November in einem Männergefängnis ein. Sie wurde wegen Verdachtes auf Drogenbesitz festgenommen, ihre Papier weisen sie als Frau aus, doch weil sie (noch) keine geschlechtsangleichende Operation des Unterleibs hat durchführen lassen, wurde sie in U-Haft in der Männerabteilung festgehalten.

Es war ein schöner Zufall, dass ich Wendy Carlos als Musikerin, die auch meine Kindheit mit beeinflusst hat (Switched-on Bach stand im elterlichen Plattenregal und gehörte zu meinen Favoriten), gerade während der Transgender Awareness Week vorstellen konnte. Ihr Werk als Künstlerin steht im Vordergrund, doch ist ein willkommener Anlass, auf die Tatsache hinzuweisen, dass trans Identität keine Modeerscheinung der heutigen Jugend ist, sondern zur Geschichte der Menschheit – und zur Kunstgeschichte – gehört.

02/2018

1. Februar 1972: Leymah Gbowee
Leymah Gbowee war 17 Jahre alt, als in ihrer Heimat der Erste liberianische Bürgerkrieg ausbrach. Zunächst arbeitete sie als Sozialarbeiterin mit Kindern und Jugendlichen in der Hauptstadt Monrovia. Von ihrer folgenden Tätigkeit beim Gesundheitsministerium stieg sie auf zur Programm-Koordinatorin bei der Aktion „Women in Peacebuilding“; in dieser Funktion organisierte sie die gewaltfreien Proteste der Bewegung Women of Liberia Mass Action for Peace gegen die andauernden kriegerischen Zustände im Land. Die Frauen versammelten sich hierfür, weiß gekleidet, für gemeinsame Gebete und Gesänge.
In einem medienwirksamen Aufruf zitierte sie auch das Lysistrata-Thema und forderte die liberianischen Frauen zu einem Sex-Streik auf, bis die Männer endlich den Gewalttätigkeiten ein Ende setzen würden.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges war Gbowee designiertes Mitglied der Wahrheit und Versöhnung in Liberia. Anschließend arbeitete sie, schließlich als Executive Director, im Women Peace and Security Network Africa.
2011 erhielt sie gemeinsam mit ihrer Landsmännin Ellen Johnson Sirleaf und Tawwakkol Karman (s.u.) den Friedensnobelpreis.

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2. Februar 1929: Vera Chytilovà (honorable mention wegen meiner Sedmikrásky-Rezension)

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2. Feburar 1972: Dana International
DIe israelische Sängerin wurde als Yaron Cohen geboren (assigned male at birth) und wollte schon mit 8 Jahren Sängerin werden, inspiriert von Ofra Hazas Auftritt beim Eurovision Song Context 1983. Seit ihrem 13. Lebensjahr lebt sie als transgender Frau.
Sie gewann 1998 mit dem Song „Diva“ den Eurovision Song Contest, gegen den Widerstand einiger streng religiöser Gruppen in Israel, die einen konservativeren Vertreter ihres Landes lieber gesehen hätten.

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7. Februar 1979: Tawwakkol Karman
Die Tochter des Justizministers unter dem jemenitischen Präsidenten Salih war familiär auf politisches Interesse geprägt. Bereits ihr Vater hielt nicht mit Kritik an der Regierung zurück. Karman wurde zunächst Journalistin und beschäftigte sich als solche kritisch mit Kinderehen im Jemen. Sie war Mitbegründerin und Leiterin der Vereinigung Journalistinnen ohne Ketten (Women Journalists Without Chains, WJWC), setzte sich für Frauenquoten und gegen den traditionellen Gesichtsschleier ein.
Nachdem sie der jemenitischen Regierung schon seit 2006 mit einem regiekritischen SMS-Nachrichtendienst negativ aufgefallen war, organisierte sie im Aufkommen des arabischen Frühlings Studentendemonstrationen gegen Salih. Als sie verhaftet wurde, kam es zu Massenprotesten und sie wurde rasch wieder freigesetzt, nur um später wieder inhaftiert zu werden, nachdem sie am 3. Februar den „Tag des Zorns“ ausgerufen hatte.
2011 wurde Tawwakkol Karman die erste Frau aus dem arabischen Raum und mit 32 Jahren die jüngste Frau, der der Friedensnobelpreis verliehen wurde, gemeinsam mit Leymah Gbowee und Ellen Johnson Sirleaf.

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12. Februar 1905: Federica Montseny (honorable mention wegen meiner eigenen politischen Neigung)

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14. Februar 1964: Patricia Acioli
Acioli war eine brasilianische Richterin, die sich besonders mit Korruption in der Polizei befasste. Sie wurde am 11. August 2011 vor ihrem Haus von zwei Männern mit mindestens 16 Schüssen ermordet.
Am 30. Januar 2013 wurden drei Polizisten zu jeweils über zwanzig Jahren Haft für die Tat verurteilt; sie hatten Ermittlungen gegen sich selbst verhindern wollen.

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19. Februar 1986: Marta
Die fünfmalige Weltfußballerin (2006-2010) begann mit 14 Jahren gegen den Willen ihrer Familie mit dem Spielen. Mit 18 wechselte sie von einem Verein in Rio de Janeiro zu Umeå in Schweden. Dort spielte sie von 2004 bis 2008, dann führte sie ihr Weg unter anderem nach Los Angeles, New York und später zurück nach Schweden. Inzwischen spielt sie für Orlando Pride.
Die flexible Stürmerin ist dribbelstark und schafft die Balance zwischen eigener Torgefährlichkeit und dem mannschaftsdienlichen Spiel.

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24. Februar 1942: Gayatri Chakravorty Spivak
Die indische Sprach- und Literaturwissenschaftlerin wurde in den 1970ern bekannt durch ihre Übersetzung, aus dem Französische ins Englische, der Sprachtheorie „De la grammatologie“ von Jacques Derrida.
Sie war in Indien geboren und hatte an der Universität in Kalkutta einen Abschluss gemacht, um anschließend unter großen finanziellen Opfern in England zunächst Englische Literatur, dann Vergleichende Literaturwissenschaften zu studieren. Nachdem sie einige ihren Unterhalt als Englischlehrerin verdient hatte, wurde sie Assistant Professor in Iowa und machte gleichzeitig ihre englischen Universitätsabschlüsse zur Literatur Yeats‘.
In den 1980ern schloss sie sich dem Subaltern Studies Collective an, das sich mit der postkolonialen Welt und Perspektiven der Marginalisierten befasst. Spivak als Dekonstruktivistin kritisiert den Ethnozentrismus und arbeitet heraus, wie die Marginalisierten durch die „Wissensproduktion“ der westlichen Intellektuellen sprachlos oder ungehört und unverstanden bleiben. Sie verweist außerdem darauf, wie Privilegien im postkolonialen System die Privilegierten selbst von neuem Wissen abgehalten werden: „Unlearning one’s privileges as one’s loss.“ Kritisches Hinterfragen der eigenen Positionen und Glaubenssätze kann das Mittel sein, als Privilegierter das herrschende System zu überwinden.
Pivak prägte auch den Begriff des „strategischen Essentialismus“ mit, der die Idee bezeichnet, breit differenzierte Ziele unterschiedlicher Gruppen innerhalb einer Bewegung für ein generelles gemeinsames Ziel zeitweise hintanzustellen, um einen strategischen Vorteil aus der vereinten Schubkraft zu gewinnen.

WEG MIT
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