KW 16/2013: Mina Benson Hubbard, 15. April 1870

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Mina Benson Hubbard ist eine dieser Frauen, wie ich sie im Sinn hatte, als ich mir für dieses Kalenderjahr „Grenzgängerinnen“ zum Thema setzte. Nachdem ihr Mann auf einer Expedition durch Labrador verhungerte und obendrein von einem Überlebenden der Expedition quasi allein verantwortlich für das Scheitern gemacht wurde, machte sich Madame Benson Hubbard mit einem anderen Überlebenden der Expedition, wohlausgestatteten Vorräten und einem eisernen Willen daran, die Expedition erneut und erfolgreich durchzuführen. Das Rennen gegen den Schmäher gewann sie mit ihrer Ankunft an der Mündung des George River um sechs Wochen.

Was an Mina Benson Hubbard und Frauen ihres Schlages erkennbar wird: Wie arbiträr und überwindbar die tradierten Rollenmodelle und die ihnen zu Grunde liegenden Klischees sind. Angefangen beim Mythos vom schwachen Geschlecht, über die angeblich mangelnden Fähigkeiten bis hin zu den gesellschaftlichen Hürden für eine Frau, sich als Leiterin einer Expedition quasi allein – soll heißen: ohne Ehemann als Grund und Begleitung – in die Wildnis aufzumachen. Alles Humbug und kein Hindernis, das zu tun, was sie sich in den Kopf gesetzt hat.

Sicher gehört dazu, dass schon dem Mädchen Mina ein Selbstbewusstsein gestattet wurde, das es ihr als Frau ermöglichte, ihren Willen durchzusetzen. Wahrscheinlich begründet in der reinen Notwendigkeit, dass zu damaligen Zeiten in den weniger priviligierten Schichten der Gesellschaft auch weibliche Kinder so rasch wie möglich zu den Einkünften der Familie beitragen mussten bzw. nicht auf einen Ehemann warten konnten, um die Eltern von der finanziellen Bürde zu befreien. Einem Mädchen zu sagen, dass es dieses oder jenes nicht könne, weil es ein Mädchen ist oder es allein in der Hoffnung auf einen „guten Fang“ zum reinen Ansichtsobjekt zu erziehen, widersprach schlicht den ökonomischen Bedürfnissen. (Ja, ich spiele damit darauf an, dass wir uns offenbar derzeit in einer Wohlstandsgesellschaft befinden, die es sich leisten kann, der Hälfte seiner Bevölkerung zu vermitteln, dass sie a) begrenzte Möglichkeiten der Berufswahl hat und b) Erfolg sich in der Erlangung klar umrissener Ziele in der äußeren Erscheinung bemisst. Ich erinnere mich dunkel an eine Analye, die darlegte, dass der Trend, Frauen auf die drei großen K zu beschränken, ganz klar mit der Lage der Wirtschaft verbunden ist. Von daher muss man sich fast wünschen, dass es uns in Zukunft lieber wieder etwas schlechter gehen sollte…)

4 Comments

Belinde / Schspin

Vielen Dank für die Anregung! Gerne möchte ich ein paar interessante Links zu dieser noch interessanteren Frau ergänzen, die ich ausgelöst durch Deinen Insta-Post zu ihr entdeckt habe:

Laut kanadischen Quellen ging es ihr nicht um eine Durchquerung Labradors (so steht es in der dt. Wiki, in der engl. nicht) sondern um die Erforschung des letzten noch nicht kartierten Gebiets von Ostkanada. „This was the time when no white people had been in the interior of Labrador, and no one had ever met the Naskapi First Nation People. Mina has witnessed a caribou migration and took photos of them.“ (https://discover.hubpages.com/education/First-Lady-of-Labrador-Canada) Und: „Though she was neither an experienced wilderness traveller nor a geographer, her well-planned expedition was completed in record time and she compiled a valuable set of observations. Hubbard’s photographs represented the first such record of the interior landscape and its people, the Innu. Her map of the region’s rivers and lakes, published in 1906, was the basis for official maps of North America for decades.“ ( https://parks.canada.ca/culture/designation/personnage-person/mina-benson-hubbard-ellis) Besonders finde ich das hier zu ihrem Buch über die Expedition: „Instead of focusing on themes of endurance and contest, her written work reveals an openness to the perspectives and opinions of her Indigenous and Métis four-man crew.“ -. Also wirklich eine bemerkenswerte Frau. Und wohl der erste Mensch der das alles erreicht hat, egal ob Frau oder Mann, weiß oder indigen. Nochmals Danke für die Anregung!

LeenaMPeters

Und ich danke dir nochmals für das Interesse und die Nachverfolgung/Anfügungen!
Sie als ‚erste Frau‘ zu benennen, finde ich noch immer wichtig, da zum Einen ihr Ehemann vor ihr scheiterte und sie einen männlichen Konkurrenten ausstach, und sie all dies zu einer Zeit schaffte, in der es noch lange nicht gesellschaftlich akzeptiert und ’normal‘ war, dass Frauen derartige Unternehmungen überhaupt antraten. Sie klar als ‚erste Frau‘ zu bezeichnen, hebt hervor, welche Hürden sie im Vergleich zu ihren männlichen Zeitgenossen überwinden musste. Gleichzeitig wissen wir, dass in der Gegend, von der die Rede ist, vorher bereits seit Langem Indigene lebten, unter diesen auch Frauen, die möglicherweise durchaus schon weit vorher das gleiche Gebiet durchschritten haben. Benson Hubbard als ‚weiße Frau‘ zu benennen, weist zum Einen auf ihren Status als weiße Kolonialistin als solche hin und gleichzeitig auf die Möglichkeit, dass die gleiche Leistung bereits von anderen vor ihr erbracht wurde. Ich persönlich finde diese Verweise immer wichtig, da Kulturen außerhalb unserer weißen, kolonialistischen Gesellschaft durchaus Errungenschaften vorzuweisen hatten, wir diese jedoch mangels ‚klassischer‘ Dokumentation – oder auch aufgrund der Vernichtung dieser Kulturen und ihrer Dokumente – nicht vollständig überblicken.
Im Prinzip halte ich die Bezeichnung ‚erste weiße Frau‘ für die korrekte Repräsentation von Mina Benson Hubbards‘ Privilegien-Status.

Belinde / Schspin

Es ging ihr nicht um „Durchqueren“ oder „Durchschreiten“, sondern um die Erkundung und Kartierung des Gebiets. Wenn das jemand vorher gemacht hätte – ein/e Indigene/r – dann wären diese Zeugnisse vermutlich bis heute gefunden worden.
Zu sagen „erste Frau“ suggeriert in der Regel, dass etwas vorher schon Männer gemacht hatten (erste Frau, die einen Marathon lief, erste Frau im Weltall, erste Regierungschefin). Aber vor ihr hatte das noch niemand gemacht. Deshalb „erster Mensch“. So wie ich die Quellen lese ging es ihr auch nicht um einen Wettkampf mit einem Konkurrenten sondern um die Arbeit ihres Mannes an sich, die sie vollenden wollte und vermutlich noch wesentlich erweitert hat. Einen „Wettkampf“ haben wohl eher die Medien daraus gemacht.
Den Fokus auf ihren Status als „weiße Kolonialistin“ zu betonen und nicht zu erwähnen, dass sie Indigene wohl auf Augenhöhe behandelt hat und als Quelle von Wissen ist mMn etwas einseitig.
Ich verstehe, dass Du das anders siehst bzw. andere Quellen hast oder diese anders interpretierst. Kein Problem, auf jeden Fall eine interessante Frau.

LeenaMPeters

Ich verstehe deine Einwände, muss aber sagen, dass die Formulierung – auch wenn ich sie noch immer als konkret verteidigen würde – auch schlicht tagesformabhängig sein kann. Vielleicht würde ich heute/hätte ich an einem anderen Tag von der ‚ersten weißen Person‘ schreiben/geschrieben. Das sehe ich als mein Vorrecht als die eine Person, die hierfür die Frauen zusammensucht und die Texte schreibt; hier bin nur ich mir selbst Rechenschaft schuldig, denke ich.
Die Tatsache, dass sie nach den Quellen und eigenen Angaben auf Augenhöhe mit Indigenen umging, verändert ja nichts an der Tatsache, dass sie den Status einer Kolonialistin hatte. Sie gehörte zur eindringenden Kultur, das als Tatsache zu erwähnen, wertet sie oder ihre Taten in keiner Weise ab. Und um zu kartografieren, durchquerte sie das Gebiet als erste weiße Person (bitte schön! :D); dass wir heute unbedingt alle Zeugnisse der indigenen Kulturen noch finden oder in gleicher Weise wie ihre Dokumentation in Händen halten können müssten, halte ich allerdings für nicht so zwingend.

Schlussendlich soll’s mir recht sein, wenn die Wortklauberei zu mehr Wissen führt. 🙂

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